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Postpartale Psychose

Zusammenfassung

  • Definition: Psychosen in der postpartalen Phase sind meistens affektiv und mit der bipolaren Störung verwandt, sie sind mit einem erhöhten Suizidrisiko verbunden.
  • Häufigkeit: Postpartale Psychosen treten mit einer Häufigkeit von 1:500 bis 1:2.000 auf.
  • Symptome: Die Symptome sind sehr unterschiedlich, sie können aus Schlafstörungen, Angstzuständen, Verwirrtheit, emotionaler Labilität, Niedergeschlagenheit und Verzweiflung bestehen.
  • Befunde: Mögliche klinische Befunde sind starke Unruhe, gehobene Stimmungslage, wirklichkeitsverzerrende Vorstellungen und Halluzinationen.
  • Diagnostik: Weitere Untersuchungen haben keinen diagnostischen Wert.
  • Behandlung: Die Behandlung besteht in der Regel aus Einweisung sowie Unterstützung, Gesprächen und beruhigenden Maßnahmen. Die medikamentöse Therapie ist von zentraler Bedeutung.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Wochenbettpsychose
  • Psychosen in der postpartalen Phase sind meistens affektiv und mit der bipolaren Störung verwandt.1
    • Sie können sich als Manie, schwere Depression oder akute polymorphe (zykloide) Psychose äußern.2
  • Sie entstehen in der Regel kurz nach der Geburt, meistens innerhalb von sechs Wochen, aber auch später.
  • Oft treten die psychotischen Symptome bereits in einem frühen Stadium auf, und eine ziemlich plötzliche Entwicklung mit ausgeprägten und bisweilen dramatischen Symptomen ist keine Seltenheit.

Epidemiologie

  • Postpartale Psychosen sind, vor allem im Vergleich mit postpartalen Depressionen, relativ selten. Die Prävalenz liegt bei 0,–0,2 %.2
  • Psychosen treten mit erhöhter Häufigkeit in der postpartalen Phase auf,3 es wird von einer Frequenz von 1:500 bis 1:2.000 berichtet.

Ätiologie und Pathogenese

  • Frauen mit bekannter bipolarer Störung haben ein Risiko von bis zu 50 %, eine postpartale Psychose zu entwickeln, wenn keine ausreichende Prophylaxe betrieben wird,4 während bei Frauen mit bekannter Schizophrenie ein Risiko von 24 % besteht.5

Prädisponierende Faktoren

  • Zweitgebärende, die in Zusammenhang mit der ersten Schwangerschaft eine Psychose entwickelt haben, sind gefährdet.
  • Eine familiäre Vorgeschichte mit psychotischen Störungen erhöht das Risiko für eine Erkrankung,6 und Verwandte ersten Grades von Frauen mit bipolarer Störung haben ein Risiko von 20 % für die Entwicklung einer postpartalen Psychose.7

ICPC-2

  • P98 Psychose NNB, andere
  • W18 Postpartale Sympt./Beschw., and.

ICD-10

  • F53 Psychische oder Verhaltensstörungen im Wochenbett, anderenorts nicht klassifiziert
    • F53.1 Schwere psychische und Verhaltensstörungen im Wochenbett, anderenorts nicht klassifiziert

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Psychose, die in der Regel innerhalb von sechs Wochen nach der Geburt auftritt

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Die Symptome sind sehr unterschiedlich, sie können aus Schlafstörungen, Angstzuständen, Verwirrtheit, emotionaler Labilität, Niedergeschlagenheit und Verzweiflung bestehen.
  • In einigen Fällen herrschen Symptome wie starke Unruhe, gehobene Stimmungslage, wirklichkeitsverzerrende Vorstellungen und Halluzinationen vor.
  • Suizidgedanken sind nicht ungewöhnlich, und es können starke aggressive Impulse vorkommen, die gegen das Kind gerichtet sind.
  • Eventuelle Wahnvorstellungen oder Halluzinationen beziehen oft auch das Kind mit ein.
    • Es ist möglich, dass die Patientinnen glauben, das Kind sei vom Teufel besessen und müsse sterben oder es sei ausgetauscht worden.8

Indikationen zur Überweisung

  • Es handelt sich um einen medizinischen Notfall, und in der Regel ist eine Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung erforderlich.
  • Eine eventuelle Einweisung muss aufgrund einer Bewertung der Gesamtsituation erfolgen, wobei der aktuelle klinische Zustand, das Netzwerk der Patientin sowie die Ressourcenlage und die Kompetenz vor Ort berücksichtigt werden müssen.
  • Es wurde festgestellt, dass die gemeinsame Einweisung von Mutter und Kind einen günstigen Effekt auf die Entwicklung der Mutter-Kind-Beziehung und die Elternfunktion haben kann.
  • Einweisung als Zwangsmaßnahme nach PsychKG kann in Einzelfällen notwendig werden.

Therapie

Therapieziel

  • Vollständige Heilung
  • Selbstverletzung und Verletzung des Kindes verhindern
  • Weitere Episoden verhindern

Allgemeines zur Therapie

  • In der Regel ist eine Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung erforderlich.
  • Die Patientinnen benötigen viel Unterstützung, Gespräche und beruhigende Maßnahmen.
    1. Das Kind muss üblicherweise durch den Vater oder andere Helfer betreut werden.
    2. Es wird in der Regel nicht gestillt. Ein Vorteil dabei ist, dass die Patientinnen besser schlafen können und dass dies die optimale Medikation erleichtert. Nach Beendigung des Stillens sollten Pravidel und Dostinex vermeiden werden, da diese die Psychose verschlimmern können.
    3. Viel Schlaf ist nach einer Phase mit Schlafmangel besonders wichtig.
  • Die medikamentöse Therapie ist von zentraler Bedeutung. Jede Medikamentenwahl ist mit einem Risiko verbunden, auch die, vollständig auf Medikamente zu verzichten. Diese Möglichkeit muss gegen das Risiko eines Aufkeimens einer schweren psychischen Erkrankung abgewogen werden.
  • Eine wirksame medikamentöse Behandlung sollte früh im Krankheitsverlauf erwogen werden.
  • Medikamente, die in Frage kommen, sind Neuroleptika und stimmungsstabilisierende Medikamente. Häufig sind auch angstlösende Medikamente und Schlafmittel indiziert.

Weitere Therapien

  • Elektrokonvulsionstherapie (EKT)
    • Die Therapie hat eine nachgewiesen positive Wirkung, die oft schnell nach erfolgter Behandlung eintritt.
    • Sie wird bei schweren affektiven Erkrankung in der postpartalen Phase häufiger angewendet als in anderen Fällen und ist in diesem Zeitraum besonders effektiv.
    • Während der Schwangerschaft wird die EKT als „letztes Mittel“ angesehen (Ia).9

Prävention

  • Frauen aus Risikogruppen sollten darüber im voraus informiert werden, und ihnen sollte die Möglichkeit angeboten werden, eventuelle Schwangerschaften z. B. in Hinblick auf den Einsatz von Medikamenten zu planen.
  • Während der Schwangerschaft und nach der Entbindung sollten diese Patientinnen genau überwacht werden.
  • Einige Kliniken haben eigens geschultes Personal für genau diese Patientengruppe. Bei der Behandlung der Patientinnen sollten Arztpraxis/Hebamme und Psychiatrie möglichst zusammen arbeiten.

Stimmungsstabilisierer

  • Frauen mit diagnostizierter bipolarer Störung haben ein erhöhtes Risiko für Krankheitsepisoden nach der Geburt, das Risiko kann jedoch durch geeignete medikamentöse Prophylaxe reduziert werden.10
  • Lithium
    • Lithium wird in diesen Fällen als Prophylaxe empfohlen.10
    • Die Serumkonzentration des Kindes liegt bei ca. 25 % der Konzentration der Mutter und scheint keine Nebenwirkungen zu verursachen.11
    • Fallberichte haben gezeigt, dass der Serumspiegel die Hälfte des Wertes der Mutter erreichen kann. Solche Konzentrationen können ein Risiko für unerwünschte neuromotorische, renale und endokrine Auswirkungen auf das Kind bedeuten.
    • Patientinnen, die Lithium verwenden, sollten normalerweise nicht stillen.
      • Wenn Patientinnen darauf besteht zu stillen, sind ein kinderärztliches Follow-up des Kindes und Blutuntersuchungen zur Überprüfung der Arzneimittelkonzentration, des Kreatininspiegels und der Funktion der Schilddrüse erforderlich.
      • bei genauer Beobachtung des Säuglings kann das Stillen erlaubt werden, die Dosis sollte möglichst niedrig gehalten werden12
  • Valproat
    • Valproat wird über die Muttermilch in einer Dosis von etwa 6 % der normalen therapeutischen antiepileptischen Dosis an die Säuglinge weitergegeben.13
    • Es wurden keine verdächtigen negativen Auswirkungen bei den Kindern beobachtet, Valproat gilt daher für stillende Mütter als sicher.
    • Eine Monotherapie mit Valproat ist in der Stillzeit möglich12
  • Carbamazepin
    • Die Konzentration von Carbamazepin in der Muttermilch ist in der Regel auf einem Niveau, das relativ gesehen für das Kind ungefähr der Dosis von Valproat entspricht.
    • Die Vorteile des Stillens müssen gegen das Risiko von Nebenwirkungen für das Kind abgewogen werden. Wenn eine stillende Mutter Carbamazepin einnimmt, sollten die Serumkonzentrationen des Kindes überwacht und das Kind hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen beobachtet werden.
    • Eine Monotherapie mit Carbamazepin ist in der Stillzeit unter Beachtung der Nebenwirkungen möglich12
  • Lamotrigin
    • Wenn Mütter, die mit Lamotrigin behandelt werden, ihre Kinder vollständig stillen, liegt die Serumkonzentration des Kindes häufig bei 20–30 % der mütterlichen Konzentration, es gibt allerdings große individuelle Unterschiede.13-14
    • Dies sind Werte, bei denen man erwarten muss, dass pharmakologische Wirkungen auftreten.
    • Wenn die Mutter mit Lamotrigin behandelt wird, sollte sie daher mit dem Stillen sehr zurückhaltend sein.
      • Stillen während der Einnahme von Lamotrigin wird nur als bedingt akzeptabel eingestuft.12
        • Grund: unzureichende Erprobung
  • Olanzapin, Risperidon und Quetiapin
    • gehen nur in geringen Mengen in die Muttermilch über.
    • können in der Stillzeit verordnet werden12

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Beim Kind
    • Das erste Lebensjahr ist ein besonders wichtiger Abschnitt in der Entwicklung des Kindes. Wenn die Mutter in dieser Zeit schwere psychische Beschwerden hat und nicht leistungsfähig ist, kann dies die Mutter-Kind-Beziehung negativ beeinflussen.
  • Bei der Mutter
    • Für Frauen, die in der postpartalen Phase eine schwere psychiatrische Erkrankung hatten, besteht im ersten Jahr nach der Geburt ein erhöhtes Suizidrisiko.
    • Dies unterstreicht die Bedeutung eines regelmäßigen und langfristigen klinischen Follow-up dieser Patientinnen, vor allem im ersten Jahr nach der Geburt.15

Prognose

  • Die Prognose ist prinzipiell gut bezüglich des Rückgangs der Symptome sowie der sozialen und beruflichen Funktionsfähigkeit.16
  • Allerdings besteht ein erhebliches Rezidivrisiko und die Suizidrate ist erhöht.

Verlaufskontrolle

  • Es ist ein regelmäßiges und langfristiges Follow-up nötig.
  • Vor allem im ersten Jahr nach der Geburt ist dies aufgrund des erhöhten Suizidrisikos wichtig.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Referenzen

  1. Marder S. Postpartum psychosis: Epidemiology, clinical manifestations, assessment, and diagnosis. UpToDate, last updated Dec 30, 2014. UpToDate
  2. Brockington I. Postpartum psychiatric disorders. Lancet 2004; 363: 303-10. PubMed
  3. Tschinkel S, Harris M, Le Noury J, Healy D. Postpartum psychosis: two cohorts compared, 1875-1924 and 1994-2005. Psychol Med 2007; 37:529. PubMed
  4. Viguera AC, Whitfield T, Baldessarini RJ, et al. Risk of recurrence in women with bipolar disorder during pregnancy: prospective study of mood stabilizer discontinuation. Am J Psychiatry 2007; 164:1817. American Journal of Psychiatry
  5. McNeil TF. A prospective study of postpartum psychoses in a high risk group. I: clinical characteristics of the current postpartum episodes. Acta Psychiatr Scand 1986; 74: 205 - 16. PubMed
  6. Winokur G, Behar D, Vanvalkenburg C, Lowry M. Is a familial definition of depression both feasible and valid? J Nerv Ment Dis 1978; 166: 764 - 8. PubMed
  7. Uddeberg N, Englesson I. Prognosis of postpartum disturbance. Acta Psychiatr Scand 1978; 58: 201 - 12. PubMed
  8. Rohde A, Dorn A. Gynäkologische Psychosomatik und Gynäkopsychiatrie. Stuttgart, Schattauer 2007. books.google.de
  9. Leiknes KA, Cooke MJ, Jarosch-von Schweder L, Harboe I, Høie B. Electroconvulsive therapy during pregnancy: a systematic review of case studies. Archives of Women's Mental Health, November 2013. 
  10. Cohen LS, Sichel DA, Robertson LM, Heckscher E, Rosenbaum JF. Postpartum prophylaxis for women with bipolar disorder. Am J Psychiatry 1995; 152: 1641 - 5. PubMed
  11. Viguera AC, Newport DJ, Ritchie J et al. Lithium in breast milk and nursing infants: clinical implications. Am J Psychiatry 2007; 164: 342-5 American Journal of Psychiatry
  12. Schaefer C, Spielmann H, Vetter K, Weber-Schöndorfer C . Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit. Elsevier: , 2011. 
  13. Hägg S, Spigset O. Anticonvulsant use during lactation. Drug Saf 2000; 22: 425 - 40. PubMed
  14. Tomson T, Battino D. Pregnancy and epilepsy: what should we tell our patients? J Neurol 2009; 256: 856  62. 
  15. Appleby L, Mortensen PB, Faragher EB. Suicide and other causes of mortality after post-partum psychiatric admission. Br J Psychiatry 1998; 173: 209 - 11. British Journal of Psychiatry
  16. Pfuhlmann B, Stoeber G, Beckmann H. Postpartum psychoses: prognosis, risk factors, and treatment. Curr Psychiatry Rep 2002; 4: 185-90. PubMed

Autoren

  • Julia Trifyllis, Dr. med., Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Münster/W
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Trondheim (tilpasning til NEL)
  • Margareta Blomdahl, överläkare, Psykiatriska konsultenheten, Psykiatri Sydväst, Huddinge (Medibas)
  • Christoffer Rahm, med dr och ST-läkare, Psykiatri Sydväst, Karolinska universitetssjukhuset (Medibas)
Postpartum psykose
Postpartum psykose
Postpartum psykose
PostpartumWochenbettpsychose; psykosePostnatale Psychose; Polymorphe Psychose; Zykloide Psychose; Verhaltensstörung; Bipolare Störung; Stimmungsstabilisierung; Stimmungsstabilisierer
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chck go 4.6., jt 13.6. dtsch. Literatur bzgl. Medikamentenempfehlung erg.
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Definition: Psychosen in der postpartalen Phase sind meistens affektiv und mit der bipolaren Störung verwandt, sie sind mit einem erhöhten Suizidrisiko verbunden.
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