Definition:Prämaligne Veränderungen in der Zervix sind squamöse intraepitheliale Dysplasien, die in niedriggradige und hochgradige Läsionen unterteilt und mithilfe von zytologischen Untersuchungen von Abstrichmaterial diagnostiziert werden. Sie sind meist durch eine Infektion mit dem humanen Papillomavirus (HPV) mitbedingt.
Häufigkeit:In Deutschland wird die mittlere Prävalenz prämaligner Zervixveränderungen auf 7,2 % für alle Stadien (CIN 1–3) und 2,6 % für CIN 2/3 geschätzt.
Symptome:Asymptomatisch.
Befunde:Gewöhnlich normale klinische Befunde.
Diagnostik:Zusatzuntersuchungen sind HPV-Test, ggf. Kolposkopie, Zervixzytologie, Biopsie, Abrasio.
Therapie:Je nach Stadium und Persistenz der Dysplasie wird eine Beobachtung oder die operative Sanierung, z. B. mittels Konisation, empfohlen.
Allgemeine Informationen
Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Artikel auf diesen Referenzen.1-7
Definition
Dysplasien im Plattenepithel der Zervix, die über mehrere Zwischenschritte in ein Zervixkarzinom übergehen können.
Fast immer geht dem eine persistierende Infektion mit onkogenen Typen des humanen Papillomavirus (HPV) voraus.
Zur Beurteilung des Abstriches gilt in Deutschland die Münchner Nomenklatur mit der Einteilung PAP 0–5.
Die CIN-Einteilung (zervikale intraepitheliale Neoplasie) wird für histologische Präparate verwendet.
Bundesweit wurden im Jahr 2016 15,8 Mio. Frauen zytologisch untersucht. Davon hatten 2,8 % einen kontrollbedürftigen Befund, bei 0,3 % wurde eine histologische Abklärung durchgeführt.
Trefferquote für ≥ CIN2 bei PAP IVa–p: > 90 %
Trefferquote für ≥ CIN3 bei PAP V–p: > 97 %
Risikoberechnungen sind aufgrund der Jahresstatistik nicht möglich.
Histologie
Etwa 7 von 100 Frauen haben Zervixdysplasien unterschiedlichen Grades. Der Altersgipfel der Dysplasien (alle CIN) liegt mit etwa 22 von 100 betroffenen Frauen bei 27 Jahren. Die mittlere Gesamtprävalenz für CIN 2 und 3 wird auf 2–3 % geschätzt.
Bei der histologischen Diagnose von CIN 1 (niedriggradige squamöse intraepitheliale Läsion, LSIL) besteht eine mäßige/geringe Intraobserver- und Interobserver-Übereinstimmung.
normale Zytologie und anhaltender Fluor/anomale Blutung mit unbekannten Ursachen
Diagnostische Konisation
Nur selten erforderlich. In der Regel erfolgt stattdessen eine Differenzialkolposkopie mit Biopsie.
Einhergehend mit einem Risiko für Frühgeburtlichkeit und zervikalen Stenosen
Schwangerschaft
CIN werden trotz eines geringen Progressionsrisikos in der Schwangerschaft zumeist kolposkopisch kontrolliert und nach der Geburt reevaluiert und ggf. behandelt.
Die erste Postpartumkontrolle mit Zytologie, Kolposkopie evtl. Biopsie (bei Indikation) wird 6–8 Wochen nach der Geburt empfohlen.
Indikationen zur Überweisung
Bei zytologischem, makroskopischem oder anderem Verdacht auf ein Karzinom
Ob sich eine CIN zu einem Zervixkarzinom entwickelt, kann für die einzelne Patientin nicht vorausgesagt werden. Da das Risiko mit der Schwere der Dysplasie korreliert, orientiert sich die Therapieplanung vor allem am Dysplasiestadium.
Bei histopathologisch gesicherter CIN 1 soll abgewartet und die Patientin nach 6 Monaten wieder evaluiert werden.
Eine histopathologische Evaluierung des Endozervikalkanals soll erfolgen, wenn
eine CIN 1 mit einer Pap-Gruppe ≥ IVa assoziiert ist – und –
die Läsion kolposkopisch nicht adäquat beurteilbar ist und sich in die Endozervix ausdehnt.
CIN 2
Ist bei histopathologisch gesicherter CIN 2 durch komplettes Einsehen der Plattenepithel-/Zylinderepithelgrenze die gesamte Läsion beurteilbar, soll abgewartet und die Patientin nach 6 Monaten wieder untersucht werden.
Eine histopathologische Evaluierung des Endozervikalkanals soll erfolgen, wenn
die Plattenepithel-/Zylinderepithelgrenze bei histopathologisch gesicherter CIN 2 nicht komplett einsehbar ist – und/oder –
bei Pap ≥ IVa.
CIN 3
Die histopathologisch gesicherte CIN 3 soll entfernt werden.
Adenocarcinoma in situ (ACIS; Näheres siehe Artikel Zervixkarzinom)
Die definitive histopathologische Diagnose des ACIS (in Differenzialdiagnose zum invasiven Adenokarzinom) soll mittels eines Exzisionsverfahrens erfolgen.
Für die definitive Behandlung des ACIS sollte bei abgeschlossener Familienplanung eine Hysterektomie durchgeführt werden.
Bei nicht abgeschlossener Familienplanung soll eine Entfernung im Gesunden gefolgt von Nachbeobachtung mittels Kolposkopie, Zytologie und HPV-Nachweis erfolgen.
Adoleszenz
Bei Frauen bis 24 Jahren mit histopathologisch gesicherter CIN 2 soll, bei CIN 3 kann eine konservative Strategie verfolgt werden, vorausgesetzt
die Läsion ist in ihrer gesamten Ausdehnung kolposkopisch überwachbar – und –
enthält keine atypische glanduläre Komponente – und –
ein invasives Geschehen ist mit hoher Sicherheit ausgeschlossen.
Eine Therapie sollte erfolgen bei
Persistenz einer CIN 2 für mehr als 24 Monate – oder –
Persistenz einer CIN 3 für mehr als 12 Monate – oder –
Ausdehnung der Läsion nach endozervikal.
Die Therapie soll gewebeschonend durchgeführt werden.
Die konservative Behandlung einer CIN 3 sollte bei Frauen bis 24 Jahren in einer zertifizierten Dysplasie-Sprechstunde stattfinden.
Chirurgische Behandlung
Laservaporisierung
Der Nachteil ist, dass histologisch nicht bewertet werden kann, ob die Resektionsränder frei von Läsionen sind oder nicht.
Wenn das weitere Follow-up auf der HPV-Diagnostik basiert, ist dies allerdings nicht so relevant.
Der Eingriff erhöht nicht die Gefahr von Frühgeburten.
Konisation
Bei der Konisation wird ein kegelförmiger Teil der Zervix entfernt.
Kann unter Lokalanästhesie oder Narkose durchgeführt werden.
Die Komplikationen nach dem Eingriff sind gering.
Übelriechender Ausfluss 5–6 Wochen nach dem Eingriff ist normal.
Blutungen: < 5 %, können bis zu 20 Tage nach dem Eingriff auftreten.
nach tiefer Konisation erhöhtes Risiko einer Frühgeburt (Zervixinsuffizienz)
Zervixstenose bei < 2 %: Fibröses Narbengewebe, das den Zervikalkanal blockieren kann, Hämatometra (intrauterine Ansammlung von Blut), Oligomenorrhö (sehr selten).
Bedarf für Krankschreibung nach dem Eingriff individuell bewerten (von keiner Krankschreibung bis zu 1 Woche).
Kann im Anschluss an die Konisation erwogen werden.
Reduziert möglicherweise das Rezidivrisiko bei CIN 2–3.15
Um diesen Zusammenhang sicher zu belegen, bedarf es weiterer Studien.
Hysterektomie
Persistierende oder rezidivierende CIN 2–3/ACIS nach vorhergegangener Konisation/Rekonisation oder bei Zusatzindikation
Zur Therapie eines ACIS (siehe Leitlinienkasten) bei Frauen mit abgeschlossener Familienplanung
Prävention
Screening
Leitlinie: Zytologie- und HPV-basiertes Screening1
Es gibt keinen Beleg, dass ein zytologisches Screening mit 1-jährigem Intervall dem 2-jährigen Intervall überlegen ist.
Frauen über 65 Jahren sollen motiviert werden, weiterhin an der Krebsfrüherkennung teilzunehmen. Bei Frauen über 65 Jahren mit mehrfach negativen Ergebnissen in der HPV-Pap-Kotestung kann über eine Beendigung der Zervixkarzinom-Früherkennung gesprochen werden.
Für Frauen nach totaler Hysterektomie ist der Nutzen eines Screenings nicht belegt, unabhängig davon, ob dieses Zytologie- oder HPV-Test-basiert ist.
HPV-positive Frauen nach totaler Hysterektomie sollten weiter am organisierten Screening teilnehmen.
Frauen nach suprazervikaler Hysterektomie sollen am organisierten Screening weiter teilnehmen.
Organisiertes Screening
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat im September 2016 im Rahmen der aktualisierten Krebs-Früherkennungsrichtlinie ein Konzept zur Zervixkarzinom-Vorsorge in Deutschland erarbeitet, das als „organisiertes Screeningprogramm“ seit 1. Januar 2020 zur Verfügung steht. Das Screening soll in einer mindestens 6-jährigen Testphase evaluiert werden.
Eckpunkte des Screeningprogramms
Frauen im Alter von 20–65 Jahren sollen alle 5 Jahre von ihren Krankenkassen angeschrieben und über das Screening informiert werden.
Frauen im Alter von 20–34 Jahren soll eine jährliche zytologische Untersuchung angeboten werden.
Zusätzlich soll bei Frauen ab 35 Jahren auch eine Testung auf eine HPV-Infektion erfolgen. In dieser Altersgruppe soll die Untersuchung außerdem bei unauffälligen Befunden nur alle 3 Jahre erfolgen.
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Prävention des Zervixkarzinoms. AWMF-Leitlinie Nr. 015-027OL. S3, Stand 2017. www.awmf.org
Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien. AWMF-Leitlinie Nr. 082-002. S3, Stand 2020. www.awmf.org
Deutsche Krebsgesellschaft (DKG), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom. AWMF-Leitlinie Nr. 032-033OL. S3, Stand 2021. www.awmf.org
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG): S3-Leitlinie Prävention des Zervixkarzinoms. Registernummer 015-027OL, 31.12.2017. www.awmf.org
Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien. AWMF-Leitlinie Nr. 082-002. S3, Stand 2020. www.awmf.org
Deutsche Krebsgesellschaft (DKG), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG): Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom. AWMF-Registernummer 032-033OL. S3, Stand 2021. www.awmf.org
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Autor*innen
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
BBB MK 14.10.2020 neue Zahlen zur Krebsprävention durch Impfung.
CCC MK 10.08.2020 neues Screeningprogramm, aktuelle Zahlen;
MK 26.09.17: neunvalenter HPV-Impfstoff
DDD MK 17.09.2018, Epidemiologische Bulletin, HPV für Jungen
BBB MK 13.04.2022 revidiert, stark gekürzt, neue LL und STIKO-Empfehlung.
Revision at 14.12.2015 , JT , Check GO 27.1.
CCC MK 14.06.2018, komplett überarbeitet, Datenlage Impfung, geplantes Screeningprogramm
Definition:Prämaligne Veränderungen in der Zervix sind squamöse intraepitheliale Dysplasien, die in niedriggradige und hochgradige Läsionen unterteilt und mithilfe von zytologischen Untersuchungen von Abstrichmaterial diagnostiziert werden. Sie sind meist durch eine Infektion mit dem humanen Papillomavirus (HPV) mitbedingt.