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Steißbeinschmerzen (Kokzygodynie)

Zusammenfassung

  • Definition:Schmerzen, die vom Steißbein, dem Os coccygis, ausgehen.
  • Häufigkeit:Es handelt sich um eine relativ seltene Erkrankung. Sie tritt meist nach einem Sturz auf das Gesäß oder nach einer Geburt auf, kann aber auch idiopathisch vorkommen.
  • Symptome:Die Patient*innen leiden unter Schmerzen im Steißbeinbereich, die das Sitzen und teilweise auch die Defäkation sehr unangenehm machen.
  • Untersuchung:Über dem Steißbein ist ein direkter Druckschmerz auslösbar.
  • Diagnostik:Die Diagnose beruht auf der Druckdolenz bei Palpation des Steißbeins, zum Ausschluss traumatischer Folgen kann eine Röntgenuntersuchung durchgeführt werden.
  • Therapie:Es erfolgt eine symptomatische Therapie.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Steißbeinschmerzen werden fachsprachlich als Kokzygodynie bezeichnet.1
  • Es handelt sich um ziehende oder stechende, z. T. lang anhaltende Schmerzen am Steißbein selbst oder in unmittelbarer Nachbarschaft, die sich beim Sitzen, Aufstehen, Koitus oder der Defäkation verstärken.2
  • Eine mögliche Ursache der Schmerzen ist eine Fraktur des Steißbeins, des Os coccygis.
  • In der embryonalen Phase werden 3–5 Schwanzwirbel angelegt. Diese entwickeln sich nie zu normalen Wirbelkörpern, sondern liegen als bloße Rudimente vor, die im Alter von 30–35 Jahren miteinander verschmelzen und einen dreieckigen Knochen bilden (das Os coccygis).
  • Die gelenkige Verbindung zwischen dem Os sacrum und dem Os coccygis wird entweder durch eine Symphyse oder ein echtes Gelenk gebildet.

Häufigkeit

  • Die Prävalenz der Kokzygodynie ist unbekannt.3
  • Es handelt sich um eine relativ seltene Erkrankung.
  • Sie tritt bei Frauen 5-mal häufiger auf als bei Männern.4 Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass der Knochen bei Frauen stärker hervorspringt.5
  • Jugendliche und Erwachsene leiden deutlich häufiger als Kinder an Steißbeinschmerzen.6

Ätiologie und Pathogenese

  • Eine Kokzygodynie kann nach einem Sturz auf das Gesäß oder in Verbindung mit der Geburt auftreten.7
  • Die meisten Fälle der Kokzygodynie entstehen in Verbindung mit einem subluxierten oder überbeweglichen Steißbein.
  • Auch Adipositas kann eine Ursache von Steißbeinschmerzen sein.7
  • Rapider Gewichtsverlust kann aufgrund der abnehmenden mechanischen Polsterung ebenfalls die Erkrankung begünstigen.3
  • Steißbeinschmerzen können auch auftreten, wenn das Os coccygis gesund ist.
    • Mögliche Ursachen sind Tumoren, Infektion, Bursitis oder posttraumatische Arthrose.
    • Ebenfalls sind Somatisierungsstörungen und andere psychische Erkrankungen als Schmerzursache möglich.8

Prädisponierende Faktoren

  • Weibliches Geschlecht und Übergewicht erhöhen das Risiko für Steißbeinschmerzen.7
  • Sitzende Tätigkeiten auf harten, unbequemen Oberflächen scheinen die Erkrankung zu begünstigen.9

ICPC-2

  • L03 Coccygodynie

ICD-10

  • M53.3 Kokzygodynie

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose wird auf Grundlage des klinischen Bildes mit lokalisierter Druckschmerzhaftigkeit über dem Steißbein gestellt. Durch eine Röntgenuntersuchung kann eine etwaige Fraktur oder Luxation nachgewiesen oder eine andere Beckenfraktur ausgeschlossen werden.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Das Hauptsymptom sind Schmerzen.
  • Die meisten Patient*innen führen die Beschwerden auf ein Trauma oder eine Geburt zurück.
  • Charakteristikum der traumatischen Kokzygodynie ist eine Latenzzeit zwischen der Verletzung und dem Auftreten der typischen hartnäckigen Schmerzen.2
    • Schmerzursache sind vermutlich Einblutungen in die Bänder.
  • Die Betroffenen leiden teilweise unter starken Schmerzen, die das Sitzen so unangenehm machen, dass sie auf der Seite sitzen müssen.
  • Manche Patient*innen klagen über Schmerzen bei der Defäkation, beim Geschlechtsverkehr oder beim Rad- oder Motorradfahren.

Klinische Untersuchung

  • Über dem Steißbein ist ein Druckschmerz auslösbar.
  • Bei der rektalen Untersuchung kann das Steißbein zwischen Zeigefinger und Daumen palpiert und mit Fragestellung einer Hyper- oder Hypomobilität bewegt werden. Die normale Beweglichkeit beträgt etwa 13 Grad.7

Diagnostik beim Spezialisten

  • Durch eine Röntgenuntersuchung können andere Beckenfrakturen und Raumforderungen ausgeschlossen werden, und es lässt sich nachweisen, ob das Os coccygis disloziert oder degenerativ verändert ist.3 Eine Fraktur ist jedoch schwierig zu erkennen.11
  • Da bei der Kokzygodynie eine dynamische Instabilität vorliegen kann, sollte auch eine dynamische Untersuchung durchgeführt werden.
    • Die Aufnahmen werden im Stehen und im Sitzen angefertigt. Bei bis zu 70 % der Patient*innen mit einer Kokzygodynie sind pathologische Veränderungen nachweisbar.4
    • Von einer Hypermobilität des Os coccygis wird gesprochen, wenn auf der seitlichen Aufnahme eine Flexion um mehr als 25 Grad besteht.1
    • Eine Subluxation liegt vor, wenn zwischen der stehenden und der sitzenden Aufnahme eine Verschiebung des Os coccygis um 25 % zu beobachten ist.1

Indikationen zur Überweisung

  • Bei anhaltenden Schmerzen

Therapie

Therapieziel

  • Vorrangig symptomatische Therapie

Allgemeines zur Therapie

  • Zur Behandlung der Kokzygodynie wurden verschiedene therapeutische Methoden vorgeschlagen, vorrangig kommen jedoch konservative Verfahren zum Einsatz.1,12
  • Eine konservative Therapie ist in 90 % der Fälle erfolgreich.3
  • Viele Fälle lösen sich auch ohne medizinische Behandlung.

Empfehlungen für Patient*innen

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.11
  • Verwendung eines weichen oder zirkulären Sitzkissens
  • Warme Sitzbäder
  • Fangopackungen
  • Massagen der parakokzygealen Muskulatur

Medikamentöse Therapie

  • Gegen die Schmerzen können NSAR, auch als topische Salben, angewendet werden.3
  • Eine Injektion eines Lokalanästhetikums kann sowohl zu diagnostischen als auch zu therapeutischen Zwecken erfolgen.13
  • Bei psychologischer Ursache ggf. Antidepressiva und/oder Psychotherapie 8

Operative Therapie

  • In Ausnahmefällen kann eine dislozierte Fraktur zu chronischen Beschwerden führen.
    • Ein Ausreizen der konservativen Therapie wird empfohlen, als letzter Ausweg kann jedoch auch eine operative Resektion erforderlich werden.14
    • Die operative Resektion des Steißbeins (Kokzygektomie) kann bei den konservativ therapierefraktären Patient*innen zu einer Beschwerdelinderung führen.7,15-16

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Prognose

  • Die Erkrankung kann mit starken Schmerzen einhergehen, die Prognose ist jedoch gut und die Erkrankung heilt in der Regel von alleine aus.
  • Einzelne Patient*innen entwickeln chronische Schmerzen (Kokzygodynie) infolge vorausgegangener Frakturen.
  • Eine Kokzygektomie sollte als Ultima Ratio angesehen und nur bei Versagen der konservativen Therapiemöglichkeiten durchgeführt werden.11
    • Die häufigste Komplikation ist die Wundkontamination aufgrund der perianalen Lage, zudem können Rektumverletzungen auftreten.1

Verlaufskontrolle

  • Hausärzt*innen sollten je nach Bedarf Kontrolluntersuchungen durchführen.
  • Bei einzelnen Patient*innen können für eine gewisse Zeit sehr starke Schmerzen vorliegen, sodass eine Krankschreibung notwendig ist.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Der Gebrauch eines Sitzkissens ist hilfreich. Die Beschwerden bessern sich in der Regel nach und nach ohne besondere Maßnahmen.

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Kreuzbein und Steißbein, seitlich
Kreuzbein und Steißbein, seitlich (Quelle: Wikipedia, Grays Anatomy)

Quellen

Literatur

  1. Gautam D. Coccygodynia. Medscape, last updated Feb 08, 2017. emedicine.medscape.com
  2. Buchmann J. Bemerkungen zur Kokzygodynie. Z. Orthop Grenzgeb 1964; 102: 217-231. www.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Lirette LS, Chaiban G, Tolba R, et al. Coccydynia: An Overview of the Anatomy, Etiology, and Treatment of Coccyx Pain. Ochsner J 2014; 14(1): 84-87. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Fogel GR, Cunningham PY 3rd, Esses SI. Coccygodynia: evaluation and management. J Am Acad Orthop Surg. 2004 Jan-Feb. 12(1):49-54. www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Kim NH, Suk KS. Clinical and radiological differences between traumatic and idiopathic coccygodynia. Yonsei Med J. 1999 Jun. 40(3):215-20. www.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Maigne JY, Pigeau I, Aguer N, et al. Chronic coccydynia in adolescents. A series of 53 patients. Eur J Phys Rehabil Med 2011; 47(2): 245-51. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Maigne JY, Doursounian L, Chatellier G. Causes and mechanisms of common coccydynia: role of body mass index and coccygeal trauma. Spine (Phila Pa 1976). 2000 Dec 1. 25(23):3072-9. www.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Nathan ST, Fisher BE, Roberts CS. Coccydynia: a review of pathoanatomy, aetiology, treatment and outcome. J Bone Joint Surg Br 2010; 92(12): 1622-7. www.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Pennekamp PH, Kraft CN, Stütz A, et al. Coccygectomy for coccygodynia: does pathogenesis matter?. J Trauma 2005; 59(6): 1414-9. www.ncbi.nlm.nih.gov
  10. De Andrés J, Chaves S. Coccygodynia: a proposal for an algorithm for treatment. J Pain. 2003 Jun. 4(5):257-66. www.ncbi.nlm.nih.gov
  11. Deutsche Gesellschaft für Koloproktologie. Kokzygodynie. AWMF-Leitlinie 081-005. Stand 2002. www.awmf.org
  12. Nathan ST, Fisher BE, Roberts CS. Coccydynia: a review of pathoanatomy, aetiology, treatment and outcome. J Bone Joint Surg Br. 2010 Dec. 92(12):1622-7. www.ncbi.nlm.nih.gov
  13. Mitra R, Cheung L, Perry P. Efficacy of fluoroscopically guided steroid injections in the management of coccydynia. Pain Physician 2007; 10(6): 775–778. www.ncbi.nlm.nih.gov
  14. Sehirlioglu A, Ozturk C, Oguz E, et al. Coccygectomia in the surgical treatment of traumatic coccygodynia. Injury 2007; 38: 182-7. PubMed
  15. Trollegaard AM, Aarby NS, Hellberg S. Coccygectomy: an effective treatment option for chronic coccydynia: retrospective results in 41 consecutive patients. J Bone Joint Surg Br. 2010 Feb. 92(2):242-5. www.ncbi.nlm.nih.gov
  16. Perkins R, Schofferman J, Reynolds J. Coccygectomy for severe refractory sacrococcygeal joint pain. J Spinal Disord Tech 2003; 16(1): 100-103. www.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Orthopädie und Unfallchirurgie, Münster
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
M533
brudd i halebein; halebensbrudd; coccyx; brudd, haleben; Halebeinsbrudd
L03
Os coccygis; Steißbein; Kokzygodynie; Steißbeinneuralgie; Steißbeinbruch
Steißbeinschmerzen (Kokzygodynie)
CCC MK 08.01.2018, komplett überarbeitet, Literatur aktualisiert (AiW Orthopädie), 18.02.2016: Større endringer gjennom hele artikkelen basert på oversiktsartikkel i Medscape. Revision at 28.02.2013 15:38:02: Revidert i henhold til Medibas. Ingen endringer.. chck go 12.4.
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Zusammenfassung Definition:Schmerzen, die vom Steißbein, dem Os coccygis, ausgehen. Häufigkeit:Es handelt sich um eine relativ seltene Erkrankung. Sie tritt meist nach einem Sturz auf das Gesäß oder nach einer Geburt auf, kann aber auch idiopathisch vorkommen.
Orthopädie/Unfallchirurgie
Steißbeinschmerzen (Kokzygodynie)
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