Was versteht man unter einem Speiseröhrendurchbruch?

Beim Speiseröhrendurchbruch kommt es zu einem Riss in der Speiseröhre, der durch die gesamte Speiseröhrewand hindurchgeht. Dies wird fachsprachlich spontane Ösophagusperforation (Ösophagus = Speiseröhre, Perforation = Loch), spontane Ösophagusruptur (Ruptur = Riss) oder Boerhaave-Syndrom genannt. Ein Speiseröhrendurchbruch ist ein sehr seltener, medizinisch akuter Notfall mit hoher Sterblichkeit. Eine solche Notsituation kann infolge von starkem Erbrechen eintreten. Das Überleben der Patienten kann nur durch eine frühe Diagnose und Behandlung gesichert werden. Die Erkrankung wurde erstmalig durch Herman Boerhaave im Jahre 1724 beschrieben.
Die weniger schwerwiegende Variante der Erkrankung ist ein oberflächlicher Riss in der Schleimhaut der Speiseröhre, fachsprachlich als Mallory-Weiss-Syndrom bezeichnet. Dabei ist die Speiseröhre intakt und hat keine Löcher.
Ein spontaner Speiseröhrendurchbruch tritt äußerst selten auf. Die Erkrankung betrifft mehr Männer als Frauen und ist am häufigsten in der Altersgruppe 50–70 Jahre, kann aber bei Personen jeden Alters auftreten.
Ursachen
Die Krankheit wird in den meisten Fällen durch starkes, anhaltendes Erbrechen ausgelöst. Die zugrunde liegende Ursache ist oft ein hoher Alkoholkonsum und/oder Übersättigung. Das starke Erbrechen kann zu einer massiven Druckerhöhung in der Speiseröhre führen, wodurch sich ein Riss bilden kann. Der Durchbruch entsteht normalerweise an der schwächsten Stelle der Speiseröhre, also im unteren Drittel auf der linken hinteren Seite. Dies trifft bei 90 % aller Fälle zu.
Warum ist ein Speiseröhrendurchbruch so gefährlich?
Infolge eines Speiseröhrendurchbruchs können Flüssigkeit und Nahrungsreste durch das umgebende Gewebe ungehindert in die Brusthöhle austreten. Aufgrund der im Körper freigesetzten chemischen Reizstoffe und Bakterien entsteht eine starke Entzündungsreaktion in der Brusthöhle, die auf andere Organe wie das Lungenfell, die Lunge, das Herz und das Gewebe um die Brusthöhle übergehen kann. Schließlich kann eine Blutvergiftung (Sepsis) entstehen, bei der die Bakterien in den Blutkreislauf gelangen, durch die starke Immunreaktion einen Schock auslösen und zum Versagen der Organe führen. Unbehandelt ist die Erkrankung lebensbedrohlich.
Symptome
Der typische Verlauf der Erkrankung beginnt mit Übelkeit und starkem Erbrechen, gefolgt von starken Schmerzen in der unteren Brust und im Oberbauch. Die Schmerzen können in den Rücken oder die linke Schulter ausstrahlen und sich durch Schlucken verschlimmern. Eine Flüssigkeitsansammlung im Brustfellraum (Pleuraerguss) kann Brustschmerzen und Atemnot verursachen. Im fortgeschrittenen Stadium können sich in der Unterhaut Luftblasen bilden.
Diagnostik
Das Krankheitsbild kann variieren, und in bestimmten Fällen fehlen die typischen Befunde, was die Diagnose erschweren kann.
Bei der ärztlichen Untersuchung stehen die Patienten in der Regel unter starken Schmerzen. Die Atmung ist schnell und der Bauch fühlt sich aufgrund der Muskelanspannung hart an. Die Patientin/der Patient kann kalten Schweiß oder Fieber haben und sich in einem Schockzustand befinden. Je später die Diagnose gestellt wird, umso stärker wird das Krankheitsbild von Symptomen einer Blutvergiftung und Organversagen geprägt.
Eine Computertomografie (CT) des Brustkorbs lässt eine klare Diagnose zu. Das vorherige Schlucken von Kontrastmittel ermöglicht die Lokalisierung des Lochs oder Risses und zeigt auch den Umfang der Verletzung. Im Anschluss findet häufig eine Spiegelung der Speiseröhre (Endoskopie) statt, bei der der Riss auch therapeutisch versorgt werden kann. Alternativ kann eine Röntgenuntersuchung durchgeführt werden.
Behandlung
Ein Speiseröhrendurchbruch erfordert eine sofortige, notärztliche Behandlung im Krankenhaus. Zu Beginn wird der Zustand der Patientin/des Patienten durch die Verabreichung von Flüssigkeit ins Blut über eine Infusion stabilisiert. Mit einem Absauger werden die Nahrungs- und Flüssigkeitsreste aus dem Magen entfernt. Die Patienten erhalten sofort ein Breitband-Antibiotikum sowie starke Schmerzmittel und dürfen weder Nahrung noch Flüssigkeit durch den Mund aufnehmen.
Besonders wichtig ist die Entscheidung über eine notwendige Operation. Wenn die Diagnose in einem frühen Krankheitsstadium gestellt wird und der Riss so klein ist, dass nur wenig Flüssigkeit austritt, kann eine Behandlung mit Medikamenten erfolgen (s. o.). Häufig treten die Symptome und Befunde jedoch erst in einem späten und fortgeschrittenen Stadium auf.
Bei der Spiegelung der Speiseröhre (Endoskopie) kann ein Stent gelegt werden, der den Riss verschließt. Ggf. wird gleichzeitig eine Magensonde zur Ernährung gelegt. Größere Flüssigkeitsmengen im Brustraum können mit einer Drainage abgelassen werden.
Alternativ kann eine Operation erfolgen, vorzugsweise innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Durchbruch. Ein chirurgischer Eingriff in der Brusthöhle ist sehr kompliziert und Komplikationen können auftreten.
Prognose
Wenn die Diagnose nicht schnell gestellt wird, verschlechtert sich das Krankheitsbild dramatisch. Komplikationen wie Blutvergiftung (Sepsis), Schock, Entzündung des Mittelfells (Mediastinitis) und Atemversagen können auftreten.
Die Sterblichkeit bei der Erkrankung liegt zwischen 25 % und 90 %. Wenn die Behandlung innerhalb von 24 Stunden beginnt, beträgt die Sterblichkeit 25 %. Wenn die Behandlung aber nicht in den ersten 24 Stunden einsetzt, steigt die Sterblichkeit auf mehr als 65 %. Wenn bis zur Behandlung mehr als 48 Stunden vergehen, liegt die Sterblichkeit bei 75–90 %.
Weitere Informationen
- Blutvergiftung (Sepsis)
- Schock
- Erbrechen
- Alkoholmissbrauch
- Spontane Ösophagusperforation – Informationen für ärztliches Personal
Autoren
- Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden