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Angeborene Fußdeformitäten

Allgemeine Informationen

Definition

  • Die Untersuchung der Füße ist ein wesentlicher Bestandteil der Untersuchung von Neugeborenen.
  • Werden Fußanomalien bei Kindern frühzeitig erkannt, können die entsprechenden Korrekturen zum optimalen Zeitpunkt geplant werden.1-2
  • Der Fuß lässt sich anatomisch in 3 Teile unterteilen:
    1. Rückfuß mit Talus und Kalkaneus
    2. Mittelfuß mit Os naviculare, Os cuboideum und Os cuneiforme 1–3
    3. Vorfuß mit Ossa metatarsalia und Phalangen.

Häufigkeit

  • Fußdeformitäten sind relativ verbreitet.
  • Sie sind auf die eingeschränkte Beweglichkeit im Mutterleib zurückzuführen, denn für eine normale Entwicklung des Bewegungsapparats sind Bewegungen des Fetus erforderlich.

Diagnostische Überlegungen

  • Die Diagnose wird in der Regel direkt nach der Geburt bei der medizinischen Untersuchung im Krankenhaus gestellt.

ICPC-2

  • L82 Angeb. Anomalie muskuloskelet.

ICD-10

  • Q66 Angeborene Deformitäten der Füße
    • Q66.0 Pes equinovarus congenitus
    • Q66.1 Pes calcaneovarus congenitus
    • Q66.2 Pes adductus (congenitus)
    • Q66.3 Sonstige angeborene Varusdeformitäten der Füße
    • Q66.4 Pes calcaneovalgus congenitus
    • Q66.5 Pes planus congenitus
    • Q66.6 Sonstige angeborene Valgusdeformitäten der Füße
    • Q66.7 Pes cavus
    • Q66.8 Sonstige angeborene Deformitäten der Füße
    • Q66.9 Angeborene Deformität der Füße, nicht näher bezeichnet

Differenzialdiagnosen

Metatarsus varus – Sichelfuß

  • Ursache
    • Es handelt sich um eine starre Deformität in der transversalen Ebene, die zu einer medialen Deviation der Ossa metatarsalia führt.
    • Die flexible, funktionelle Fehlstellung wird im Gegensatz dazu als Metatarsus adductus bezeichnet.
  • Häufigkeit
    • Mit 1–2 Fällen je 1.000 Lebendgeburten ist der Sichelfuß eine der häufigsten angeborenen Fußdeformitäten.3
    • In einer Studie wurden sogar bis zu 3 Fälle je 100 Lebendgeburten beschrieben.4
  • Symptome und Befunde
    • verstärkte Wölbung der Zehen nach innen und C-förmiger seitlicher Fußrand5
    • Aufspreizung zwischen der 1. und 2. Zehe
    • bei ausgeprägtem Sichelfuß mediale Hautfalte im Vorfußbereich
  • Therapie
    • flexibler Sichelfuß (Metatarsus adductus)
      • aktiv redressierbar: keine Therapie nötig6
      • passiv redressierbar: Dehnübungen durch die Eltern zu Hause, jedoch mit fraglichem Erfolg7
    • rigider Sichelfuß (Metatarsus varus)
      • Therapie umstritten8, Bandagierung bis Gipsschienen6
      • bei Versagen der konservativen Therapie operative Maßnahmen
      • Die Prognose ist jedoch sehr gut.

Pes equinovarus – Klumpfuß

  • Ursache
    • Es handelt sich um eine angeborene, multifaktorielle Deformität, die auf genetische sowie intrauterine Faktoren zurückzuführen ist.9
  • Häufigkeit
    • 1–2 Fälle je 1.000 Lebendgeburten10
  • Symptome und Befunde
    • Inversion und Adduktion des Vorfußes (nach unten und innen)
    • Inversion der Ferse (die klein ist) und der Fußwurzel
    • begrenzte Extension im Bereich des Knöchels und des Subtalargelenks (Spitzfuß)
    • Innenrotation des Unterschenkels
    • Wichtig: Abgrenzung zur Klumpfußhaltung, die in der Regel keiner Therapie bedarf!11
  • Diagnostik beim Spezialisten
    • Zeigt sich nach erfolgreicher Redressionsbehandlung ein funktionell guter Fuß, sind Röntgenaufnahmen nicht zwingend notwendig.
    • Vor umfangreichen operativen Korrekturen eines Klumpfußes sollte stets eine standardisierte Röntgenaufnahme in 2 Ebenen erfolgen, frühestens nach dem 3. Lebensmonat.11
  • Therapie
    • Gips nach Ponseti in verschiedenen Stadien, häufig mit Achillessehnen-Tenotomie, ggf. später komplexere Operation nötig12

Pes calcaneovalgus

  • Synonym: Hackenfuß
  • Ursache
    • Verkürzung der Fußhebermuskulatur (M. tibialis anterior)13
    • Das obere Sprunggelenk ist extrem überstreckt, der Fußrücken ist zum Schienbein hin gerichtet.
  • Häufigkeit
    • Knapp 5 % aller Neugeborenen sind betroffen.14
    • Bei Mädchen tritt die Deformität häufiger als bei Jungen auf.
    • Sie kann einseitig oder beidseitig vorliegen.
  • Symptome und Befunde
    • Es liegt eine Außenrotation des Kalkaneus vor, die Achillessehne ist überstreckt und die vordere Unterschenkelmuskulatur ist angespannt.
    • Der Fuß ist nach oben und außen verdreht.
  • Diagnostik beim Spezialisten
    • Die klinische Diagnose kann anhand einer Röntgenuntersuchung bestätigt werden.
  • Therapie
    • Die Fehlbildung bessert sich in den meisten Fällen spontan. Je ausgeprägter die Veränderung ist, umso zwingender ist jedoch auch die Indikation für eine Intervention. Unter Experten besteht in diesem Punkt jedoch keine Einigkeit.8,15-16
    • Meistens genügt eine sanfte Redression durch die Eltern unter Dehnung der Extensoren am Fußrücken nach plantar.13
    • Kann der Fuß über die Neutrale nicht plantarflektiert werden, sollte eine etappenweise Gipsredression nach plantar diskutiert werden.13

Talus verticalis

  • Synonym: angeborener Plattfuß
  • Ursache
    • Beim Talus verticalis handelt es sich im Gegensatz zur flexiblen Calcaneovalgus-Fehlstellung um eine starre Deformität.
    Häufigkeit 
    • selten
    • In der Regel mit Syndromen und neuromuskulären Erkrankungen assoziiert, nur 5 % der Fälle sind idiopathisch.13
  • Symptome und Befunde
    • Der Rückfuß befindet sich in Plantarflexion, wobei der Talus und der Kalkaneus nach unten gerichtet sind und der Vorfuß dorsalflektiert ist („Tintenlöscher-Fuß“).
    • Das Ergebnis ist eine Dislokation der mittleren Fußwurzelknochen an Kopf und Hals des Talus.
    • Der Fuß ist steif und das Fußgewölbe konvex.
    • Es ist auch auf weitere Fehlbildungen zu achten, da in den meisten Fällen noch andere Deformitäten (multiple Gelenkkontrakturen bei der Geburt) oder eine Meningomyelozele vorliegen.15,17
  • Diagnostik beim Spezialisten
    • Eine Röntgenuntersuchung in maximaler Plantarflexion kann zur Stellung der Diagnose und differenzialdiagnostischen Abgrenzung eines Talus obliquus beitragen.
  • Therapie
    • In den meisten Fällen ist eine Operation erforderlich. Der Eingriff ist kompliziert.
    • Alternativ ist eine Gipsbehandlung mit sukzessiver Redression möglich.13

Polydaktylie

  • Ursache
    • Es wird eine genetische Ursache vermutet.
  • Häufigkeit
    • kein Unterschied zwischen den Geschlechtern
    • Bei Menschen afrikanischer Abstammung häufiger als bei Menschen europäischer Abstammung (3,6–13 bzw. 0,3–1,3 je 1.000 Lebendgeburten)18
  • Symptome und Befunde
    • häufig sowohl überzählige Finger als auch überzählige Zehen
    • präaxiale Polydaktylie: akzessorische Zehen im Bereich des 1. Strahls
    • postaxiale Polydaktylie: akzessorische Zehen im Bereich des 5. Strahls
    • in der Regel keinerlei funktionelle Einschränkung bei Polydaktylie am Fuß13
  • Diagnostik beim Spezialisten
    • Eine Röntgenuntersuchung kann zur Abklärung von Veränderungen der knöchernen Strukturen sinnvoll sein.
  • Therapie
    • in komplizierten Fällen Entfernung der akzessorischen Strukturen
    • Durchführung des Eingriffs häufig im Alter von 6–9 Monaten15,18

Syndaktylie

  • Ursache
    • genetische Ursache mit verschiedenen Gendefekten; sowohl in autosomal-dominanten und autosomal-rezessiven Erbgängen nachgewiesen19
  • Häufigkeit
    • etwa 1 Fall je 2.000–2.500 Lebendgeburten18
  • Symptome und Befunde
    • „Schwimmhäute“ zwischen Zehen oder Fingern
    • verschiedene Grade der Verwachsung von teilweise bis total
    • meistens zwischen der 2. und 3. Zehe
  • Diagnostik beim Spezialisten 
    • Eine Röntgenuntersuchung sollte zum Ausschluss weiterer Anomalien durchgeführt werden.20
  • Therapie
    • Es handelt sich für gewöhnlich eher um ein kosmetisches als ein funktionelles Problem. Eine Behandlung ist nur selten notwendig.15
    • Es wird empfohlen, mit einem etwaigen Eingriff so lange zu warten, bis das Kind selbst an der Entscheidung teilhaben kann.

Digitus superductus – überlappende Zehen

  • Ursache
    • häufig familiäre Anomalie
  • Häufigkeit
    • gleiche Häufigkeit bei Mädchen und Jungen
  • Symptome und Befunde
    • meist 5. Zehe betroffen, häufig beidseitig
    • Adduktion sowie leichte Außenrotation der Zehe
    • dorsalflektiertes Zehengrundgelenk, Nagelplatte häufig kleiner als üblich18
  • Therapie
    • Die Deformität lässt sich in der Regel durch eine leichte Dehnung oder den Einsatz einer Polsterung zwischen den Zehen, ggf. auch durch die Bandagierung an die benachbarte Zehe korrigieren.21
    • Beginnt das Kind zu laufen, bevor die Fehlstellung korrigiert wurde, kann dies Beschwerden verursachen und eine Operation erforderlich machen.17

Amniotische Schnürfurchen

  • Ursache
    • Diese entstehen, wenn sich die dünnen Amnionbänder intrauterin um verschiedene Teile der Extremitäten wickeln.18
  • Häufigkeit
    • 1 Fall je 15.000 Lebendgeburten
  • Symptome und Befunde
    • Beteiligung der Zehen und Finger
    • Distale Schwellung der Zehe und Lymphödem; bei tieferen Einschnürungen kann eine Amputation notwendig werden.
  • Therapie
    • In den meisten Fällen handelt es sich lediglich um ein kleineres kosmetisches Problem, nur in Ausnahmefällen ist ein chirurgischer Eingriff erforderlich.

Anamnese

  • Gibt es erbliche Deformitäten in der Familie?

Klinische Untersuchung

  • Vergleichen Sie die beiden Füße und achten Sie auf Asymmetrien.
  • Überprüfen Sie die Beweglichkeit.
    • Flexibilität, Rigidität, anomale Stellungen, eingeschränkte Beweglichkeit und Asymmetrie

Indikationen zur Überweisung

Checkliste zur Überweisung

Angeborene Fußdeformitäten

  • Zweck der Überweisung
    • Diagnostik? Konservative Behandlung (orthopädische Hilfsmittel)? Operative Therapie?
  • Anamnese
    • Etwaige frühere Diagnose und Behandlung? Entwicklung?
    • Beschreibung der Deformität; Gang?
    • Andere relevante Krankheiten?
  • Klinische Untersuchung
    • Vergleich beider Füße: Asymmetrien? Überprüfung der Beweglichkeit
  • Ergänzende Untersuchungen
    • Ggf. Röntgen?

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Kongenitaler Klumpfuß. AWMF-Leitlinie 033/021. S1, Stand 2012. www.awmf.org

Literatur

  1. Gore AI, Spencer JP. The newborn foot. Am Fam Physician 2004; 69: 865-72. PubMed
  2. McKee-Garrett TM. Lower extremity positional deformations. UpToDate, last updated Feb 27, 2015. UpToDate
  3. Sass P, Hassan G. Lower extremity abnormalities in children. Am Fam Physician 2003; 68: 461-8. American Family Physician
  4. Scherl SA. Common lower extremity problems in children. Pediatr Rev 2004; 25: 52. www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Mankin KP, Zimbler S. Gait and leg alignment: what's normal and what's not. Contemp Pediatr 1997;14:41-70. PubMed
  6. Williams CM, James AM, Tran T. Metatarsus adductus: development of a non-surgical treatment pathway. J Paediatr Child Health 2013; 49(9): 428-33. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Eamsobhana P, Rojjananukulpong K, Ariyawatkul T, et al. Does the parental stretching programs improve metatarsus adductus in newborns?. J Orthop Surg (Hong Kong) 2017. www.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Connors JF, Wernick E, Lowy LJ, Falcone J, Volpe RG. Guidelines for evaluation and management of five common podopediatric conditions. J Am Podiatr Med Assoc 1998;88:206-22. PubMed
  9. Patel M. Clubfoot. Medscape, last updated Apr 16, 2017. emedicine.medscape.com
  10. Parker SE, Mai CT, Strickland MJ, et al. Multistate study of the epidemiology of clubfoot. Birth Defects Res A Clin Mol Teratol 2009; 85(11): 897-904. www.ncbi.nlm.nih.gov
  11. Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Kongenitaler Klumpfuß. AWMF-Leitlinie 033/021. Stand 2012. www.kinderorthopaedie.org
  12. Bridgens J, Kiely N. Current management of clubfoot (congenital talipes equinovarus). BMJ 2010; 340:c355. BMJ (DOI)
  13. Velasco R. Fussdeformitäten im Kindesalter. Pädiatrie 2012; 2: 9-16. www.rosenfluh.ch
  14. Widhe T. Foot deformities at birth: a longitudinal prospective study over a 16-year period. J Pediatr Orthop 1997;17:20-4. PubMed
  15. Hoffinger SA. Evaluation and management of pediatric foot deformities. Pediatr Clin North Am 1996;43:1091-111. PubMed
  16. Wall EJ. Practical primary pediatric orthopedics. Nurs Clin North Am 2000;35:95-113. PubMed
  17. Fixsen JA. Problem feet in children. J R Soc Med 1998;91:18-22. PubMed
  18. McDaniel L, Tafuri SA. Congenital digital deformities. Clin Podiatr Med Surg 1996;13:327-42. PubMed
  19. Malik S. Syndactyly: phenotypes, genetics and current classification. Eur J Hum Genet 2012; 20(8): 817-24. www.ncbi.nlm.nih.gov
  20. Gene Deune E. Syndactyly Clinical Presentation. Medscape. Last updated Jan 02, 2018. emedicine.medscape.com
  21. Manusov EG, Lillegard WA, Raspa RF, Epperly TD. Evaluation of pediatric foot problems: Part I. The forefoot and the midfoot. Am Fam Physician 1996; 54:592-606. American Family Physician

Autoren

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Orthopädie und Unfallchirurgie, Münster
  • Kurt Østhuus Krogh, spesialist i barnesykdommer, Barne- og ungdomsklinikken, St. Olavs Hospital, Trondheim
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
q66.0Q66; ekvinovarusklumpfotQ660; Q661; Q662; Q663; Q664; Q665; Q666; Q667; Q668; Q669
L82
Deformitäten der Füße; Angeborene Fußdeformität; Metatarsus varus; Sichelfuß; Pes adductus; Metatarsus adductus; Pes equinovarus; Klumpfuß; Pes calcaneovalgus; Hackenfuß; Talus verticalis; Tintenlöscherfuß; Polydaktylie; Syndaktylie; Digitus superductus; Überlappende Zehen; Amniotische Schnürfurchen
Angeborene Fußdeformitäten
CCC MK 09.01.2019, komplett überarbeitet (AiW Orthopädie) check GO 13.2.
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Die Untersuchung der Füße ist ein wesentlicher Bestandteil der Untersuchung von Neugeborenen. Werden Fußanomalien bei Kindern frühzeitig erkannt, können die entsprechenden Korrekturen zum optimalen Zeitpunkt geplant werden.1-2
Pädiatrie
Fußdeformitäten, angeborene
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