Allgemeine Informationen
Definition
- Der Begriff Radiusköpfchen-Subluxation bezeichnet eine Teilausrenkung des Speichenköpfchens aus dem Ligamentum anulare.
- Es gibt viele alternative Bezeichnungen:
- Kindermädchen-Ellenbogen, Sonntagsarm, Chassaignac-Lähmung oder Pronatio dolorosa.
Häufigkeit
- Tritt fast ausschließlich bei Kleinkindern auf.
- Die jährliche Inzidenz beträgt etwa 1 % bei Kindern unter 5 Jahren; am häufigsten sind diese rund 2 Jahre alt.
- Die Subluxation tritt häufiger im linken als im rechten Arm auf (3:2)1, und wird bei mehr Mädchen als Jungen beobachtet (3:2).2
Ätiologie und Pathogenese
- Entsteht bei einer Dehnung des gestreckten und pronierten Arms, z. B. wenn das Kind an den Armen hochgehoben wird, oder wenn es versucht, sich loszureißen.
Radiusköpfchen-Subluxation
- Dabei wird das Speichenköpfchen teilweise aus dem Ringband (Ligamentum annulare) ausgerenkt.
- Einige Fasern des Ligamentum annulare können sich zwischen das Speichenköpfchen und den Gelenkspalt des Oberarmknochenköpfchens (Capitulum humeri) schieben und damit die Relokation verhindern.
- Ab einem Alter von etwa 5 Jahren ist das Ringband so kräftig und stabil, dass das Risiko einer Radiusköpfchen-Subluxation minimal ist.
ICPC-2
- L80 Luxation/Subluxation Gelenk
ICD-10
- S53 Luxation, Verstauchung und Zerrung des Ellenbogengelenkes und von Bändern des Ellenbogens
- T14 Verletzung an einer nicht näher bezeichneten Körperregion
- T14.3 Luxation, Verstauchung und Zerrung an einer nicht näher bezeichneten Körperregion
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Ziehen in Richtung der Längsachse des Armes verursacht akute Schmerzen und einen Beweglichkeitsverlust des Ellenbogens.
- Das Kind hält den Arm passiv.
- Der Bereich über dem Speichenköpfchen ist schmerzempfindlich.
Differenzialdiagnosen
Anamnese
- Nach einem Ruck am Arm treten beim Kind Schmerzen bei Bewegungen auf, und es will den Arm nicht mehr benutzen.
- Beim typischen Unfallmechanismus wird das an der Hand geführte Kind, das stolpert, am Arm hochgerissen.
- Oft lässt es den Arm mit leichter Ellenbogenflexion und leicht proniert nach unten hängen (Pseudoparalyse).
- Solange das Kind den Arm ruhig hält, hat es in der Regel wenige Beschwerden oder Schmerzen.
Klinische Untersuchung
- Der Ellenbogen wird leicht proniert und flektiert gehalten (Schonhaltung).
- Der Bereich des Speichenköpfchens ist bei Palpation schmerzempfindlich.
- Durch Bewegung im Ellenbogen und vor allem beim Versuch einer Supination entstehen Schmerzen.
- Die Ellbogenflexion und -extension ist häufig schmerzfrei.
- Meistens ist keine Schwellung des Ellenbogens zu sehen.
Ergänzende Untersuchungen
- Eine Radiusköpfchensubluxation lässt sich in Zweifelsfällen
mittelsmit einem Ultraschall gut darstellen.- Aufleuchten des Ringbandes im radiohumoralen Gelenk (Seitenvergleich)
- Röntgen zeigt in der Regel nicht die Pathologie bei der Radiusköpfchen-Subluxation (da keine Achsveränderung und keine knöcherne Verletzung) und ist daher bei typischer Anamnese nicht erforderlich.
- nur in Zweifelsfällen
- bei nicht erfolgreicher Reposition
- Es dient jedoch zum Frakturausschluss3, insbesondere einer Epiphysenfugenfraktur des Caput radii.
Indikationen zur Überweisung
- Bei Verdacht auf Fraktur
- Nach erfolglosen Repositionsversuchen
Therapie
Therapieziel
- Reposition
Allgemeines zur Therapie
- Bei typischer Verletzungsanamnese und typischem klinischen Befund kann eine Reposition auch ohne Röntgenbild versucht werden.
- Nur wenn das Kind anschließend
- Nur wenn das Kind anschließend
Reposition
- Die Reposition kann entweder durch (1) eine Hyperpronation oder (2) eine Supinationflexion erfolgen. Eine prospektive Studie zeigt die höchste Erfolgsquote für eine Reposition im ersten Versuch bei der Hyperpronation (94 % gegenüber 80 %).
- Hyperpronation
- Halten bzw. stützen Sie den Ellenbogen des Kindes in der einen Hand.
- Fassen Sie mit der anderen Hand um den distalen Unterarm, drücken Sie ihn etwas zusammen und rotieren Sie bis zur maximalen Pronation. Der Handrücken des Kindes zeigt dabei nach oben/vorne.
- Dann unter Beibehaltung der Pronation im Ellbogengelenk maximal beugen.
- Supinationflexion
- Halten bzw. stützen Sie den Ellenbogen des Kindes in einer Hand. Sie können auch zusätzlich leicht mit dem Daumen auf das Speichenköpfchen drücken.
- Fassen Sie mit der anderen Hand um den distalen Unterarm, beugen Sie den Ellenbogen und supinieren Sie den Unterarm. Die Handfläche des Kindes zeigt dabei nach oben/vorne.
- Ist eine Methode nicht erfolgreich, kann die zweite versucht werden.
- Die Reposition kann ohne Prämedikation durchgeführt werden.
- Zwar kann der Vorgang
- Zwar kann der Vorgang
- Bei der erfolgreichen Reposition hört oder spürt man oft ein leichtes Knacken.
- Das Auftreten dieses Knackens hat in Hinblick auf eine erfolgreiche Reposition einen positiven prädiktiven Wert von etwa 90 % (gleichzeitig Bestätigung der Diagnose). Bleibt es hingegen aus, hat das einen negativen prädiktiven Wert von 70–80 %.
- Nach der erfolgreichen Reposition beginnt das Kind spontan, seinen Arm wieder zu benutzen, in der Regel innerhalb von 15
Minutenmin.
Prävention
- Aufklärung der Eltern über den Unfallmechanismus
- Babys und Kleinkinder sollten nicht an den Armen aus dem Bett oder hochgehoben werden.
- Eltern sollten nach einem solchen Vorfall vermeiden, das Kind in Richtung der Längsachse am Arm zu ziehen.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Eine Nachbehandlung ist normalerweise nicht nötig.
- Keine Ruhigstellung nach erfolgreicher Reposition
Komplikationen
- Komplikationen treten nur sehr selten auf.
- Kinder, die einmal von einer Subluxation betroffen waren, sind anfälliger für einen neuen Vorfall.
- Bei 20–30 % kommt es zu erneuten Vorfällen, jedoch nicht unbedingt immer im selben Arm.4
- Bleibende Bewegungseinschränkungen
- Verkalkungen der Gelenkkapsel
Prognose
- Die Prognose ist sehr gut, auch unbehandelt, da die Subluxation sich oftmals spontan nach 1–2 Tagen reponiert.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen

Ellenbogengelenk

Unfallmechanismus: Häufig entsteht eine Radiusköpfchen-Subluxation durch plötzlichen Zug am gestreckten Arm (um das Fallen des Kindes beim Stolpern zu vermeiden).



Supinationsmanöver zur Reposition des Radiusköpfchens: 1. Supination im Ellbogengelenk 2. unter Beibehalten der Supination maximale Flexion des Ellbogengelenks


Quellen
Leitlinien
- Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie (GPR). Bewegungseinschränkung bei Kindern – Bildgebende Diagnostik. AWMF-Leitlinie Nr. 064-008. S1, Stand 2020. www.awmf.org
Literatur
- Welch R, Chounthirath T, Smith GA. Radial Head Subluxation Among Young Children in the United States Associated With Consumer Products and Recreational Activities. Clin Pediatr (Phila) 2017; 56(8): 707. pmid:28589762 PubMed
- Vitello S, Dvorkin R, Sattler S, Levy D, Ung L. Epidemiology of nursemaid's elbow. West J Emerg Med 2014; 15(4): 554. pmid:25035767 PubMed
- Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie (GPR). Bewegungseinschränkung bei Kindern - Bildgebende Diagnostik. AWMF-Leitlinie Nr. 064 - 008, Stand 2020. www.awmf.org
- Teach SJ, Schutzman SA. Prospective study of recurrent radial head subluxation. Arch Pediatr Adolesc Med 1996; 150: 164-6. PubMed
AutorenAutor*innen
- Sandra Krüger, Dr. med. Fachärztin für Orthopädie, Berlin
IngardDieLøge,ursprünglichespesialistVersionallmennmedisin,diesesuniversitetslektor,Artikelsinstituttbasiertforaufsammfunsmedisinskeeinemfag,entsprechendenNTNU,ArtikelredaktørimNELBjörnnorwegischenSalomonsson,hausärztlichendrOnline-HandbuchmedNorskochElektronisköverläkare, Ortopedkliniken, Danderyds sjukhusLegehåndbok (MedibasNEL, https://legehandboka.no/)Arild Aamodt, overlege/professor, Ortopedisk avdeling, Lovisenberg Sykehus, Oslo.