Definition:Degenerative Veränderungen des Hüftgelenks.
Häufigkeit:Ca. 15–20 % der über 60-Jährigen in den westlichen Industrieländern leiden an Koxarthrose.
Symptome:Allmählich zunehmende Schmerzen in der Leistengegend/Hüfte, teils zum Knie ausstrahlend. Anlaufschmerz, Morgensteifigkeit, allmählich Ruhe- und Nachtschmerz.
Befunde:Schmerzen und eingeschränkte Beweglichkeit, v. a. Innenrotation und Flexion.
Diagnostik:Röntgen.
Therapie:Primär konservativ mit Bewegungs- und Schmerztherapie; in der Folge ggf. Hüftendoprothese.
Allgemeine Informationen
Definition
Degenerative Veränderungen des Hüftgelenks
Synonyme: Hüftarthrose, Coxarthrose, Koxarthrose, Hip Osteoarthritis
Arthrose ist ein Sammelbegriff für primär nicht entzündliche, progrediente Gelenkerkrankungen. Verschleißbedingt kommt es zu Knorpelschädigungen, in deren Folge es auch zu Umbauprozessen im angrenzenden Gewebe und Knochen kommt.1
Die Folge sind Hüftschmerzen und Funktionseinschränkungen bis zu einem vollständigen Versagen des Gelenkes.2
Es wird zwischen primärer (ideopathischer) und sekundärer Arthrose des Hüftgelenks unterschieden.
Häufigkeit
12-Monats-Prävalenz der Arthrose liegt in Deutschland ab 65 Jahren bei 48,1 % für Frauen und 31,2 % für Männer.3
Neben dem Knie ist die Hüfte am häufigsten von Arthrose betroffen.
Von Koxarthrose betroffen sind ca. 15–20 % der über 60-Jährigen in den westlichen Industrieländern.1
Ätiologie und Pathogenese
Arthrotische Veränderungen entstehen durch langfristige Abnutzung der Knorpelschicht an den Gelenkflächen.
Im frühen Stadium durch Chondrozyten induzierte erhöhte Synthese extrazellulärer Matrix und Hyperproliferation von Chondrozyten
Später Produktion katabolischer Faktoren, die zur weiteren Schädigung des Knorpels führen.
Im fortgeschrittenen Stadium dann Apoptose der Knorpelzellen, Verlust des Knorpels und infolgedessen schmerzhaftes Reiben der artikulierenden Knochen aufeinander sowie Funktionsverlust des Gelenks.4
Langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten bzw. schwere körperliche Arbeit bei Männern kann zu einer Hüftgelenksarthrose führen.5
Belastende Sportarten (Laufen auf Spitzensportlerniveau)7
ICPC-2
L89 Arthrose der Hüfte
ICD-10
M16 Koxarthrose [Arthrose des Hüftgelenkes]
M16.0 Primäre Koxarthrose, beidseitig
M16.1 Sonstige primäre Koxarthrose
M16.2 Koxarthrose als Folge einer Dysplasie, beidseitig
M16.3 Sonstige dysplastische Koxarthrose
M16.4 Posttraumatische Koxarthrose, beidseitig
M16.5 Sonstige posttraumatische Koxarthrose
M16.6 Sonstige sekundäre Koxarthrose, beidseitig
M16.7 Sonstige sekundäre Koxarthrose
M16.9 Koxarthrose, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Die Diagnose Koxarthrose wird klinisch anhand einer spezifischen Anamnese (Hüftschmerzen, Morgensteifigkeit < 60 min) und einer spezifischen klinischen Untersuchung (schmerzhafte Innenrotation und eingeschränkte Flexion) gestellt.8-9
Röntgen zur Sicherung der Diagnose
Der Schweregrad der Koxarthrose stimmen klinisch und im Röntgenbild nicht notwendigerweise überein.
Diagnosekriterien des American College of Rheumatology (ACR) für die Osteoarthrose der Hüfte:1
Schmerz in der Hüfte und Innenrotation < 15 Grad und Blutkörperchensenkung (BKS) ≤ 45 mm/h oder Flexion ≤ 115 Grad – oder –
Schmerz in der Hüfte und Innenrotation < 15 Grad und Morgensteifigkeit der Hüfte ≤ 60 min und Alter > 50 J. und schmerzhafte Innenrotation – oder –
Schmerzen und 2 von den 3 folgend genannten Punkten:
Die Diagnose einer Koxarthrose kann in den meisten Fällen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anhand von Anamnese sowie klinischem und radiologischem Befund gestellt werden.
Für die Diagnose einer Koxarthrose sollen die Kriterien des American College of Rheumatology (ACR) erfüllt sein.
allmählich zunehmende Schmerzen in der Leistengegend oder im lateralen Oberschenkel, häufig bis ins Knie ausstrahlend
Anlaufschmerz, der nach einigen Schritten oder mehreren Gehminuten nachlässt, jedoch nach einer Zeit der Belastung wieder auftritt.
bei fortgeschrittener Erkrankung Schmerzen auch in Ruhe und in der Nacht
Beeinträchtigung im Alltag
Morgensteifigkeit für 30–60 min
Bewegungseinschränkungen im Hüftgelenk, v. a. bei Innenrotation und Flexion, bis zur Beugekontraktur
Im fortgeschrittenen Stadium Schonhinken, verringerte Gehstrecke ohne Schmerzen, Gehhilfe ist erforderlich (Verwendung auf der entgegengesetzten Seite).
Mit der Sonografie können ein intraartikulärer Erguss erkannt und die periartikulären Weichteile beurteilt werden.1
Bei Diskrepanz zwischen Klinik und Röntgenbild bzw. nicht eindeutiger Diagnose nach Anamnese und klinischer sowie radiologischer Untersuchung1
Injektion von Lokalanästhetika
Vor Empfehlung zur endoprothetischen Versorgung kann bildgestützt eine intraartikuläre Infiltration mit einem Lokalanästhetikum erfolgen, um zu bekräftigen, dass eine intraartikuläre Schmerzursache vorliegt.1,8
Checkliste zur Überweisung
Hüftgelenksarthrose
Zweck der Überweisung
Diagnostik? Implantat einer Hüftprothese? Andere Operation?
Anamnese
Dauer und Beginn? Trauma? Verlauf und Entwicklung? Anhaltende Beschwerden?
Grad der Schmerzen? Ruheschmerz? Nachtschmerz? Grad der Funktionseinschränkung?
Information, Aufklärung und Beratung zur Erkrankung1,8
Bei einigen präarthrotischen Deformitäten besteht evtl. die Möglichkeit, im Vorfeld durch eine Operation (Osteotomie, Arthroskopie) den Verlauf der Arthrose günstig zu beeinflussen und den Ersatz des Hüftgelenkes herauszuzögern.
Indikationsstellung zur Hüft-TEP
Wenn die Patient*innen ein hohen subjektiven Leidensdruck trotz leitliniengerechter konservativer Therapiemaßnahmen über mindestens 3 Monate aufweisen.8
Partizipative Entscheidungsfindung mit Vereinbarung individueller Therapieziele 1,811
Konservative Therapie
Gelenküberlastungen vermeiden.
Bewegungs- und Übungstherapie zur Schmerzlinderung und Kräftigung der Muskulatur, Beseitigung von Muskeldefiziten durch Physiotherapie und Anleitung zu Übungen.1,12
Physikalische Therapie: zur Verbesserung der Gelenkfunktion und Schmerzlinderung
Elektrotherapie/Ultraschalltherapie, Massage, Wärme- und Kälteapplikation, Balneotherapie können zu einer Symptomlinderung beitragen.1
Physiotherapie
Bewegungstherapie
Übungen zur Kräftigung als auch zur generellen Steigerung der körperlichen Belastungsfähigkeit
manuelle Therapie als Ergänzung
Nutzung von Gehhilfen zur Entlastung des betroffenen Gelenks unter physiotherapeutischer Anleitung
Findet in der aktuellen AWMF-Leitlinie Koxarthrose keine Erwähnung.1
Während das American College of Rheumatology/Arthritis die topische NSAR-Anwendung bei Hüftgelenksarthrose empfiehlt, wird es in den Osteoarthritis Research Society International (OARSI) Guidelines nur für die Kniegelenksarthrose empfohlen.13-14
Systemische Schmerzmedikation kann in Zeiträumen mit starken Schmerzen notwendig sein.
Die Langzeitbehandlung mit höheren Dosen birgt die Gefahr von Leberschädigungen.
z. B. Ibuprofen in Tablettenform 600 mg 1 Tablette bis zu 3-mal tgl. in begrenzten Zeiträumen
Niedrigdosiertes ASS und Ibuprofen sollten zu verschiedenen Zeitpunkten genommen werden (2 Stunden Abstand), um Medikamenteninteraktionen zu vermeiden.16
z. B. Naproxen in Tablettenform 250 mg: 1–2 Tabletten morgens und abends während eines bestimmten Zeitraums
Naproxen hat von allen NSAR die geringste kardiovaskuläre Nebenwirkungsrate, allerdings häufiger gastrointestinale Nebenwirkungen.
z. B. Diclofenac 2 x 50–75 mg/d
vermehrt kardiovaskuläre Ereignisse
COX-2-Hemmer
Haben eine Wirkung, die herkömmlichen NSAR vergleichbar ist. Sie führen nachweislich seltener zu gastrointestinalen Nebenwirkungen.
Unter COX-2-Hemmern sowie unter Diclofenac, aber auch Ibuprofen, kommt es vermehrt zu kardiovaskulären Ereignissen, sodass diese Substanzen nicht für eine Dauertherapie älterer Patient*innen, insbesondere mit kardiovaskulären Vorerkrankungen, geeignet sind.16
kurzfristiger Einsatz von schwachen Opioiden in der niedrigst wirksamen Dosis, wenn Medikamente der Stufe 1 nach WHO unwirksam oder aus anderen Gründen kontraindiziert sind.1
Novaminsulfon
Wenn NSAR nicht vertragen werden oder aufgrund von Vorerkrankungen kontraindiziert sind.
Kann auch bei Patient*innen mit Niereninsuffizienz verwendet werden, Dosierung bis zu 4 x 1.000 mg/d
Metaanalyse von 10 Studien mit insgesamt 3.803 Patient*innen: Weder Glukosamin noch Chondroitin oder eine Kombination dieser Wirkstoffe verglichen mit Placebo hatten eine Wirkung auf die Gelenkschmerzen oder die Größe des Gelenkspalts (Ia).18
Laut Leitlinie kann Glucosamin bei Patient*innen mit NSAR-Unverträglichkeit in Erwägung gezogen werden.1
Bei Koxarthrose können NSAR und Coxibe eingesetzt werden bei inadäquater Schmerzlinderung durch andere Therapiemaßnahmen.
NSAR und Coxibe sollten bei Koxarthrose in der niedrigsten effektiven Dosis und so kurz wie möglich eingesetzt werden.
Alle oralen NSAR und Coxibe haben ähnliche analgetische und antientzündliche Wirkungen, aber variieren in ihren potenziellen gastrointestinalen, kardiovaskulären und renalen Nebenwirkungen.
Metamizol kann kurzzeitig als Analgetikum bei Gegenanzeigen oder einer Unverträglichkeit von NSAR und Coxiben eingesetzt werden.
Der kurzfristige Einsatz von schwachen Opioiden kann bei nicht operablen Patient*innen oder bei Personen, die für kurze Zeit bis zu einer Operation begleitet werden, in Erwägung gezogen werden. Opioide der Stufe 2 WHO, wie z. B. Tramadol, sollten primär dann eingesetzt werden, wenn eine Stufe-1-Medikation unwirksam oder aus anderen Gründen kontraindiziert ist.
Die klinischen Daten aus publizierten Studien und Metaanalysen zur symptomlindernden (analgetischen, funktionsverbessernden) Wirkung von Glucosamin und Chondroitinsulfat zeigen eine widersprüchliche Datenlage.
Die Gabe von Glucosamin kann bei Patient*innen mit NSAR-Unverträglichkeit in Erwägung gezogen werden.
knorpelreparative Therapie, z. B. bei osteochondralen Defekten des Hüftkopfs
osteochondraler Transfer
nach knöcherner Defektauffüllung, z. B. mittels impaktierter Spongiosa oder Knochenstanzzylindern aus dem vorderen Beckenkamm, zellbasierte Knorpeltherapie
Bei akuten oder chronischen Begleiterkrankungen, die mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko verbunden sind, soll durch Operateur*innen die Empfehlung zur Durchführung bzw. dem Zeitpunkt der Hüft-TEP-Operation nach anästhesiologischer und ggf. fachinternistischer Risikoeinschätzung getroffen werden und kann durch eine orthopädisch-unfallchirurgische Zusatzkonsultation bestätigt werden.
Bei einem BMI ≥ 40 kg/m2 soll aufgrund der deutlich erhöhten Komplikationsgefahr eine besonders kritische Abwägung von Nutzen und Risiken der Hüft-TEP-Operation erfolgen.
Rehabilitation
Nach der Operation sollte über mehrere Monate ein Rehabilitationsprogramm (Gangschulung, Muskelaufbautraining) stattfinden – die Dauer hängt vom individuellen Bedarf ab.
Eine Beinlängendifferenz sollte ausgeglichen werden.
Die Rehabilitation sorgt für eine verbesserte Funktion bei den Patient*innen.
Prävention
Präoperativ
Gewichtsabnahme und Muskelaufbau wirken sich günstig auf das Ergebnis auf.
Mit dem Rauchen aufzuhören, reduziert die Häufigkeit von Komplikationen.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
In der Regel kommt es zu einer allmählichen Progression der Erkrankung, in vielen Fällen sind konservative Maßnahmen aber über lange Zeiträume wirkungsvoll.
In vielen Fällen wird durch konservative Maßnahmen eine zufriedenstellende Wirkung erreicht.
Durch die Operation wird bei den meisten Patient*innen eine erhebliche Besserung erreicht.
Ein systematischer Review, der internationale Daten von mehr als 228.000 Patient*innen mit Totalendoprothesen einschließt, zeigt, dass mit einer Haltbarkeit einer Hüftprothese von 25 Jahren bei ca. 58 % der Betroffenen zu rechnen ist.19
Verlaufskontrolle
Kontrolluntersuchungen nach Bedarf
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
Ausführliche Aufklärung über die Erkrankung
Langes Arbeiten im Stehen, schweres Heben und Tragen vermeiden.
Die Bauch- oder Seitenlage mit Kissen zwischen den Beinen zur Vermeidung von Kontrakturen ist vorteilhaft.
Gehhilfe (Krücke/Gehstock) kontralateral zur erkrankten Hüfte verwenden.
Körperliche Aktivität
Radfahren und Schwimmen gelten als günstig.
Eine Metaanalyse hat eine schmerzlindernde Wirkung von Krafttraining, ggf. kombiniert mit Bewegungstraining im Wasser, ergeben.20
Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V. (DGOU). Evidenz- und konsensbasierte Indikationskriterien zur Hüfttotalendoprothese bei Coxarthrose (EKIT-Hüfte). AWMF-Leitline Nr. 187-001. S3, Stand 2021. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC). Koxarthrose. AWMF-Leitliniennummer:Leitlinie Nr. 033-001. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit. AWMF-Leitlinie Nr. 021-001. S2k, Stand 2015. www.awmf.org
Literatur
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Autor*innen
Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztlin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Degenerative Veränderungen des Hüftgelenks. Häufigkeit:Ca. 15–20 % der über 60-Jährigen in den westlichen Industrieländern leiden an Koxarthrose. Symptome:Allmählich zunehmende Schmerzen in der Leistengegend/Hüfte, teils zum Knie ausstrahlend. Anlaufschmerz, Morgensteifigkeit, allmählich Ruhe- und Nachtschmerz.