Grad 0: Die Tonsillen sind entfernt oder atrophiert.
Grad 1: Die Tonsillen nehmen 0 % des oropharyngealen Durchmessers ein.
Grad 2: Die Tonsillen nehmen < 50 % ein.
Grad 3: Die Tonsillen nehmen < 75 % ein.
Grad 4: Die Tonsillen nehmen > 75 % ein.
Häufigkeit
Tonsillenhyperplasie kommt häufig bei Kindern vor.
Die Tonsillen erreichen ihre maximale Größe in der Kindheit und werden danach schrittweise kleiner.
Ätiologie und Pathogenese
Das lymphatische Gewebe der Tonsillen nimmt im Laufe der Kindheit durch ständigen Kontakt mit Antigenen an Volumen zu (Hyperplasie).1
Diese Volumenzunahme erreicht mit etwa 10 Jahren ihren Höhepunkt und nimmt dann wieder ab.
Histopathologisch findet man auch bei der reinen Tonsillenhyperplasie einen Dauerentzündungsprozess, der erst bei klinischen Symptomen und Entzündungszeichen zu einer Tonsillitis mit Krankheitswert wird.
Die Tonsillenhyperplasie kann ab einer gewissen Größe zu Problemen führen im Sinne der Einschränkung der Atemwege: Es kommt zu Behinderung der Nasenatmung, Schnarchen, obstruktiver Schlafapnoe oder Gedeihstörungen bei Kindern.
Auch im Rahmen einer systemischen Erkrankung (Lymphome, Mononukleose) kann es zu einer Hyperplasie der Tonsillen kommen.
ICPC-2
R90 Hypertro. Gaumen-/Rachenmandeln
ICD-10
J35 Chronische Krankheiten der Gaumenmandeln und der Rachenmandel
J35.1 Hyperplasie der Gaumenmandeln
J35.3 Hyperplasie der Gaumenmandeln mit Hyperplasie der Rachenmandel
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Nachweis hyperplastischer Tonsillen
Differenzialdiagnosen
Juveniles Nasenrachenfibrom
Malignome
Anamnese
Die Tonsillen können so groß werden, dass sie sich an der Medianlinie treffen und Schluckbeschwerden, Beschwerden bei der Nahrungsaufnahme und Stimmveränderungen verursachen.
Zur Reduktion des Schnarchens ist eine Tonsillektomie bei Kindern häufig erfolgreich, aber auch bei Erwachsenen im Einzelfall hilfreich.5
Bei OSAS (obstruktives Schlafapnoe-Syndrom) von Erwachsenen kann die Entfernung der Tonsillen z. B. im Rahmen einer rhinochirurgischen Operation erwogen werden.6
Bei Kindern mit Schlafapnoe-Syndrom kann eine Entfernung der Tonsillen auch zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen.7
Tonsillektomie oder Tonsillotomie
Tonsillektomie: vollständige Entfernung der Gaumenmandeln
Tonsillotomie: Reduzierung des Volumens der Gaumenmandeln durch partielle Tonsillektomie durch chirurgische Instrumente (Schere, monopolare Nadel), Laser oder Radiofrequenzgerät
Die Tonsillotomie zeichnet sich im Vergleich zur Tonsillektomie durch eine erheblich geringere postoperative Morbidität und Rate an Blutungskomplikationen aus.1
Die Indikationsstellung/Kontraindikationen zur TE und Tonsillotomie sind identisch.
Leitlinie: Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln/Tonsillitis, Therapie1
Entscheidungsgrundlage: Zahl der Episoden in den letzten 12 Monaten
3–5 Episoden: Tonsillektomie oder Tonsillotomie sind eine mögliche Option, wenn sich innerhalb der nächsten 6 Monate weitere Episoden ereignen sollten und die Zahl 6 erreicht wird.
6 Episoden und mehr: Tonsillektomie oder Tonsillotomie sind eine therapeutische Option.
Medikamentöse Therapie
Für die reine Tonsillenhyperplasie gibt es keine medikamentöse Therapie, die medikamentöse Therapie der Tonsillitis wird dort behandelt.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen bei einer Tonsillektomie
Blutung
Nachblutungen können lebensbedrohlich sein, es besteht die Gefahr der Blutaspiration, ggf. ist eine Nachoperation oder Bluttransfusion erforderlich.
Schmerzen
Nach einer Operation werden NSAR als Schmerzmittel verwendet. Sie verursachen deutlich weniger Übelkeit und Erbrechen als alternative Analgetika. Die Blutungsgefahr war nicht signifikant erhöht (Ia).8
Infektionen
Verletzung des Gaumensegels
Nervenschädigungen
Zahnverletzungen
Komplikationen wie postoperative Pneumonien sind selten.9
Prognose
Die Symptome verschwinden meistens schnell nach der Operation.
Rezidive von Tonsillenhyperplasie oder Tonsillitiden innerhalb des ersten postoperativen Jahres sind selten (< 10 %), und nur in etwa jedem zweiten Fall wird dann die sekundäre TE erforderlich.1
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010. S3, Stand 2020. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln/Tonsillitis, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-024. S2k, Stand 2015. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Schnarchen bei Erwachsenen: Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-068. S3, Stand 2019. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Obstruktive Schlafapnoe bei Erwachsenen: HNO-spezifische Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-069. S2e, Stand 2015 (in Überarbeitung). www.awmf.org
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln / Tonsillitis, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-024, Stand 2015. awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010, Stand 2020. www.awmf.org
Burton MJ, Glasziou PP, Chong LY, Venekamp RP. Tonsillectomy or adenotonsillectomy versus non-surgical treatment for chronic/recurrent acute tonsillitis. Cochrane Database Syst Rev. 2014 ;11:CD001802. DOI: 10.1002/14651858.CD001802.pub3 DOI
Koskenkorva T, Koivunen P, Koskela M, et al. Short-term outcomes of tonsillectomy in adult patients with recurrent pharyngitis: a randomized controlled trial. CMAJ 2013 May 14;185(8):E331-6. doi: 10.1503/cmaj.121852. DOI
Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Schnarchen bei Erwachsenen: Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-068. Stand 2019. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Obstruktive Schlafapnoe bei Erwachsenen: HNO-spezifische Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-069. Stand 2015 (in Überarbeitung) www.awmf.org
Garetz SL, Mitchell RB, Parker PD. Quality of life and obstructive sleep apnea symptoms after pediatric adenotonsillectomy. Pediatrics 2015; 135: e477-86. doi:10.1542/peds.2014-0620 DOI
Lewis SR, Nicholson A, Cardwell ME. Nonsteroidal anti-inflammatory drugs and perioperative bleeding in paediatric tonsillectomy. . Cochrane Database of Syst Rev 2013; 7: CD003591. doi:10.1002/14651858.CD003591.pub3 DOI
Chen MM, Roman SA, Sosa JA, et al. Safety of adult tonsillectomy. A population-level analysis of 5968 patients. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2014. doi:10.1001/jamaoto.2013.6215 DOI
Autor*innen
Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
Die ursprüngliche Version dieses Artikel basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Hyperplastische Tonsillen, auch ohne eine Infektion. Die Erkrankung ist mit rezidivierenden Tonsillitiden oder Schlafstörungen assoziiert. Häufigkeit:Bei Kindern häufig.