Definition:Spongiforme Enzephalopathie mit schnell fortschreitender Entwicklung von Demenz, Ataxien, Myoklonien und zentralmotorischen Ausfällen. Man unterscheidet sporadische, erbliche und infektiös bedingte Formen.
Häufigkeit:Jährlich ungefähr 1 Fall pro 1 Mio. EinwohnerEinw.
Symptome:Sich schnell entwickelnde Persönlichkeitsveränderungen und Demenz sowie Myoklonien.
Befunde:Typisch sind Myoklonien, d. h. kurze, schnelle und unregelmäßige Zuckungen von Muskelgruppen. Daneben treten Ataxien, Dysästhesien und psychiatrische Symptome auf.
Diagnostik:Diagnostische Untersuchungen mittels EEG, MRT und Liquor. Genetische Polymorphismen im Prion-Protein-Gen.
Meldepflicht: Erkrankung und Tod in Deutschland meldepflichtig.
Allgemeine Informationen
Definition
Spongiforme Enzephalopathie mit schnell fortschreitender Entwicklung von Demenz, Myoklonien, zentralmotorischen und zerebellären Ausfällen und allmählich einsetzenden charakteristischen EEG-Veränderungen.1
Tritt in verschiedenen Formen auf:
spontan (sporadisch, sCJK): bei 80 % aller Fälle weltweit
erblich (familiär): bei 5–10 % der Fälle
infektiös (Prionen)
iatrogen: kontaminierte neurochirurgische Instrumente, Dura-mater- oder Kornea-Transplantate, Implantation von Hypophysengewebe bei Kleinwuchs
Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK)
Kuru (nur noch von medizinhistorischem Interesse)
Die „neue Variante"“ der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) wurde erstmals im Jahr 1995 im Zusammenhang mit der bovinen spongiformen Enzephalopathie BSE („Rinderwahnsinn"“) beschrieben. Man nimmt an, dass es sich dabei um eine menschliche Variante des Rinderwahnsinns handelt.2-3
Häufigkeit
Die ursprünglichen Formen treten in den meisten europäischen Ländern ungefähr 1 x pro Jahr pro 1 Mio. EinwohnerEinw. auf.
Hauptsächlich sind Menschen über 60 Jahren betroffen, Frauen und Männer gleichermaßen.
In Deutschland treten im Mittel ca. 80 Fälle/Jahr auf.2,4
Laut RKI wurden im Jahre 2013 114 und im Jahre 2014 86 sporadisch aufgetretene Fälle gemeldet.5
Neue, sog. variante Form (vCJK)
Die ersten 3 Fälle wurden 1995 in England beobachtet. Für das Jahr 2012 wurden weltweit 224 Verdachts- oder bestätigte Fälle der vCJK gemeldet, davon 175 in Großbritannien und 25 in Frankreich. Die anderen waren Einzelfälle. Die Inzidenz ist in den letzten Jahren zurückgegangen.2-3,6-7
Tritt bei deutlich jüngeren PatientenPatient*innen auf, sogar bei Kindern.
Ätiologie und Pathogenese
Die Erkrankung wird durch eine intrazelluläre Akkumulation von Prionen verursacht.2,5,8
Prionen sind infektiöse Proteine. Bei gesunden Menschen kommen sie in ihrer normalen Form (PrP) vor. Das krankhafte Prion (PrPSc) zeigt die gleiche Aminosäure-Zusammensetzung wie das gesunde, ist aber auf eine andere Weise gefaltet (andere Sekundärstruktur).
Das krankhafte Prion beeinflusst die Faltung des gesunden, was zu einer Anhäufung der krankhaften Prionen führt.
Das krankhafte Prion wird nicht von proteolytischen Enzymen abgebaut und ist unempfindlich gegen Hitze und Bestrahlung.
Das Gen für das gesunde Prion liegt auf Chromosom 20. Mutationen dieses Gens am Codon 129 treten häufig auf.2
Übertragung (Infektion)
Die Infektion erfolgt durch die Übertragung von infiziertem Gewebe.
bei iatrogener CJK durch kontaminierte neurochirurgische Instrumente, Dura-mater- oder Kornea-Transplantate, Implantation von Hypophysengewebe bei KleinwuchsMinderwuchs
bei der vCJK hauptsächlich von Gehirn und Rückenmark von Tieren mit Rinderwahnsinn BSE
Das Gesamtinfektionsrisiko wird als sehr gering eingeschätzt. Allerdings besteht immer noch eine gewisse Unsicherheit aufgrund fehlender zuverlässiger Daten über die Inkubationszeiten. Ebenso wenig ist bekannt, inwieweit die Krankheit schon während der Inkubationszeit übertragbar ist.
Prionenerkrankungen bei Tieren
Der „Rinderwahnsinn” ist eine Prionenerkrankung bei Rindern.
Die Erkrankung konnte in vielen europäischen Ländern nachgewiesen werden. Die meisten Fälle stammen aus Großbritannien.
Die Krankheit kann auf Menschen übertragen werden und zur neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) führen.
Die Scrapie (Traberkrankheit) ist eine Prionerkrankung im Gehirn von Schafen und Ziegen.
Die Erkrankung ist übertragbar von Tier zu Tier.
Es ist bisher nicht belegt, dass die Traberkrankheit Menschen befällt.
Prädisponierende Faktoren
Verzehr von Fleisch von BSE-infizierten Rindern
Transplantation von organischem Material von CJK-erkrankten Menschen
Bluttransfusion von PatientenPatient*innen mit vCJK.9 Übertragung durch Bluttransfusionen sind für die vCJK, nicht jedoch die sCJK beschrieben.2
MRT-Untersuchungen zeigen bilaterale typische Befunde: „Thalamic High Signals"“, „Pulvinar Sign"“.
Liquor meist ohne Nachweis von Protein 14-3-3
Positive Hirnbiopsie
Eine Hirnbiopsie ist selten indiziert, meistens nur in den Fällen, wo therapiebare Differenzialdiagnosen zu erwarten sind.
Bei allen Formen von CJK ist die endgültige Diagnose nur nach einer Autopsie und mit dem Nachweis der charakteristischen schwammartigen (spongiformen) Veränderungen im Hirngewebe möglich.
Die Liquoruntersuchung ist am besten dafür geeignet, zwischen den verschiedenen Formen von CJK zu unterscheiden.
Die 14-3-3-Protein-Werte der Spinalflüssigkeit sind bei mehreren Gehirnerkrankungen erhöht, z. B. einem Schlaganfall.
Die Analyse aller Fälle von sporadischer CJK im Zeitraum 1997–2007 in Großbritannien ergab, dass die Kombination verschiedener Spinalflüssigkeitsproteine die Diagnosesicherheit erhöht.
Den höchsten positiven prädiktiven Wert hatten das 14-3-3-Protein oder das Tau-Protein zusammen mit einem erhöhten S100b-Protein.12
In einer Studie zeigten Proben des olfaktorischen Epithels mit tiefen Nasenabstrich/nasopharyngale Aspirate mit einer Sensitivität von 97 % und einer Spezifität von 100 % sowie einer höheren Prion-Dichte bessere Ergebnisse als eine Liquor-Untersuchung.13
Blutuntersuchung
molekulargenetische Untersuchung von Polymorphismen am Codon 129 im Prion-Protein-Gen
Weitere Testverfahren
Japanische Wissenschaftler*innen haben einen Test entwickelt, mit dem sich geringe Mengen an Prion-Protein in der Spinalflüssigkeit mit einer Sensitivität von 85 % und einer Spezifität von 100 % (keine Falsch-Positven) nachweisen lassen.14
Im Urin lassen sich bei vCJK geringe Prionkonzentrationen nachweisen.15
Bei sCJK werden die Prionen nur im ZNS nachgewiesen.
Im Gegensatz zur sporadischen Form der CJK kann das anomale Prionprotein bei der vCJK auch im peripheren lymphatischen Gewebe (Appendix, Tonsillen und Lymphknoten) nachgewiesen werden. Eine Übertragung dieser Erkrankungsform über Blut und Blutprodukte wurde beobachtet.
Indikationen zur Überweisung
Bei Verdacht auf CJK Einweisung in ein Krankenhaus mit neurologischer Abteilung
Therapie
Therapieziel
Beschwerden lindern.
Allgemeines zur Therapie
Es gibt keine kausale Therapie, die auf den Krankheitsverlauf beeinflussen kann.
Prävention
Iatrogen sind folgende Übertragungen gesichert: parenterale Behandlung mit Wachstumshormonen aus humanen Hypophysen (ca. 130 Fälle), Transplantation von Dura mater (ca. 110 Fälle) und Kornea (bisher 5 mögliche Fälle), kontaminiertes neurochirurgisches Instrumentarium (6 Fälle bei unzureichender Aufbereitung).
Es gibt keinen Anhaltspunkt für eine Übertragbarkeit einer Prionerkrankung durch übliche soziale und pflegerische Maßnahmen sowie durch sexuelle Kontakte. Ein erkennbar erhöhtes Erkrankungsrisiko für medizinisches Personal und Pflegepersonal sowie Angehörige konnte bislang nicht festgestellt werden.
Nach derzeitigen Erkenntnisstand entsteht bei der sporadischen CJK und der familiären CJK die Erkrankung primär im Gehirn und bereitet sich im Zentralnervensystem aus, ohne dass Infektiosität mit derzeitigen Nachweismethoden außerhalb des ZNS in lymphatischen Geweben nachweisbar ist.
Bei vCJK wird der Erreger vermutlich mit der Nahrung aufgenommen und ist mit dem BSE-Erreger identisch. Es kommt zu einer primären Erregerausbreitung im lymphatischen Gewebe und sekundär zu einer Ausbreitung im Zentralnervensystem.
Während es bei der sporadischen CJK keinen Hinweis auf eine Übertragbarkeit durch Blut oder Blutprodukte gibt, ist dieser Übertragungsweg bei vCJK bereits aufgetreten.
Die mit CJK ins Krankenhaus eingewiesenen PatientenPatient*innen müssen nicht isoliert werden.
Grundsätzlich sollten bei elektiven invasiven Eingriffen Einmalinstrumente verwandt werden. Diese sind nach Gebrauch durch Verbrennung zu vernichten. Wenn dies nicht möglich ist, kann eine Kombination von Desinfektionsverfahren angewandt werden.2-3,9
Für Blutspender
Da bisher kein Test zum Ausschluss von CJK bzw. vCJK im Blut zur Verfügung steht, sind derzeit folgende Personen als Blutspender auszuschließen:9
Personen mit Verdacht oder bestätigter CJK
Personen, die jemals mit Hypophysenhormonen (z. B. Wachstumshormon) humanen Ursprungs behandelt worden sind.
Personen, bei denen in der Familie Fälle von CJK aufgetreten sind.
Personen, die Dura mater- oder Korneatransplantate erhalten haben.
Personen, die sich im Zeitraum von 1980–1996 > 6 Monate in Großbritannien und Nordirland aufgehalten haben.
Meldepflicht
Erkrankung und Tod an CJK sind in Deutschland meldepflichtig, in Österrreich und der Schweiz bereits der Verdacht auf CJK.2
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Schnelle Entwicklung von Demenz, Pflegebedarf nach relativ kurzer Zeit.
Die sCJK führt häufig in nur wenigen Monaten zum Tod. 90 % der PatientenPatient*innen verstarben innerhalb eines Jahres nach der Diagnosestellung.
Die vCJK entwickelt sich etwas langsamer. Der Tod tritt in der Regel nach 12–14 Monaten ein.2
Prognose
Infauste Prognose. Tödliche Erkrankung ohne bekannte Therapiemöglichkeiten, die mediane Überlebenszeit beträgt 4–6 Monate bei sCJK bzw. 12–14 Monate bei vCJK.2
Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. AWMF-Leitlinie 030-042. S1, Stand 2012. www.awmf.org
Arbeitskreis „Krankenhaus- & Praxishygiene“ der AWMF. Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung: Prophylaxe in Krankenhaus und Praxis. AWMF-Leitlinie 029-025. S1, Stand 2012. www.awmf.org
Literatur
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AutorenAutor*innen
Caroline Beier, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg
Definition:Spongiforme Enzephalopathie mit schnell fortschreitender Entwicklung von Demenz, Ataxien, Myoklonien und zentralmotorischen Ausfällen. Man unterscheidet sporadische, erbliche und infektiös bedingte Formen.