Definition:Trias aus akuter Nierenfunktionsstörung, hämolytischer Anämie und Thrombopenie. Verschiedene HUS-Formen sind beschrieben, am häufigsten (90 %) ist das STEC-HUS, das nach einer Infektion mit Shigatoxin bildenden enteropathogenen E. coli (Synonyme EHEC, STEC, VTEC) auftritt. Allen HUS gemeinsam ist ein endothelialer Zellschaden mit arteriellen und kapillären Mikrothromben und Fragmentierungen der roten Blutkörperchen sowie einer Schädigung der Endothelzellen in den Nieren.
Häufigkeit:Betroffen sind meist Kleinkinder, das STEC-HUS tritt mit einer Inzidenz von 0,11/100.000 Einw. auf, das komplement-vermittelte HUS ist seltener. Krankheitsverdacht, Erkrankung sowie Tod an HUS sind in Deutschland namentlich meldepflichtig.
Symptome:Ein STEC-HUS geht meist mit blutigen Diarrhöen einher. Abdominelle Beschwerden dominieren, nicht selten treten zerebrale und kardiale Komplikationen auf. Innerhalb von Tagen kann sich ein akutes Nierenversagen entwickeln. Das komplement-vermittelte HUS tritt in der Regel ohne blutige Diarrhöen auf.
Befunde:Blutige Diarrhöen und akutes Nierenversagen, evtl. auch Hypertonie. Bereits der Verdacht auf ein HUS rechtfertigt die umgehende Einweisung in ein Krankenhaus bzw. spezialisiertes Zentrum.
Diagnostik:Blutbild, Hämolyseparameter, Nierenwerte, Elektrolyte. Nachweis von Fragmentozyten im Blutausstrich. Stuhlkultur und Toxin-PCR bei V. a. STEC-HUS/EHEC-Infektion.
Therapie:Symptomatische Behandlung bei STEC-HUS. Keine Antibiotikabehandlung, da Gefahr der vermehrten Toxin-Freisetzung. Bluttransfusion, Elektrolytkorrektur, frühe Dialyse und als Ultima Ratio Nierentransplantation. Eine kausale Therapie steht dagegen mit dem monoklonalen Antikörper Eculizumab für das komplementvermittelte HUS zur Verfügung.
Allgemeine Informationen
Definition
Das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) ist definiert durch die Trias:1
ausgelöst oder getriggert durch eine zugrunde liegende Erkrankung wie z. B. Infektionen, Malignome, Autoimmunerkrankungen, systemischer Lupus erythematodes
unter der Einnahme bestimmter Medikamente oder Zytostatika
EHEC
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
Als EHEC werden alle humanpathogenen Shigatoxin bildenden E. coli bezeichnet.
EHEC-Erregerreservoir sind (Wild-)Wiederkäuer wie Rinder, Schafe und Ziegen, Rehe und Hirsche.
Übertragungsweg sind vor allem fäkal-kontaminierte, nicht ausreichend erhitzte Nahrungsmittel, Wasser oder der direkte Tierkontakt.
Bereits eine geringe Infektionsdosis kann eine EHEC-Infektion auslösen (< 100 Erreger für EHEC O157).
Neben ihrer besonderen Virulenz besitzen EHEC eine relativ große Umweltstabilität und eine gute Überlebensfähigkeit in saurem Milieu.6
Seit Einführung der Meldepflicht gemäß IfSG im Jahre 2001 wurden jährlich zwischen 925 und 1.183 EHEC-Erkrankungen an das RKI übermittelt.
Die Inzidenz von übermittelten EHEC-Erkrankungen ist bei Kindern unter 5 Jahren am höchsten.
Die Inkubationszeit beträgt ca. 2–10 Tage (durchschnittlich 3–4 Tage).
Symptome EHEC-assoziierter HUS-Erkrankungen beginnen ungefähr 7 Tage nach Beginn des Durchfalls.
Eine Ansteckungsfähigkeit besteht, solange EHEC-Bakterien im Stuhl nachgewiesen werden.
Angaben zur durchschnittlichen Dauer der Keimausscheidung liegen nur für die Serogruppe O157 vor und variieren deutlich von einigen Tagen bis zu mehreren Wochen.
Allgemein gilt, dass der Erreger bei Kindern länger im Stuhl nachgewiesen werden kann als bei Erwachsenen.
Mit einer Ausscheidungsdauer von über 1 Monat bei klinisch unauffälligem Bild muss daher gerechnet werden.
Weitaus häufigste Form, überwiegend Kinder, aber auch Erwachsene betroffen
Ausgelöst durch eine Infektion mit Shigatoxin (Stx, synonym auch Verotoxin) bildenden enterohämorrhagischen E. coli (EHEC, synonym auch STEC oder VTEC)
Meist Serogruppe O157:H7 (somatisches O-Antigen 157 und flagelläres H-Antigen 7)
Die freigesetzten Toxine führen zu einer Endothelzellschädigung, zur intravaskulären Hämolyse und zur Aktivierung von Thrombozyten mit dem klinischen Bild einer thrombotischen Mikroangiopathie (TMA)3
Pneumokokken-assoziiertes HUS: im Säuglings- und Kleinkindalter als Komplikation einer invasiven Infektion mit Streptokokkus pneumoniae.
Cobalamin-C-Mangel
HUS bei anderen Grunderkrankungen
ICPC-2
B82 Anämie unspezifisch, andere
ICD-10
D59.3 Hämolytisch-urämisches Syndrom
Diagnostik
Leitlinie: Hämolytisch-Urämisches Syndrom im Kindesalter1
Diagnostik
Zur Diagnose eines HUS gehören der Nachweis einer mikroangiopathischen, hämolytischen Anämie, einer Thrombozytopenie und einer akuten Nierenfunktionseinschränkung. Charakteristisch für alle Formen des HUS sind:
der laborchemische Nachweis einer mikroangiopathischen hämolytischen Anämie mit dem Vorliegen von Fragmentozyten im peripheren Blutausstrich
ein negativer Antiglobulin-Test (direkter Coombs-Test).
Neben der Thrombozytopenie zeigt sich häufig ein akutes Nierenversagen (Oligurie/Anurie, Erhöhung von Kreatinin, Cystatin C und Harnstoff über die Ausgangswerte bzw. Normwerte für Alter und Geschlecht) mit
sekundären Störungen des Säure-Basen-Haushalts und der Elektrolyte.
In der Diagnostik bei HUS soll auch an extrarenale Manifestationen gedacht werden.
Die Sonografie der Niere zeigt in der akuten Phase echogenitätsvermehrte Nieren mit z. T. deutlich erhöhtem Widerstandsindex.
Der Blutdruck ist häufig über die 95. Perzentile erhöht.
Eine ausführliche neurologische Untersuchung ist bei allen Patient*innen indiziert, bei Auffälligkeiten sollten ein EEG und eine zerebrale radiologische Diagnostik (MRT) durchgeführt werden.
Zu berücksichtigen ist, dass das EEG bei akuter Einschränkung der Nierenfunktion oft unspezifisch allgemeinverändert ist.
Zur Beurteilung einer kardialen Beteiligung sollten eine Echokardiografie, ein EKG und die Bestimmung der Herzenzyme durchgeführt werden.
Die Diagnose eines HUS lässt sich meist innerhalb weniger Stunden stellen.
Die Ursache lässt sich jedoch oft erst innerhalb von wenigen Tagen bis Wochen eruieren.
Insbesondere die Diagnostik zum Nachweis eines komplementvermittelten HUS ist zeitaufwendig und darf eine mögliche Therapie nicht verzögern.
Sollte es anamnestisch, klinisch oder diagnostisch Zweifel am Vorliegen eines HUS geben, so muss eine thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) ausgeschlossen werden.
Die TTP stellt die wichtigste, wenn auch seltene Differenzialdiagnose zum HUS dar und geht bei fehlender oder verzögerter Therapie mit einer hohen Letalität einher.
Daher muss die Diagnostik zum Ausschluss einer TTP schnellstmöglich erfolgen, sollten Anamnese, Klinik und Labordiagnostik nicht eindeutig für ein HUS sprechen.
Nach Einleitung der Diagnostik ist bei Verdacht auf TTP die Plasmapherese die Therapie der Wahl.
Diagnose STEC-HUS
Der Erregernachweis bei Verdacht auf STEC-HUS soll mittels Stuhlkultur, molekularbiologischem Toxinnachweis und Serologie durchgeführt werden.
Diagnose komplementvermitteltes HUS
Bei Verdacht auf ein komplementvermitteltes HUS soll weiterführende Komplementdiagnostik durchgeführt werden.
Diagnose anderer HUS-Formen
Bei Verdacht auf Pneumokokken-assoziiertes HUS soll mittels direktem Erregernachweis aus Blut, Liquor oder Pleurapunktat/BAL die Diagnose bestätigt werden.
Aufgrund der Komplexität der notwendigen Diagnostik, der Notwendigkeit einer parallel zur Diagnostik beginnenden Therapie und der schlechten Prognose insbesondere bei verzögertem Therapiebeginn wird bei Patient*innen, die nicht eindeutig ein STEC-HUS haben, die Verlegung in ein hierfür spezialisiertes Zentrum empfohlen.
Krankenhauseinweisung unmittelbar bei Verdacht auf die Erkrankung
Eine blutige Diarrhö (im Kindesalter) stellt immer eine Ausnahmesituation dar, deren Abklärung nicht verzögert werden sollte.
Therapie
Leitlinie: Hämolytisch-urämisches Syndrom im Kindesalter1
Therapie
Die Therapie des HUS unterteilt sich in eine supportive Therapie, die unabhängig von der Ätiologie des HUS erfolgt, sowie in eine spezifische Therapie entsprechend der Verdachtsdiagnose.
Wichtig ist, dass die durchzuführende Diagnostik die Therapie nicht verzögert.
Oft muss eine spezifische Behandlung eingeleitet werden, obwohl die diagnostischen Parameter noch nicht vollständig vorliegen.
Bei hämolytischer Anämie wird die Transfusion eines Erythrozytenkonzentrats (EK) bei einem Hämoglobin (Hb) von unter 5–7 g/dl (3–4,3 mmol/l), abhängig von der Dynamik des Hb-Abfalls, der klinischen Symptomatik und dem Alter der Patient*innen empfohlen.
Etwa 80 % der Patient*innen mit HUS benötigen eine EK-Transfusion.
Eine Erythropoetin-Therapie kann erwogen werden.
Die Indikation zur Transfusion von Thrombozyten sollte zurückhaltend gestellt werden.
Eine antithrombotische Therapie ist nicht indiziert.
Bei einem manifesten STEC-HUS ist eine EHEC-gerichtete, antibiotische Therapie nicht indiziert.
Insbesondere bei Verwendung von Antibiotika aus der Gruppe der DNA-Synthese Inhibitoren wird möglicherweise die Toxinfreisetzung verstärkt.
Eine antibiotische Therapie mit Beta-Laktam-Antibiotika sollte nur bei kritischem Allgemeinzustand oder Verdacht auf eine systemische Infektion erwogen werden.
Eine spezifische Therapie steht bislang nicht zur Verfügung.
Für den Einsatz von Immunglobulinen, Plasmainfusionen (FFP), Plasmapherese und und dem monoklonalen Antikörper Eculizumab konnte in prospektiven, kontrollierten Studien bislang kein Nutzen nachgewiesen werden.
Spezifische Therapie komplementvermitteltes HUS
Neben der supportiven Therapie bestehen für das komplementvermittelte HUS ursachenorientierte Therapieoptionen.
Das Ziel ist hierbei die Reduktion der unkontrollierten Komplementaktivierung durch Ersatz fehlender oder dysfunktionaler Komplementproteine, Verminderung von Autoantikörpern oder Blockade der terminalen Komplementaktivierung.
Eculizumab
Seit der Zulassung von Eculizumab im Jahr 2011 beim komplementvermittelten HUS besteht die Möglichkeit einer spezifischen komplementinhibierenden Therapie.
Eculizumab ist ein rekombinanter, humanisierter monoklonaler Antikörper gegen die Komplementkomponente C5, der die terminale Komplementaktivierung inhibiert.
Die Wirksamkeit von Eculizumab beim komplementvermittelten HUS wurde in mehreren prospektiven Studien belegt und ist unabhängig von der zur Erkrankung führenden Komplementanomalie.
Bei Patient*innen mit komplementvermitteltem HUS soll Eculizumab als First-Line-Therapie verwendet werden.
Es besteht eine erhöhte Gefahr der Infektion mit bekapselten Bakterien wie Meningo- und Pneumokokken und Haemophilus influenzae Typ B: Bei einer Therapie mit Eculizumab soll eine Impfung gegen bekapselte Bakterien sowie eine antibiotische Therapie bis 2 Wochen nach der letzten Impfung durchgeführt werden. Die Durchführung einer dauerhaften antibiotischen Therapie kann erwogen werden.
Bei Nachweis von Komplementfaktor-H(CFH)-Antikörpern soll zusätzlich zur Komplementinhibition eine immunsuppressive Therapie erfolgen.
Spezifische Therapie anderer HUS-Formen
Pneumokokken-HUS
Beim Pneumokokken-assoziierten HUS soll rasch eine antibiotische Therapie erfolgen.
DGKE-HUS
Es gibt keine Evidenz für die Wirksamkeit einer Plasmapherese oder für Eculizumab.
Eine Rekurrenz im Nierentransplantat scheint bei ausschließlicher DGKE-Mutation ohne Dysregulation im Komplementsystem nicht vorzukommen.
Cobalamin-C-Mangel-HUS
Bei Patient*innen mit Cobalamin-C-Synthase-Mangel steht mit der parenteralen Gabe von Hydroxycobalamin und Folsäure eine effektive Therapie zur Behandlung des HUS zur Verfügung.
Transplantation
Bei terminal niereninsuffizienten Patient*innen nach STEC- oder Pneumokokken-HUS ist die Nierentransplantation Therapie der Wahl.
Bei Patient*innen mit nachgewiesener Komplementdysregulation bzw. komplementvermitteltem HUS besteht je nach zugrunde liegender Mutation ein hohes Rezidivrisiko.
Durch die Verwendung von Eculizumab im Rahmen der Transplantation lässt sich das Rezidivrisiko wirkungsvoll minimieren.
Vermeidung der Weiterverbreitung
Maßnahmen für Patient*innen, Ausscheider*innen und Kontaktpersonen in Krankenhäusern, Pflege- und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens
EHEC kann durch verunreinigte Hände direkt von Person zu Person übertragen werden.
Die infektiöse Dosis für EHEC ist äußerst klein.
sehr geringe Infektionsdosis von EHEC (< 100 Erreger für EHEC O157)4
Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung von EHEC beruhen neben der Beachtung der Lebensmittelhygiene auf 4 Säulen:4
strikte Einhaltung der Händehygiene und weiterer Maßnahmen der Standardhygiene
Isolierung der Patient*innen
regelmäßige Desinfektion aller Handkontaktflächen und des Sanitärbereiches
hygienischer Umgang mit kontaminierter Wäsche.
Prävention
EHEC-Infektionen werden in der Regel durch Lebensmittel übertragen (meist Rindfleisch, Gemüse, nichtpasteurisierte Milch und Wasser); die Ansteckung kann aber auch direkt von Person zu Person oder beim direkten Kontakt mit Tieren erfolgen.
Insbesondere ältere Menschen und Kinder können schwer erkranken.
Besonderes Augenmerk sollte auf Maßnahmen zur Vermeidung von EHEC-Infektionen durch Tierkontakt in Streichelzoos und auf Bauernhöfen gelegt werden.4
Folgende vorbeugende Maßnahmen schützen vor der Ansteckung:
Gehacktes (Hamburger, Hackbraten u. Ä.) sollte gut durchgebraten werden.
Andere Fleischprodukte sollten an der Oberfläche gut gebraten werden.
Nichtpasteurisierte Milch/Rohmilch oder Milchprodukte sollten vermieden werden.
Essen sollte im Kühlschrank (+ 4 °C) aufbewahrt werden.
Nach dem Toilettenbesuch, nach dem Kontakt mit Tieren sowie vor dem Zubereiten von Essen Hände gründlich waschen.
Messer, Schneidebretter und Küchenausrüstung, die in Kontakt mit Rohwaren gekommen sind, sollten vor der Nutzung für andere Lebensmittel gewaschen werden.
Meldepflicht gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an enteropathischem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) sowie gemäß § 7 Abs. 1 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von EHEC, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet.
Krankheitsverdacht, Erkrankung sowie Tod an HUS sind gemäß § 6 Infektionsschutzgsetz (IfSG) durch die behandelnden Ärzt*innen meldepflichtig.
EHEC-Nachweise gemäß § 7 IfSG durch die Labore
Das elektronische Meldesystem in Deutschland erfasst HUS- und EHEC-Gastroenteritis-Fälle standardisiert seit 2001.
In Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen inkl. Tagebetreuung für (Klein-)Kinder
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
Gemäß § 34 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) dürfen Personen, die an EHEC erkrankt oder dessen verdächtig sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist.
In Gemeinschaftseinrichtungen Betreute, die an EHEC erkrankt oder dessen verdächtig sind, dürfen die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen.
Diese Vorschriften gelten auch für Personen, in deren Wohngemeinschaft nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung oder ein Verdacht auf EHEC aufgetreten ist.
Auch Ausscheider*innen von EHEC dürfen nach § 34 Abs. 2 IfSG Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen.
Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen nach klinischer Genesung ist im Regelfall möglich, wenn bei 3 im Abstand von 1–2 Tagen untersuchten Stuhlproben negative Befunde vorliegen.
Ein schriftliches Attest ist erforderlich.
Diese Empfehlung zur Wiederzulassung gilt auch für Ausscheider*innen, da anschließend eine Weiterverbreitung der Infektion im Allgemeinen nicht zu befürchten ist.
Ausnahmen sind mit Zustimmung des Gesundheitsamtes und unter Beachtung der gegenüber der Gemeinschaftseinrichtung verfügten Schutzmaßnahmen möglich.
Bei Langzeitausscheider*innen sollte das Virulenzprofil des EHEC-Stammes (einschließlich Serotyp, Toxintyp und Vorhandensein des eae-Gens) in die Risikoabwägung einbezogen werden.
In Lebensmittelbetrieben und Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
Gemäß § 42 IfSG dürfen Personen, die an einer infektiösen Gastroenteritis erkrankt oder dessen verdächtig sind, sowie Personen, die EHEC ausscheiden, beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen der in Abs. 2 aufgelisteten Lebensmittel nicht tätig sein oder beschäftigt werden, wenn sie dabei mit diesen in Berührung kommen.
Dies gilt auch für Beschäftigte in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung.
Lebensmittel im Sinne des § 42 Abs. 2 IfSG sind:
Sprossen und Keimlinge zum Rohverzehr sowie Samen zur Herstellung von Sprossen und Keimlingen zum Rohverzehr
Fleisch, Geflügelfleisch und Erzeugnisse daraus
Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis
Fische, Krebse oder Weichtiere und Erzeugnisse daraus
Eiprodukte
Säuglings- und Kleinkindernahrung
Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse
Backwaren mit nicht durchgebackener oder durcherhitzter Füllung oder Auflage
Feinkost-, Rohkost- und Kartoffelsalate, Marinaden, Mayonnaisen, andere emulgierte Soßen, Nahrungshefen.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
Eine expositionsbedingte familiäre Häufung kann vorkommen, ein rezidivierender Verlauf beim STEC-HUS wurde bislang nicht beobachtet.
Ein komplementvermitteltes HUS kann rezidivieren.
Hinweisend auf ein komplementvermitteltes HUS sind in der Regel ein akutes Nierenversagen und ein rezidivierender Verlauf mit progredienter chronischer Niereninsuffizienz in ca. 50 % der Fälle.
Bei Patient*innen mit STEC-HUS beträgt der Anteil der Betroffenen ohne vollständige Restitutio ad integrum im Mittel ca. 30 %.
Hierbei entwickeln sich Proteinurie, arterielle Hypertonie oder eine Nierenfunktionseinschränkung oft auch mehrere Jahre nach Manifestation des HUS.
Daher sind langfristige (kinder-)nephrologische Verlaufskontrollen bei diesen Patient*innen wichtig.8
Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie (GPN). Hämolytisch-Urämisches Syndrom im Kindesalter. AWMF-Leitlinie Nr. 166-002. S2k, Stand 2016. www.awmf.org
Literatur
Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie (GPN). Hämolytisch-Urämisches Syndrom im Kindesalter. AWMF-Leitlinie Nr. 166-002. S2k. Stand 2016, gültig bis 10/2021. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM). EHEC/HUS. DEGAM Leitlinie. S1. Stand 2011. www.degam.de
Jokiranta TS. HUS and atypical HUS. Blood. 2017 May 25;129(21):2847-2856. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Robert Koch Institut (RKI). Enterohämorrhagische E. coli (EHEC, STEC, VTEC)/ Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS). 2011. www.rki.de
Baylis CL, MacPhee S, Robinson AJ, Griffiths R, Lilley K, Betts RP. Survival of Escherichia coli O157:H7, O111:H- and O26:H11 in artificially contaminated chocolate and confectionery products. Int J Food Microbiol 2004; 96: 35-48. PubMed
Robert Koch Institut. Abschließende Darstellung und Bewertung der epidemiologischen Erkenntnisse im EHEC O104:H4 Ausbruch Deutschland 2011. Berlin, Robert Koch Institut 2011 edoc.rki.de
Garg AX, Clark WF, Salvadori M, Thiessen-Philbrook HR, Matsell D. Absence of renal sequelae after childhood Escherichia coli O157:H7 gastroenteritis. Kidney Int 2006; 70: 807-12. PubMed
Garg AX, Suri RS, Barrowman N, Rehman F, Matsell D, Rosas-Arellano MP, et al. Long-term renal prognosis of diarrhea-associated hemolytic uremic syndrome: a systematic review, meta-analysis, and meta-regression. JAMA 2003; 290: 1360-70. www.ncbi.nlm.nih.gov
Khalid M, Andreoli S. Extrarenal manifestations of the hemolytic uremic syndrome associated with Shiga toxin-producing Escherichia coli (STEC HUS). Pediatr Nephrol. 2019 Dec;34(12):2495-2507. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Talarico V, Aloe M, Monzani A, Miniero R, Bona G. Hemolytic uremic syndrome in children. Minerva Pediatr. 2016 Dec;68(6):441-455. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Kristin Haavisto, Dr. med., Fachärztin Für Innere Medizin und Hämato-/Onkologie, Münster
Caroline Beier, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
BBB MK 21.10.2021 umfassend gekürzt und aktualisiert.
Revision at 27.08.2015 18:32:18:
Final German Version
CCC MK 03.04.2018, komplett überarbeitet, deutsche LL
Definition:Trias aus akuter Nierenfunktionsstörung, hämolytischer Anämie und Thrombopenie. Verschiedene HUS-Formen sind beschrieben, am häufigsten (90 %) ist das STEC-HUS, das nach einer Infektion mit Shigatoxin bildenden enteropathogenen E. coli (Synonyme EHEC, STEC, VTEC) auftritt. Allen HUS gemeinsam ist ein endothelialer Zellschaden mit arteriellen und kapillären Mikrothromben und Fragmentierungen der roten Blutkörperchen sowie einer Schädigung der Endothelzellen in den Nieren.