mit oder ohne Muskelkontraktionen/-tonusveränderung
generalisiert oder fokal
tonisch klonisch
symmetrisch oder asymmetrisch
anomale unwillkürliche Bewegungen
mit oder ohne Prodromi
mit oder ohne vollständige Remission unmittelbar nach dem Ereignis
Häufigkeit
Sporadisch auftretende Anfälle unterschiedlicher Art sind bei Kleinkindern nicht ungewöhnlich.
10–20 % der Kinder und Jugendlichen, die aufgrund einer therapieresistenten Epilepsie an Epilepsiezentren überwiesen werden, haben psychogene nichtepileptische Anfälle. 70–80 % davon sind Mädchen.
Im Kinder-Notarzteinsatz einer repräsentativen deutschen Großstadt ist bei über 50 % der Einsätze mit einer Erkrankung zu rechnen, die mit akuten Bewusstseinsstörungen verbunden ist.
Insgesamt machen Krampfanfälle – inkl. Fieberkrämpfe – etwa 1/3 der Einsatzindikationen und damit auch den größten Anteil an den präklinischen akuten Bewusstseinsstörungen bei Kindern aus.
Bei Kindern und Jugendlichen ab 10 Jahren liegt bei plötzlich auftretenden kurz anhaltendenden Bewusstseinsstörungen mit rascher Remission meist eine Synkope vor.
mindestens 1 Synkope bei 15 % aller Kinder unter 18 Jahren
neural vermittelte Synkopen in 60–75 % der Fälle
kardial bedingte Synkopen in 6 % der Fälle
vor dem 10. Lebensjahr fast ausschließlich Affektkrämpfe bei 2–5 % aller Kinder
typisches Manifestationsalter 12–19 Jahre, Mädchen häufiger als Jungen betroffen
Diagnostische Überlegungen
Die diagnostische Herausforderung besteht darin, eine Epilepsie und eine schwere Erkrankung als Ursache auszuschließen.
Abschätzen der Wahrscheinlichkeit einer Epilepsie
In welchem Gesundheitszustand befindet sich das Kind, abgesehen von den Anfällen?
Anfallsbild? Dauer?
Triggerfaktoren?
Prodromi?
Postiktale Symptome, z. B. Müdigkeit?
Bei Krampfanfällen oder sonstigen Arten von Anfällen sollte die Möglichkeit einer zerebralen Störung infolge einer Infektion, einer Stoffwechselerkrankung oder eines Traumas in Betracht gezogen werden.
Konsultationsgrund
Die Eltern befürchten, dass die Krämpfe auf eine schwere Erkrankung zurückzuführen sind oder dass das Kind möglicherweise während eines Anfalls sterben könnte.
Sistieren unter der Gabe hochdosierten Pyridoxins, sprechen aber auf andere Antiepileptika nicht an.
Sie treten selten auf, sind bei epileptischen Anfällen unbekannter Ursache innerhalb des ersten Lebensmonats jedoch eine mögliche Differenzialdiagnose.
Ein Fieberkrampf ist ein epileptischer Anfall bei Kindern zwischen 6 Monaten und 5 Jahren, der in Verbindung mit einer fieberhaften Erkrankung auftritt und nicht durch eine ZNS-Infektion verursacht ist.
Eine zugrunde liegende schwere Erkrankung (Meningitis) ist auszuschließen.
Während der frühen vasokonstriktorischen Phase der Migräne können in sehr seltenen Fällen Krampfanfälle auftreten.
Zerebrale Fehlbildungen
Arteriovenöse Malformationen, Aneurysmen und Fehlbildungen aufgrund von Störungen der embryonalen Hirnentwicklung können von Geburt an vorhanden sein, aber erst später Symptome hervorrufen.
Beispielsweise infolge einer Überdosierung von Insulin, einer Inselzell-Hyperplasie, einer Hypophyseninsuffizienz oder einer Nebennierenrindeninsuffizienz
Beispielsweise infolge einer Rachitis (Vitamin-D-Mangel), einer Steatorrhö, einer Alkalose (bei der Hyperventilation) oder eines Hypoparathyreoidismus.
Auch Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom: Erfinden, Übersteigern oder tatsächliche Verursachung von Krankheiten oder deren Symptome bei Dritten, meist Kindern, um anschließend die medizinische Behandlung zu verlangen.
Dieses sollte in folgenden Fällen in Betracht gezogen werden:
Die Ursache der Erkrankung ist unklar, und sie besteht über lange Zeit.
Die Symptome sind inkongruent.
Die Therapie zeigt keine Wirkung.
Die Eltern zeigen weniger Besorgnis als das medizinische Personal.
Die Anfälle treten zu Hause deutlich häufiger auf als in der Klinik.
Es besteht eine Diskrepanz zwischen der Anamnese und den Befunden.
Das Kind ist ungepflegt und befindet sich in einem schlechten Ernährungszustand.
mindestens 1 Synkope bei 15 % aller Kinder unter 18 Jahren
Die weit überwiegende Mehrheit (60–75 %) sind benigne Reflexsynkopen.
Das typische Manifestationsalter für das Auftreten einer Synkope liegt zwischen 12 und 19 Jahren.
Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen.
Anamnese
Häufig bestehen Prodromi wie Schwindel, Übelkeit, Schwitzen und Blässe oder den Kindern wird schwarz vor Augen.
Kurzer Verlust des Muskeltonus (Zusammensinken)
Symmetrische Tonuserhöhung und unwillkürliche Bewegungen sprechen eher für einen Krampfanfall.
Diagnostik
Standard-12-Kanal-EKG und Blutdruckmessung
Orthostase-Test (modifizierter Schellong-Test)
Red Flags für das Vorliegen einer kardiogenen Synkope sind u. a.:
Alter < 10 Jahre
situative Gefährdung (z. B. Synkope beim Schwimmen)
Auftreten während Belastung
EKG-Veränderungen
plötzlicher Herztod in der Familie
Z. n. Thorax-OP
ggf. weitere Diagnostik (Echokardiografie, erweitertes EKG-Monitoring, Kipptisch-Untersuchung, Ergometrie, Koronarangiografie, EEG, zerebrales MRT oder CT)
Benigne Myoklonien im Säuglingsalter
Ursachen
Hirnentwicklungsstörung
Häufigkeit
Sie scheinen bei ansonsten normalen Neugeborenen im Alter von bis zu 3 Monaten häufig aufzutreten.
In 1/3 der beschriebenen Fälle bestehen die Myoklonien nach Vollendung des 3. Lebensmonats fort. 97 % der Betroffenen sind im Alter von 1 Jahr anfallsfrei.
Anamnese
Ab dem Zeitpunkt des Einschlafens des Kindes können über die gesamte Nacht hinweg Episoden mit fokalen oder generalisierten, rhythmischen Kloni auftreten.
In der Mehrzahl der beschriebenen Fälle sind die Kloni generalisiert, symmetrisch, synchron und wiederkehrend.
In erster Linie sind die oberen Extremitäten betroffen.
Sie können z. B. durch Schlaflieder oder wiederholte Geräusche ausgelöst werden.
Wird eine Extremität des Kindes festgehalten, führt dies nicht unbedingt zu einer Beruhigung.
Im wachen Zustand liegen keine Myoklonien vor.
Die neurologische Entwicklung ist normal.
Klinischer Befund
keine Befunde
Zusatzuntersuchungen
EEG während der Anfälle normal
Maßnahmen
Beruhigen und aufklären darüber, dass es sich um ein harmloses und vorübergehendes Phänomen handelt.
unbekannt, häufig als eine Form der Migräne klassifiziert
Häufigkeit
selten
Anamnese
Die Schwindelanfälle dauern etwa 1 Minute, das Kind wird blass, wirkt ängstlich, schreit, stürzt und klagt über Übelkeit und Schwindel.
Klinischer Befund
Es kommt nicht zu einem Bewusstseinsverlust.
Es kann ein Nystagmus auftreten.
Zusatzuntersuchungen
Otoskopie
Maßnahmen
Bei Vorliegen einer Otitis in Kombination mit Schwindel sollte eine Labyrinthitis in Betracht gezogen werden. Diese macht eine stationäre Aufnahme in der HNO-Abteilung erforderlich.
Die Kinder erinnern sich nicht oder geben an, sich nicht zu erinnern, was während des Anfalls passiert ist.
Der Anfall wird in der Regel durch starke Frustration oder Wut ausgelöst, äußert sich oft verbal oder körperlich und führt schließlich zu einer Verhaltensänderung und der Isolation.
klinischer Befund
keine Befunde
Zusatzuntersuchungen
EEG in der Regel normal
Maßnahmen
Erziehungsberatung, Elterntraining, ggf. Familientherapie oder andere Psychotherapieformen
in Abhängigkeit von Anamnese und Verdachtsdiagnose Bestimmung von Blutbild, Leukozyten, CRP, Elektrolyten (Na, K, Ca) und Glukose, ggf. Messung von Medikamentenspiegeln (Antiepileptika) oder toxikologisches Urin-Screening
Zerebrale Notfall-Bildgebung (meist Notfall-CCT): bei fokalen Zeichen, Papillenödem, V. a. ICP-Erhöhung (neurochirurgische Intervention notwendig?)
Lumbalpunktion: insbesondere bei Fieber und Meningismus, anhaltender Desorientierung/Bewusstseinsstörung: Kontraindikationen prüfen, Bildgebung zuvor notwendig?
Sofern keine akute Erkrankung vorliegt, ist eine Überweisung in der Regel nicht notwendig. Bei Verdacht auf das Tourette-Syndrom, Narkolepsie oder Epilepsie ist jedoch eine Überweisung an ein spezialisiertes Zentrum (Kinder- und Jugendpsychiatrie, Entwicklungsneurologie, Epileptologie) indiziert.
Indikationen zur Krankenhauseinweisung
Kinder in beeinträchtigtem Allgemeinzustand sollten stationär aufgenommen werden. Besondere Vorsicht ist bei Kindern unter 1 Jahr geboten.
Bei Verdacht auf infantile Spasmen sollte das Kind zur Beobachtung stationär aufgenommen werden.
Checkliste zur Überweisung
Unklare Anfälle
Zweck der Überweisung
Untersuchung? Behandlung?
Anamnese
Beginn? Dauer der Anfälle? Mehrere Anfälle? Gesundheitszustand, wenn keine Anfälle vorliegen?
Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie und angeborene Herzfehler. Synkope im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 023-004. S2k, Stand 2020. www.awmf.org
Gesellschaft für Neuropädiatrie. Diagnostische Prinzipien bei Epilepsien des Kindesalters. AWMF-Leitlinie Nr. 022-007. S1, Stand 2017. www.awmf.org
Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin e. V. Zerebrale Anfälle beim Neugeborenen. AWMF-Leitlinie Nr. 024-011. S2k, Stand 2012 (abgelaufen). www.awmf.org
Gesellschaft für Neuropädiatrie. Akute Bewusstseinsstörung jenseits der Neugeborenenperiode. AWMF-Leitlinie Nr. 022-016. S1, Stand 2020. www.awmf.org
Literatur
Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin e. V. Zerebrale Anfälle beim Neugeborenen. AWMF-Leitlinie Nr. 024-011. S2k, Stand 2012 (abgelaufen). www.awmf.org
Gesellschaft für Neuropädiatrie. Akute Bewusstseinsstörung jeneits der Neugeborenenperiode. AWMF-Leitlinie Nr. 022-016. S1, Stand 2020. www.awmf.org
Cui W, Kobau R, Zack MM, et al. Seizures in Children and Adolescents Aged 6–17 Years - United States, 2010–2014. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2015; 64:1209. PubMed
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2021. Stand 18.09.2020. www.dimdi.de
Gesellschaft für Neuropädiatrie. Diagnostische Prinzipien bei Epilepsien des Kindesalters. AWMF-Leitlinie Nr. 022-007. S1, Stand 2017. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie und angeborene Herzfehler. Synkope im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 023-004. S2k, Stand 2020. www.awmf.org
Autor*innen
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-3 Plötzlich auftretendes Ereignis
mit oder ohne Bewusstseinsstörung
Bewusstseinsstörungen unterschiedlichen Schweregrads (Somnolenz, Sopor, Koma)
mit oder ohne Muskelkontraktionen/-tonusveränderung
generalisiert oder fokal
tonisch klonisch
symmetrisch oder asymmetrisch
anomale unwillkürliche Bewegungen
mit oder ohne Prodromi
mit oder ohne vollständige Remission unmittelbar nach dem Ereignis
Pädiatrie
Anfälle, nichtepileptische und epileptische bei Kindern