Definition:Enteritis aufgrund einer Infektion mit enteropathogenen E.-coli-Bakterien: EHEC, EIEC, EPEC, ETEC, EAEC. In Europa ist vor allem EHEC relevant. Andere E. coli kommen eher bei EinwohnernEinwohner*innen in Ländern mit schlechteren Hygienestandards und bei Reisenden vor.
Häufigkeit:EHEC: zwischen 1.000–2.000 gemeldete Fälle pro Jahr, sporadische Ausbrüche mit höheren Patientenzahlen.
Symptome:Diarrhö-Erkrankungen meist leicht verlaufend und selbstlimitierend, manchmal mit Fieber und geschwächtem Allgemeinzustand. Blutige Diarrhö und Entwicklung eines hämolytisch-urämischen Syndroms als seltene schwere Verlaufsformen.
Befunde:In leichten Fälle keine spezifischen klinischen Befunde. In schwereren Fällen geschwächter Allgemeinzustand, Fieber und Dehydrierung.
Diagnostik:Stuhlprobe zum Nachweis von E.-coli-Bakterien oder anderen enteropathogenen Bakterien. PCR zum Nachweis des Shigatoxins (EHEC).
Therapie:Symptomatische Behandlung, evtl. intravenöse Flüssigkeitsbehandlung. Antibiotika in der Regel kontraindiziert. Hygienemaßnahmen zur Prävention. Der Cholera-Impfstoff zur Prävention der Reisediarrhö (ETEC) ist begrenzt wirksam, in Deutschland jedoch nicht zugelassen.
Allgemeine Informationen
Definition
Enteritis bzw. Enterokolitis aufgrund einer Infektion mit humanpathogenen E.-coli-Bakterien.
Es wird in der Regel zwischen 5 Varianten pathogener E. coli (EC) unterschieden:1
enterotoxinbildende EC (ETEC)
enteroinvasive EC (EIEC)
enterohämorrhagische EC (EHEC; historisch auch STEC oder VTEC genannt)
enteropathogene EC (EPEC; umfasst typische EPEC (tEPEC) und atypische EPEC (aEPEC))
enteroaggregative EC (EAEC).
Unter den humanpathogenen E. coli spielt in Europa vor allem die Infektion mit EHEC eine übergeordnete Rolle.2
EHEC bilden sog. Shigatoxine und können schwere blutige Durchfälle auslösen.
gemeldete Fälle 20172019: 21.020370 (Median 2015 bis 2019: 1.877)
seit Jahren leichter AnstiegRückgang der Fallzahlen gegenüber den Vorjahren (wahrscheinlich aufgrund der Covid-19-Pandemie)
große Inzidenzunterschiede in den Bundesländern
höchste Inzidenz bei Kindern unter 5 Jahren, insbesondere bei 1-jährigen Kindern
häufigste gemeldete Serogruppe in Deutschland 2019: O26
Der EHEC Serovar O157:H7 ist weltweit am häufigsten.
Bei EHEC kommt es immer wieder zu größeren Ausbrüchen.
2011 kam es zu einem EHEC-Ausbruch in (Nord-)Deutschland.1,4
3.842 PatientenPatient*innen waren betroffen, überwiegend Erwachsene (anders als gewöhnlich).
DerAuslöser Ausbruchwar wurdeein durch einen Shigatoxin-produzierendenproduzierender Stamm des Serovars O104:H4, derübertragen auchdurch kontaminierte Eigenschaften von EAEC aufwies und damit einen EHEC/EAEC-Hybridstamm darstellt, hervorgerufenBockshornkleesprossen.
In diesem Ausbruch wurde eine Letalität von 0,6 % bei EHEC-PatientenPatient*innen mit Gastroenteritis und 4,1 % bei PatientenPatient*innen mit HUS beschrieben, die damit deutlich höher lagen, als die Daten für den bedeutendsten EHEC-Erreger O157:H7.
Anders als gewöhnlich, waren damals überwiegend Erwachsene (davon 68 % Frauen) betroffen.
Als Auslöser wurden kontaminierte Bockshornkleesprossen festgestellt, ein Vertriebsstopp beendete den Ausbruch.
Escherichia coli befindet sich in der Normalflora des Darms bei allen Menschen und warmblütigen Tieren.
Davon zu unterscheiden sind humanpathogene E. coli, die in der Lage sind, beim Menschen Krankheitssymptome auszulösen und die nicht zur normalen Darmflora gehören.1,3,5
Enterohämorrhagische Escherichia coli sind Bakterien (gramnegative Stäbchen), die die grundsätzliche Eigenschaft zur Bildung bestimmter Zytotoxine, der Shigatoxine – Stx (Synonyme: Shiga-like-Toxine – SLT, Verotoxine – VT) besitzen.
EHEC-Serotypen: Die weltweit und in Deutschland am häufigsten isolierte EHEC-Serogruppe ist O157.
Als EHEC werden alle humanpathogenen Shigatoxin bildenden E. coli bezeichnet (STEC).
Historisch wurden diejenigen STEC als EHEC bezeichnet, die in der Lage waren, schwere Erkrankungen (hämorrhagische Kolitis und hämolytisch-urämisches Syndrom) hervorzurufen.
InMittlerweile denwerden letzten zwei Jahrzehnten wurde jedoch eine Vielzahl unterschiedlicher STEC-Stämme auch von Patienten mit milden gastroenteritischen Symptomen isoliert, sodass imlaut Infektionsschutzgesetz (IfSG) unter dem Begriff EHEC diejenigen STEC verstandenzu werdenverstehen, die humanpathogen sind (fähig sind, beim Menschen Krankheitserscheinungen auszulösen und damit humanpathogen sind).
EHEC-Erregerreservoir sind (Wild-)Wiederkäuer wie Rinder, Schafe und Ziegen, Rehe und Hirsche.
Übertragungsweg sind vor allem fäkal-kontaminierte, nicht ausreichend erhitzte Nahrungsmittel, Wasser oder der direkte Tierkontakt.
Es ist auch die Mensch-zu-Mensch-Übertragung beschrieben.
Bereits eine geringe Infektionsdosis kann eine EHEC-Infektion auslösen (< 100 Erreger für EHEC O157).
Neben ihrer besonderen Virulenz besitzen EHEC eine relativ große Umweltstabilität und eine gute Überlebensfähigkeit in saurem Milieu.
Seit Einführung der Meldepflicht gemäß IfSG im Jahre 2001 wurden jährlich zwischen etwa 1.000–2.000 EHEC-Erkrankungen an das RKI übermittelt.2-3
Die Inzidenz von übermittelten EHEC-Erkrankungen ist bei Kindern unter 5 Jahren am höchsten.
Die Meldezahlen steigen im Laufe der Jahre an.
Die Inkubationszeit beträgt ca. 2–10 Tage (durchschnittlich 3–4 Tage).
Diese Erkenntnisse beruhen im Wesentlichen auf Untersuchungen zu EHEC der Serogruppe O157.
Symptome EHEC-assoziierter HUS-Erkrankungen beginnen ungefähr 7 Tage (5–12 Tage) nach Beginn des Durchfalls.
Eine Ansteckungsfähigkeit besteht, solange EHEC-Bakterien im Stuhl nachgewiesen werden.
AngabenAusscheidungsdauer zurwenige durchschnittlichen Dauer der Keimausscheidung liegen nur für die Serogruppe O157 vor und variieren deutlich von einigen TagenTage bis zu mehrerenmehrere Wochen.
Allgemein gilt, dass der Erreger bei Kindern länger im Stuhl nachgewiesen werden kann als bei Erwachsenen.
Mit einer Ausscheidungsdauer von über 1 Monat bei klinisch unauffälligem Bild muss daher gerechnet werden.
Symptomatik einer EHEC-Infektion
EHEC-Infektionen können klinisch inapparent verlaufen und somit unerkannt bleiben.
Die Mehrzahl der manifesten Erkrankungen tritt als unblutiger, meistens wässriger Durchfall in Erscheinung.
Bei 10–20 % der Erkrankten entwickelt sich als schwere Verlaufsform eine hämorrhagische Kolitis mit krampfartigen Abdominalschmerzen, blutigem Stuhl und teilweise Fieber.
Säuglinge, Kleinkinder, alte Menschen und abwehrgeschwächte Personen erkranken häufiger schwer. Gefürchtet ist das vor allem bei Kindern vorkommende HUS.
EIEC (enteroinvasive E. coli)
Endemisch in Ländern mit geringem Hygienestandard, kann aber weltweit vorkommen.
Reservoir im Menschen
Invasiv, sie dringen durch die Schleimhaut und können zu ausgeprägten Symptomen mit Diarrhö, Fieber und Bauchschmerzen führen.
Infektionen mit EIEC führen zu einer dysenterieähnlichen Gastroenteritis.
Die Bakterien dringen in die Epithelzellen des Kolons ein und breiten sich dort auf benachbarte Epithelzellen aus.6
Dies löst eine akute Entzündungsreaktion in der Darmschleimhaut aus und führt zu Blutungen und Nekrose des Epithels.
Typische Symptome sind wässrige Diarrhö, die sich zu einer blutigen, zuweilen eitrigen Diarrhö entwickeln kann, Fieber und heftige Bauchschmerzen.
In Ländern mit schlechtem Hygienestandard eine der häufigsten Ursachen für bakterielle Enteritis, sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern, v. a. aber bei Säuglingen < 6 Monate (Säuglingsdiarrhö)
In Europa seltener
Auslöser der Säuglingsdiarrhö
Führen zu Schleimhautinfektion mit Diarrhö und evtl. Fieber
Reservoir im Menschen, aEPEC auch in Tieren
Typische EPEC (tEPEC) und atypische EPEC (aEPEC) unterscheiden sich im Übertragungsweg, aEPEC werdenbertragung durch Wiederkäuer und von Mensch-zu-Mensch übertragen, tEPEC nur von Mensch-zu-Mensch.
ETEC (enterotoxinbildende E. coli)
Wichtige Ursache für Diarrhö bei Kindern in Ländern mit schlechtem Hygienestandard
Häufigste Ursache für Reisedurchfall bei TouristenTourist*innen7
BildetBilden ein Toxin, das zu lokalen Schleimhautschädigungen und Diarrhö führt.6
Reservoir im Menschen
Prädisponierende Faktoren
Art der Ansteckung
Aufnahme von kontaminierten Lebensmitteln
Direkter Tierkontakt
Mangelhafte Hygiene in der Küche oder bei Toilettenbesuchen
EHECAlter undunter aEPEC
Wiederkäuer5 sind das Reservoir für EHEC und einen Teil der aEPEC.
Ansteckung vorwiegend durch kontaminierte Nahrungsmittel, u. a. durch Fleisch und Fleischprodukte von Rindern und Kleinvieh, kontaminiertes Gemüse, nichtpasteurisierte Milch, Produkte aus nichtpasteurisierter Milch und Trinkwasser
Man kann sich auch beim direkten Kontakt mit Tieren anstecken oder indirekt über Tierexkremente, über Badewasser sowie direkt von Person zu Person durch verunreinigte Hände.
Die infektiöse Dosis für EHEC ist äußerst klein (< 100 Bakterien).
EIEC, ETEC und tEPEC
Reservoir für EIEC, ETEC und tEPEC ist der Mensch.
Ansteckung durch kontaminierte Nahrungsmittel, einschl. Trinkwasser, aber auch von Person zu Person
EHEC
Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an dem enteropathischen hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) sowie
gemäß § 7 Abs. 1 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von EHEC, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet.5
Des Weiteren ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 IfSG der Verdacht auf und die Erkrankung an einer akuten infektiösen Gastroenteritis meldepflichtig,5
wenn die betroffene Person Umgang mit Lebensmitteln hat oder in Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung (z. B. Küchen, Gaststätten) beschäftigt ist oder
wenn zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird.
Die Meldungen müssen dem Gesundheitsamt spätestens 24 Stunden nach erlangter Kenntnis vorliegen.5Jahren
ICPC-2
D70 Darminfektion
D73 Gastroenteritis vermutlich infektiös
ICD-10
A04.0 Darminfektion durch enteropathogene Escherichia coli (EPEC)
A04.1 Darminfektion durch enterotoxinbildende Escherichia coli (ETEC)
A04.2 Darminfektion durch enteroinvasive Escherichia coli (EIEC)
A04.3 Darminfektion durch enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC)
A04.4 Sonstige Darminfektionen durch Escherichia coli
Gewöhnlich zuerst eine Phase mit wässriger Diarrhö
Übelkeit, Erbrechen, Abdominalschmerzen
Im weiteren Verlauf blutige Diarrhö
Im weiteren Verlauf zudem geschwächter Allgemeinzustand und evtl. Fieber
Dauer 4–10 Tage
Bei 10–20 % der Erkrankten entwickelt sich als schwere Verlaufsform eine hämorrhagische Kolitis mit krampfartigen Abdominalschmerzen, blutigem Stuhl und teilweise Fieber.
Kultivierung einer Stuhlprobe zum Nachweis von pathogenen E.-coli-Bakterien oder anderen enteropathogenen Bakterien
Die Probe sollte frühzeitig im Krankheitsverlauf abgegeben werden.
Ein negatives Ergebnis schließt die Diagnose nicht aus.
Die Stuhlprobe muss ggf. angereichert werden.
EHEC
Nachweis von Shigatoxin oder des Shigatoxin-Gens (PCR)
Der Nachweis von EHEC mittels direkter PCR aus der Stuhlprobe hängt von der Erregerdichte ab; neuere Methoden erreichen eine Nachweisgrenze von 102–103/g Stuhl und darunter.1
Eine regelhafte Stuhluntersuchung bei milden Verläufen ist umstritten.1
Besteht jedoch die klinische Trias „blutige Diarrhö, HäHämolyse und ThrombozytenabfallThrombozytenabfall“ (Verdacht auf HUS) oder handelt es sich bei Verdacht auf EHEC um Personen, die im Lebensmittelbereich tätig sind oder Gemeinschaftseinrichtungen besuchen, ist eine Stuhldiagnostik in jedem Fall durchzuführen.1
Das RKI empfiehlt auch aus epidemiologischen Gründen generell den Nachweis von EHEC bei Verdacht.1
EIEC
Stuhlprobe indiziert bei typischem klinischem Bild nach Aufenthalt in einem endemischen Gebiet
EPEC
Stuhlprobe indiziert bei Kindern unter 2 Jahren nach Einweisung ins Krankenhaus
ETEC
Die Erkrankung ist meist kurzfristig und selbstlimitierend, daher selten Indikation für eine Stuhlprobe.
Reiserückkehrer*innen (v. a. auf ETEC, EPEC; EIEC, EAEC)
Eine mikrobiologische Diagnostik sollte bei Reiserückkehrernckkehrer*innen in folgenden Konstellationen erfolgen:1
fieberhafte Diarrhö,
blutige Diarrhö,
Diarrhödauer länger als 5 Tage,
schwere klinische Verläufe (Exsikkose, Hypotonie, Tenesmen) oder
bei Gruppenerkrankungen/AusbruchssituationenAusbruchsituationen (dann aus epidemiologischen Gründen).
Indikationen zur Krankenhauseinweisung
Blutige Diarrhö bei Kindern mit reduziertem Allgemeinzustand erfordert die umgehende stationäre Einweisung zum Ausschluss eines HUS! .
je jünger das Kind, desto großzügiger die Indikation zur Einweisung
Dehydrierte PatientenPatient*innen, die schlecht auf eine Behandlung ansprechen, müssen ggf. ebenfalls stationär eingewiesen werden.
je jünger bzw. je älter und kränker eindie Patientbetroffene Person, desto größer die Gefahr von schwerwiegenden Verläufen
Erwachsene, ansonsten gesunde PatientenPatient*innen, zeigen meist einen selbstlimitierenden Verlauf (Ausnahme einige schwerer verlaufende EHEC-Ausbrüche mit erhöhtem Auftreten von HUS und erhöhter Letalität auch bei Erwachsenen, s. o.)
Checkliste zur Krankenhauseinweisung
E.-coli-Infektionen
Verdachtsdiagnose
Anamnese
Beginn und Dauer? Auslösende Ursache? Entwicklung?
Therapie bei Reiserückkehrernckkehrer*innen und E.-coli-Nachweis
In der Regel selbstlimitierend, daher ist eine supportive Therapie ausreichend.
ETEC sind ein häufiger Auslöser der erworbenen Reisediarrhö.1
ETEC-Infektionen sind in der Regel kurzverlaufend und selbstlimitierend und erfordern weder Diagnostik noch Therapie, abgesehen von symptomatischen Maßnahmen.
Therapie bei in Europa erworbenen E.-coli-Enteritiden
Eine Antibiotikatherapie hat keinen oder einen sehr eingeschränkten Nutzen bei einer E.-coli-Enteritis.
Mehrere Studien deuten im Gegenteil auf eine Verschlechterung der Symptome bei Antibiotikaeinsatz hin (vermehrte Toxinfreisetzung).
Bei EHEC-Infektionen und HUS sind Antibiotika aus diesem Grund in der Regel kontraindiziert.1,5-6,9
Leitlinie: Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple1
Symptomatische Therapie
Bei Verdacht auf eine infektiöse Gastroenteritis soll eine ausreichende Flüssigkeitssubstitution erfolgen.
Eine kurzdauernde symptomatische Therapie mit motilitätshemmenden Substanzen (z. B. Loperamid) kann bei unkompliziertem Krankheitsbild durchgeführt werden.
Eine symptomatische analgetische/spasmolytische Therapie kann gemäß des Stufenschemas der WHO mit Paracetamol, Metamizol, Opioiden sowie Butylscopolamin durchgeführt werden. Vermieden werden sollten Acetylsalicylsäure, nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAIDs) und Coxibe.
[Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlung]
Bei Erbrechen kann eine antiemetische Therapie erfolgen.
Eine generelle Empfehlung für den Einsatz von Probiotika zur Therapie der akuten infektiösen Enteritis von Erwachsenen kann derzeit nicht gegeben werden.
Bei der Erwägung einer Antibiotikatherapie gilt grundsätzlich, dass die meisten Fälle einer infektiösen Gastroenteritis selbstlimitierend sind und ausreichend mit Flüssigkeitsersatz und supportiven Maßnahmen behandelt werden können.
Bei Verdacht auf eine infektiöse Gastroenteritis sollte daher primär keine empirische antimikrobielle Therapie erfolgen.
[Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlung]
Die Indikation zur antibiotischen Behandlung einer EHEC-Infektion sollte zurückhaltend gestellt werden,
da der Krankheitsverlauf nicht günstig beeinflusst wird und
unklar ist, ob eine Antibiotikatherapie mit einer verlängerten Symptomdauer
möglicherweise einer verlängerten EHEC-Ausscheidung und
einem vermehrten Auftreten eines HUS einhergeht.
Wenn dennoch therapiert werden muss, sollte als Mittel der 1. Wahl bei gegebener Therapieindikation ein Carbapenem (Beta-Laktam-Antibiotikum) eingesetzt werden.
[Konsensusstärke: Konsens, Empfehlung]
Leitlinie: Hämolytisch-urämisches Syndrom im Kindesalter69
Spezifische Therapie HUS durch EHEC (STEC-HUS)
Antibiotika
Bei einem manifesten STEC-HUS ist eine EHEC-gerichtete, antibiotische Therapie nicht indiziert.
Insbesondere bei Verwendung von Antibiotika aus Gruppe der DNA-Synthese Inhibitoren wird möglicherweise die Toxinfreisetzung verstärkt.
Eine antibiotische Therapie mit Beta-Laktam-Antibiotika sollte nur bei kritischem Allgemeinzustand oder Verdacht auf systemische Infektion erwogen werden.
Eine spezifische Therapie steht bislang nicht zur Verfügung.
Für den Einsatz von Immunglobulinen, Plasmainfusionen (FFP), Plasmapherese und und dem monoklonalen Antikörper Eculizumab konnte in prospektiven, kontrollierten Studien bislang kein Nutzen nachgewiesen werden.
EHEC-Infektionen werden inUnterbrechung der Regel durch Lebensmittel übertragenÜbertragungswege (meist RindfleischLebensmittel, GemüseTierkontakt, nichtpasteurisierte Milch und WasserMensch-zu-Mensch); die Ansteckung kann aber auch direkt von Person zu Person oder beim direkten Kontakt mit Tieren erfolgen.
Besonderes Augenmerk sollte auf Maßnahmen zur Vermeidung von EHEC-Infektionen durch Tierkontakt in Streichelzoos und auf Bauernhöfen gelegt werden.
Folgende vorbeugende Maßnahmen schützen gegen die Ansteckung:
Gehacktes (Hamburger, Hackbraten u. Ä.) sollte gut durchgebraten werden.
Andere Fleischprodukte sollten an der Oberfläche gut gebraten werden.
Nichtpasteurisierte Milch/Rohmilch oder Milchprodukte sollten vermieden werden.
Essen sollte im Kühlschrank (+ 4 °C) aufbewahrt werden.
Nach dem Toilettenbesuch, nach dem Kontakt mit Tieren sowie vor dem Zubereiten von Essen Hände gründlich waschen.
Messer, Schneidebretter und Küchenausrüstung, die in Kontakt mit Rohwaren gekommen sind, sollten vor der Nutzung für andere Lebensmittel gewaschen werden.
Bei schlechten hygienischen Verhältnissen
Maßnahmen wie oben beschrieben
Dazu insbesondere:
Ungekochtes Gemüse vermeiden.
Eiscreme vermeiden.
Obst, das nicht geschält werden kann, vermeiden.
„Cook it, peel it or forget it!“
Impfungen vor Reisen
Eine Impfung gegen die Vielzahl der Erreger von Reisediarrhö ist nicht verfügbar und auch nicht in Kürze zu erwarten. Der Cholera-Impfstoff (Dukoral®) weist eine Kreuzreaktivität gegen ETEC auf. Der Einsatz kann für gezielte Risikogruppen (CED-PatientenPatient*innen, PatientenPersonen mit eingeschränkter oder reduzierter Magensäuresekretion) erwogen werden.1
Cave: off label! Dieser Impfstoff ist für die Prophylaxe der ETEC-Reisediarrhö in Deutschland nicht zugelassen (aber in der Schweiz).
EHEC: In Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen (inkl. Kindergärten etc.)5
Gemäß § 34 Abs. 1 des IfSG dürfen Personen, die an EHEC erkrankt oder dessen verdächtig sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist.
In Gemeinschaftseinrichtungen Betreute, die an EHEC erkrankt oder dessen verdächtig sind, dürfen
die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und betreten.
an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen.
Diese Vorschriften gelten auch für Personen, in deren Wohngemeinschaft nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung oder ein Verdacht auf EHEC aufgetreten ist. Auch Ausscheider*innen von EHEC dürfen nach § 34 Abs. 2 IfSG Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen.
Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen nach klinischer Genesung ist im Regelfall möglich, wenn bei 3 im Abstand von 1–2 Tagen untersuchten Stuhlproben negative Befunde vorliegen.
Ein schriftliches Attest ist erforderlich.
Diese Empfehlung zur Wiederzulassung gilt auch für Ausscheider*innen mit negativen Stuhlproben, da anschließend eine Weiterverbreitung der Infektion im Allgemeinen nicht zu befürchten ist.
Ausnahmen sind mit Zustimmung des Gesundheitsamtes und unter Beachtung der gegenüber der Gemeinschaftseinrichtung verfügten Schutzmaßnahmen möglich.
Bei Langzeitausscheidern sollte das Virulenzprofil des EHEC-Stammes (einschließlich Serotyp, Toxintyp und Vorhandensein des eae-Gens) in die Risikoabwägung einbezogen werden.
EHEC: In Lebensmittelbetrieben und Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung5
Gemäß § 42 IfSG dürfen Personen, die an einer infektiösen Gastroenteritis erkrankt oder dessen verdächtig sind, sowie Personen, die EHEC ausscheiden, beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen der in Abs. 2 aufgelisteten Lebensmittel (s. u.) nicht tätig sein oder beschäftigt werden, wenn sie dabei mit diesen in Berührung kommen. Dies gilt auch für Beschäftigte in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung.
Sprossen und Keimlinge zum Rohverzehr sowie Samen zur Herstellung von Sprossen und Keimlingen zum Rohverzehr
Fleisch, Geflügelfleisch und Erzeugnisse daraus
Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis
Fische, Krebse oder Weichtiere und Erzeugnisse daraus
Eiprodukte
Säuglings- und Kleinkindernahrung
Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse
Backwaren mit nicht durchgebackener oder durcherhitzter Füllung oder Auflage
Feinkost-, Rohkost- und Kartoffelsalate, Marinaden, Mayonnaisen, andere emulgierte Soßen, Nahrungshefen.
Meldepflicht
NamentlicheDem MeldepflichtGesundheitsamt wird gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an dem enteropathischen hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) sowie
Gemäß § 7 Abs. 1 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von EHEC, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet.1,5
Des Weiteren ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 IfSG der Verdacht auf und die Erkrankung an einer akuten infektiösen Gastroenteritis meldepflichtig,5
wenn die betroffene Person Umgang mit Lebensmitteln hat oder in Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung (z. B. Küchen, Gaststätten) beschäftigt ist oder
wenn zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei nachgewiesenerdenen Infektionein mit EHECepidemischer sowieZusammenhang sonstigenwahrscheinlich darmpathogenenist Eoder vermutet wird.
Die coliMeldungen müssen dem Gesundheitsamt spätestens 24 Stunden nach erlangter Kenntnis vorliegen.15
Verlauf, Komplikationen und PrognoseKomplikationen
Verlauf
Normalerweise selbstlimitierende Erkrankungen mit einer Dauer von 2–4 Tagen bis zu 14 Tagen
Dehydratation v. a. bei sehr jungen und sehr alten Betroffenen
Eine Studie zeigte, dass eine EHEC-Infektion (ohne HUS) mit dem vermehrten Vorkommen von Hypertonie (OR 1,3) und kardiovaskulärer Erkrankungen (OR 2,1) assoziiert sein kann (II).811
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten: Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple. AWMF-Leitlinie Nr. 021-024. S2k, Stand 2015. www.awmf.org
Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie (GPN). Hämolytisch-Urämisches Syndrom im Kindesalter. AWMF-Leitlinie Nr. 166-002. S2k, Stand 20162022. www.awmf.org
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten:. Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple, AWMF-Leitlinie Nr. 021-024, S2k, Stand 2015 (abgelaufen). www.awmf.org
Robert Koch-Institut (RKI). Enterohämorrhagische E. coli (EHEC, STEC, VTEC)/Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS). Stand 2017. www.rki.de
Robert Koch-Institut: Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten füfür 20172020. www.rki.de
Robert Koch-Institut. Abschließende Darstellung und Bewertung der epidemiologischen Erkenntnisse im EHEC O104:H4 Ausbruch Deutschland 2011. Berlin, Robert Koch Institut 2011. edoc.rki.de
Robert Koch-Institut. RKI-Ratgeber für Ärzte: EHEC-Erkrankung, Stand 2015. www.rki.de
Ehrenpreis ED. Foodborn E. coli Infection. BMJ Best PRactice, last updated Aug 11, 2021. bestpractice.bmj.com
Pakbin B, Brück WM, Rossen JWA. Virulence Factors of Enteric Pathogenic Escherichia coli: A Review. Int J Mol Sci. 2021 Sep 14;22(18):9922. www.ncbi.nlm.nih.gov
Robert Koch-Institut. RKI-Ratgeber EHEC-Erkrankungen, letzte Aktualisierung 11/2019. www.rki.de
Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie (GPN). Hämolytisch-Urämisches Syndrom im Kindesalter. AWMF-Leitlinie Nr. 166-002. S2k. Stand 20162022. www.awmf.org
Bundesinstitut für Risikobewertung. EHEC - Enterohämorrhagische Escherichia coli. Stand 2019. www.bfr.bund.de
Clark WF, Sontrop JM, Macnab JJ, et al. Long term risk of hypertension, renal impairment, and cardiovascular disease after gastroenteritis from drinking water contaminated with Escherichia coli O157:H7: a prospective cohort study. BMJ 2010; 341: c6020. www.bmj.com
AutorenAutor*innen
Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
Caroline Beier, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg
IngardDie Løgeursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, spesialist allmennmedisin, universitetslektor, institutt for sammfunsmedisinske fag, NTNU, redaktør NEL
Definition:Enteritis aufgrund einer Infektion mit enteropathogenen E.-coli-Bakterien: EHEC, EIEC, EPEC, ETEC, EAEC. In Europa ist vor allem EHEC relevant. Andere E. coli kommen eher bei EinwohnernEinwohner*innen in Ländern mit schlechteren Hygienestandards und bei Reisenden vor.