Adenovirus-Konjunktivitis

Zusammenfassung

  • Definition:Augeninfektion, die je nach Serotyp wie eine gewöhnliche Konjunktivitis, eine Keratokonjunktivitis epidemica oder als pharyngokonjunktivales Fieber verlaufen kann.
  • Häufigkeit:Eine Adenovirusinfektion zählt zu den häufigsten Ursachen einer Konjunktivitis.
  • Symptome:Variabel, ggf. hochansteckende epidemische Keratokonjunktivitis, die zu Ausbrüchen in Kinderbetreuungseinrichtungen oder medizinischen Einrichtungen führen kann.
  • Befunde:Konjunktivitis, nicht selten mit konjunktivalen Blutungen und Beteiligung der Kornea.
  • Diagnostik:Die Diagnose wird meist klinisch anhand der Anamnese und Untersuchung gestellt.
  • Therapie:Symptomatische Therapie.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Bei einer okulären Adenovirus-Infektion kann diese wie eine gewöhnliche Konjunktivitis, eine schwerwiegendere Keratokonjunktivitis epidemica (Serotyp 8 oder 19) oder als pharyngokonjunktivales Fieber (Serotyp 3) verlaufen.1-2
  • Insbesondere die Keratokonjunktivitis epidemica ist hochkontagiös, es kommt regelmäßig zu epidemieartigen Ausbrüchen in Betreuungseinrichtungen oder medizinischen Bereichen.3

Häufigkeit

  • Adenoviren gehören zu den häufigsten Auslösern einer viralen Konjunktivitis.4
    • 2020 wurden deutschlandweit 180 Fälle einer Adenovirus-Konjunktivitis gemäß des Infektionsschutzgesetzes gemeldet, was dem niedrigsten Niveau seit Jahren entspricht.5
    • höchste Inzidenz zwischen dem 30. und 39. Lebensjahr und bei Kindern unter 5 Jahren
    • Es ist zudem von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da die Erkrankten bei milden Verläufen oft keine medizinische Hilfe in Anspruch nehmen.6

Ätiologie und Pathogenese

  • Adenoviren sind sehr umweltresistent und bei Zimmertemperatur u. U. über Wochen infektiös.1,6
  • Die Ansteckung erfolgt über Schmier- und Tröpfcheninfektionen.1
  • Sie werden in 7 Hauptgruppen (A–G) mit mehreren Subtypen aufgeteilt.6
  • Sie sind hoch kontagiös und verantwortlich für verschiedene schleimhautassoziierte Erkrankungen, u. a. im Respirations- oder Gastronintestinaltrakt.
  • Der Mensch ist das einzige Reservoir.1
  • Die hochansteckende Keratokonjunktivitis epidemica wird am häufigsten durch die Serotypen Typen D8, D19, D37 verursacht.1,4
    • Oft handelt es sich um nosokomiale Infektionen durch verunreinigte Instrumente (z. B. Tonometer in der Augenklinik).1
  • Die Serotypen B3, B7, B14 können das sog. pharyngokonjunktivale Fieber verursachen: mit akuter febriler Atemwegsinfektion, (oft hämorrhagischer) Konjunktivitis, Rhinitis und geschwollenen Lymphknoten1
    • besonders häufig bei kontaminiertem Schwimmbadwasser6

Prädisponierende Faktoren

  • Unzureichende (Hand-)Hygiene
  • Unzureichende Desinfektion von medizinischen Instrumenten1
  • Immunsuppression6

ICPC-2

  • F70 Konjunktivitis, infektiöse

ICD-10

  • B30 Viruskonjunktivitis
    • B30.1 Konjunktivitis durch Adenoviren

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Konjunktivale Injektion, ggf. mit subkonjunktivalen Blutungen
  • Schmerzen, Lichtscheu und Fremdkörpergefühl bei Keratokonjunktivitis
  • Tränenfluss

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Inkubationszeit
    • ca. 5 Tage bei Infektionen der oberen Atemwege
    • ca. 8–10 Tage bei Infektion der Schleimhaut des äußeren Auges7
    • Andere Quellen sprechen von 2–14 Tagen.6
  • Sehr individuelle Krankheitsverläufe. Die Symptome reichen von einer minimalen konjunktivalen Reizung bis hin zu stärkeren Verläufen mit ausgeprägtem Fremdkörpergefühl, Eiterbildung und Juckreiz.6
  • Auch eine hämorrhagische Konjunktivitis ist möglich.
  • Häufig bestehen gleichzeitig Fieber, Halsschmerzen, Schnupfen und Husten
  • Typische Symptome bei Keratokonjunktivitis epidemica:6,8 
    • meist einseitiger Beginn
    • starker Juckreiz und Tränen
    • oft Schwellung Lid und Chemosis
    • ipsilaterale präauriculäre Lymphadenopathie
    • korneale Beteiligung, typischerweise 3–4 Tage nach Symptombeginn
  • Typische Symptome bei pharyngokonjunktivalem Fieber:6
    • plötzlich einsetzendes Fieber
    • Pharyngitis
    • Rhinitis
    • zervikale Lymphadenopathie
    • moderate Konjunktivitis, meist beidseitig
  • Symptome bestehen meist für 7–21 Tage und sind selbstlimitierend.6
  • Ansteckungsfähigkeit besteht etwa für 10–14 Tage nach Symptombeginn.

Klinische Untersuchung

  • Follikuläre Konjunktivitis, nicht selten mit konjunktivalen Blutungen
  • Ggf. periaurikuläre oder zervikale Lymphadenopathie6,9
  • Infektionen der Atemwege mit entsprechend variablen Befunden

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Die Diagnose wird in der Regel klinisch durch Inspektion der Augen gestellt.
  • Bei Ausbrüchen in größeren Gruppen oder bei Epidemien, kann eine Probenahme zum Nachweis der Ätiologie angezeigt sein.
  • Der direkte Virusnachweis kann durch Zellkultur, Antigennachweis oder PCR aus Abstrichmaterial erfolgen.1,6

Indikationen zur Überweisung

  • Eine Überweisung zur augenärztlichen Untersuchung ist bei gleichzeitig bestehender Visusverschlechterung, starken Augenschmerzen oder über 7–10 Tage ausbleibender Befundbesserung angezeigt.

Therapie

Therapieziel

  • Linderung der Symptome

Allgemeines zur Therapie

  • Symptomatische Therapie
  • Die Entwicklung einer spezifischen antiviralen Medikation ist Gegenstand aktueller Forschung, ein Durchbruch konnte bisher aber nicht erzielt werden.10

Empfehlungen für Patient*innen und Kontaktpersonen

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • Um die Verbreitung der Viren zu vermeiden, ist eine gute Handhygiene wichtig.
    • Unbedingt beachten: Erkrankte Personen sollen eigene Handtücher, Wachlappen etc. benutzen.
  • Minimierung jeglicher Hand-Auge-Kontakte (z. B. Augenreiben)
  • Im häuslichen Umfeld sind Hygienemaßnahmen unbedingt zu beachten: Auch Kontaktpersonen sollten über das Krankheitsbild und die präventiven hygienischen Maßnahmen informiert werden.

Medikamentöse Therapie

  • Eine spezifische Therapie steht aktuell noch nicht zur Verfügung, sodass ausschließlich symptomatisch behandelt werden kann.1,6
  • Auf kortisonhaltige, antivirale oder antibakterielle Augentropfen sollte in der Regel verzichtet werden, da sie weder zu einer Prävention von Sekundärinfektionen noch zu einer Verkürzung der Krankheitsdauer führen, sondern nur die Komplikationsrate durch allergische oder toxische Reaktionen erhöhen.6,8,11
  • Ggf. antipyretische Behandlung
  • Ggf. Benetzungsmittel (z. B. Hyaluron)
  • Ggf. kühlende Umschläge zur Beschwerdelinderung8

Präventive Maßnahmen

  • Eine aktive oder passive Immunisierung ist nicht möglich.
  • Medizinisches Personal sollte während bestehender klinischer Symptome keinen Kontakt zu Patient*innen haben.1
  • Patient*innen mit Verdacht auf die Erkrankung oder nach Diagnose einer ansteckenden Konjunktivitis sollten im ambulanten und stationären Bereich isoliert werden.
  • Wichtig sind Hygienemaßnahmen, um Schmierinfektionen zu vermeiden.1,6
    • ordnungsgemäße Desinfektion der Hände und Instrumente
    • sachgerechter Umgang mit augenärztlich verordneten Medikamenten (z. B. Tropfflaschen, Augensalben)
    • adäquate Aufklärung der Patient*innen

Maßnahmen bei Ausbrüchen

  • Ausschluss erkrankter Personen aus Gemeinschaftseinrichtungen (z. B. Kita)1
  • Identifizierung von Übertragungswegen und Infektionsquellen1

Meldepflicht

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • An das Gesundheitsamt nach § 6 (3) IfSG als Ausbruch (nicht namentlich) melden.
  • Auch Leiter*innen von Kindergemeinschaftseinrichtungen i. S. des § 33 IfSG sind gemäß § 34 IfSG Abs. 6 verpflichtet, das Gesundheitsamt über Ausbrüche zu informieren.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Gelegentlich kommt es zu einer bakteriellen Superinfektion, insbesondere bei einer kornealen Beteiligung.6
  • Nur gelegentlich kann sich eine (meist passagere) Visusminderung entwickeln, vor allem bei Superinfektion und bleibenden Hornhautnarben.1,6

Prognose

  • Die Prognose ist gut.
  • Fast immer heilt die Erkrankung vollständig und folgenlos aus.1,6

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Robert Koch-Institut. Adenovirus-Konjunktivitis. RKI-Ratgeber für Ärzte. Berlin 2020. www.rki.de
  2. Scott IU. Viral conjunctivitis. Medscape, last updated Nov 05, 2015. emedicine.medscape.com
  3. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Adenovirus-associated epidemic keratoconjunctivitis outbreaks - four states, 2008-2010. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2013; 62: 637 PubMed
  4. Van Gelder R, Akileswaran L, Nakamichi K, et al. Molecular and Clinical Characterization of Human Adenovirus E4-Associated Conjunctivitis. Am J Ophthalmol. 2022 Jan;233:227-242. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. RKI. Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2020, Berlin, 2021.
  6. Ghebremedhin, B. Human adenovirus: Viral pathogen with increasing importance. Eur J Microbiol Immunol (Bp). 2014 Mar;4(1):26-33. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Meyer-Rüsenberg B, Loderstädt U, Richard G, Kaulfers PM, Gesser C. Epidemic keratoconjunctivitis—the current situation and recommendations for prevention and treatment. Deutsches Ärzteblatt 2011; 108: 475–80. www.researchgate.net
  8. Lang G, Lang G. Viruskonjunktivitis. In: Lang G, Esser J, Gareis O, Lang G, Lang S, Spraul C, Wagner P, Hrsg. Augenheilkunde. 6., überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2019. eref.thieme.de
  9. Rajaiya J, Saha A, Ismail A, et al. Adenovirus and the Cornea: More Than Meets the Eye. Viruses. 2021 Feb 13;13(2):293. www.ncbi.nlm.nih.gov
  10. Imparato R, Rosa N, De Bernardo M. Antiviral Drugs in Adenovirus-Induced Keratoconjunctivitis. Microorganisms. 2022 Oct 12;10(10):2014. www.ncbi.nlm.nih.gov
  11. Wirths G, Eter N. Therapie aktuell. Konjunktivitis – Ursachen und Behandlung. Arzneiverordnung in der Praxis, Ausgabe 2, April 2015. www.akdae.de

Autor*innen

  • Bonnie Stahn, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

Link lists

Authors

Previous authors

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit