Allgemeine Informationen
- Der Fokus dieses Symptomartikels liegt auf IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien. Zu Nahrungsmittelunverträglichkeiten mit vorwiegend gastrointestinalen Symptomen siehe im Kapitel „Magen-Darm-Trakt" den übergreifenden Symptomartikel Nahrungsmittelallergie und Nahrungsmittelunverträglichkeit sowie die Artikel zu Laktoseintoleranz und Fruktosemalabsorption.
- Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Artikel auf diesen Referenzen.1-3
Definition
Nahrungsmittelallergie
- IgE- oder zellulär vermittelte Allergie
- Primäre Allergie
- infolge gastrointestinaler Sensibilisierungen auf vorwiegend stabile Nahrungsmittelallergene (Glyko-/Lipoproteine)
- Sekundäre Allergie
- infolge einer Sensibilisierung gegenüber Aeroallergenen (z. B. Pollenallergenen) mit anschließenden Reaktionen („Kreuzallergien“) auf strukturverwandte, häufig instabile Allergene in pflanzlichen Lebensmitteln
- Birkenpollen kreuzreagieren z. B. mit Nüssen, Äpfeln, Birnen, Kiwis und Steinobst.
- Bei Menschen mit Beifußallergie kommt es u. a. mit Sellerie, Karotten, Petersilie, Fenchel, Koriander, Senf, Kamille, Anis, Kümmel und Honig zu Kreuzreaktionen.
- Die meisten Betroffenen reagieren nicht auf alle in der Liste der Kreuzreaktionen aufgeführten Nahrungsmittel.
Klinisches Bild
- Wahrscheinlich IgE-vermittelte Reaktion (= Allergie)
- mindestens 1 der folgenden Symptome innerhalb ≤ 2 Stunden:
- Hautsymptome: Hautausschlag, Urtikaria, Pruritus, Flush
- Angioödem
- Rhinitis oder Rhinokonjunktivitis
- Bronchospasmus (Brustenge, Dyspnoe, Giemen, Husten, Zyanose)
- hämodynamische Instabilität (Präsynkope, Synkope, Arrhythmie, Krampfanfälle, Herzstillstand)
- orales Allergiesyndrom: Pruritus im Mund- und Rachenraum
- mindestens 1 der folgenden Symptome innerhalb ≤ 2 Stunden:
- Wahrscheinlich nicht IgE-vermittelte Reaktion (= Unverträglichkeit):
- isolierte Magen-Darm-Symptome
Häufigste Auslöser
Bei Kindern und Jugendlichen
- Am häufigsten:
- Erdnuss
- Kuhmilch-Protein
- Hühnerei-Protein.
- Ebenfalls häufig (Beispiele):
- Soja
- Weizen
- Baumnüsse.
Bei Erwachsenen
- Am häufigsten:
- Weizen
- Krusten- und Schalentiere
- Haselnuss.
- Ebenfalls häufig (Beispiele):
- pollenassoziierte Nahrungsmittelallergene (Apfel und anderes Kern- und Steinobst inkl. Hartschalenobst)
- Gemüse (Sellerie, Möhre).
Häufigkeit
Punktprävalenz
- Kinder: 4,2 %
- Erwachsene: 3,7 %
Lebenszeitprävalenz
- Frauen: 6,4 %
- Männer: 2,9 %
ICPC-2
- D29 Beschw. Verdauungssystem, andere
ICD-10
- Nach ICD-10-GM, Version 20224
- K52.2 Allergische und alimentäre Gastroenteritis und Kolitis (incl. Gastroenteritis oder Kolitis durch Nahrungsmittelallergie)
- L27.2 Dermatitis durch aufgenommene Nahrungsmittel
- L27.9 Dermatitis durch nicht näher bezeichnete oral, enteral oder parenteral aufgenommene Substanz
- L50.0 Allergische Urtikaria
- T78.0 Anaphylaktischer Schock durch Nahrungsmittelunverträglichkeit
- T78.1 Sonstige Nahrungsmittelunverträglichkeit, anderenorts nicht klassifiziert
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Klare und reproduzierbare Assoziation der Beschwerden zur Aufnahme definierter Nahrungsmittel und eine Besserung der Symptome bei Karenz
- Im Erwachsenenalter erfolgt der Sensibilisierungsnachweis häufig mit Hauttests, im Kindesalter bevorzugt mithilfe der spezifischen IgE-Bestimmung.
Differenzialdiagnosen
IgE-vermittelte Allergie
Leitlinie: IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien, Diagnostik1
- Das bevorzugte Hauttestverfahren zur Diagnostik einer IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie ist der Haut-Prick-Test.
- Die orale Nahrungsmittelprovokation (besonders die doppelblind placebokontrolliert durchgeführte) ist der Goldstandard in der Diagnostik IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien.
- Siehe auch die Artikel Kuhmilchallergie und Ernährung bei Ei-Allergie.
Atopisches Ekzem (Neurodermitis)
- Multifaktorielles Ekzem, das vor allem begleitend zu einer anderen IgE-vermittelten Allergie auftritt.
- Lebensmittel können den Juckreiz eines bereits bestehenden Ekzems verschlimmern. Dabei handelt es sich um eine Überempfindlichkeitsreaktion, selten um eine Allergie.
- Beispiele für solche Lebensmittel sind Tomaten/Ketchup/Tomatenmark, Erdbeeren, Zitrusfrüchte und bestimmte Konservierungsmittel sowie Farbstoffe (E210–E219), die u. a. in industriell gefertigten Getränken, Süßigkeiten und Konfitüre vorkommen.
- Abklärung Allergologie, ambulant oder ggf. auch stationär: RAST (Nachweis spezifischer IgE-Antikörper) und ggf. Eliminations- und Provokationsdiät
Zöliakie
- Kommt auch bei Kleinkindern vor. Häufig zeigen sich erste Symptome aber erst im Erwachsenenalter nach langjährigem subklinischen Krankheitsverlauf.
- Autoimmunreaktion der Dünndarm-Mukosa, getriggert durch Exposition gegenüber Antigenen verschiedener Getreidearten (Gluten)
- Multigenetische Erkrankung: Die meisten Betroffenen sind HLA-DQ2- oder HLA-DQ8-positiv.
- Typische Symptome
- voluminöser/übelriechender/fettiger Stuhl
- Meteorismus
- Mangelernährung und Gedeihstörung
- Häufig symptomarmer Verlauf. Die Abgrenzung zu einer Weizenallergie kann schwierig sei (Überweisung Gastroenterologie!).
- Diagnostik
- IgA-Antikörper gegen Gewebstransglutaminase oder Endomysium
- Gastroduodenojejunoskopie mit Dünndarmbiopsie (Zottenatrophie)
Dermatitis herpetiformis Duhring
- Ist sehr selten.
- Die Krankheit kann in jedem Alter auftreten, am häufigsten betroffen sind Erwachsene zwischen 20 und 55 Jahren.
- Die Mehrzahl der Erkrankten hat gleichzeitig eine symptomarme Zöliakie.
- Wie bei der Zöliakie sind die meisten Betroffenen HLA-DQ2- oder HLA-DQ8-positiv.
- Papulovesikuläre, manchmal bullöse Hauterkrankung mit intensivem Juckreiz
- Hauptsächliche Lokalisation in Ellenbeugen und Kniekehlen (symmetrisch), in der Glutealregion, am Schultergürtel und auf der Kopfhaut
- Diagnostik
- IgA-Antikörper gegen Gewebstransglutaminase
- Hautbiopsie
Nahrungsmittelunverträglichkeit
- Siehe auch Artikel Chronische Nahrungsmittelunverträglichkeit bei Kindern.
- Kommt bei Kindern und Erwachsenen vor, häufig mit bekannter Atopie oder anderen allergischen Erkrankungen.
- Die häufigsten Symptome sind Diarrhö, Bauchschmerzen, Blähungen, Übelkeit, Erbrechen und allgemeines Unwohlsein.
- Klinisch meist unauffällig
- Am häufigsten:
Biogene-Amine-Intoleranz
- Biogene Amine wie Histamin, Tryptamin, Tyramin, Serotonin und Phenylethylamin kommen in einer Reihe von Lebensmitteln vor.
- Sie finden sich vor allem in eiweißreichen Lebensmitteln, die einen Reifungsprozess durchlaufen haben (gereifte Käsesorten, Thunfisch und Makrele, verschiedene Rotweinsorten).
- Bei manchen Menschen können biogene Amine Symptome hervorrufen, wie:
- periorale Schwellungen, brennendes Gefühl im Oropharynx
- Flush, Urtikaria, Pruritus
- Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Meteorismus
- nasale Obstruktion, Fließschnupfen
- Schwindel und Kopfschmerzen
- Hypotonie, Arrhythmien
- Asthmaanfälle
- Siehe auch Artikel Histaminintoleranz.
Unverträglichkeit gegenüber Nahrungsmittelzusatzstoffen
- Überempfindlichkeitssymptome gegen Zusatzstoffe können sich auf der Haut, in den Atemwegen und im Darm zeigen.
- Überempfindlichkeiten gegen Zusatzstoffe sind allerdings selten.
Hypersensitivität des Darms
- Viele an Reizdarmsyndrom (RDS) Erkrankte berichten, dass verschiedene Nahrungsmittel ihre Beschwerden verstärken.
Weitere Differenzialdiagnosen
- Chronisch entzündliche Darmerkrankung
- Funktionelle Dyspepsie
- Rezidivierende Bauchschmerzen bei Kindern
- Mastozytose
- Eosinophile Ösophagitis
- Somatoforme Störungen
Anamnese
Leitlinie: IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien, Management1
- Die strukturierte Anamnese soll Auslöser, den Zeitverlauf, Symptome, Schweregrad, Reproduzierbarkeit, Risiko- und Augmentationsfaktoren, die Familienanamnese, Begleiterkrankungen und andere allergische Erkrankungen berücksichtigen.
- Bei chronischen Symptomen kann ein Ernährungs- und Symptomprotokoll geführt werden.
Schlüsselfragen
- Siehe auch Abschnitt Klinisches Bild.
Gibt es Allergien oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten in der Familie?
- IgE-vermittelte Reaktionen, Laktasemangel und Zöliakie treten familiär gehäuft auf.
- Wenn Reaktionen auf Nahrungsmittel erst im Erwachsenenalter einsetzen, handelt es sich häufiger um Nahrungsmittelintoleranzen als um Nahrungsmittelallergien.
Seit wann bestehen die Beschwerden?
- Siehe auch Abschnitt Verlauf.
- Bauchschmerzen und Diarrhö seit der Kindheit? (z. B. Zöliakie, Laktoseintoleranz)
- Nach hormonellen Veränderungen (bei Frauen z. B. Menstruationsbeginn, Schwangerschaft, orale Kontrazeption)?
- Medikamente als Auslöser (z. B. Antibiotika, NSAR)?
Art der Beschwerden?
- Kann auf den Typ der Überempfindlichkeitsreaktion hinweisen.
- Mund
- Magen-Darm-Trakt
- Ein isoliertes Auftreten gastrointestinaler Symptome spricht gegen eine IgE-vermittelte Reaktion (Allergie).
- Hautveränderungen
- Psychische Symptome
- Müdigkeit, Depressivität, Fatigue als unspezifische Begleitsymptome
- Weitere Leitsymptome siehe Abschnitt Klinisches Bild.
Zusammenhang der Symptome mit bestimmten Nahrungsmitteln?
- Beim oralen Allergiesyndrom treten die Beschwerden so schnell auf, dass der Zusammenhang häufig von den Betroffenen selbst erkannt wird.
- Je häufiger ein Nahrungsmittel konsumiert wird, desto schwieriger ist es, einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Exposition und Symptomen zu erkennen.
Andere Allergie?
- Pollenallergie?
- Allergie gegen Milben, Insekten? (kann einer Nahrungsmittelallergie gegen Schalentiere zugrunde liegen)
Weitere Fragen
- Häufigkeit der Beschwerden
- Leidensdruck
- Selbst verordnete Diät?
Ernährungs- und Symptomprotokoll
Prinzip
- Vor allem bei chronischen Beschwerden sind Aufzeichnungen über 2–3 Wochen mithilfe eines Ernährungs- und Symptomtagebuchs hilfreich.
- Berücksichtigt die Aufnahme von Speisen und Getränken inkl. Süßigkeiten, Kaugummis etc. sowie in zeitlichem Zusammenhang auftretende Beschwerden.
Auswertung
- Wie lange nach einer Mahlzeit mit unverträglichen Nahrungsmitteln traten die Beschwerden auf?
- Treten die Beschwerden nach allen Mahlzeiten auf?
- Wenn die Symptome nur nach bestimmten Mahlzeiten auftreten, welche Nahrungsmittel sind in diesen Mahlzeiten enthalten?
- Haben diese Mahlzeiten etwas anderes gemeinsam (z. B. Art der Zubereitung)?
Klinische Untersuchung
Körperliche Untersuchung
- Selten klinisch relevante Befunde
- Anzeichen für akute allergische Reaktionen, z. B. Urtikaria, Angioödem und Pruritus
- Klinische Hinweise auf Atopie, u. a.:
- periorbitale Pigmentierung
- doppelte Unterlidfalte (Dennie-Morgan-Zeichen)
- Ausdünnung der lateralen Augenbraue (Hertoghe-Zeichen)
- Xerosis cutis (Neurodermitis)
- weißer Dermografismus.
- Bei Kindern auf Gedeihstörungen (Abweichung von Perzentilenkurve) achten.
Diagnostische Eliminationsdiät
- Kontrollierte Vermeidung von Nahrungsmitteln für einen bestimmten Zeitraum
- 1 bis max. 2 Wochen
- Längerfristige Elimination kann bei IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergie, wenn zuvor nur Spätsymptome bestanden haben, das Risiko für das Auftreten von Sofortreaktionen bei Wiedereinführung erhöhen.
- Für nicht-IgE-vermittelte Reaktionen können längere Zeiträume (4–6 Wochen) erforderlich sein.
- Ernährungs- und Symptomprotokoll führen.
- Im Anschluss an die diagnostische Eliminationsdiät sollte bei Ausbleiben der Symptomatik oder deutlicher Besserung eine Nahrungsmittelprovokation unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.
Ergänzende Untersuchungen
In der Hausarztpraxis
IgE-Messungen
- Bei begründetem Verdacht oder zum gezielten Ausschluss einer Nahrungsmittelallergie spezifische IgE-Bestimmung
- Cave: Der Nachweis einer Sensibilisierung mittels spezifischer IgE-Bestimmung oder Haut-Prick-Test beweist nicht die klinische Relevanz des getesteten Nahrungsmittels und soll allein nicht zu einer therapeutischen Elimination führen.
- Der fehlende Nachweis einer Sensibilisierung (negatives spezifisches IgE/Haut-Prick-Test) schließt eine klinisch relevante IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie häufig, aber nicht sicher aus.
- Gesamt-IgE sollte als Interpretationshilfe bestimmt werden.
Andere Laboruntersuchungen
- Wird eine andere immunologische Reaktion vermutet:
- Komplementfaktoren (C3c, C4), C1-Esterase-Inhibitor (erniedrigt beim hereditären Angioödem)
- IgA und Antikörper gegen Transglutaminase (Zöliakie)
Bei Spezialist*innen
Haut-Prick-Test
- Bevorzugtes Verfahren zur Diagnostik einer IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie
Doppelblinde placebokontrollierte Nahrungsmittelprovokationen
- Goldstandard in der Diagnostik IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien
- Sollen in spezialisierten Einrichtungen durchgeführt werden, in denen Notfallmaßnahmen unmittelbar verfügbar sind.
Endoskopie
- Mit Probenentnahme bei:
- Zöliakie: Duodenalbiopsie
- eosinophiler Ösophagitis: Ösophagusbiopsie
H2-Atemtest
- Bei Verdacht auf Unverträglichkeit von Kohlenhydraten, u. a. Sorbit, Laktose oder Fruktose
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung
- Betroffene, die bereits auf extrem geringe Mengen des entsprechenden Nahrungsmittels mit einem anaphylaktischen Schock reagiert haben (Überweisung Allergologie).
- Bei Verdacht auf nicht-IgE-vermittelte gastrointestinale Unverträglichkeitsreaktionen sollten (pädiatrische) Gastroenterolog*innen in die Diagnostik einbezogen werden.
- Ein Prick-Test sollte in einer allergologisch erfahrenen Praxis mit sofort verfügbaren Notfallmedikamenten erfolgen. Gleiches gilt für orale Provokationstestungen.
Therapie
Leitlinie: Therapie IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien1
Akuttherapie
- Patient*innen mit Risiko für eine Anaphylaxie sollen Notfallmedikamente zur Selbstanwendung, einschließlich eines Adrenalinautoinjektors, erhalten.
- Schwere allergische Reaktionen auf Nahrungsmittel sollen primär mit intramuskulär appliziertem Adrenalin behandelt werden.
- Dosierung: bei Erwachsenen 300–600 µg, bei Kindern 10 µg/kg KG5
- Bei akuten kutanen Symptomen, besonders bei urtikariellen Reaktionen und Schleimhautreaktionen, sollen Antihistaminika eingesetzt werden.
- Beispiel: Dimetinden i. v. 0,1 mg/kg KG6
- Die prophylaktische Einnahme von Antihistaminika zur Vorbeugung nahrungsmittelallergischer Reaktionen kann nicht empfohlen werden.
Eliminationsdiät
- Eine angemessene Eliminationsdiät wird als tragende Säule der Behandlung einer Nahrungsmittelallergie empfohlen.
- Eine Eliminationsdiät sollte auf einer fundierten Allergiediagnostik basieren. Die Indikation sollte regelmäßig reevaluiert werden.
- Personen mit Nahrungsmittelallergie, die langfristig eine Eliminationsdiät durchführen, sollten durch eine allergologisch ausgewiesene Ernährungsfachkraft beraten werden.
Spezialfall Kuhmilchallergie
- Bei einer bestehenden Kuhmilchallergie insbesondere im Säuglingsalter und ggf. Kleinkindesalter sollen Extensivhydrolysate oder alternativ Aminosäurenformula empfohlen werden.
- Bei einer bestehenden Kuhmilchallergie sind Säuglingsnahrungen auf Sojabasis Kuhmilchersatzprodukte der 2. Wahl und sollten für Säuglinge unter 12 Monaten nicht empfohlen werden.
- Sojahaltige Lebensmittel, die darüber hinaus als Milchersatz verwendet werden, sind von dieser Einschränkung nicht betroffen.
Immuntherapie
- Primäre Nahrungsmittelallergie
- Bei Kindern zwischen 4 und 17 Jahren mit bestätigter Diagnose einer systemischen Erdnussallergie sollte unter Berücksichtigung einer individuellen Nutzen-Risiko-Bewertung eine orale Immuntherapie angeboten werden.
- Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie
- Kann unter einer subkutanen oder sublingualen Immuntherapie mit Pollenallergenen eine Besserung erfahren.
- Eine solche Behandlung kann nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn gleichzeitig die Indikation zur Behandlung pollenbedingter Atemwegsbeschwerden besteht.
Sekundäre Allergien
- Häufig werden Nahrungsmittel gekocht besser vertragen als roh, und häufig reagieren die Betroffenen nur während der Pollensaison.
- Auf ausgeglichene Ernährung achten, mit ausreichend anderem Obst und Gemüse.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Meist Beginn im Säuglings- und Kleinkindesalter und Spontanremission teils bis zum Schulalter, teils im Jugendalter
- Ein späterer Beginn einer primären Nahrungsmittelallergie gegen Grundnahrungsmittel, Schalenfrüchte, Hülsenfrüchte oder Saaten im Schulalter und im Erwachsenenalter ist selten.
- Lediglich bei einer Fischallergie ist ein Auftreten in jedem Lebensalter möglich.
Komplikationen
- Anaphylaktische Reaktion
- Mangelernährung durch unausgewogene Diät
Prognose
- Über die Hälfte der Kinder mit einer Ei-Allergie und ca. 90 % der Kinder mit einer Milchallergie zeigen nach dem 5. Lebensjahr keine allergische Reaktion mehr auf dieses Nahrungsmittel.
- 40–60 % dieser Kinder erkranken jedoch an Asthma und 30–55 % dieser Kinder erkranken an allergischer Rhinitis.
- Das Risiko einer bleibenden Allergie gegen Erdnüsse ist viel höher, und lediglich 20 % der Kinder entwickeln eine Toleranz.
- Erwachsene Patient*innen mit einer Nahrungsmittelallergie werden meist ihr Leben lang allergisch reagieren.
Patienteninformationen
Leitlinie: Patientenschulung bei IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien
- Patient*innen, deren Angehörige und Betreuungspersonen sollen über die zu meidenden Lebensmittel informiert werden und praktische Hinweise zu Vermeidungsmaßnahmen, zum Erkennen und zum Selbstmanagement allergischer Reaktionen erhalten.
- Patient*innen bzw. die für die medizinische Betreuung zuständigen Personen (z. B. Eltern) sollen in der Anwendung des Notfallsets inklusive Adrenalinautoinjektor praktisch instruiert werden.
- Patient*innen sollten die Empfehlung erhalten, sich an eine geeignete Patientenorganisation zu wenden.
- Beispiel: Deutscher Allergie- und Asthmabund
- Patient*innen mit Anaphylaxie-Risiko sollten einen Anaphylaxie-Pass erhalten, und sie bzw. deren Betreuungspersonen sollten an einer Patienten- bzw. Elternschulung teilnehmen.
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien. AWMF-Leitlinie Nr. 061-031. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie e. V. Akuttherapie und Management der Anaphylaxie. AWMF-Leitlinie Nr. 061-025. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien. AWMF-Leitlinie Nr. 061-031. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
- Sampson HA, Aceves S, Bock SA et al. Food allergy: a practice parameter update-2014. J Allergy Clin Immunol 2014; 134: 1016. pmid:25174862 PubMed
- Zieglmayer UP, Hemmer W, Wieser S, et al. Nahrungsmittelunverträglichkeiten - eine diagnostische Herausforderung. Allergo Journal 2022; 31: 32-48. link.springer.com
- Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2022. Stand 17.09.2021; letzter Zugriff 14.08.2022 www.dimdi.de
- Ring J, Klimek L, Worm M. Adrenalin in der Akutbehandlung der Anaphylaxie. Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 528-34. www.aerzteblatt.de
- Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie e.V. (DGAKI). Akuttherapie und Management der Anaphylaxie. AWMF-Leitlinie Nr. 061-025. Stand 2021. www.awmf.org
Autor*innen
- Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).