Was ist eine IgG4-assoziierte Erkrankung?
Es handelt sich um eine Erkrankung des Immunsystems, die durch Entzündungen und eine zunehmende Bildung von Bindegewebe (Fibrose) gekennzeichnet ist und in verschiedenen Organen des Körpers auftreten kann. Zu den am häufigsten betroffenen Organen zählen die Bauchspeicheldrüse, die Gallenwege, die Speichel- und Tränendrüsen und die Bauchhöhle.
Die Erkrankung ist noch relativ „neu“. Erst in den 2000er Jahren wurde erkannt, dass es sich um eine Erkrankung mit vielen verschiedenen Erscheinungsformen handelt, und 2011 wurde dann der Begriff IgG4-assoziierte Erkrankung eingeführt.
Die Erkrankung ist selten. Wenn sie unterhalb des Halses auftritt, ist sie bei Männern im mittleren und höheren Alter etwas häufiger anzutreffen. Sind Organe im Kopf-Hals-Bereich betroffen, gibt es keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern.
Ursache
Es gibt zunehmend Belege durch wissenschaftliche Studien, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt. Es wird angenommen, dass eine Infektion bei Personen mit entsprechender genetischer Veranlagung zu einer gestörten Immuntoleranz und infolgedessen zu einer anhaltenden Immunantwort führt, durch die vermehrt Plasmazellen und Antikörper des Typs IgG4 gebildet werden.
Ein gemeinsames Merkmal der betroffenen Organe ist eine tumorartige Schwellung. Unter dem Mikroskop sind in dem angegriffenen Gewebe ungewöhnlich viele Plasmazellen, eine Fibrose mit einem typischen kreisförmigen Muster, eine erhöhte Zahl von eosinophilen Zellen und Entzündungen kleiner Blutgefäße zu sehen.
Wie die Erkrankung entsteht, ist nicht vollständig geklärt, doch bestimmte Zellen des Immunsystems, die sogenannten B- und T-Lymphozyten, spielen eine zentrale Rolle. Sie produzieren Antikörper des Typs IgG4, und bei 60 Prozent der Patient*innen mit der IgG4-assoziierten Erkrankung ist die Menge dieser Antikörper im Blut stark erhöht.
Viele Erkrankungen, die Ärzt*innen früher für eigenständige Krankheiten gehalten haben, werden heute der IgG4-assoziierten Erkrankung zugerechnet. Dazu zählen unter anderem die folgenden:
- Autoimmunpankreatitis (Typ 1)
- Hypertrophe Pachymeningitis
- Idiopathische hypokomplementämische tubulointerstitielle Nephritis
- Entzündlicher Pseudotumor (mit Beteiligung von Augenhöhle, Lunge, Nieren oder anderen Organen)
- Entzündliches Aortenaneurysma
- Mikulicz-Syndrom (Entzündung von Tränen- und Speicheldrüsen)
- Multifokale Fibrosklerose
- Morbus Ormond (idiopathische retroperitoneale Fibrose)
- Periaortitis
- Riedel-Thyreoiditis
- Sklerosierende Mesenteritis
Symptome
Ein oder mehrere Organe können betroffen sein, und die Symptome richten sich danach, welche Organe betroffen sind. Häufig ist bei den Patient*innen in den betroffenen Organen eine innerhalb kurzer Zeit entstandene Geschwulst oder eine Organvergrößerung, zum Beispiel an der Bauchspeicheldrüse, festzustellen.
Bei 60 bis 90 Prozent der Patient*innen sind mehrere Organe betroffen. Häufig sind die Lymphknoten geschwollen, und 40 Prozent der Patient*innen haben Asthma- und Allergiesymptome. Der Allgemeinzustand ist in der frühen Phase gut, doch im weiteren Verlauf verlieren die Patient*innen häufig erheblich an Gewicht.
Die Erkrankung kann zufällig bei einer Röntgenuntersuchung oder der Untersuchung einer Gewebeprobe (histologische Untersuchung) entdeckt werden.
Diagnostik
Die Diagnose wird auf Grundlage der Symptome und verschiedener Befunde gestellt. Dazu zählen Befunde der ärztlichen Untersuchung, typische Befunde der mikroskopischen Untersuchung von Proben des betroffenen Gewebes, eine erhöhte Menge an IgG4-Antikörpern und Befunde bei der bildgebenden Untersuchungen der betroffenen Organe.
Die typischen Merkmale dieser Multiorganerkrankung sind eine tumorartige Schwellung der betroffenen Organe, eine erhöhte Zahl von IgG4-positiven Plasmazellen und eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Fibrose mit einem typischen Muster.
Gleichzeitig müssen zahlreiche andere Erkrankungen ausgeschlossen werden. In manchen Fällen ist es außerdem nötig, zuvor gestellte Diagnosen zu revidieren.
Behandlung
Wenn die Diagnose IgG4-assoziierte Erkrankung gestellt wurde, soll das Ausmaß der Erkrankung ermittelt werden, bevor mit der Behandlung begonnen wird.
Eine frühzeitige Behandlung ist entscheidend, um eine zunehmende Fibrose mit unumkehrbarem Verlust der Organfunktion zu verhindern.
Zur Behandlung wird Kortison empfohlen. Davon wird zunächst für 2 bis 4 Wochen eine hohe Dosis angewendet. Anschließend wird die Dosis über einen Zeitraum von 2 Monaten schrittweise bis auf eine Erhaltungsdosis reduziert. Wie lange diese Erhaltungstherapie fortgesetzt werden sollte, ist nicht erforscht. Ein gutes Ansprechen zeigt sich durch eine Linderung der Symptome, eine Verkleinerung der Geschwulst oder Organvergrößerung, eine bessere Organfunktion und häufig auch einen Rückgang des IgG4-Spiegels im Blutserum. Wenn die Dosis reduziert oder die Behandlung beendet wird, kommt es häufig zu einem Rückfall.
Wenn Kortison nicht wirkt oder nicht angewendet werden kann, wird ein Therapieversuch mit Rituximab empfohlen.
Prognose
Der natürliche Verlauf der Erkrankung ist kaum bekannt. Infolge unkontrollierter und zunehmender Entzündungen und fibrotischer Veränderungen in dem betroffenen Gewebe kann die Funktion der erkrankten Organe erheblich abnehmen.
Eine spontane Besserung kommt vor. Doch in der Regel kommt es ohne Behandlung zu einem Rückfall.