Korneaerosion

Zusammenfassung

  • Definition:Verletzung des oberflächlichen Hornhautepithels.
  • Häufigkeit:Ziemlich häufig.
  • Symptome:Starke Schmerzen, Blepharospasmus, Visusstörung, Photophobie, Fremdkörpergefühl und Tränenfluss.
  • Befunde:Blepharospasmus, Tränenfluss und gerötetes Auge.
  • Diagnostik:Korneadefekt mit bloßem Auge oder nach Fluoresceinfärbung in der Augenarztpraxis sichtbar.
  • Therapie:Schmerzstillende Mittel, evtl. lokale Antibiotika.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Oberflächliche Verletzung des Hornhautepithels1

Häufigkeit

  • Augenprobleme machen 2–3 % in der hausärztlichen und Notfallversorgung aus.1
  • Korneaerosionen liegen bei 8–13 % der ärztlichen Konsultationen wegen Augenproblemen vor.2
    • abhängig vom Setting, z. B. Hausarztpraxen, Notaufnahmen oder Klinikeinweisungen in Augenkliniken
  • Bei Männern häufiger aufgrund von Arbeitsunfällen3

Ätiologie und Pathogenese

  • Korneaerosionen betreffen die Epithelschicht und penetrieren nicht die Bowman-Membran.3
  • Eine Korneaerosion entsteht meist durch ein Trauma, z. B. durch einen Zweig, einen Fingernagel, eine Mascarabürste, Fremdkörper unter dem Oberlid oder fehlerhafte Kontaktlinsennutzung.2
    • Spritzer von Chemikalien können ebenfalls zu Korneaerosionen führen.3
  • Auch Kontaktlinsen können bei unvorsichtigem Einsetzen oder Herausnehmen, schlechtem Sitz und bei längerem Gebrauch sowie Austrocknung der Linse eine Erosion verursachen.2-3
  • Spontane Erosionen bei rezidivierender Korneaerosion2
  • Korneaepithel ist von nozizeptiven Nervenfasern des N. trigeminus innerviert, deshalb führen Korneaerosionen zu sehr starken Augenschmerzen und Blepharospasmus.2 
    • Bei Schädigung des N. trigeminus, z. B. durch Zoster, kann eine Korneaerosion auch schmerzfrei sein.

Prädisponierende Faktoren

  • Der folgende Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
  • Tragen von Kontaktlinsen
  • Tätigkeit in der Autoindustrie oder andere beufliche Tätigkeit, bei der kleine Partikel durch die Luft fliegen können (Schleifen etc.).
  • Fehlender Augenschutz, z. B. Schutzbrille
  • Vorausgegangene Korneaerosion
  • Auslösen des Airbags bei Autounfall

ICPC-2

  • F79 Augenverletzung, andere

ICD-10

  • S05 Verletzung des Auges und der Orbita
    • S05.0 Verletzung der Konjunktiva und Abrasio corneae ohne Angabe eines Fremdkörpers

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Anamnese
  • Nachweis einer Hornhautverletzung 

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Sofortiger Schmerzbeginn meist direkt nach dem Trauma2-3
  • Meistens können die Betroffenen die Ursache benennen.1
  • Schadensmechanismus2
    • Fingernagel, Zweig u. Ä.
    • Schäden durch Kontaktlinsen: Schlafen mit Kontaktlinsen und starke Schmerzen beim Aufwachen, schlechte Kontaktlinsenhygiene, schlechter Sitz der Kontaktlinsen, Überschreiten der empfohlenen Tragezeit
    • Schwierigkeiten beim Herausnehmen der Linse, ausgetrocknete Linse, die an der Kornea anhaftet.3
  • Starke Schmerzen, Blepharospasmus, Photophobie, verschwommenes Sehen, Fremdkörpergefühl und Tränenfluss1-3
  • Arbeitsunfall?3

Klinische Untersuchung

  • Starke Augenschmerzen mit Blepharospasmus und häufig Tränenfluss2
    • Bei Blepharospasmus Lider vorsichtig ohne Druck öffnen oder das Oberlid sanft hochziehen.
  • Erosio corneae kann oft schon mit bloßem Auge erkannt werden.1
    • Die Erosion kann matt erscheinen, im Vergleich zu der ansonsten spiegelnden und glatten Hornhautoberfläche.
    • Mit der Augenlampe nach dem penetrierenden Trauma suchen.2
  • Die Pupille sollte rund und zentriert sein; bei Korneaerosion typischerweise reaktive Miosis.2
    • Große, nicht auf Licht reagierende Pupille oder entrundete Pupille sind Zeichen einer penetrierenden Verletzung oder eines stumpfen Traumas mit Hyphäma.
  • Immer nach Fremdkörper suchen (auch an der Innenseite des oberen Augenlids).2
  • Im Verlauf ziliare Injektion möglich3
  • Auf Hornhauttrübung, Hypopyon, eitriges Augensekret achten.2

Ergänzende Untersuchungen bei Spezialist*innen

  • Der folgende Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2
  • Visusuntersuchung
    • Das Sehvermögen ist in der akuten Phase durch ein Korneaödem in der Visusachse häufig etwas reduziert.3
  • Fundoskopie, Spaltlampenuntersuchung
  • Fluoresceinfärbung
    • Epitheldefekte werden durch Fluorescein gefärbt.
  • CT der Orbita bei V. a. auf einen penetrierenden Fremdkörper im Bulbus3

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Überweisung an eine Augenarztpraxis am selben Tag4
    • zur Diagnosesicherung
    • Fremdkörper, der nicht entfernt werden kann.
    • Kontaktlinsenträger*innen
    • Untersuchung von Kindern, die das Auge nicht öffnen können (zum Ausschluss einer penetrierenden Verletzung).
  • Klinikeinweisung/Augenambulanz4
    • bei V. a. eine penetrierende Verletzung notfallmäßige Vorstellung in der Augenklinik
    • Hornhauttrübung oder Hypopyon
    • eitriges Sekret
    • fehlende Besserung nach 3–4 Tagen
    • Sehverlust
    • Kinder, die nach 24 h das Auge immer noch nicht öffnen können.

Therapie

Therapieziele

  • Symptome bis zur Spontanheilung lindern.
  • Eine Superinfektion verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Schmerzlinderung
    • NSAID oral
  • Augenverband 
    • Ein Cochrane-Review kommt zu dem Schluss, dass dies weder die Heilung beschleunigt noch für eine Schmerzlinderung sorgt (Ia).5
  • Infektionsprävention mit topischen Antibiotika4
    • Bei sicherer Diagnose ohne Fremdkörper-Anamnese kann bis zur augenärztlichen Untersuchung eine antibiotische Salbe verabreicht werden.1
  • Tetanusprophylaxe bei isolierter Erosion nicht notwendig.4
  • Bei einem Arbeitsunfall Weiterversorgung durch das Betreuungs- und Entschädigungssystem der Unfallversicherungsträger

Empfehlungen für die Patient*innen

  • Nicht am Auge reiben.2
  • Bis zur Untersuchung in der Augenarztpraxis Ruhe bewahren und Augen nach Möglichkeit geschlossen halten.2
  •  Grelles Licht meiden.
    • Eine Sonnenbrille kann in der akuten Phase bezüglich der Photophobie helfen.2

Medikamentöse Therapie

  • Schmerztherapie4
    • NSAID oral, z. B. Ibuprofen 400 mg bis 3 x tgl.
    • Bei großen Erosionen können ggf. Opioidtherapie und zytoplegische Augentropfen durch Augenärzt*innen verordnet werden.
  • Lokale Antibiotika3-4 
    • Antibiotikahaltige Augensalben sind vorzuziehen, sie benetzen und pflegen das Auge besser als Augentropfen.
    • z. B. Erythromycin- oder Ciproflocacin-Augensalbe
    • Falls Tropfen gewünscht werden: z. B. Ciprofoxacin- oder Ofloxacin-Augentropfen.
    • Auch eine Kombination aus Augentropfen tagsüber und Salbe in der Nacht ist möglich.
    • bis 24 h nach Symptomfreiheit
  • Lokale Kortikosteroide sind kontraindiziert.4
  • Lokalanästhetika4
    • Anästhetika sollten nicht verschrieben werden.
    • Sie können zur Epithelschädigung und Keratitis führen, den Heilungsprozess verzögern und ggf. Symptome einer Verschlechterung maskieren.

Behandlung von Korneaerosionen bei Kontaktlinsenträger*innen

  • Der folgende Abschnitt basiert auf dieser Referenz.6
  • Korneaerosionen beim Einsetzen oder Herausnehmen der Linsen, durch Beschädigungen oder schlechten Sitz der Linsen oder Fremdkörper unter der Linse
  • Das Risiko für ulzerative Keratitis ist erhöht, deswegen Indikation für Prophylaxe mit Pseudomonas-wirksamen Antibiotika-Augentropfen wie Ofloxacin, Ciprofloxacin.
  • Pausieren der Kontaktlinsenanwendung bis zur vollständigen Abheilung und 24-stündiger Symptomfreiheit
  • Schmerzstillung mit oralen NSAID (z. B. Ibuprofen 400 mg 3 x tg.), ggf. zytoplegische Augentropfen und Opioide
  • Bei durch Kontaktlinsen verursachten Erosionen wegen des Risikos einer Superinfektion keine Augenklappen/Augenverbände
  • Bei einer Infektion die gebrauchten Kontaktlinsen mit Behälter für eine mikrobiologische Untersuchung asservieren.
  • Augenärztliche Wiedervorstellung nach 24 h

Prävention

  • Tragen von Schutzbrillen bei beruflichem Risiko, Tragen von Brille oder Sonnenbrille beispielsweise beim Wandern in dichtem Unterholz3
  • Austausch schlecht sitzender oder beschädigter Kontaktlinsen3
  • Information über hygienischen Umgang und korrekten Gebrauch bei der Kontaktlinsennutzung6

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Kleine mechanische Erosionen können innerhalb von wenigen Stunden spontan verheilen, in der Regel jedoch innerhalb von 24 (bis max. 48) Stunden.2
  • Bei Läsionen, die über 50 % der Kornea betreffen, kann die Abheilung 4–5 Tage dauern.3

Komplikationen

Prognose

  • Normalerweise gut: Spontane Heilung, falls keine Komplikationen, wie z. B. Infektionen, auftreten.3
  • In seltenen Fällen kann es zu einem protrahierten Verlauf mit rezidivierenden Korneaerosionen kommen.4
  • In seltenen Fällen ist bei fehlender Abheilung ein augenärztliches Debridement erforderlich.3 

Verlaufskontrolle

  • Kontrollen sind selten notwendig.4
  • Erneute Kontrolle in der Augenarztpraxis, wenn
    • größere Korneadefekte vorliegen.3
    • die Schmerzen innerhalb von 48 h nicht nachlassen.4
    • die Beschwerden sich verschlimmern.4 
    • Kontaktlinsen getragen wurden.3,6
    • Sehstörungen vorhanden waren.3

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Frings, A, Geerling G, Schargus M. Rotes Auge – Leitfaden für den Nicht-Ophthalmologen. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 301-12. doi:10.3238/arztebl.2017.0302 DOI
  2. UpToDate. Corneal abrasions and corneal foreign bodies: Clinical manifestations and diagnosis. Stand Juli 2023. (letzter Zugriff am 09.08.2023). www.uptodate.com
  3. BMJ BestPractice. Corneal abrasions. Stand 03.07.2023 (letzter Zugriff am 09.08.2023). bestpractice.bmj.com
  4. UpToDate. Corneal abrasions and corneal foreign bodies: Management. Stand Juli 2023 (letzter Zugriff am 09.08.2023). www.uptodate.com
  5. Lim CHL, Turner A, Lim BX. Patching for corneal abrasion. Cochrane Database of Systematic Reviews 2016, Issue 7. Art. No.: CD004764. DOI: 10.1002/14651858.CD004764.pub3. Accessed 09 August 2023. www.cochranelibrary.com
  6. UpToDate. Complications of contact lenses. Stand Juli 2023 (letzter Zugriff am 09.08.2023). www.uptodate.com

Autor*innen

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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