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Tonsillenhyperplasie

Zusammenfassung

  • Definition:Hyperplastische Tonsillen, auch ohne eine Infektion. Die Erkrankung ist mit rezidivierenden Tonsillitiden oder Schlafstörungen assoziiert.
  • Häufigkeit:Bei Kindern häufig.
  • Symptome:Schluckbeschwerden, Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme und Stimmveränderungen.
  • Befunde:Vergrößerung der Tonsillen. Störung der Atmung.
  • Diagnostik:Keine ergänzenden Untersuchungen erforderlich.
  • Therapie:Operation.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Die Tonsillen sind hyperplastisch oder vergrößert, auch ohne eine Infektion.
  • Hyperplastische Tonsillen sind mit rezidivierenden Tonsillitiden assoziiert.
  • Hyperplastische Tonsillen sind bei Kindern auch mit Wucherungen der Rachenmandel assoziiert.

Größe der Tonsillen – Einteilung1

  • Grad 0: Die Tonsillen sind entfernt oder atrophiert.
  • Grad 1: Die Tonsillen nehmen 0 % des oropharyngealen Durchmessers ein.
  • Grad 2: Die Tonsillen nehmen < 50 % ein.
  • Grad 3: Die Tonsillen nehmen < 75 % ein.
  • Grad 4: Die Tonsillen nehmen > 75 % ein.

Häufigkeit

  • Tonsillenhyperplasie kommt häufig bei Kindern vor.
  • Die Tonsillen erreichen ihre maximale Größe in der Kindheit und werden danach schrittweise kleiner.

Ätiologie und Pathogenese

  • Das lymphatische Gewebe der Tonsillen nimmt im Laufe der Kindheit durch ständigen Kontakt mit Antigenen an Volumen zu (Hyperplasie).1
  • Diese Volumenzunahme erreicht mit etwa 10 Jahren ihren Höhepunkt und nimmt dann wieder ab.
  • Histopathologisch findet man auch bei der reinen Tonsillenhyperplasie einen Dauerentzündungsprozess, der erst bei klinischen Symptomen und Entzündungszeichen zu einer Tonsillitis mit Krankheitswert wird.
  • Die Tonsillenhyperplasie kann ab einer gewissen Größe zu Problemen führen im Sinne der Einschränkung der Atemwege: Es kommt zu Behinderung der Nasenatmung, Schnarchen, obstruktiver Schlafapnoe oder Gedeihstörungen bei Kindern.
  • Auch im Rahmen einer systemischen Erkrankung (Lymphome, Mononukleose) kann es zu einer Hyperplasie der Tonsillen kommen.

ICPC-2

  • R90 Hypertro. Gaumen-/Rachenmandeln

ICD-10

  • J35 Chronische Krankheiten der Gaumenmandeln und der Rachenmandel
    • J35.1 Hyperplasie der Gaumenmandeln
    • J35.3 Hyperplasie der Gaumenmandeln mit Hyperplasie der Rachenmandel

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Nachweis hyperplastischer Tonsillen

Differenzialdiagnosen

  • Juveniles Nasenrachenfibrom
  • Malignome

Anamnese

  • Die Tonsillen können so groß werden, dass sie sich an der Medianlinie treffen und Schluckbeschwerden, Beschwerden bei der Nahrungsaufnahme und Stimmveränderungen verursachen.
  • In schweren Fällen können unruhiger Schlaf, Atembeschwerden mit zeitweiligem Atemstillstand oder Schlafapnoe-Syndrom auftreten.
  • Es kann zu Störungen des Hörvermögens kommen oder zu Gedeihstörungen.

Klinische Untersuchung

Indikationen zur Überweisung

  • Wenn die Kriterien für eine Operationsindikation erfüllt sind und gut informierte Patient*innen eine solche Behandlung wünschen (s. u.).

Checkliste zur Überweisung

Tonsillenhyperplasie

  • Zweck der Überweisung
    • Diagnostik? Beurteilung hinsichtlich einer Operation? Sonstiges?
  • Anamnese
    • Seit wann besteht die Erkrankung? Entwicklung? Rezidive: wie häufig? Episoden mit Peritonsillarabszess?
    • Schluckbeschwerden? Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme? Schlafstörungen? Besondere Umstände, die eine Überweisung erfordern?
    • Andere relevante Erkrankungen? Regelmäßige oder akute Medikation?
    • Folgen?
  • Klinische Untersuchung
  • Ergänzende Untersuchungen

Therapie

Therapieziele

  • Aufklärung
  • Evtl. chirurgische Entfernung der Tonsillen

Allgemeines zur Therapie

  • Bei leichteren Fällen kann eine abwartende Therapie gerechtfertigt sein.
  • Bei schweren Fällen kann eine Tonsillektomie oder Tonsillotomie indiziert sein.
    • rezidivierende Episoden akuter Tonsillitiden3-4
    • Zur Reduktion des Schnarchens ist eine Tonsillektomie bei Kindern häufig erfolgreich, aber auch bei Erwachsenen im Einzelfall hilfreich.5 
    • Bei OSAS (obstruktives Schlafapnoe-Syndrom) von Erwachsenen kann die Entfernung der Tonsillen z. B. im Rahmen einer rhinochirurgischen Operation erwogen werden.6
    • Bei Kindern mit Schlafapnoe-Syndrom kann eine Entfernung der Tonsillen auch zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen.7

Tonsillektomie oder Tonsillotomie

  • Tonsillektomie: vollständige Entfernung der Gaumenmandeln 
  • Tonsillotomie: Reduzierung des Volumens der Gaumenmandeln durch partielle Tonsillektomie durch chirurgische Instrumente (Schere, monopolare Nadel), Laser oder Radiofrequenzgerät
  • Die Tonsillotomie zeichnet sich im Vergleich zur Tonsillektomie durch eine erheblich geringere postoperative Morbidität und Rate an Blutungskomplikationen aus.1
  • Die Indikationsstellung/Kontraindikationen zur TE und Tonsillotomie sind identisch.

Leitlinie: Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln/Tonsillitis, Therapie1

  • Entscheidungsgrundlage: Zahl der Episoden in den letzten 12 Monaten
  • Unter 3 Episoden: TE oder TT sind keine Option!
  • 3–5 Episoden: Tonsillektomie oder Tonsillotomie sind eine mögliche Option, wenn sich innerhalb der nächsten 6 Monate weitere Episoden ereignen sollten und die Zahl 6 erreicht wird.
  • 6 Episoden und mehr: Tonsillektomie oder Tonsillotomie sind eine therapeutische Option.

Medikamentöse Therapie

  • Für die reine Tonsillenhyperplasie gibt es keine medikamentöse Therapie, die medikamentöse Therapie der Tonsillitis wird dort behandelt.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen bei einer Tonsillektomie

  • Blutung
    • Nachblutungen können lebensbedrohlich sein, es besteht die Gefahr der Blutaspiration, ggf. ist eine Nachoperation oder Bluttransfusion erforderlich.
  • Schmerzen
    • Nach einer Operation werden NSAR als Schmerzmittel verwendet. Sie verursachen deutlich weniger Übelkeit und Erbrechen als alternative Analgetika. Die Blutungsgefahr war nicht signifikant erhöht (Ia).8
  • Infektionen
  • Verletzung des Gaumensegels
  • Nervenschädigungen
  • Zahnverletzungen
  • Komplikationen wie postoperative Pneumonien sind selten.9

Prognose

  • Die Symptome verschwinden meistens schnell nach der Operation.
  • Rezidive von Tonsillenhyperplasie oder Tonsillitiden innerhalb des ersten postoperativen Jahres sind selten (< 10 %), und nur in etwa jedem zweiten Fall wird dann die sekundäre TE erforderlich.1

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010. S3, Stand 2020. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln/Tonsillitis, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-024. S2k, Stand 2015. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Schnarchen bei Erwachsenen: Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-068. S3, Stand 2019. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Obstruktive Schlafapnoe bei Erwachsenen: HNO-spezifische Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-069. S2e, Stand 2015 (in Überarbeitung). www.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln / Tonsillitis, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-024, Stand 2015. awmf.org
  2. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010, Stand 2020. www.awmf.org
  3. Burton MJ, Glasziou PP, Chong LY, Venekamp RP. Tonsillectomy or adenotonsillectomy versus non-surgical treatment for chronic/recurrent acute tonsillitis. Cochrane Database Syst Rev. 2014 ;11:CD001802. DOI: 10.1002/14651858.CD001802.pub3 DOI
  4. Koskenkorva T, Koivunen P, Koskela M, et al. Short-term outcomes of tonsillectomy in adult patients with recurrent pharyngitis: a randomized controlled trial. CMAJ 2013 May 14;185(8):E331-6. doi: 10.1503/cmaj.121852. DOI
  5. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Schnarchen bei Erwachsenen: Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-068. Stand 2019. www.awmf.org
  6. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Obstruktive Schlafapnoe bei Erwachsenen: HNO-spezifische Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-069. Stand 2015 (in Überarbeitung) www.awmf.org
  7. Garetz SL, Mitchell RB, Parker PD. Quality of life and obstructive sleep apnea symptoms after pediatric adenotonsillectomy. Pediatrics 2015; 135: e477-86. doi:10.1542/peds.2014-0620 DOI
  8. Lewis SR, Nicholson A, Cardwell ME. Nonsteroidal anti-inflammatory drugs and perioperative bleeding in paediatric tonsillectomy. . Cochrane Database of Syst Rev 2013; 7: CD003591. doi:10.1002/14651858.CD003591.pub3 DOI
  9. Chen MM, Roman SA, Sosa JA, et al. Safety of adult tonsillectomy. A population-level analysis of 5968 patients. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2014. doi:10.1001/jamaoto.2013.6215 DOI

Autor*innen

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikel basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Tonsillehypertrofi
Tonsillehypertrofi
Tonsillehypertrofi
Vergrößerte Mandeln; Hyperplasie der Gaumenmandeln; Adenoide Vegetationen; Streptokokken-Infektion; Tonsillektomie; Tonsillotomie; Tonsillitiden; Tonsillenhypertrophie
Tonsillenhyperplasie
CCC MK 09.09.2020 aktuelle LL.
DDD MK 29.10.2020 Revision, neue DEGAM-LL Halsschmerzen, keine Änderungen. chck go 15.6. MK 06.10.17, komplett überarbeitet
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Definition:Hyperplastische Tonsillen, auch ohne eine Infektion. Die Erkrankung ist mit rezidivierenden Tonsillitiden oder Schlafstörungen assoziiert. Häufigkeit:Bei Kindern häufig.
Hals/Nase/Ohren
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