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Definition
Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
Folge einer Gewalteinwirkung, die zu einer Funktionsstörung und/oder Verletzung des Gehirns geführt hat und mit einer Prellung oder Verletzung der Kopfschwarte, des knöchernen Schädels, der Gefäße und/oder der Dura verbunden sein kann.
Offenes SHT
Verletzung der Kalotte und Dura mit Verbindung zwischen Gehirn und Außenseite des Schädels
Schädelprellung
Schädelverletzung ohne Schädigung des Gehirns
Primäre Hirnschädigung (Primärläsion)
direkte mechanische Schädigung von Gehirngewebe
funktionsgestörte Gehirnzellen, teilweise irreversibel geschädigt
Sekundäre Hirnschädigung (Sekundärläsion)
Entsteht durch die pathophysiologischen Reaktionen auf das Trauma. Dazu zählen:
Ödem
erhöhter Hirndruck
Blutung
Krampfanfall
Ischämie
Infektion.
Kann ggf. durch eine schnelle und wirksame Therapie gemildert werden, was das Hauptziel der Therapie bei Schädel-Hirn-Verletzungen ist.
Eine Schädelfraktur erhöht das Risiko für eine akute intrakranielle Blutung um das 80- bis 400-Fache.
Etwa 1/4 der Erwachsenen mit einer Schädelfraktur hat oder entwickelt ein intrakranielles Hämatom, aber nur die Hälfte der Hämatom-Betroffenen haben eine Schädelfraktur.
Typisch ist ein SHT mit kurzfristiger Bewusstlosigkeit. Nach Minuten bis Stunden („symptomfreies Intervall“) kommt es zu Symptomen und Befunden, die mit einem steigenden intrakraniellem Druck vereinbar sind (Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, zunehmende Bewusstseinseinschränkung, fokale Ausfälle und Koma).
Kommt am häufigsten bei Älteren und bei Personen mit Alkoholkonsumstörung vor, meist ausgelöst durch ein SHT.
Auch ein minimales SHT kann ein chronisches Subduralhämatom nach sich ziehen.
häufig symptomlos
Latenz bis zum Auftreten erster Symptome oft Wochen bis Monate
Typische Symptome (meist langsam zunehmend)
Kopfschmerzen
Müdigkeit
erhöhtes Schlafbedürfnis
Verwirrtheit
kognitive Defizite, z. B. Gedächtnisstörungen
Sturzneigung
Inkontinenz
fokale neurologische Ausfälle
Anamnese
Bedeutung der Fremdanamnese
Der berichtete Unfallmechanismus ist meist wegweisend für die Diagnose SHT, allerdings kann ein veränderter Bewusstseinszustand dazu führen, dass die betroffene Person sich nicht mehr an den Unfall erinnert.
Das klinische Bild eines Schlag- oder Krampfanfalls, einer Psychose oder Intoxikation kann das zusätzliche Vorliegen eines SHT verschleiern.
fokales neurologisches Defizit (z. B. Pupillendifferenz)
mehrmaliges Erbrechen nach dem Trauma
Hinweise auf eine Gerinnungsstörung (Fremdanamnese, „Pass zur Antikoagulanzienbehandlung“, nicht sistierende Blutung aus oberflächlichen Verletzungen usw.)
Episode der Bewusstseinsstörung oder Amnesie nach dem Trauma – und:
Alter ≥65 – oder –
Unfallmechanismus mit hoher Krafteinwirkung (z. B. Kollision von Fußgänger*in oder Radfahrer*in mit einem KfZ, Motorradunfall, Sturz > 1 m Höhe oder 5 Treppenstufen)
> 30 min retrograde Amnesie für Ereignisse unmittelbar vor dem Trauma
Bei Kindern und Jugendlichen, wenn eine Bewusstlosigkeit 5 sec oder länger anhält.
Eine Klinikeinweisung sollte ebenfalls erfolgen bei:
Kindern und Jugendlichen
Unfallmechanismus mit hoher Krafteinwirkung (s. o.), mit oder ohne Bewusstseinsstörung
Hinweise auf Schädelfraktur
zunehmender Kopfumfang
Säuglingen
„Sonnenuntergangsphänomen“ (Hirndruckzeichen): Abwärtsblick der Augen bei geöffneten Lidern
Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. Schädel-Hirn-Trauma im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 024-018. S2k, Stand 2022. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung. AWMF-Leitlinie Nr. 012-019. S3, Stand 2016 (abgelaufen). www.awmf.org
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie. Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. 008-001. S2e, Stand 2015 (abgelaufen). www.awmf.org
Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. Schädel-Hirn-Trauma im Kindesalter. AWMF-Leitlinie Nr. 024-018. S2k, Stand 2022. www.awmf.org
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Haydel MJ. Assessment of traumatic brain injury, acute. BMJ Best Practice; last reviewed: 22 Jan 2022, last updated: 25 May 2021. bestpractice.bmj.com
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Höfer C. Jahresbericht 2021 - TraumaRegister DGU® für das Unfalljahr 2020. AUC - Akademie der Unfallchirurgie GmbH 2021. www.traumaregister-dgu.de
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2022. Stand 17.09.2021; letzter Zugriff 03.03.2022 www.dimdi.de
Autor*innen
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Artikel auf diesen Referenzen.1-5 Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
Folge einer Gewalteinwirkung, die zu einer Funktionsstörung und/oder Verletzung des Gehirns geführt hat und mit einer Prellung oder Verletzung der Kopfschwarte, des knöchernen Schädels, der Gefäße und/oder der Dura verbunden sein kann.