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Diabetische Fußgeschwüre

Zusammenfassung

  • Definition:Diabetische Fußgeschwüre sind eine Spätfolge von diabetischer Neuropathie und Arteriosklerose.
  • Häufigkeit:In Deutschland entwickeln pro Jahr rund 250.000 Patient*innen ein diabetisches Fußsyndrom.
  • Symptome:Ulzera treten meist in Bereichen auf, in denen die Füße ständigem Druck ausgesetzt sind.
  • Befunde:Ulkus, oft mit Infektionszeichen.
  • Diagnostik:Klinische Diagnose. Untersuchung von Nerven- und Gefäßstatus. Bei V. a. Osteomyelitis Röntgen.
  • Therapie:Druckentlastung des Geschwürs, adäquate Wundbehandlung, Verbesserung der Durchblutung und Sanierung einer möglichen Infektion. Langfristig optimale Diabetes-Einstellung.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Das diabetischen Fußsyndroms umfasst verschiedene Krankheitsbilder.
    • Allen gemeinsam ist, dass Läsionen am Fuß der Patient*innen mit Diabetes mellitus zu Komplikationen und bei verzögerter oder ineffektiver Behandlung zur Amputation der gesamten Extremität führen können.1
    • Komplikationen werden insbesondere durch Schädigungen der Gefäße (Makroangiopathie) und der Nerven (Neuropathie) verursacht.

Klassifikation

  • Klassifikation nach Wagner ermöglicht Einteilung der Untersuchungsbefunde in Grade 0–5 und eine an den Graden orientierte Therapie:2-3
    • Grad 0: keine Läsion, ggf. Fußdeformation oder Entzündung
    • Grad 1: oberflächliche Ulzeration
    • Grad 2: tiefes Ulkus bis zur Gelenkkapsel, zu Sehnen oder Knochen
    • Grad 3: tiefes Ulkus mit Abszedierung, Osteomyelitis, Infektion der Gelenkkapsel
    • Grad 4: begrenzte Nekrose im Vorfuß- oder Fersenbereich
    • Grad 5: Nekrose des gesamten Fußes.
  • Ergänzend erfolgt eine Klassifizierung nach Armstrong:1
    • A ohne Infektion, ohne Ischämie
    • B mit Infektion
    • C mit Ischämie
    • D mit Infektion und Ischämie.

Häufigkeit (Angaben für Deutschland)

  • 2015 waren 9,8 % der gesetzlich Versicherten von Diabetes mellitus Typ 2 betroffen.4
    • in Ostdeutschland 11,5 %, in Westdeutschland 9 %
  • Pro Jahr entwickeln rund 250.000 Patient*innen ein diabetisches Fußsyndrom.2-3
  • Ca. 70 % aller Amputationen werden bei Menschen mit Diabetes durchgeführt.1
    • Hauptursache ist das diabetische Fußsyndrom.
  • Inzidenz diabetesbedingter Amputationen im Jahr 20155
    • Frauen: 7,1 Fälle je 100.000 Einw.
    • Männer: 15,6 Fälle je 100.000 Einw.
  • Kosten
    • Behandlung eines diabetischen Fußsyndroms kostet etwa 18.000 €.6
    • Amputation auf Oberschenkelhöhe kann 3- bis 4-mal so viel kosten.

Ätiologie und Pathogenese

Pathophysiologie

  • Durch die beiden Hauptrisikofaktoren Neuropathie und Angiopathie, insbesondere bei gemeinsamem Auftreten, kann ein diabetisches Fußgeschwür entstehen:
    • Kleine Wunden durch banale Traumata, z. B. zu enges Schuhwerk, werden nicht mehr wahrgenommen und heilen durch eine verminderte Perfusion der Peripherie nicht adäquat ab.

Neuropathie

  • Nervenschädigungen aufgrund der metabolischen Veränderungen, u. a. durch Ischämie in den kleinen Blutgefäßen, die die Nerven versorgen.7
  • Schädigungen betreffen periphere Sensibilität, Innervation kleiner Muskeln im Fuß sowie feine vasomotorische Kontrolle über Durchblutung im Fuß.8
  • Sensorische Neuropathie
    • Signale, die den Fuß schützen sollen, werden nicht wahrgenommen.
      • mangelhafte Aufmerksamkeit im Hinblick auf beginnende oder vorhandene Geschwüre
      • Patient*innen bemerken die Verletzung nicht und belasten den Fuß weiter.
    • Klassisch ist die Small-Fiber-Neuropathie mit distal betonten Sensibilitätsstörungen, v. a. der Temperaturempfindung und von Schmerz.8
  • Motorische Neuropathie
    • Betrifft die Muskeln, die für die normale Fußbewegung erforderlich sind und die dafür sorgen, dass der Druck auf mehrere Stellen im Fuß verteilt wird.
    • Im Ergebnis bilden sich an stark belasteten Stellen Hornhautverdickungen (Kallus).
    • Im nächsten Schritt führt eine ischämische Nekrose unter dem Kallus zu Schäden an Haut und Unterhaut.
  • Gestörte vasomotorische Kontrolle
    • Störungen in Autoregulationsmechanismen der Arterien und arteriovenöse Shuntbildung
    • Ödementstehung mit eingeschränkter Oxygenierung des Gewebes
    • Haut wird trocken und rissig und verliert ihre Elastizität.

Angiopathie

  • Die diabetische Makroangiopathie greift häufig die Beinarterien an.
  • Außerdem mikroangiopathische Veränderungen wie verdickte Basalmembran, spröde Gefäßwände und Mikrothromben.
  • Klassischer Befund bei Diabetes mellitus ist die Mediasklerose, d. h. Verkalkungen in der Tunica media.
    • falsch erhöhter peripherer Blutdruck und dadurch scheinbar normaler/erhöhter Knöchel-Arm-Index

Nachlassende Heilungsfähigkeit

  • Bakterielle Infektionen, Gewebeischämie, ständige Traumata und fehlende Entlastung bewirken langsame Abheilung und Entstehung chronischer Fußgeschwüre.
  • Infektionen entstehen normalerweise als Folge und sind keine Ursache für diabetische Fußgeschwüre.

Risikofaktoren

  • Hauptrisikofaktoren für diabetesassoziierte Ulzerationen und schließlich Extremitätenamputationen sind:1
  •  Weitere Risikofaktoren für das Entstehen von Fußläsionen sind:1
    • Adipositas Grad II (BMI ≥ 35)
    • Arthropathie (Hüfte/Knie/OSG) oder Gelenkimplantat mit Funktionsbeeinträchtigung/Kontraktur
    • eingeschränkte Gelenkmobilität, z. B. Fußdeformitäten
    • motorische Funktionseinschränkung/Parese eines oder beider Beine
    • (erhebliche) Visuseinschränkung
    • mangelnde/falsche Fußpflege
    • Hornhautschwielen
    • Barfußlaufen
    • ungeeignetes Schuhwerk
    • Immunsuppression einschließlich Glukokortikoide
    • psychosoziale Faktoren
    • Seheinschränkungen
    • Suchtkrankheiten (z. B. RauchenAlkoholismus)
    • vorangegangene Amputationen.

ICPC-2

  • S76 Hautinfektionen, andere
  • S97 Chronische Ulzeration Haut

ICD-10

  • E10.5 Primär insulinabhängiger Diabetes mellitus [Typ-1-Diabetes] mit peripheren vaskulären Komplikationen
  • E11.5 Nicht primär insulinabhängiger Diabetes mellitus [Typ-2-Diabetes] mit peripheren vaskulären Komplikationen

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Diabetes mit Entwicklung von Fußverletzungen
  • Auslösende Ursache
    • Mechanische oder thermische Traumata?
    • Wiederholter bzw. kontinuierlicher mechanischer Stress
      • klassischerweise neue, zu enge Schuhe

Klinische Untersuchung

  • Siehe auch TrainAMed Fußuntersuchung bei Diabetes mellitus (Universität Freiburg).
  • Wundbegutachtung
    • Lokalisation, Größe und Tiefe des Geschwürs
    • Aussehen des Wundbodens
    • bestehenden Nekrosen
    • Infektionsanzeichen
    • Unterminierung (Aufhebung des Kontakts zwischen Wundgrund und Wundrand) 
    • Menge des Exsudats
      • wichtig für Wahl der Wundauflage
    • Sondierung der Wunde
  • Haut
    • Entzündungszeichen um die Wunde herum 
      • Rötung, Schwellung, Überwärmung
    • Haut häufig aufgrund der autonomen Neuropathie trocken und rissig
  • Neurologische Untersuchung
    • Sensibilitätstests mit Monofilamenten nach Semmes-Weinstein (10 g)
    • Vibrationsempfinden mit 128-Hertz-Stimmgabel 
    • Achillessehnenreflex
  • Durchblutung
    • Palpation der Fußpulse der A. tibialis posterior und der A. dorsalis pedis sowie der A. poplitea beidseits
    • ggf. Bestimmung Knöchel-Arm-Index
  • Fehlstellungen
    • Hammerzehen, Klauenzehen, Hallux valgus, Hohlfuß und eingeschränkte Gelenkbeweglichkeit disponieren für Druckschäden und Wunden.
  • Schuhe
    • optische und Tastkontrolle von Schuhen und Einlagen

Kontrolle

  • Alle Menschen mit Diabetes sollten ihre Füße mindestens einmal pro Jahr untersuchen lassen.
  • Cave: Dem Disease-Management-Programm folgend sollte jede*r Patient*in mit einem Fußgeschwür in der Vorgeschichte mind. alle 3 Monate an den Füßen untersucht werden.

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Ggf. Knöchel-Arm-Index
    • 1,0 und 1,4: normwertig
    • < 0,9 deutet auf periphere arterielle Erkrankung hin.
    • < 0,5 deutet auf kritische Ischämie hin.
    • > 1,4 weist auf  Mediasklerose hin.
  • Mikrobiologische Probenahme
    • Punktion nur selektiv bei besonderen Fragestellungen und unter besonderen Bedingungen, da Gefahr des Übergangs in einen offenen Charcot-Fuß.1
    • Chronische Wunden sind üblicherweise von Mikroorganismen kolonisiert. Eine routinemäßige Bestimmung von Krankheitserregern ist nicht erforderlich.9

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Röntgen
  • MRT
    • MRT bei unauffälligem Nativ-Röntgen und/oder V. a. Abszess1

Im Krankenhaus

 

  • Angiografie
    • Stellt den Goldstandard für die Diagnose von Gefäßveränderungen sowie die Planung von Gefäßrekonstruktionen dar.
  • Ggf. therapeutische Maßnahmen zur Revaskularisation

Indikationen zur Überweisung/Einweisung

  • Bei Geschwüren, die nicht auf die Behandlung ansprechen.
  • Bei V. a. Osteomyelitis
  • Bei V. a. systemische Infektion Einweisung

Team zur diabetischen Fußversorgung

  • Idealerweise sollte sich ein interdisziplinäres Team um Hochrisikopatient*innen sowie Patient*innen mit diabetischen Fußgeschwüren kümmern.
    • u. a. Diabetes-Fachpflegekräfte, Orthopädietechniker*innen und Podolog*innen

Checkliste zur Überweisung

Diabetischer Fuß

  • Zweck der Überweisung
    • Diagnostik? Konservative Behandlung? Chirurgie?
  • Anamnese
    • Beginn des Diabetes? Beginn der Fußbeschwerden? Entwicklung/Progression?
    • Geschwürbildung? Schmerzen? Gehprobleme? Anhaltende Beschwerden? Akute Verschlechterung?
    • Wie gut es der Diabetes eingestellt?
    • Weitere relevante Komplikationen oder Erkrankungen?
    • Regelmäßige Medikamente?
    • Konsequenzen? Funktionsverlust? Arbeitsunfähigkeit?
  • Klinische Untersuchung
    • Geschwür: Lokalisation, Tiefe, Durchmesser, unterminierte Ränder, Infektion, offenliegende Knochen?
    • Fuß: Deformation/Fehlstellungen? Gangrän-Anzeichen? Distaler Puls? Sensibilität? Knöchel-Arm-Index?
    • Allgemeine Durchblutungsstatus?
  • Ergänzende Untersuchungen

Therapie

Therapieziele

  • Optimale Diabeteseinstellung
  • Sanierung einer möglichen Infektion
  • Nach Möglichkeit Verbesserung der Durchblutung
  • Wundheilung
  • Vorbeugung neuer Geschwüre

Allgemeines zur Therapie

  • Säulen der akuten Therapie sind Druckentlastung des Geschwürs, adäquate Wundbehandlung, Verbesserung der Durchblutung und Sanierung einer möglichen Infektion.
    • nach Ausschöpfen aller o. g. Therapiemaßnahmen hyperbare Sauerstofftherapie als Ultima Ratio vor Amputation
  • Sobald das Geschwür verheilt ist, sollte der Fokus darauf gerichtet werden, ein neues Geschwür zu verhindern.
    • Optimierung der Stoffwechselkontrolle und Durchblutung
    • Aufklärung der Patient*innen bezüglich adäquater Fußpflege

Druckentlastung

  • Vollständige und konsequente Entlastung sinnvoll
  • Orthesen
    • Vorfabrizierte Orthesen mit Luftkammern oder Orthesen, die von Orthopädietechniker*innen mit einem Hohlraum über der Wunde zur lokalen Entlastung hergestellt werden, sind gute Optionen.
  • Entlastungsgips
    • Gipsstiefel mit Öffnung über der Wunde
    • Indikationen
      • oberflächliches Druckgeschwür, vor allem unilateral und plantar
    • Voraussetzung
      • Gute arterielle Durchblutung, da durch zu strammen Gips Perfusion noch weiter abnehmen kann.
  • Halbschuh
    • Option für Patient*innen mit distal in der Fußsohle lokalisierten Geschwüren
    • Nachteil: Halbschuh verursacht Beinlängendifferenz.
  • Unterarmgehstützen oder Rollstuhl nur als Notlösung
    • Die meisten Patient*innen sind älter und kommen nur selten mit Unterarmgehstützen zurecht.
    • Bei vollständiger Immobilisierung im Rollstuhl steigt das Risiko für andere Komplikationen wie Thrombosen, Embolien, Muskelatrophie oder Dekubitus.

Lokale Wundbehandlung

Leitlinie: Lokaltherapie chronischer Wunden9

Vorgehen, Maßnahmen

  • Patientenberatung zu Krankheitsursache und -behandlung
  • Wunddokumentation
  • Erstellung Behandlungsplan auf Grundlage allgemeiner Therapieziele und individueller Präferenzen der Patient*innen

Wundreinigung

  • Liegen Bedingungen für ein chirurgisches Débridement vor?
    • lokale Entzündungszeichen
    • systemische Infektionserkrankung ausgehend vom Wundbereich
    • großflächige Nekrosen bzw. Nekroseanteile und Beläge
  • Falls ja, initial chirurgisches Débridement
    • radikale Abtragung von avitalem Gewebe bis in intakte anatomische Strukturen
      • Wundheilung wird durch avitales Gewebe, Fremdkörper, Beläge und Detritus behindert.
    • bei Bedarf Débridement unter adäquater Schmerztherapie
  • Bei Verdacht auf erregerbedingte Entzündung der Wunde kann zur Wundreinigung die Anwendung von Polihexanid, Octenidin oder PVP-Iod in Form zugelassener Antiseptikalösungen erwogen werden.
  • Zur periodischen Wundreinigung nichtinfizierter Wunden sollten bevorzugt neutrale, wirkstofffreie Lösungen eingesetzt werden.

Wundauflagen

  • Bei der Wundbehandlung sollte ein physiologisch feuchtes Milieu in der Wunde geschaffen und aufrechterhalten werden.
    • Ausnahme: Trockene Nekrosen sollten nicht rehydriert werden.
  • Ziele
    • Vermeidung von Flüssigkeitsaustritt aus dem Verband
    • Vermeiden von Mazeration und Austrocknung von Wundrand und Wundumgebung
    • Schutz von Wundrand und Wundumgebung
    • Erhalt der Haut-Barriere-Funktion

Verbinden eines diabetischen Fußgeschwürs

  • Der Verband über einem diabetischen Fußgeschwür soll Sekundärinfektionen verhindern können.
  • Außerdem sollte er die teilweise erheblichen Mengen Wundsekret aufnehmen können.
  • Produkte, die diese Anforderungen erfüllen, sind Verbände aus Polyurethanschaum, Alginaten und Hydrofasern.
  • Die Sekretabsonderung nimmt ab, während das Geschwür von der Entzündungs- und Granulationsphase in die Reifephase übergeht.

Infektionsbehandlung

In der Hausarztpraxis

  • Bei Patient*innen mit Diabetes sollte die Hemmschwelle für eine Antibiotikatherapie geringer sein.
  • Häufig ist eine stationäre Behandlung und i. v. Gabe des Antibiotikums erforderlich.
  • Ein Cochrane-Review kam zu folgenden Ergebnissen:10
    • Wahl der Erstbehandlung mit Antibiotika abhängig von mehreren Faktoren:
      • Schweregrad der Infektion
      • Vorbehandlung mit Antibiotikum
      • vermuteter Erreger (MRSA?).
    • Es ist unklar, ob ein bestimmtes Antibiotikum sich besser als ein anderes zur Heilung von Infektionen oder zur Vermeidung von Amputationen eignet.

Im Krankenhaus

  • Zusätzlich zu i. v. Antibiotikatherapie chirurgisches Débridement und ggf. Resektion infizierter Knochen

Metabolische Kontrolle

  • Eine begleitende Behandlung von Dyslipidämie, Hypertonie und Hyperglykämie sowie Raucherentwöhnung reduziert das Auftreten von Spätfolgen bei Patient*innen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes.
  • Ziel-HbA1c bei Patient*innen mit Diabetes mellitus 
    • Je nach Alter und Therapieziel soll der HbA1c zwischen 6,5 und 8,5 % liegen.11
    • Bei der medikamentösen Blutglukose-Senkung sollte ein HbA1c zwischen 7,0-8,0 % angestrebt werden.12
  • Insulintherapie?
    • Insbesondere bei infizierten Wunden kann der Blutzuckerspiegel ansteigen und schwer zu kontrollieren sein.
    • Bei Patient*innen mit Typ-2-Diabetes, die mit oralen Antidiabetika behandelt werden, sollte in einer solchen Situation eine Insulintherapie erwogen werden.

Revaskularisation

  • Patient*innen mit Anzeichen einer eingeschränkten arteriellen Durchblutung sollen zur Gefäßchirurgie überwiesen werden.
  • Vor Revaskularisationsmaßnahmen sollte eine mögliche Infektion behandelt werden.
  • Anzeichen für kritische Ischämie
    • < 0,5
    • absoluter systolischer Druck in Fuß- oder Knöchelarterie < 50 mmHg
    • Zehendruck < 30 mmHg
    • reduzierter transkutaner Sauerstoffpartialdruck
  • Mögliche chirurgische Maßnahmen
    • Angioplastie mit ggf. Stent-Implantation
    • Thrombolyse
    • Bypass-Chirurgie.
  • Ggf. medikamentöse Therapie mit Thrombozyten-Aggregationshemmern

Hyperbare Sauerstofftherapie

  • Metaanalysen aus dem Jahr 2013 zeigten ein uneinheitliches Bild zu verbesserten Heilungsraten13-14, und neuere RCT zeigen keinen Nutzen der hyperbaren Sauerstofftherapie.15-16
  • Abschlussbericht des Deutschen Instituts für Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Juni 2016:
    • Nutzen der hyperbaren Sauerstofftherapie beim diabetischen Fußsyndrom nachweisbar17
  • Therapie ist teuer und ressourcenintensiv.
    • Kosten für notwendige ambulante hyperbare Sauerstofftherapie bei ischämischem diabetischem Fußsyndrom sind von den Krankenkassen zu übernehmen.18
  • Die Leitlinie zur Wundbehandlung empfiehlt, die hyperbare Sauerstofftherapie bei Patient*innen mit diabetischem Fußsyndrom nach Ausschöpfen von Revaskularisationsmaßnahmen bei amputationsbedrohter Extremität als zusätzliche Therapieoption zu verwenden.9

Prävention

  • Primärprävention
    • Ziel der Diabetestherapie
    • Verbesserte Blutzuckerkontrolle reduziert mikrovaskuläre Komplikationen und kardiovaskuläre Erkrankungen.
    • Routineuntersuchungen, z. B. im Rahmen der Disease-Management-Programme, sollen Risikopatient*innen identifizieren.
  • Sekundärprävention
    • Ziel der Wundbehandlung
    • Aufklärung mit dem Fokus auf Fußpflege, Nagelpflege und Selbstuntersuchung
    • ggf. Anbindung an erfahrene Podolog*innen

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Chronisch und rezidivierend

Komplikationen

  • Infektion
  • Osteomyelitis
  • Fraktur
  • Gangrän und Amputationsbedarf
    • Ziel aller Beteiligten sollte es sein, durch optimale Therapie und Kooperation die Amputationszahlen zu reduzieren.1

Prognose

  • Die Rezidivrate ist hoch.
  • Eine frühere Läsion erhöht das Risiko eines erneuten Geschwürs.
  • Bei tiefen Infektionen liegt die Heilung ohne chirurgische Intervention bei nur 40 %.6
  • Die Haupttodesursache bei Patient*innen mit diabetischen Fußgeschwüren ist die ischämische Herzerkrankung.19
  • Patient*innen mit Diabetes und einem Fußgeschwür haben eine doppelt so hohe Mortalität wie Patient*innen mit Diabetes ohne Fußgeschwür.19

Disease-Management-Programm (DMP)

Allgemeine Informationen

Ablauf

  • Nach Gesprächen, Untersuchungen und Diagnose erstellt die Ärztin oder der Arzt auf Grundlage von DMP-Vorgaben einen individuellen Therapieplan.21
    • Dieser umfasst u. a. die medikamentöse Behandlung und andere therapeutische Maßnahmen, Schulungstermine und regelmäßige Kontrolluntersuchungen, z. T. auch in anderen Praxen oder Kliniken.

Untersuchungen beim DMP Diabetes mellitus Typ 2

  • Die notwendigen Untersuchungen orientieren sich an Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses.23
  • Berechnung der geschätzten glomerulären Filtrationsrate
    • mind. 1 x/Jahr
  • Augenärztliche Untersuchung einschließlich Netzhautuntersuchung 
    • ein- oder zweijährlich (risikoabhängig)
  • Inspektion der Füße einschließlich klinischer Prüfung auf Neuropathie und Prüfung des Pulsstatus
    • mind. 1 x/Jahr
  • Untersuchung der Füße bei erhöhtem Risiko, einschließlich Überprüfung des Schuhwerks
    • sensible Neuropathie: mind. halbjährlich
    • sensible Neuropathie und Zeichen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und/oder Risiken wie Fußdeformitäten (ggf. infolge Osteoarthropathie), Hyperkeratose mit Einblutung, Z. n. Ulkus, Z. n. Amputation: mind. alle 3 Monate
  • Blutdruckmessung
    • vierteljährlich, halbjährlich
  • HbA1c-Messung
    • vierteljährlich, halbjährlich
  • Bei insulinpflichtigen Patient*innen Untersuchung der Spritzstellen auf Lipohypertrophie und der korrekten Injektionstechnik, bei starken Blutzuckerschwankungen auch häufiger
    • vierteljährlich, mindestens halbjährlich
  • Überprüfung auf psychische Begleiterkrankung (z. B. Depression)
    • keine genaue Vorgabe, möglichst bei jedem Besuch
  • Strukturierte Arzneimittelerfassung und Kontrolle auf mögliche Nebenwirkungen und Interaktionen
    • bei Einnahme von 5 oder mehr Arzneimitteln mind. 1 x/Jahr
  • Individuelle Beratung
    • Ernährungsberatung
    • Raucherberatung
    • Beratung zu körperlicher Aktivität
    • Stoffwechselselbstkontrolle

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Adäquate Diabetes-Therapie
  • Regelmäßige Selbstuntersuchung der Füße
  • Regelmäßige Fuß- und Nagelpflege
  • Regelmäßige physische Aktivität kann die Durchblutung der Peripherie und auch die Stoffwechsellage bei der Grunderkrankung Diabetes verbessern.

Patienteninformationen in Deximed

Weitere Informationen

Videos

Illustrationen

4824-2-diabetisk-fotsar-ikke-bruk.jpg
Diabetisches Fußgeschwür nach der Wundsanierung (Entfernung nekrotischer und fibrinöser Beläge)

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. DEGAM-Anwenderversion als Addendum zur Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes. AWMF-Register-Nr. nvl-001. Stand 2021. www.degam.de
  • NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes - Teilpublikation, 2. Auflage. Stand 2021. www.leitlinien.de
  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Polyneuropathien, Diagnostik. AWMF Leitlinie 030-067. S1, Stand 2019. www.awmf.org

Literatur

  1. NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL): Typ-2-Diabetes Präventions- und Behandlungsstrategien für Fußkomplikationen. Version 2.8. Stand 2010 (abgelaufen). www.leitlinien.de
  2. Diabetisches Fußsyndrom: Zu viele Amputationen.Dtsch Arztebl 2016; 113(8): A-332 / B-280 / C-280. www.aerzteblatt.de
  3. Datenbank: Mehr Wissen zum diabetischen Fußsyndrom. Dtsch Arztebl 2011; 108(25): A-1441 / B-1213 / C-1209. www.aerzteblatt.de
  4. Zylka-Menhorn V. Diabetes mellitus: Inzidenz und Prävalenz steigen in Deutschland. Deutsches Ärzteblatt 2017; 114(15): A-748. www.aerzteblatt.de
  5. Rollmanns J, Weyermann M, Geraedts M, et al. Krankenhausfälle und Amputationen bei Diabetes mellitus – Zeitreihen und Unterschiede auf kleinräumiger Ebene in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2015; 61: 1462-71. link.springer.com
  6. Tennvall GR, Apelqvist J, Eneroth M. Costs of deep foot infections in patients with diabetes mellitus. Pharmacoeconomics 2000; 18: 225-8. PubMed
  7. NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL): Neuropathie bei Diabetes im Erwachsenenalter. AWMF Leitlinie nvl - 001e. Stand 2011 www.awmf.org
  8. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Diagnostik bei Polyneuropathien. AWMF Leitlinie 030-067. S1. Stand 2019. www.awmf.org
  9. Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW). Lokaltherapie chronischer Wunden bei Patienten mit den Risiken periphere arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus, chronisch venöse Insuffizienz. AWMF Leitlinie 091-001. S3. Stand 2012. www.awmf.org
  10. Selva Olid A, Solà I, Barajas-Nava LA, et al. Antibiotika zur Behandlung von Fußinfektionen bei Menschen mit Diabetes. Cochrane Library 2015. www.cochrane.org
  11. NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes - Teilpublikation, 2. Auflage. Stand 2021. www.leitlinien.de
  12. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. DEGAM-Anwenderversion als Addendum zur Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes. AWMF-Register-Nr. nvl-001. Stand 2021. www.degam.de
  13. Liu R, Li L, Yang M, et al. Systematic review of the effectiveness of hyperbaric oxygenation therapy in the management of chronic diabetic foot ulcers. Mayo Clin Proc 2013 Feb;88(2): 166-75. doi: 10.1016/j.mayocp.2012.10.021. DOI
  14. O'Reilly D, Pasricha A, Campbell K, et al. Hyperbaric oxygen therapy for diabetic ulcers: systematic review and meta-analysis. Int J Technol Assess Health Care. 2013;29(3):269-81. doi: 10.1017/S0266462313000263. DOI
  15. Fedorko L, Bowen JM, Jones W, et al. Hyperbaric oxygen therapy does not reduce indications for amputation in patients with diabetes with nonhealing ulcers of the lower limb: A prospective, double-blind, randomized controlled clinical trial. Diabetes Care 2016 Mar; 39(3): 392-9. pmid:26740639 PubMed
  16. Santema KTB, Stoekenbroek RM, Koelemay MJW, Reekers J. Hyperbaric Oxygen Therapy in the Treatment of Ischemic Lower Extremity Ulcers in Patients With Diabetes: Results of the DAMO2CLES Multicenter Randomized Clinical Trial. Diabetes Care 2017 Oct 26. pmid:29074815 PubMed
  17. IQWIG Abschlussbericht 2.6.2016. [N15-02] Hyperbare Sauerstofftherapie bei diabetischem Fußsyndrom. www.iqwig.de
  18. Berner, B. Ambulante HBO-Therapie bei ischämischem diabetischem Fußsyndrom.Dtsch Arztebl 2013; 110(45): A-2166 / B-1910 / C-1854. www.aerzteblatt.de
  19. Chammas NK, Hill RL, Edmonds ME. Increased Mortality in Diabetic Foot Ulcer Patients: The Significance of Ulcer Type. J Diabetes Res 2016. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  20. Fuchs S, Henschke C, Blümel M, et al. Disease-Management-Programme für Diabetes mellitus Typ 2 in Deutschland. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 453-63. www.aerzteblatt.de
  21. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Was sind Disease-Management-Programme (DMP)? Stand 2016. Letzter Zugriff 12.04.21. www.gesundheitsinformation.de
  22. Kassenärztliche Bundesvereinigung. Praxisnachrichten. DMP für Osteoporose-Patienten auf den Weg gebracht. Februar 2020. Letzter Zugriff 17.04.2021. www.kbv.de
  23. Gemeinsamer Bundesausschuss. Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Zusammenführung der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme nach § 137f Absatz 2 SGB V. Stand 2021. Letzter Zugriff 12.04.2021. www.g-ba.de

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
E105; E115
fotsår; Diabetes; Diabetisk fotsår; charcot-fot; Diabetesfotsår
S76; S97
Diabetisches Fußsyndrom; Diabetes mellitus; Charcotfuß; Diabetisch-neuropathische Osteoarthropathie; Diabetisches Fußgeschwür; Circulus vitiosus; Geschwürbildung am Fuß; Diabetische Fußerkrankung; Fußamputation; Fußläsionen; DM; Malum perforans
Diabetische Fußgeschwüre
UB Videotutorial DMP Diabetes Chenot eingefügt 22.09.2020 UB TrainAMed-Video eingefügt 03.02.2020 U-NH 19.12.17
BBB MK 13.04.2021 umfassend überarbeitet, stark gekürzt, neue NVL und DEGAM-Anwenderversion. chck go 22.6. MK 15.11.2017
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Definition:Diabetische Fußgeschwüre sind eine Spätfolge von diabetischer Neuropathie und Arteriosklerose. Häufigkeit:In Deutschland entwickeln pro Jahr rund 250.000 Patient*innen ein diabetisches Fußsyndrom.
Endokrinologie/Stoffwechsel
Diabetische Fußgeschwüre
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Diabetische Fußgeschwüre
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