Definition:Chronisch fibrosierende Entzündung der intra- und extrahepatischen Gallengänge unbekannter Genese. Im Verlauf kommt es zu unregelmäßigen Stenosierungen der Gallengänge.
Häufigkeit:Inzidenz 1/100.000; m:w = 2–3:1; Erkrankungsgipfel zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr.
Symptome:Im Frühstadium meist asymptomatisch. Im Verlauf Ikterus, Pruritus, unklare Oberbauchbeschwerden, Neigung zu bakteriellen Cholangitisschüben, Gewichtsverlust, bis hin zur Leberinsuffizienz.
Befunde:Im frühen Stadium kaum klinische Befunde, im Verlauf zunehmende Anzeichen der Leberinsuffizienz, evtl. portale Hypertension.
Diagnostik:Klinik und Labor (erhöhte Cholestaseparameter, v. a. AP und Gamma-GT) und MRCP (perlschnurartige Gangunregelmäßigkeiten).
Therapie:Medikamentöse Therapie mit Ursodesoxycholsäure (UDCA), jedoch ohne Einfluss auf die Prognose; Lebertransplantation als einzige kurative Behandlungsoption.
Allgemeine Informationen
Definition
Bei der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) handelt es sich um eine chronisch fibrosierende Entzündung in den mittelgroßen und großen intra- und extrahepatischen Gallengängen mit nachfolgender Destruktion.
Im Verlauf kommt es zu unregelmäßigen Stenosierungen sowie prästenotischen Erweiterungen.1
Durch die Unregelmäßigkeiten kommt es im Verlauf zur Cholestase und zu vermehrten bakteriellen Entzündungen.
Männer sind 2- bis 3-mal häufiger betroffen als Frauen.1,4-5
Ätiologie und Pathogenese
Die Ursache der Erkrankung ist nicht bekannt.
Es handelt sich um eine chronische, progressive Erkrankung.4,6-7
Es gibt Hinweise darauf, dass es sich bei der PSC um eine autoimmun vermittelte Erkrankung handelt: Autoantikörper sind häufig nachweisbar, weitere Autoimmunkrankheiten (z. B. Autoimmunhepatitis und Sjögren-Syndrom) treten vermehrt zusammen mit PSC auf, Assoziation mit HLA-B8 und HLA-B3.8
Da die Erkrankung nicht auf immunsuppressive Behandlung anspricht, ist sie keine klassische Autoimmunkrankheit.
Die Verbindung mit bestimmten HLA-Haplotypen und das erhöhte Vorkommen unter Verwandten 1. Grades deuten darauf hin, dass genetische Faktoren eine wichtige Rolle spielen.9
Die kontinuierliche Destruktion der Gallenwege führt im Verlauf zu schwerer Lebererkrankung und portaler Hypertension.
Die Häufigkeit der PSC bei Colitis ulcerosa liegt bei 2,4–7,5 %, bei M. Crohn bei 1,2–3,4 % der Patient*innen.
Die Prävalenz chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen bei Vorliegen einer PSC beträgt 60–80 %.
Der Verdacht auf PSC bei einem Patient*innen mit CED besteht bei dauerhaft erhöhten Cholestaseparametern oder andere Zeichen der Hepatopathie; in diesem Fall soll eine MRCP als primäre Diagnostik erfolgen.
Disponierende Faktoren
Männliches Geschlecht
Familiäre Disposition
Bei 50–80 % besteht eine Assoziation zu entzündlichen Darmerkrankungen.4
Colitis ulcerosa: am häufigsten; bei 2–7,5 % aller Patient*innen mit Colitis ulcerosa liegt auch eine PSC vor.4,10
Morbus Crohn: ca. 1–3 % der Patient*innen mit M. Crohn leiden ebenfalls an einer PSC.3
Die Diagnose einer PSC wird bei Patient*innen gestellt, die in einer cholangiografischen Darstellung typische Veränderungen der Gallengänge mit Strikturen und Dilatation aufweisen, bei gleichzeitigem Ausschluss anderer Ursachen.
Bei Vorliegen klassischer Befunde einer PSC ist eine histologische Untersuchung zur Sicherung der Diagnose nicht erforderlich.
Labordiagnostik
Erwachsene Patient*innen mit PSC weisen in der Regel eine führende Erhöhung der alkalischen Phosphatase (AP) auf, wobei eine normale AP eine PSC nicht ausschließt.
MRCP soll bei Verdacht auf das Vorliegen einer PSC als diagnostisches Verfahren der 1. Wahl angewendet werden.
Sonografie
In der Initialdiagnostik einer PSC soll ein abdomineller Ultraschall (Leber, Gallenwege, Gallenblase) durchgeführt werden.
Koloskopie
Eine Koloskopie soll bei der Diagnosestellung einer PSC wegen der hohen Assoziation mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Kolitis) auch bei nicht vorbekannter CED durchgeführt werden. Bei der initialen Koloskopie sollen auch bei makroskopisch unauffälliger Kolonschleimhaut Stufenbiopsien entnommen werden.
Diagnostische Kriterien
Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1,3,5
perlschnurartige (abwechselnd verengte und erweiterte Gallengangsabschnitte) Gangunregelmäßigkeiten
Die ERCP weist eine höhere Sensitivität auf als die MRCP, hat jedoch auch eine höhere Komplikationsrate (z. B. Pankreatitis) und ist daher nicht Methode der Wahl.1,3,5
Vor allem zu Beginn der Erkrankung fehlen häufig Symptome, und die Erkrankung wird als Zufallsbefund bei erhöhten Cholestaseparametern diagnostiziert.1
In fortgeschrittenen Stadien klagen die Patient*innen möglicherweise über Juckreiz, zunehmende Müdigkeit, unspezifische Oberbauchbeschwerden und Ikterus.1,3,5
Krankheitsverdacht besteht bei Patient*innen mit entzündlicher Darmerkrankung und erhöhten Leberwerten (vor allem AP).10
Aufgrund der unspezifischen Symptomatik und des langsam progredienten Krankheitsverlaufs wird die Diagnose oft erst spät gestellt.8
Klinische Untersuchung
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.12
Im frühen Stadium keine oder nur wenige Symptome
Befunde im Verlauf durch zunehmendes Leberversagen
Nachweis von perlschnurartigen Gangunregelmäßigkeiten (multifokale Strikturen und Dilatationen in den intra- und/oder extrahepatischen Gallengängen)
Gallenblase und Gallengang können ebenfalls involviert sein.14
In den letzten Jahren wird MRCP bevorzugt: weniger teuer, weniger invasiv, keine Gefahr einer Pankreatitis, allerdings keine therapeutische Intervention möglich.6
Die ERCP sollte nicht als Routinediagnostik eingesetzt werden; bei symtpomatischen Strikturen kann sie jedoch als interventionelle Therapie genutzt werden.
Ultraschall
Kann ebenfalls in einigen Fällen auffällig veränderte Gallenwege nachweisen.
evtl. Leberparenchymveränderungen erkennbar, intra- und extrahepatische Cholestase
vor allem zum Ausschluss anderer Leberpathologien wie z. B. Tumoren, Choledocholithiasis etc.
Es gibt derzeit keine Standardtherapie der PSC. Abhängig vom Erkrankungsstadium können medikamentöse und/oder endoskopische Verfahren zum Einsatz kommen.
Ursodesoxycholsäure (UDCA) führt in einer mittleren Dosierung von 13–23 mg/kg KG zu einer Verbesserung der Laborparameter.
Eine hochdosierte (> 28 mg/kg KG) UDCA-Therapie soll nicht gegeben werden.
UDCA kann in einer mittleren Dosierung < 25 mg/kg KG zu einer leichten Absenkung des Risikos für die Entwicklung kolorektaler Dysplasien bei Patient*innen mit PSC und CU führen.
Antibiotika sollen bei PSC im akuten Cholangitis-Schub gegeben werden. Eine Anpassung an das individuelle biliäre Keimspektrum erscheint sinnvoll.
Die endoskopisch-interventionelle Therapie kann eine Symptomverbesserung erreichen und sollte zur Abklärung der Dignität von biliären Stenosen eingesetzt werden.
Zur endoskopisch-interventionellen Therapie von Gallengangsstrikturen stehen Ballondilatation, Bougierung und die kurzzeitige Stenteinlage (< 6 Wochen) zur Verfügung, wobei es keine Evidenz gibt, die einen relevanten Vor- oder Nachteil eines dieser Verfahren belegt.
Therapieziele
Krankheitsverlauf verzögern.
Symptomatische Verbesserung
Komplikationen behandeln.
Allgemeines zur Therapie
Es gibt keine eindeutig effektive, medizinische Behandlung.3,15
Unterschiedliche immunsupprimierende und entzündungshemmende Substanzen wurden untersucht, von denen jedoch keine einen konsistenten Nutzen gezeigt hat.6-7
Die Behandlung von symptomgebenden Strikturen kann durch ERCP mit Papillotomie und Sanierung der Gallengänge erfolgen, evtl. Einlegen eines Stents.
Die Lebertransplantation ist die einzige kurative Therapie für Patient*innen mit fortgeschrittener Lebererkrankung.
Die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit beträgt nach Lebertransplantation 87,4 %.5
UDCA wird häufig zur Behandlung der PSC verwendet, hat in Deutschland jedoch keine Zulassung für diese Indikation.
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
In Deutschland gibt es bisher keine zugelassene medikamentöse Therapie für die PSC.
Kortikosteroide und andere Immunsuppressiva werden momentan nicht für die Therapie der PSC empfohlen.3
Cholestyramin kann bei ausgeprägtem cholestatischem Juckreiz in einer Dosierung von 4–16 g/d gegeben werden.3
Ursodesoxycholsäure (UDCA) (off label)
Die Datenlage zum Nutzen von UDCA ist uneinheitlich.3-4,6
Eine Therapie mit UDCA führt in einer mittleren Dosierung von 13–23 mg/kg KG bei einigen Patient*innen zu einer Symptomverbesserung.
UDCA kann in einer mittleren Dosierung < 25 mg/kg KG zu einer leichten Absenkung des Risikos für die Entwicklung kolorektaler Dysplasien bei Patient*innen mit PSC und CU führen.
Antibiotikagabe im akuten Cholangitisschub, individuelle Anpassung an das vorliegende Keimspektrum.
Weitere Therapieoptionen
Evtl. endoskopische Behandlung der Strikturen: ERCP mit Ballondilatation, evtl. kurzfristige Stent-Einlage zur Entlastung16
Lebertransplantation sollte bei zunehmender Leberinsuffizienz mit reduzierter Lebenserwartung bei Patient*innen unter 65 Jahren erwogen werden.
Wenn gleichzeitig eine PSC und eine CED bestehen, sollen die Überwachungskoloskopien unabhängig von der Krankheitsaktivität und Ausdehnung der Kolitis ab dem Zeitpunkt der PSC-Diagnosestellung jährlich erfolgen.
Es gibt keine Hinweise, dass eine Schwangerschaft den Verlauf der PSC negativ beeinflusst. Auch wenn die Rate frühzeitiger Entbindungen und Kaiserschnittgeburten möglicherweise leicht erhöht ist, hatte die PSC keinen negativen Einfluss auf das Neugeborene. Eine Schwangerschaft ist daher möglich, sollte aber möglichst durch einen Gastroenterologen/Hepatologen begleitet und an einem erfahrenen Zentrum betreut werden.
Bei Patient*innen mit PSC soll alle 6–12 Monate eine Abdomensonografie (Zeichen der Leberzirrhose, Milzgröße, Gallenwegveränderungen, Leberraumforderungen, Gallenblasenpolypen) durchgeführt werden. Bei Leberzirrhose sollte diese halbjährlich erfolgen.
Bei klinischer Verschlechterung sollte eine Überprüfung der Laborwerte (zumindest AP, GGT, GOT, GPT, Bilirubin) durchgeführt und ggf. weitere Diagnostik veranlasst werden. Bei klinisch stabilem Befund erscheint eine Kontrolle der Laborwerte alle 3–6 Monate sinnvoll.
Eine MRT-Untersuchung kann als Verlaufskontrolle alle 12–24 Monate durchgeführt werden.
Verlauf
Die Krankheit verläuft progredient und führt im Verlauf zu zunehmender Leberinsuffizienz. PSC ist eine wichtige Ursache für Leberinsuffizienz bei jungen Menschen.
Die Medianzeit von der Diagnose bis zum Tod ohne Lebertransplantation beträgt 10–20 Jahre.17
Komplikationen
Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.3-4,12
Der chronische Endzündungsprozess in den Gallenwegen führt bei den meisten Patient*innen über eine fortschreitenden Fibrose zur Leberzirrhose und -insuffizienz und später zum Leberversagen.8
Das gleichzeitige Auftreten von entzündlichen Darmerkrankungen und PSC scheint die Prognose zu verschlechtern.18-19
Eine Heilung der Grunderkrankung ist nicht möglich. Die Lebertransplantation stellt die einzige kurative Behandlungsmethode dar.
10-Jahres-Überleben nach Diagnosestellung ca. 65 %
Mittlere Überlebenszeit 10–20 Jahre (ohne Lebertransplantation)1,5
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Autor*innen
Laura Morshäuser, Ärztin, Freiburg im Breisgau
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
K83; K830
kolangit; d98 inflammation i gallblåsa/gallsten; Primär skleroserande kolangit
Definition:Chronisch fibrosierende Entzündung der intra- und extrahepatischen Gallengänge unbekannter Genese. Im Verlauf kommt es zu unregelmäßigen Stenosierungen der Gallengänge.