Definition:Autosomal-rezessive Erbkrankheit, die durch verminderte Aktivität des Leberenzyms Phenylalaninhydroxylase verursacht wird. Führt zu Phenylalaninämie mit Gefahr einer geistigen Retardierung.
Häufigkeit:Erhebliche geografische Unterschiede, in Europa durchschnittlich 1:10.000 Lebendgeburten, in Deutschland 1:8.000.
Symptome:Aufgrund des Neugeborenenscreenings werden Kinder heute nur noch selten symptomatisch. Unbehandelte Kinder entwickeln Symptome wie verringerte Kontaktfähigkeit, Hyperaktivität, Krampfanfälle, Erbrechen und Ekzeme.
Befunde:Bei unbehandelten Kindern helles Haar und helle Haut sowie spezieller Geruch. Späte Komplikationen umfassen gesteigerte Reflexe der tiefen Sehnen, Tremor und psychiatrische Störungen wie ADHS oder Depression.
Diagnostik:Bei allen Neugeborenen wird ein Bluttest auf PKU durchgeführt (Neugeborenenscreening). Ein zu später Behandlungsbeginn kann zu irreversiblen Schäden führen.
Therapie:Eine Ernährungstherapie mit phenylalaninreduzierter Nahrung ist essenziell, um den Folgeschäden der Krankheit entgegenzuwirken.
Allgemeine Informationen
Definition
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Phenylketonurie ist eine autosomal-rezessive Erkrankung, die durch verminderte Aktivität des Leberenzyms Phenylalaninhydroxylase verursacht wird.
Die Aminosäure Phenylalanin kann aufgrund des Enzym-Defektes nicht zur Aminosäure Tyrosin abgebaut werden und häuft sich in Blut und Geweben an (Phenylalaninämie); beeinträchtigt durch die toxische Wirkung die geistige Entwicklung Betroffener.
Unbehandelt führt dies meistens zu schwerer mentaler Retardierung.4
In den meisten Fällen (98 %) ist die erhöhte Phenylalaninkonzentration im Blut Merkmal unterschiedlich ausgeprägter Defizienzen der Phenylalaninhydroxylase (PAH).
Häufigkeit
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Die Prävalenz der Phenylketonurie zeigt erhebliche geografische Unterschiede; in Europa durchschnittlich auf 1:10.000 Lebendgeburten geschätzt und somit höher als bei anderen ethnischen Gruppen
In der Türkei bei 1:2.600, in Deutschland bei 1:8.000 und in Finnland lediglich bei 1:200.000
Ätiologie und Pathogenese
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Die Krankheit wird autosomal-rezessiv auf Chromosom 12 vererbt.
Es gibt über 400 verschiedene Mutationen, die die Aktivität des Leberenzyms Phenylalaninhydroxylase (PAH) einschränken.
Phenylalanin wird somit nicht zu Tyrosin umgewandelt, sodass die Phenylalaninkonzentration in Blut und Urin steigt. Dadurch entstehen Phenylketone (Phenylazetat und Phenyllaktat), die vermutlich die Ursache sind für Hirnschäden in Form von Hypomyelinisierung.
Vollständiger Enzymmangel führt zur klassischen Phenylketonurie, bei der die Serum-Phenylalaninkonzentration 20 mg/dl (1,2 mmol/l) übersteigt infolge einer nahezu vollständig fehlenden Aktivität der Phenylalanin-Hydroxylase; auch im Urin sind erhöhte Werte nachweisbar.
Teilweiser Enzymmangel führt zu einem geringeren Anstieg der Phenylalaninwerte.
Weitere Formen werden durch eine große Bandbreite von Mutationen im Phenylalanin-Hydroxylase-Gen (PAH<7I>; 12q22-q24.2) verursacht.
Nicht-PAH-Mutationen verursachen eine Hyperphenylalaninämie durch Tetrahydrobiopterin(BH4)-Mangel.
Der Mechanismus, durch den eine erhöhte Phenylalaninkonzentration zu mentaler Retardierung führt, ist unbekannt.4
Es wird angenommen, dass zu viel Phenylalanin und zu viele Phenylketone sich nachteilig auf Gehirnwachstum, Myelinisierung und Neurotransmittersynthese auswirken.
Prädisponierende Faktoren
Genetische Ähnlichkeit von Eltern aus Familien mit Träger*innen einer Mutation erhöht das Risiko, ein homozygotes Kind zu bekommen.
ICPC-2
T99 Endo./metab./ernäh. Erkrank., andere
ICD-10
E70 Störungen des Stoffwechsels aromatischer Aminosäuren
E70.0 Klassische Phenylketonurie
E70.1 Sonstige Hyperphenylalaninämien
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
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Neugeborenenscreening auf der Entbindungsstation innerhalb der ersten 60–72 Stunden. Die Blutprobe wird zur Untersuchung mittels Chromatografie an ein Speziallabor geschickt.
Andere Formen der Hyperphenylalaninämie durch Tetrahydrobiopterin(BH4)-Mangel
Tyrosinämien
Anamnese
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Aufgrund des Neugeborenenscreenings entwickeln heute nur noch wenige Kinder Symptome.
Unbehandelte Patient*innen entwickeln in der Folge intellektuelle Beeinträchtigungen, Verhaltensauffälligkeiten (Hyperaktivität) und motorische Störungen.
Bevor ein betroffenes Kind beginnt, Nahrung aufzunehmen, treten keine Symptome auf.
Wird die Phenylketonurie durch das Screening nicht entdeckt, entwickelt sie sich schleichend und verursacht Symptome meist ab dem Alter von 2–3 Monaten.
Bei unbehandelten Kindern ist mentale Retardierung ein Anzeichen für die Erkrankung.
Der mentale Zustand verschlechtert sich während der Myelinisierung im frühen Kindesalter, stabilisiert sich jedoch, wenn die Hirnreifung abgeschlossen ist.
Klinische Untersuchung
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Bei rascher Diagnose und Behandlung liegt kein klinischer Befund vor.
Unbehandelt sind häufige Befunde:
graduelle Entwicklungsverzögerung
verlangsamtes Wachstum
Mikrozephalie
Krämpfe
Tremor
Ekzeme.
Unbehandelte Kinder entwickeln helles Haar und helle Haut infolge des Tyrosinmangels.
Bei Patient*innen, die ihre Diät nicht bis in das Erwachsenenalter einhalten, können Demyelinisierung und verminderte Produktion von Dopamin, Norepinephrin und Serotonin beobachtet werden.
Aufgrund der hohen Konzentration von Phenylalanin haben Urin und Schweiß der Patient*innen häufig einen sehr speziellen Geruch („muffig“).
Ergänzende Untersuchungen
Auf der Entbindungsstation
Neugeborenenscreening: groß angelegte Untersuchungen von Neugeborenen auf Phenylketonurie
Nach 60–72 Stunden wird noch auf der Entbindungsstation eine Blutprobe der Neugeborenen abgenommen und mittels einfacher Papierchromatografie mit hoher Sensitivität die Phenylalaninkonzentration im Blut gemessen.5
Bei erhöhter Serum-Konzentration von Phenylalanin ist die Diagnose positiv.
Es gibt keinen internationalen Konsens darüber, ab welchem Phenylalaninwert im Blut eine Behandlung indiziert ist.6
Jegliche Diagnostik, die über die Wiederholung der Untersuchung aus einer 2. Trockenblutkarte hinausgeht, sollte von dem Stoffwechselzentrum veranlasst und bewertet werden, das die weitere Betreuung der Patient*innen übernehmen kann.
Hirnschäden durch Phenylketonurie
Mittels MRT können Schäden in der weißen Substanz des Gehirns nachgewiesen werden, die typisch für eine unbehandelte Phenylketonurie sind.
Wird die Behandlung in der Kindheit oder Jugend abgebrochen, können die Patient*innen neben Konzentrationsschwierigkeiten und Kopfschmerzen auch neurologische und psychische Probleme entwickeln.
Häufig wird eine Beeinträchtigung der geistigen Entwicklung beobachtet.
Symptome, die aufgrund der abgebrochenen Ernährungstherapie im Jugendalter oder später auftreten, können durch eine Wiederaufnahme der Behandlung gemindert werden oder verschwinden.
Indikationen zur Überweisung
Der Nachweis der Erkrankung wird im Krankenhaus im Neugeborenenscreening erbracht.
Ein positives Screening wird durch die Bestimmung von Phenylalanin im Blut oder Plasma bestätigt.
Therapie
Therapieziel
Ziel ist es, eine Erkrankung oder die Entwicklung von Symptomen aufgrund des Enzymausfalls zu verhindern.
Allgemeines zur Therapie
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Kinder, die frühzeitig eine Ernährungstherapie beginnen, entwickeln sich altersgerecht.
Schäden, die in frühem Alter entstehen, sind irreversibel.
Die Behandlung sollte daher begonnen werden, bevor sich Schäden entwickeln, vorzugsweise bereits in der ersten Lebenswoche.
Lebenslange Diät mit phenylalaninreduzierter Nahrung ab dem Zeitpunkt der Diagnose.9
Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit von Ärzt*innen, Ernährungsberater*innen und Eltern.
Zusätzlich wird die Gabe eines Aminosäurengemisches empfohlen:
Spezielle Trinknahrungen, die eine phenylalaninfreie Aminosäuremischung oder phenylalaninfreies Caseinhydrolysat, Maltodextrin, Stärke sowie Vitamine und Mineralstoffe enthalten.
Mischungen sind in der Regel auf 5 Einzeldosen verteilt über den Tag einzunehmen.
Es erscheint eine Anreicherung der Nahrung mit den Aminosäuren Tyrosin und Tryptophan sinnvoll.
Da freies Tyrosin nur schwer löslich und seine Bioverfügbarkeit limitiert ist, ist die Applikation des besser löslichen N-Acetyltyrosin zu erwägen.
Als Obergrenze für den Phenylalanin-Blutspiegel für Neugeborene werden 120–360 µmol/l empfohlen, für ältere Patient*innen ist eine Behandlung ab Blutspiegeln oberhalb 600 µmol/l essenziell.
Stillen: Säuglinge mit Phenylketonurie können gestillt werden.
Im Vergleich zu Kuhmilch ist Muttermilch wesentlich ärmer an Phenylalanin (3.000 µmol/l vs. 10.000 µmol/l). Bevor das Kind gestillt wird, sollte es mit 30–50 ml eines phenylalaninfreien Milchersatzgemisches vorgefüttert werden.
Empfehlungen für Patient*innen
Für alle Mahlzeiten sollten die Lebensmittel grammgenau abgewogen werden.
Besonders bei älteren Kindern sollte die Compliance bezüglich der Einnahme der Proteinsubstitute überwacht werden.
Aufgrund des unangenehmen Geschmacks der Proteinsubstrate halten einige Kinder die Ernährungsvorschriften nur unzureichend ein.
Eiweißarme Lebensmittel wie Stärke aus Weizen, Reis und Mais, Pflanzenöle, milchfreie Margarine, Zucker, Obstsäfte, Bienenhonig etc. bilden die Basis in der Phenylketonurie-Diät.
Zu den nicht erlaubten Lebensmitteln gehören Fleisch und Wurstwaren, Milch und Milchprodukte, Eier und Hülsenfrüchte.
Medikamentöse Therapie
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Bisher keine standardisierte medikamentöse Therapie
Synthetische Form von Tetrahydrobiopterin (BH4), die die Konzentration von Phenylalanin im Blut reduzieren kann.
Durch den Kofaktor kann der enzymatische Prozess verbessert werden, Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist eine gewisse Restaktivität des Enzyms PAH.
Erhöht bei PKU-Patient*innen die Proteinverträglichkeit bei der Nahrungsaufnahme.
In zwei Studien konnte festgestellt werden, dass Sapropterin das Phenylalanin im Blut senken und die Proteinverträglichkeit bei einigen Patient*innen erhöhen kann.11-12
Prävention
Routinemäßiges Screening aller Neugeborenen
Bei an PKU erkrankten Frauen, die eine Schwangerschaft planen, ist zu beachten:
Ein hoher Phenylalaninwert ist schädlich für den Fetus.
Eine moderate Diät, wie sie die meisten erwachsenen PKU-Patient*innen lebenslang einhalten, ist alleine nicht mehr ausreichend.
Die Diät sollte unter ernährungsmedizinischer Kontrolle vor der Empfängnis und während der gesamten Schwangerschaft deutlich strenger ausfallen.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
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Verlauf
Unbehandelte Kinder erscheinen bei Geburt unauffällig, weisen jedoch nach etwa 2 Monaten Anzeichen einer verzögerten Entwicklung auf.
Dank Neugeborenenscreening und frühzeitiger Behandlung ist eine physiologische Kindesentwicklung möglich und sollte im weiteren Verlauf des Lebens überwacht werden.6
Komplikationen und Prognose
Spät auftretende Komplikationen können umfassen:
gesteigerte Reflexe der tiefen Sehnen
Tremor und
psychiatrische Störungen wie ADHS oder Depression.
Bei frühzeitiger Diagnose (binnen der ersten 6 Lebenswochen) und Diät mit phenylalaninreduzierter Nahrung ist die Prognose für eine altersgerechte psychomotorische und soziale Entwicklung des Kindes gut.13
Der Grad der kognitiven Entwicklung scheint mit der Höher der Phenylalaninkonzentration zusammenzuhängen.
Orphanet. Phenylketonuria. Pr Nenad BLAU. December 2020. www.orpha.net. www.orpha.net
Konfirmationsdiagnostik bei Verdacht auf angeborene Stoffwechselkrankheiten aus dem Neugeborenenscreening. Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Leitlinie 027-021. www.awmf.org www.awmf.org
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Autor*innen
Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Autosomal-rezessive Erbkrankheit, die durch verminderte Aktivität des Leberenzyms Phenylalaninhydroxylase verursacht wird. Führt zu Phenylalaninämie mit Gefahr einer geistigen Retardierung.