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Angststörung

Was ist eine Angststörung?

Der gesamte Artikel basiert auf der S3-Leitlinie Behandlung von Angststörungen.1

Definition

Angst ist definiert als eine natürliche körperliche und psychische Reaktion auf Gefahrenreize mit dem Ziel, der Gefahrenquelle zu entkommen oder sie zu beseitigen. Damit stellt Angst eine sinnvolle Reaktion auf reale Bedrohungen dar. Sie sichert das Überleben durch eine Flucht- oder Kampfreaktion sowie durch Vermeidung und erhöhte Aufmerksamkeit/Wachheit gegenüber der Gefahr.

Sind Personen von einer Angststörung betroffen, kann es auch ohne eine reale Gefahr zu einer gesteigerten, unkontrollierbaren Angstreaktion kommen. Je nach Erkrankung kann die Angstreaktion allgemein oder als Reaktion auf bestimmte Reize vorkommen.

Symptome

Die Symptome einer Angststörung lassen sich aus den körperlichen und psychischen Reaktionen auf reale Gefahrensituationen ableiten. Betroffene Personen vermuten bei sich häufig zunächst eine körperliche Erkrankung und suchen entsprechend ärztliche Hilfe auf.

Symptome einer Angststörung können folgende Bereiche betreffen:

  • Herz-Kreislauf-System und Lunge
    • Herzklopfen
    • Herzrasen
    • Brustschmerzen
    • Atembeschwerden
  • Magen-Darm-Trakt
    • Magenschmerzen
    • Oberbauchschmerzen
    • Übelkeit
  • Nervensystem einschließlich dem unwillkürlich gesteuerten (vegetativen) Nervensystem
    • Zittern
    • Mundtrockenheit
    • Kopfschmerzen
    • Schwindel 
    • Ohnmachtsgefühle
    • Schwitzen
    • Hitzewallungen
  • Muskel-Skelett-System
    • ständige Anspannung.

Verschiedene Angststörungen

Man unterscheidet folgende Erkrankungen:

  • Eine generalisierte Angststörung ist eine fast allgegenwärtige Angst vor künftigen Katastrophen. Die Angst beschränkt sich dabei nicht auf bestimmte Umgebungsbedingungen. Die Betroffenen sind ständig angespannt und nervös.
  • Bei Panikattacken erleben die Betroffenen ein intensives Gefühl von Furcht oder Angst. Die Symptome wie Herzklopfen, Atemnot oder Schwindel setzen plötzlich ein. Treten die Panikattacken wiederholt auf und führen sie zu einer Erwartungsangst vor der nächsten Attacke, handelt es sich um eine Panikstörung. Die Attacken treten unerwartet auf und sind nicht mit einer typischen Situation verbunden.
  • Phobien dagegen kennzeichnen sich dadurch, dass ein Gefühl großer Angst vor einem bestimmten Objekt oder einer bestimmten Situation auftritt, die die Betroffenen dann zu vermeiden versuchen. Phobien beziehen sich auf spezifische, deutlich abgegrenzte Phänomene wie Tiere, Höhe, geschlossene Räume, Blut, Spritzen oder die Angst vor dem Erbrechen. Dazu zählt auch die soziale Phobie, die als Angst vor der prüfenden Bewertung durch Mitmenschen definiert ist.

Bei Depression, Drogen- und Alkoholmissbrauch, Zwangsstörungen, bestimmten Persönlichkeitsstörungen („Borderline“) sowie Schizophrenie tritt Angst häufig als Teil des Krankheitsbildes auf. Auch körperliche Erkrankungen wie Asthma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Epilepsie und andere neurologische Erkrankungen sowie bestimmte Stoffwechselstörungen können Angst auslösen.

Ursachen

Wenn man die menschliche Entwicklungsgeschichte betrachtet, tritt Angst als normale psychische und körperliche Reaktion auf konkrete Gefahren und bedrohliche Situationen auf (Urangst gegenüber z. B. gefährlichen Tieren, Wasser, Gewitter). Bei Menschen mit Angststörungen scheinen diese natürlichen Warnmechanismen in übertrieben starker Ausprägung vorzukommen. Warum das so ist, ist bisher nicht abschließend geklärt.

Belastungen in der Kindheit, bestimmte Erziehungsstile oder weitere Personen mit Angsterkrankungen im Umfeld der betroffenen Person können Angsterkrankungen begünstigen. Zudem spielen genetische Faktoren und Veränderungen von Botenstoffen im Gehirn eine Rolle.

Phobien können auftreten, wenn in einem bestimmten Zusammenhang etwas Unangenehmes erlebt wird. Allerdings gibt es auch angeborene Phobien, die auftreten, ohne dass die Betroffenen dem gefürchteten Objekt oder der gefürchteten Situation ausgesetzt waren.

Bestimmte Medikamente können ebenfalls Angstsymptome auslösen.

Häufigkeit

Angststörungen sind die häufigsten psychischen Erkrankungen, außerdem besteht ein erhöhtes Risiko, an weiteren psychischen Störungen (z. B. Depressionen, Abhängigkeiten) zu erkranken. Frauen sind wesentlich häufiger betroffen als Männer. Bei  Menschen in der Altersgruppe zwischen 18–34 Jahren besteht die höchste Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres an einer Angststörung zu erkranken.

Untersuchungen

Hinweise für eine Angststörung können von Ärzt*innen durch ein ausführliches Gespräch mit den Betroffenen erfasst werden. Um ein möglichst genaues Bild der Erkrankung zu erhalten, beziehen sich Fragen z. B. auf:

  • die Art der Ängste
  • die Grundstimmung
  • die bisherige Entwicklung der Erkrankung
  • die aktuellen Lebensumstände und den Lebensstil
  • familiäre Belastungen mit Angsterkrankungen
  • weitere psychische und/oder körperliche Erkrankungen
  • körperliche Beschwerden.

Zusätzlich können Fragebögen zur Beurteilung der Art und des Schweregrads der Angststörung verwendet werden. Das Gespräch kann außerdem mit dem Befragen von Angehörigen ergänzt werden. Eine Überweisung zu Spezialist*innen kann für weitere Untersuchungen, zur Ermittlung des Schweregrades, zur Feststellung möglicher weiterer psychischer Beschwerden bzw. Erkrankungen und zum Einleiten einer Behandlung erfolgen.

Zum Ausschluss von körperlichen Ursachen können zusätzlich zur körperlichen Untersuchung ein EKG und Blutuntersuchungen (z. B. Blutbild, Blutzucker, Schilddrüsenhormone) durchgeführt werden. In einigen Fällen können weitere Untersuchungen bei Spezialist*innen sinnvoll sein. Bei den genannten körperlichen Untersuchungen ist zu betonen, dass diese dem Ausschluss körperlicher Ursachen dienen. Wurden sie bereits durchgeführt, bringen immer mehr Untersuchungen keinen weiteren Vorteil, sondern verunsichern eher oder sorgen darüber hinaus für weitere neue Ängste. 

Behandlung

Ziele der Behandlung einer Angststörung können sein:

  • Angst und Vermeidungsverhalten zu reduzieren.
  • Die Einschränkung der Bewegungsfähigkeit zu bessern.
  • Die soziale Integration und die Lebensqualität zu verbessern.
  • die berufliche Leistungsfähigkeit wiederherstellen.

Diese können über eine Behandlung mit einer Psychotherapie oder mit Medikamenten erreicht werden. Nachdem die Betroffenen ausführliche Informationen über Vor-, Nachteile und Nebenwirkungen des jeweiligen Verfahrens erhalten haben, orientiert sich die Behandlung an den Vorzügen. Falls die zunächst gewählte Behandlungsform nicht anschlagen sollte, kann auf das noch nicht angewandte Verfahren gewechselt werden oder eine Kombination aus beiden Verfahren angewandt werden.

Psychotherapie

Die Form der Psychotherapie, deren Wirkung am besten belegt ist und die derzeit als Therapie der Wahl empfohlen wird, ist die kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Sie kann bereits von entsprechend qualifizierten Hausärzt*innen eingeleitet werden, die weitere Betreuung übernehmen meist Spezialist*innen (Psychotherapeut*innen). Alternativ kann bei Nicht-Ansprechen auf eine KVT zu einer psychodynamischen Psychotherapie gewechselt werden. Bei beiden Behandlungsformen geht es z. B. darum, ein Verständnis für Angstentstehung und Angstwahrnehmung zu entwickeln und sich mit therapeutischer Unterstützung aktiv mit der Angst auseinanderzusetzen.

Medikamente

In Deutschland sind Medikamente zur Behandlung einer Panikstörung, einer generalisierten Angststörung sowie zur sozialen Phobie zugelassen. Die Wirksamkeit von Antidepressiva vom Typ selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) sowie trizyklische Antidepressiva (TZA) ist bei allen Angststörungen erwiesen. Für die generalisierte Angststörung gibt es weitere wirksame medikamentöse Behandlungsalternativen. Alle genannten Medikamente haben die Eigenschaft, dass die angstlösende Wirkung erst nach 2–6 Wochen eintritt.

Benzodiazepine sollten wegen des hohen Suchtpotenzials vermieden werden. Sie können bei einer generalisierten Angststörung in Ausnahmefällen für kurze Zeit angewendet werden. Es besteht die Gefahr der Gewöhnung und Abhängigkeit.

Sportliche Betätigung

Um eine bessere Körperwahrnehmung zu bekommen und den Körper als leistungsfähig zu erleben, kann ergänzend körperliches Ausdauertraining eingesetzt werden.

Behandlung in einem Krankenhaus

Wenn die o. g. Maßnahmen bei einer schweren Angststörung nicht ausreichen oder beispielsweise Suizidgedanken hinzu kommen, kann eine Behandlung in einer Tagesklinik oder einem Krankenhaus sinnvoll sein.

Rehabilitation 

Falls die Erkrankung bereits chronisch besteht und/oder die berufliche Leistungsfähigkeit und gesellschaftliche Teilhabe eingeschränkt ist, kann über die Krankenkasse oder Rentenversicherung eine Rehabilitationsmaßnahme nach Ausschöpfen der o. g. Maßnahmen beantragt werden.

Was können Sie selbst tun?

Scheuen Sie sich nicht, ärztliche oder psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, auch wenn dies eine große Überwindung bedeuten kann. Ein Vermeidungsverhalten führt meist zu keiner Besserung Ihrer Beschwerden, sondern bringt oft eher eine Verschlechterung mit sich.

Nehmen Sie von Ärzt*innen verordnete Medikamente täglich ein, auch wenn Sie zunächst vielleicht keine Wirkung bei sich beobachten. Bis Sie den erwünschten angstlösenden Effekt bei sich bemerken, kann es bei regelmäßiger Einnahme 2–6 Wochen dauern. Wenn sich Ihre Symptome gebessert haben, sollten Sie Ihre Medikamente noch weiter einnehmen, um einen Rückfall zu vermeiden. Die Dauer der Einnahme hängt von Ihrer Erkrankung ab und wird mit Ihnen durch die behandelnden Spezialist*innen besprochen. Setzen Sie Ihre Medikamente nicht abrupt und eigenmächtig ab, da es sonst zu unerwünschten Absetzphänomenen kommen kann. Falls Sie Nebenwirkungen bei sich bemerken, sollten Sie dies mit Ihren Ärzt*innen besprechen.

Für eine erfolgreiche Behandlung ist es wichtig, dass Sie die vereinbarten Termine (Psychotherapie, Kontrollen) regelmäßig wahrnehmen.

Werden Sie körperlich aktiv, um Ihren Körper wahrzunehmen und darauf bezogene Ängste abzubauen.

Prognose

Angsterkrankungen verlaufen meist chronisch und machen häufig eine lebenslange Behandlung erforderlich. Bei der Panikstörung und der generalisierte Angststörung gibt es teils unterschiedliche Phasen, in denen Erkrankte mehr oder weniger unter ihren Symptomen leiden, wohingegen eine soziale Phobie meist durchgängig besteht.

Weitere Informationen

Quellen

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM). Behandlung von Angststörungen. AWMF-Leitlinie Nr. 051-028. S3, Stand 2021. www.awmf.org

Autorinnen

  • Catrin Grimm, Ärztin in Weiterbildung Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Klingenberg a. Main
  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden

 

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Angststörung
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Der gesamte Artikel basiert auf der S3-Leitlinie Behandlung von Angststörungen.1 Angst ist definiert als eine natürliche körperliche und psychische Reaktion auf Gefahrenreize mit dem Ziel, der Gefahrenquelle zu entkommen oder sie zu beseitigen. Damit stellt Angst eine sinnvolle Reaktion auf reale Bedrohungen dar. Sie sichert das Überleben durch eine Flucht- oder Kampfreaktion sowie durch Vermeidung und erhöhte Aufmerksamkeit/Wachheit gegenüber der Gefahr.
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