Die Inzidenz ist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr am höchsten.2
Bei 30–40 % der Patient*innen mit Analabszessen entwickelt sich eine Fistel.3
Ätiologie und Pathogenese
Anorektaler Abszess
Der Analabszess entsteht vorwiegend aus einer akuten Entzündung der Proktodealdrüsen.
Die Proktodealdrüsen liegen auf Höhe der Linea dentata zwischen dem inneren und äußeren Schließmuskel und haben kleine Drüsengänge, die in den Analkanal münden.1
Das Erregerspektrum besteht i. d. R. aus einer Mischflora von Darm- und Hautkeimen.2
Der überwiegende Teil der Abszesse liegt oberflächlich.
Analfisteln
Analfisteln entstehen beinahe immer aus einem vorhandenen Analabszess.
Durch die Ausbreitung der Infektion bestimmt sich der spätere Fistelverlauf, deren Einteilung entsprechend ihrer anatomischen Lage in Beziehung zum Sphinkter erfolgt.
Supralevatorische (proximaler im kleinen Becken gelegene) Abszesse: eher dumpfe Schmerzen im kleinen Becken, Rückenschmerzen, Fieber, Krankheitsgefühl2
Anorektalfistel
Schmerzen und Sekretabsonderung aus der Fistelöffnung4
Klinische Untersuchung
Abszesse
perianale Rötung, Überwärmung und Schwellung, oft deutlich fluktuierend
Bei den seltenen pelvirektalen oder tiefen ischiorektalen Abszesse können diese typischen Zeichen fehlen.
Analfisteln
Die äußere Hautöffnung ist u. U. sichtbar.
Das innere Ostium kann meist rektoskopisch gut dargestellt werden.
Beim Abszess meist sehr starke Schmerzen
Bei eindeutiger Klinik und OP-Indikation kann auf die digital-rektale Untersuchung verzichtet werden und diese dann in Anästhesie im Rahmen des Eingriffs erfolgen.2
Mit Nachweis eines äußeren Fistelostiums bzw. Abszesses ist die Operationsindikation gegeben.
dann keine weiteren Untersuchungen erforderlich, v. a. bei Ersteingriffen5
Diagnostik bei Spezialist*innen
Rektoskopie bei V. a. Analfistel
Das innere Ostium kann meist rektoskopisch gut dargestellt werden. Die Rektoskopie sollte erst in Anästhesie erfolgen, um den Patient*innen Schmerzen zu ersparen.
Bei supralevatorischen und Rezidivabszessen2 sowie bei komplexen Rezidivfisteln4
Endosonografie: wegen Schmerzhaftigkeit meist nur in Anästhesie möglich
MRT
Ileokoloskopie bei Verdacht auf eine chronisch entzündliche Darmerkrankung
Indkationen zur Klinikeinweisung/Überweisung
Bei Abszess immer Einweisung in die Chirurgie zur zeitnahen Operation
Bei Fistel ohne akuten Abszess Überweisung zu Chirurg*in bzw. Proktolog*in zur elektiven OP-Planung
Checkliste zur Überweisung
Analabszess, Analfistel
Zweck der Überweisung
Bestätigende Diagnostik? Therapie? Operation?
Anamnese
Wann haben die Beschwerden begonnen? Entwicklung, rezidivierend?
Schmerzen: Lokalisation, Intensität, Relation zur Defäkation? Nässende Fistel: Sekretaustritt?
Andere relevante Krankheiten? Regelmäßige Medikamente?
Ein Fortschreiten der Entzündung mit potenziell lebensbedrohlichen Komplikationen verhindern.
Sanierung/Abheilung der Fisteln erreichen.
Schließmuskelfunktion erhalten.
Rezidiv verhindern.
Allgemeines zur Therapie
Abszess
Nofallmäßige Inzision und Drainage in Allgemein- oder Regionalsanästhesie zur Verhinderung von Komplikationen
Auch spontan perforierte Abszesse sollten operativ versorgt werden, um eine ausreichende Drainage zu gewährleisten.2
Analfistel
Konservative Behandlungsversuche, z. B. Fistelspülungen, zeigen nur in geringem Prozentsatz Heilungserfolge, sodass eine Analfistel eine OP-Indikation darstellt.
Ziel der operativen Versorgung
Abheilung der Fistel
möglichst geringe Rezidivrate
bestmögliche Erhaltung der Schließmuskelfunktion
Eine digitalrektale Untersuchung und Rektoskopie erfolgen i. R. des Eingriffs unter Anästhesie zur Lokalisation des Fistelostiums und Untersuchung auf Vorliegen einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung.1
Bei einer akuten Entzündung bzw. bei Vorliegen eines Abszesses kann zunächst eine Fadendrainage durchgeführt werden und in einem Zweiteingriff die endgültige Fistelsanierung.
Plastischer Fistelverschluss
Exzision der Fistel und Verschluss des inneren Fistelostiums mit Verschiebelappen
v. a. bei hohen Analfisteln
bessere Ergebnisse bzgl. der Inkontinenzraten
Fistelexzision mit direkter Rekonstruktion des Sphinkterapparates durch Naht
bessere Erfolgsraten bezüglich der Inkontinenz
LIFT-Verfahren (Ligation of the Intersphincteric Fistula Tract)
bei hohen Analfisteln
Neuere Verfahren mit Intention der Schonung des Schließmuskels
Fibrinkleber
Kollageninjektion
Injektion von autologen Stammzellen
Analfistelplug (Okklusion mit Fremdmaterial)
Laserverfahren
OTSC (Over The Scope Clip)
Es existieren weitere bisher noch nicht etablierte Verfahren, deren Wertigkeit noch abzuwarten ist, z. B.:
Die Injektion von Eigenfett (vom Bauch der Patient*innen) in die Fistel.5
In einer Studie konnten 21 von 27 Patientinnen mit anovaginalen Fisteln (77 %) mithilfe dieser Behandlung geheilt werden.6
Medikamentöse Therapie
Eine ergänzende Therapie mit Antibiotika bleibt Ausnahmefällen vorbehalten (z. B. pararektale Ausdehnung, Immunsupression oder septische Begleitreaktionen).2,4
Postoperatives Management
Sekundäre Wundheilung durch Granulation der Wunde vom Wundgrund her
Die äußere Drainageöffnung sollte nicht vorzeitig verkleben.
regelmäßiges Austasten der Wunde
regelmäßiges Ausspülen der Wunde mit Leitungswasser2
Trockener Verband, keine wiederholte Tamponade
Stuhlregulierung mit Ballaststoffen, ausreichend Flüssigkeit, evtl. Stuhlweichmacher
z. B. indische Flohsamenschalen: Mukofalk 2 x tgl. 1 Beutel in reichlich Wasser gelöst
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Bei zeitnaher Abszesseröffnung und ausreichender Drainage gute Prognose
Sekundäre Wundheilung meist problemlos
Durch Verletzung des Sphinkterapparats, v. a. bei wiederholten Eingriffen, kann es zu Stuhlschmieren und Sekretabgang bis hin zur Inkontinenz kommen.
Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie. Analabszess. AWMF-Leitlinie Nr. 088-005, Stand 2016. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie. Kryptoglanduläre Analfisteln. AWMF-Leitlinie Nr. 088-003, Stand 2016. www.awmf.org
Literatur
Schmidt WU, Hesterberg R: Proktologie. In: Becker H, Markus PM (Hrsg.): Allgemeinchirurgie - Common Trunk. 3. Auflage, Elsevier, München 2015. S.324-329.
Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie. Analabszess. AWMF-Leitlinie Nr. 088-005, Stand 2016. www.awmf.org
Leske D, Hoffmann J. Häufige Erkrankungen des Anorektums. Harrisons Innere Medizin. 19. Auflage 2016. Thieme-Verlag. S.2427
Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie. Kryptoglanduläre Analfisteln. AWMF-Leitlinie Nr. 088-003, Stand 2016. www.awmf.org
De Weerd L, Weum S, Norderval S. Novel treatment for recalcitrant rectovaginal fistulas: fat injection. Int Urogynecol J 2015; 26(1): 139-44. pmid:25199495 PubMed
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Mei Z, Wang Q, Zhang Y, Liu P, Ge M, Du P, Yang W, He Y. Risk Factors for Recurrence after anal fistula surgery: A meta-analysis. Int J Surg. 2019 Sep;69:153-164. www.sciencedirect.com
Autor*innen
Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Analabszesse sind die akute und Analfisteln die chronische Ausprägung desselben Leidens. Häufigkeit:Häufig, häufiger bei Männern. Symptome:Schmerzen und Schwellungen im Analbereich. Fisteln sondern Sekret ab.