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Fingerfraktur

Zusammenfassung

  • Definition:Frakturen der Grund-, Mittel- oder Endphalanx mit intra- oder extraartikulärer Lokalisation.
  • Häufigkeit:Diese Frakturen sind relativ häufig.
  • Symptome:Häufig ist es zu einem direkten Trauma gegen die Fingerspitzen oder einem Torsions- oder Schlagtrauma gekommen, infolgedessen Schmerzen, Schwellungen und funktionelle Einschränkungen vorliegen.
  • Befunde:Es liegen eine Schwellung und ein Druckschmerz vor. Der Finger kann verkürzt und anomal beweglich sein.
  • Diagnostik:Die Diagnose kann anhand einer Röntgenuntersuchung gestellt werden.
  • Therapie:Bei stabilen, unverschobenen Frakturen wird der Finger in der Regel zur konservativen Therapie immobilisiert. Bei dislozierten, instabilen oder intraartikulären Frakturen ist häufig die operative anatomische Rekonstruktion notwendig.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Frakturen der Grund-, Mittel- oder Endphalanx mit intra- oder extraartikulärer Lokalisation
  • Frakturen und Luxationen der Finger können zu chronischen Schmerzen und funktionellen Einschränkungen führen, wenn sie nicht frühzeitig erkannt und behandelt werden.1
  • Häufig knöcherne Abrissfrakturen (Avulsionsfrakturen)
    • Mallet-Fraktur: dorsaler Abriss der der distalen Strecksehne: resultiert in Hammer-Finger mit Schwanenhals-Deformität
    • Jersey-Fraktur: palmarer Abriss der tiefen Beugesehne
    • Mehr Informationen zur Behandlung von begleitenden Sehnenverletzungen finden Sie im Artikel Sehnenverletzungen der Finger.

Häufigkeit

  • Die meisten Fingerfrakturen sind geschlossen und nicht disloziert bzw. leicht reponierbar.
  • Am häufigsten betroffen ist die distale Phalanx, gefolgt von der proximalen Phalanx. Am seltensten ist die Fraktur der Mittelphalanx.2

Ätiologie und Pathogenese

  • Ursächlich ist ein direktes Trauma gegen die Fingerspitzen oder ein Torsions- oder Schlagtrauma.
    • gehäuft bei Ballsportarten2
  • Es können Quer-, Schräg- oder Spiral-, intraartikuläre oder mehrfragmentäre Frakturen vorliegen.
  • Mallet-Fraktur
    • Abrissfraktur der Strecksehne auf der dorsalen Seite der Endphalanx3
    • forcierte Beugung des Fingerendgelenks bei aktiver Streckung4
      • z. B. durch Schmetterschlag beim Volleyball auf die ausgestreckten Finger des Blockspielers
    • aktive Streckung des Fingerendgliedes nicht mehr möglich
  • Jersey-Fraktur
    • Abrissfraktur der tiefen Beugesehne auf der palmaren Seite der Endphalanx
    • forcierte Streckung des Fingerendgelenks bei aktiver Beugung
      • z. B. durch Hängenbleiben des Endglieds im Trikot des Gegenspielers, häufig beim Rugby
    • aktive Beugung des Fingerendglieds nicht mehr möglich

ICPC-2

  • L74 Fraktur Handknochen

ICD-10

  • S62 Fraktur im Bereich des Handgelenkes und der Hand
    • S62.5 Fraktur des Daumens
    • S62.6 Fraktur eines sonstigen Fingers
    • S62.7 Multiple Frakturen der Finger

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Klinische Zeichen einer Fraktur
    • sicher: 
      • Achsabweichung
      • offene Fraktur, sichtbare Knochenfragmente
      • abnorme Beweglichkeit
      • Krepitation.
    • unsicher:
      • Schwellung
      • Schmerzen
      • Funktionseinschränkung.
  • Sicherung der Diagnose durch Röntgen
  • Bei Kindern scheint die Diagnose auch per Ultraschall gesichert werden zu können.5

Anamnese

  • In der Regel direktes Trauma gegen die Fingerspitzen oder Torsions- oder Schlagtrauma
    • anschließend Schmerzen, Schwellung und funktionelle Einschränkung
  • Häufig beim Handball oder anderen Ballsportarten

Klinische Untersuchung

  • Führendes Symptom: schmerzhafter Funktionsverlust6
    • Kann insbesondere bei Gelenkfrakturen auch nur diskret ausgeprägt sein.
  • Schwellung
  • Finger verkürzt oder anomal beweglich?
  • Rotationsabweichung überprüfen.7
    • Faustschluss: Ungewolltes Überkreuzen der Finger?
    • Gestreckter Finger: Abweichende Nagelebene?
  • Auf mögliche Begleitverletzungen untersuchen:

Diagnostik beim Spezialisten

  • Eine Röntgenuntersuchung bestätigt die Diagnose.
    • Abbildung des betroffenen Fingers im dorsopalmaren und im streng seitlichen Strahlengang6
  • Für den Nachweis von Frakturen bei Kindern ist auch die Sonografie möglich.5
    • in einer Studie im Vergleich mit Röntgenuntersuchung Sensitivität von 91 % und Spezifität von 97 %

Indikationen zur Überweisung

  • Nicht adäquat behandelte Frakturen der Phalangen können zu erheblichen Funktionsstörungen der Hand führen.6
    • Bei Verdacht auf Fraktur sollte eine Evaluation der Verletzung und Aufstellung eines Behandlungsplans durch Spezialisten durchgeführt werden.

Therapie

Therapieziele

  • Therapie der Fraktur und etwaiger Weichteilschäden
  • Verhinderung von Sekundärkomplikationen

Allgemeines zur Therapie

  • Therapie richtet sich nach Art und Lokalisation der Fraktur.
    • Unverschobene, stabile Frakturen werden in der Regel konservativ behandelt.
    • Dislozierte oder intraartikuläre Frakturen werden in der Regel chirurgisch rekonstruiert.
  • Subunguale Hämatome sollten zur Schmerzbehandlung am Unfalltag durch Trepanation des Fingernagels entlastet werden.6
  • Übersehene und nicht hinreichend behandelte Fingerfrakturen können zu einer dauerhaften Einschränkung der Funktion führen.8

Frakturen der Finger 2 bis 5

  • Frakturen der Endphalangen
    • 3 Lokalisationen:
      1. Nagelkranzfraktur
      2. Schaftfraktur
      3. intraartikuläre Fraktur.
    • undislozierte Frakturen
      • in der Regel stabil und Behandlung per geschlossener Reposition und Fixation2
      • Abheilung innerhalb weniger Wochen in Stack-Schiene6
        • Stellt das Endglied in Extension ruhig.
    • dislozierte, mehrfragmentäre oder intraartikuläre Frakturen
      • In der Regel ist ein operativer Eingriff nötig.
      • z. B. axialer K-Draht mit temporärer DIP-Arthrodese6
  • Frakturen der Mittelphalangen
    • stabile, unverschobene Schaftfrakturen
      • Schienung am Nachbarfinger über Tapeverband für 2–3 Wochen6
    • instabile, dislozierte oder intraartikuläre Frakturen
      • operative Fixation und anatomische Rekonstruktion9
  • Frakturen der Grundphalangen
    • stabile, unverschobene Schaftfrakturen
      • konservative Behandlung durch mehrwöchige Anlage einer Schiene mit 70–90 Grad Beugung in den MCP-Gelenken möglich2,6
    • instabile, dislozierte oder intraartikuläre Frakturen
      • operative Fixation und anatomische Rekonstruktion6
    • Eine an der Grundphalanx ausgeprägte Nähe der Sehnen zum Periost bedeutet ein erhöhtes Risiko für Adhäsionen.
      • Eine frühfunktionelle Beübung ist sehr wichtig.2
  • Viele Frakturen sind stabil, erfordern jedoch besondere Schutzmaßnahmen bei sportlichen Aktivitäten.10

Mallet-Fraktur

  • Abrissfraktur der distalen Strecksehne
  • Bei Frakturfragment > 30 % der Gelenkfläche ist ein operativer Eingriff zur Fixation zu empfehlen.11
  • Falls Frakturfragment < 30 % der Gelenkfläche
    • Das Fingerendgelenk wird mithilfe einer Stack-Schiene 8 Wochen lang in gestreckter Haltung immobilisiert.3
      • Wichtig: Streckung während der gesamten Therapie aufrechterhalten.
      • Jede Beugung stört die Heilung der Sehne und verlängert die Behandlungsdauer.3
    • Per Röntgenuntersuchung soll kontrolliert werden, ob sich das Knochenfragment in der richtigen Position befindet.9
    • Die operative Therapie scheint bei kleinen Frakturfragmenten nicht zu einer besseren Prognose zu führen.12

Jersey-Fraktur

  • Abrissfraktur der tiefen Beugesehne
  • Eine operative Therapie ist indiziert.13

Frakturen des Daumens

  • Frakturen der Phalangen des Daumens werden analog zu den Phalangenfrakturen an den Digiti 2–5 behandelt.14

Empfehlungen für Patienten

  • Nach der Therapie sollten selbstständige Übungen durchgeführt werden, um Bewegungseinschränkungen zu verhindern.

Medikamentöse Therapie

  • Ggf. Analgetika zur Behandlung der Schmerzen

Rehabilitation

  • Es sollte so früh wie möglich mit aktiven Übungen begonnen werden.
  • Das Verschwinden des Kallusdruckschmerzes ist ein klinisches Kriterium der Frakturheilung und ausreichender Stabilität des Knochens.6
    • Sodann funktionelle Beübung starten. 

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die radiologische Heilungszeichen sind lange im Röntgenbild sichtbar, in der Regel ist der Finger jedoch klinisch bereits nach 3–4 Wochen stabil.15

Komplikationen

  • Die Dauer der Immobilisation und der Beginn der frühfunktionellen Beübung sollten zeitlich passend durchgeführt werden.
    • Sobald eine Stabilität des Knochens erreicht ist, mit aktiven Übungen beginnen.
  • Zu lange Immobilisation bedeutet eingeschränkte Beweglichkeit.
    • Kontrakturen von Bändern und Kapseln
    • Entstehung von Adhäsionen zwischen Sehnen und Frakturstellen
  • Zu kurze Immobilisation verursacht Pseudarthrose und verzögerte Knochenheilung.

Prognose

  • Die Prognose ist in der Regel günstig.
    • In den betroffenen Fingern liegt nach der Verletzung jedoch häufig bis zu 1 Jahr lang eine erhöhte Steifigkeit vor.
  • Prognostisch ungünstig:
    • Frakturen des PIP-Gelenks6
    • Trümmerfrakturen6
    • intraartikuläre Frakturen2
    • Einsatz von Platten als Osteosynthese-Material16
      • Schrauben sollten bevorzugt werden.

Verlaufskontrolle

  • Während der Therapie der Fraktur erfolgen die Kontrolluntersuchungen im Krankenhaus/bei Spezialisten.
  • Nach Ende der Therapie und während der Rehabilitation übernehmen die Hausärzte die Verlaufskontrolle.
  • Es sollte sorgfältig auf eine etwaige Rotationsfehlstellung geachtet werden.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patienten informieren?

  • Über die Bedeutung der Rehabilitation, um Bewegungseinschränkungen zu verhindern.

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Handskellet_left.jpg
Handskelett palmar
 
Handskellet_right.jpg
Handskelett dorsal
Schrägfraktur durch die Grundphalanx des dritten Fingers ohne Fehlstellung: 1. Phalanx distalis, 2. Phalanx media, 3. Phalanx proximalis mit Fraktur, 4. Metacarpus
Schrägfraktur durch die Grundphalanx des dritten Fingers ohne Fehlstellung: 1. Phalanx distalis, 2. Phalanx media, 3. Phalanx proximalis mit Fraktur, 4. Metacarpus
Gesundes rechtes Handgelenk von palmar: 1. Os trapezium, 2. Os hamatum, 3. Os capitatum, 4. Os scaphoideum, 5. Os triquetrum, 6. Os lunatum, 7. Radius, 8. Ulna
Gesundes rechtes Handgelenk von palmar: 1. Os trapezium, 2. Os hamatum, 3. Os capitatum, 4. Os scaphoideum, 5. Os triquetrum, 6. Os lunatum, 7. Radius, 8. Ulna

Quellen

Literatur

  1. Aitken S, Court-Brown CM. The epidemiology of sports-related fractures of the hand. Injury. 2008 Dec. 39(12):1377-83. www.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Bowen JE. Phalangeal fractures. Medscape, last updated Jan 18, 2018. emedicine.medscape.com
  3. Meals RA. Mallet finger. Medscape, last updated Aug 19, 2015. emedicine.medscape.com
  4. Leggit JC, Meko CJ. Acute finger injuries: part I. Tendons and ligaments. Am Fam Physician 2006; 73: 810-816. American Family Physician
  5. Neri E, Barbi E, Rabach I, et al. Diagnostic accuracy of ultrasonography forhand bony fractures in paediatric patients. Arch Dis Child . doi:10.1136/archdischild-2013-305678 DOI
  6. Windolf J, Siebert H, Werber KD, et al. Behandlung von Fingerfrakturen. Unfallchirurg 2008; 111: 331-9. www.dgu-online.de
  7. Sokolove PE. Extensor and flexor tendon injuries in the hand, wrist, and foot. In: Roberts JR, Hedges JR, eds. Clinical procedures in emergency medicine. 4th ed. Philadelphia, Pa.: Saunders, 2004: 927-45.
  8. Borchers JR, Best TM. Common finger fractures and dislocations. Am Fam Physician 2012; 85: 805-10. American Family Physician
  9. Oetgen ME, Dodds SD. Non-operative treatment of common finger injuries. Curr Rev Musculoskelet Med 2008; 1: 97-102. PubMed
  10. Wang QC, Johnson BA. Fingertip injuries. Am Fam Physician 2001; 63: 1961-6. American Family Physician
  11. Ginard IH. Extensor Tendon Lacerations. Medscape, last updated Jun 26, 2018. emedicine.medscape.com
  12. Kalainov DM, Hoepfner PE, Hartigan BJ, Carroll C IV, Genuario J. Nonsurgical treatment of closed mallet finger fractures. J Hand Surg Am 2005; 30: 580-6. PubMed
  13. Wood BC. Flexor Tendon Lacerations. Medscape, last updated Nov 26, 2018. emedicine.medscape.com
  14. Laub DR. Thumb Fractures and Dislocations. Medscape, last updated Sep 06, 2017. emedicine.medscape.com
  15. Smith FL, Rider DL. A study of the healing of one hundret conse- cutive phalangeal fractures. J Bone Joint Surg 1935; 17: 91-109. journals.lww.com
  16. Onishi T, Omokawa S, Shimizu T, et al. Predictors of Postoperative Finger Stiffness in Unstable Proximal Phalangeal Fractures. Plast Reconstr Surg Glob Open 2015; 3(6): 431. www.ncbi.nlm.nih.gov

Autoren

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
  • Arild Aamodt, overlege/professor, Ortopedisk avdeling, Lovisenberg Sykehus, Oslo
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
brudd i finger; brudd finger; Fingerbrudd; fraktur finger; mallet finger
brudd i finger; brudd finger; Fingerbrudd; fraktur finger; mallet finger
brudd i finger; brudd finger; Fingerbrudd; fraktur finger; mallet finger
Fraktur der Grundphalanx; Fraktur der Mittelphalanx; Fraktur der Endphalanx; Fraktur der Finger; Fingerbruch; Handknochenfraktur; Daumenfraktur; Fraktur der Fingerendgelenke; Mallet-Finger; Avulsionsfraktur der Sehne des M. flexor digitorum profundus; Abrissfraktur
Fingerfraktur
BBB MK 25.02.2019, komplett überarbeitet, aktuelle Lit. (AiW Orthopädie) chck go 12.4.
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Zusammenfassung Definition:Frakturen der Grund-, Mittel- oder Endphalanx mit intra- oder extraartikulärer Lokalisation. Häufigkeit:Diese Frakturen sind relativ häufig.
Orthopädie/Unfallchirurgie
Fingerfraktur
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