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Radiusköpfchenfraktur

Zusammenfassung

  • Definition:Fraktur des proximalen Radius, die zumeist von Verletzungen der umliegenden Ligamente begleitet ist.
  • Häufigkeit:Radiusköpfchenfrakturen machen einen Großteil der knöchernen Verletzungen am Ellenbogen aus.
  • Symptome:Nach einem Sturz auf die pronierte Hand bei leicht flektiertem Ellenbogen Schmerzen und Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenks.
  • Befunde:Druckschmerz über dem Radiusköpfchen.
  • Diagnostik:Röntgen, ggf. ergänzt durch CT und/oder MRT.
  • Therapie:Bei nichtdislozierten monofragmentären Frakturen ohne begleitende Weichteilverletzung konservativ. Ansonsten operative Rekonstruktion der Anatomie bzw. prothetischer Ersatz des Radiusköpfchens bei fehlender Rekonstruktionsmöglichkeit.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Synonyme: Fraktur des Caput radii, proximale Radiusfraktur
  • Selten isolierte Verletzung, sondern zumeist Begleitverletzungen der umliegenden knöchernen oder weichteiligen Strukturen1
    • Kollateralbandapparat in nahezu 90 % der Fälle mit relevanten Läsionen
    • Eine Radiusköpfchenfraktur ist daher in der Regel als kombinierte osteoligamentäre Verletzung anzusehen und zu behandeln.2

Klassifikation

  • Die Einteilung erfolgt nach modifizierter Mason-Klassifikation.3
    • Mason I: monofragmentäre Fraktur mit Dislokation < 2 mm
    • Mason II: monofragmentäre Fraktur mit Dislokation ≥ 2 mm
    • Mason III: Mehrfragmentfraktur
    • Mason IV: Radiusköpfchenfraktur mit gleichzeitiger Ellenbogenluxation

Häufigkeit

  • Radiusköpfchenfrakturen machen einen Großteil der knöchernen Verletzungen am Ellenbogen aus.3
    • bei Erwachsenen verantwortlich für 4 % aller Frakturen und 33 % aller ossären Ellenbogenverletzungen4
  • Besonders junge und körperlich aktive Patient*innen sind betroffen.1

Ätiologie und Pathogenese

  • Unfallmechanismus meist Sturz auf Hand mit leicht flektiertem Ellenbogen sowie proniertem Unterarm (= indirekte Gewalteinwirkung)2
  • Deutlich seltener direkte Gewalteinwirkung durch Anpralltrauma des Ellenbogens als Ursache

Anatomie

  • Das Radiusköpfchen stellt ein proximales Ende des Radius dar, das mit dem Humerus (Capitulum humeri) im Humeroradialgelenk sowie mit der proximalen Ulna im proximalen Radioulnargelenk artikuliert.
  • Ligamentäre Stabilisierung durch das Ligamentum anulare, das das Radiusköpfchen an die Ulna bindet, sowie Kollateralbänder.
  • Komplexe Form des Radiusköpfchens ermöglicht Wendebewegungen des Unterarms (Pronation und Supination) sowie Flexion und Extension im Ellenbogen.

Biomechanik

  • Das Radiusköpfchen spielt eine zentrale Rolle in der Biomechanik des Ellenbogengelenks.1
    • 60 % der am Handgelenk auf Unterarm übertragenen Kräfte laufen über die humeroradiale Säule.
    • Das Radiusköpfchen sorgt zusammen mit dem Gelenkpartner, dem Capitulum humeri, und medialem Kollateralband für die Valgusstabilität des Ellenbogengelenks.

Prädisponierende Faktoren

  • Sportarten, bei denen Stürze auf den harten Untergrund vorkommen.
    • z. B. Hindernislauf

ICPC-2

  • L76 Fraktur, andere

ICD-10

  • S52 Fraktur des Unterarmes
    • S52.1 Fraktur des proximalen Endes des Radius
      • S52.11 Kopf
      • S52.12 Kollum
      • S52.19 sonstige und multiple Teile

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Typischer Unfallmechanismus mit anschließenden Schmerzen und Schwellung des Ellenbogengelenks
  • Bildgebung: Röntgen als Standard, als Ergänzung ggf. zusätzlich CT und/oder MRT

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Unfallmechanismus eruieren.
    • typisch: Sturz auf die Hand mit leicht flektiertem Ellenbogen sowie proniertem Unterarm
  • Schmerzen im Ellenbogengelenk 
  • Durch Hämatom ggf. eingeschränkte Beweglichkeit des Ellenbogengelenks

Klinische Untersuchungen

  • Inspektion
    • Schwellung
    • bei älterem Trauma Hämatom
  • Palpation
    • Druckschmerz über dem Radiusköpfchen, oft auch über dem radialen Kollateralband
    • ggf. Krepitationen bei Pronation/Supination
  • Funktionsprüfung
    • Überprüfung des Bewegungsausmaßes im Seitenvergleich, durch Hämatom oft eingeschränkt
    • vermehrte seitliche Aufklappbarkeit als Zeichen für Kollateralbandverletzung
    • Erhebung des neurovaskulären Status (pDMS intakt?)
      • A. radialis und ulnaris palpabel?
      • Gefühl an allen Fingern palmar und dorsal vorhanden?

Diagnostik bei Spezialist*innen – Bildgebung

  • Röntgen2
    • Nativröntgenaufnahmen des Ellenbogengelenkes in 2 Ebenen
    • spezielle Radiuskopfzielaufnahme (45 Grad seitlicher Strahlengang von lateral nach medial)
    • Klassisch: „Fat Pad Sign“, bei dem durch den intraartikulären Erguss das dorsale Fettpolster in lateraler Röntgenaufnahme sichtbar wird (unspezifisches Zeichen für eine Fraktur des Ellenbogens).
  • CT
    • insbesondere präoperativ zur exakten Beurteilung der knöchernen Verletzung
  • MRT2
    • Insbesondere bei Mason-I-Frakturen zum Ausschluss von ligamentären Pathologien, die aufgrund ihrer nichtdislozierten Stellung für ein konservatives Prozedere geeignet sind.
    • Bei höhergradigen Frakturformen fällt die Entscheidung zur Behandlung der ligamentären Begleitverletzung in aller Regel intraoperativ, sodass eine MRT nicht zwingend nötig ist.

Indikationen zur Klinikeinweisung

  • Bei Verdacht auf Fraktur

Therapie

Therapieziele

  • Wiederherstellung der ossären und ligamentären Anatomie und somit der Gelenkkongruenz5
    • dadurch stabile, schmerzfreie Gelenkfunktion und Vermeidung von posttraumatischen Gelenkaffektionen

Allgemeines zur Therapie

  • Mason I: überwiegend konservativ in Form von Ruhigstellung und frühfunktioneller Nachbehandlung 3
  • Mason II: in der Regel Schraubenosteosynthese3, bei erfüllter „Rule of 3“ (weniger als 1/3 der Gelenkfläche betroffen, < 30-Grad-Abkippung und Dislokation < 3 mm) auch konservatives Vorgehen möglich6
  • Höhergradige Formen (Mason III und IV): ggf. prothetischer Radiusköpfchenersatz notwendig3

Konservative Therapie

  • Initial aufgrund der Schmerzhaftigkeit teilweise kurzfristige, maximal 5–7 Tage dauernde Gipsruhigstellung in neutraler Rotation und 90-Grad-Flexion notwendig2 
  • Anschließend frühfunktionelle Beübung des Ellenbogengelenks ohne Bewegungslimitierung, aber auch ohne Belastung2
  • Cave: engmaschige klinische Kontrollen empfohlen!
    • Bei Beschwerdepersistenz oder protrahierter Wiederherstellung der Funktionalität an initial übersehene Begleitverletzung denken und zeitnahe MRT-Untersuchung einleiten.2

Operative Therapie

  • Osteosynthese
    • Durch arthroskopisch gestützte Verfahren ist mittlerweile häufig auch ein minimalinvasives Vorgehen möglich.2
  • Prothetischer Radiusköpfchenersatz
    • falls anatomische Rekonstruktion durch Osteosynthese nicht möglich
  • Radiusköpfchenresektion
    • mittlerweile obsolet dank der vorhandenen Prothesen2

Medikamentöse Therapie

  • Evtl. Analgetika

Weitere Therapien

  • Gelenkpunktion bei Hämarthros
    • Wirksamkeit bezüglich Schmerzen, Funktion und Gelenkbeweglichkeit in einer Cochrane-Metaanalyse nicht nachgewiesen7

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Durch Rekonstruktion der Gelenkkongruenz und der stabilisierenden Bänder kann Komplikationen gut entgegengewirkt werden.
  • Bei veränderter Anatomie besteht ein hohes Risiko für Bewegungssteife und schmerzhafte Arthrose im Verlauf.1

Komplikationen

  • Verletzungen von Nerven und Gefäßen6
    • Insbesondere N. interosseus posterior, der um Radiushals verläuft. 
    • ulnarseitig N. ulnaris, in Ellenbeuge A. brachialis und N. medianus
  • Arthrose 
  • Bewegungseinschränkungen
  • Instabilität
  • Implantatversagen bei Prothese (Bruch, Lockerung)
  • Infekte
  • Wundheilungsstörungen

Prognose

  • Die Prognose ist nach adäquat versorgten Radiuskopffrakturen mit Adressierung aller relevanten Begleitverletzungen als gut bis sehr gut beschrieben.3
  • Bei Mason-I-Frakturen zeigen Patient*innen unter konservativer Therapie in den meisten Fällen einen unauffälligen klinischen Verlauf mit raschem Wiedererlangen der Beweglichkeit und Schmerzfreiheit innerhalb der ersten 4 Wochen.2

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Radius- und Ulnafraktur
Radius- und Ulnafraktur

Quellen

Literatur

  1. Hackl M, Leschinger T, Rausch V, et al. Therapieoptionen bei schmerzhaften Folgezuständen nach Radiuskopffraktur. Arthroskopie 2019; 32: 279-84. link.springer.com
  2. Nietzsche R, Schneider M, Burkhart K, et al. Frakturen des Radiuskopfes: Penibel nach Begleitverletzungen suchen. Orthop. Rheuma 2017; 20: 27-34. link.springer.com
  3. Harbrecht A, Ott N, Hackl M, et al. Radiuskopffrakturen. Der Unfallchirurg 2021; 124: 153-62. link.springer.com
  4. Martin Panzika, MH Hannover, Unfallseminar: Radiusköpfchenfraktur-was ist richtig? 2006 docplayer.org
  5. Allemann Florin. Radiuskopffraktur – wie weiter? Praxis 2017; 106(6): 285. doi.org
  6. Rabin SI. Radial head fractures. Medscape, last updated Apr 20, 2020. emedicine.medscape.com
  7. Foocharoen T, Foocharoen C, Laopaiboon M, et al. Aspiration of the elbow joint for treating radial head fractures. Cochrane Library 2014. www.cochranelibrary.com

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
S52; S521; S5211; S5212; S5219
albuefraktur; brudd i caput radii; brudd i albue; caput radii fraktur; proksimal radiusfraktur; mason; Radiusbrudd, caput
L76
Fraktur des Radiusköpfchens; Radiuskopf; Fraktur des Radiushals; Collum radii; Ellenbogenfraktur; Trümmerfraktur des Radiusköpfchens; Ellenbogenluxation; Proximale Radiusfraktur; Fraktur des Caput radii
Radiusköpfchenfraktur
BBB MK 23.08.2021 umgeschrieben, neuere Literatur. Revision at 12.03.2013 13:15:02: Revidert i henhold til Medibas. chck go 1.8.
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Definition:Fraktur des proximalen Radius, die zumeist von Verletzungen der umliegenden Ligamente begleitet ist. Häufigkeit:Radiusköpfchenfrakturen machen einen Großteil der knöchernen Verletzungen am Ellenbogen aus.
Orthopädie/Unfallchirurgie
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