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Nahrungsmittelallergie und Nahrungsmittelunverträglichkeit

Zusammenfassung

  • Definition:Bei einer Nahrungsmittelallergie kommt es zu einer unerwünschten Immunreaktion. Bei Unverträglichkeiten ist das Immunsystem nicht beteiligt, sondern es liegen beispielsweise Kohlenhydratverwertungsstörungen vor.
  • Häufigkeit:Prävalenz der Nahrungsmittelallergie von 4,2 % bei Kindern und 3,7 % bei Erwachsenen.
  • Symptome:Bei Allergie Reaktionen am ganzen Körper, oft kutan (Urtikaria, Flush), möglich. Bei Unverträglichkeit rein gastrointestinale Symptome.
  • Befunde:Es kommt selten zu klinisch relevanten Befunden. Atopie-Zeichen können vorliegen (z. B. Hertoghe-Zeichen). Bei Kindern ggf. Gedeihstörungen.
  • Diagnostik:Anamnese und Ernährungs- und Symptomtagebuch zur Identifikation der auslösenden Nahrungsmittel. Bei Allergie Nachweis der Sensibilisierung mittels spezifischer IgE-Bestimmung oder Prick-Test der Haut möglich.
  • Therapie:Vermeidung der symptomverursachenden Nahrungsmittel. Aufgrund der natürlichen Toleranzentwicklung bei Kindern jedoch alle 2 Jahre Reevaluation der diätetischen Maßnahmen.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Nahrungsmittelallergien: IgE- oder zellulär vermittelte Allergien1
    • primäre Allergie: infolge gast­rointestinaler Sensibilisierungen auf vorwiegend stabile Nahrungsmittelallergene (Glyko­-/Lipoproteine)2
    • sekundäre Allergie: infolge einer Sensibilisierung gegenüber Aeroallergenen (z. B. Pollen­allergenen) mit anschließenden Reakti­onen („Kreuzallergien“) auf struktur­verwandte, häufig instabile Allergene in (pflanzlichen) Lebensmitteln2
    • Die Symptome sind vielgestaltig und betreffen verschiedene Organsysteme (vor allem Haut und oropharyngeale Schleimhaut, Magen-Darm-Trakt, Atemwege, Herz-Kreislauf-System).2
  • Nahrungsmittelunverträglichkeit: nicht-immunmediiert mit reinen Magen-Darm-Symptomen3

Häufigkeit

  • Prävalenz der Nahrungsmittelallergie in Deutschland2
    • Häufigkeit von 4,2 % bei Kindern und 3,7 % bei Erwachsenen
    • Lebenszeitprävalenz von 6,4 % bei Frauen und 2,9 % bei Männern
  • Häufigste Auslöser nahrungsmittelinduzierter Anaphylaxien2
    • Kinder (Platz 1–3): Erdnuss, Kuhmilch, Hühnerei
    • Erwachsene (Platz 1–3): Weizen, Schalentiere, Haselnuss

Ätiologie und Pathogenese

  • Unterscheidung zwischen immunmediierten (= Allergien) und nicht-immunmediierten (= Unverträglichkeit) Mechanismen1
    • immunmediiert (Allergie)
      • IgE-mediiert
      • zellulär mediiert
      • Sonderfall Zöliakie: IgA spielt eine besondere Rolle bei einer Reaktion auf Gluten.
    • nicht-Immunmediiert (Unverträglichkeit)
      • Kohlenhydratverwertungsstörungen
      • enzymatisch bedingt
      • toxisch
      • idiopathisch
  • Pseudoallergische Reaktionen auf Nahrungsmittelzusatzstoffe3
    • Das klinische Bild ähnelt dem allergischen Bild.
    • Auslöser der Degranulierung der Mastzellen im Immunsystem sind Zusatzstoffe wie z. B. Benzoesäure in Konservierungsstoffen, Salicylate in Aspirin, Äpfeln und Aprikosen oder Lecithin in Emulgatoren.

Prädisponierende Faktoren

  • Atopische Prädisposition
    • Die meisten Patient*innen mit einer Nahrungsmittelallergie haben eine atopische Prädisposition (z. B. Pollenallergie). Aber nur 10 % der Patient*innen mit Atopie haben eine Nahrungsmittelallergie.4
  • Weibliches Geschlecht2
  • Wohnort in Nord-West-Europa2
    • deutlich niedrigere Prävalenz in Südeuropa

ICPC-2

  • A92 Allergie/allergische Reaktion NNB
  • D99 Erkrankung Verdauungsyst., andere

ICD-10

  • T78.0 Anaphylaktischer Schock durch Nahrungsmittelunverträglichkeit
  • T78.1 Sonstige Nahrungsmittelunverträglichkeit, anderenorts nicht klassifiziert

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Nahrungsmittelallergie2
    • Klare und reproduzierbare Assoziation der Beschwerden zur Aufnahme definierter Nahrungsmittel und eine Besserung der Symptome bei Karenz
    • Im Erwachsenenalter erfolgt der Sensibilisierungsnachweis häufig mit Hauttests, im Kindesalter bevorzugt mithilfe der spezifischen IgE-Bestimmung. 
  • Nahrungsmittelunverträglichkeit1
    • Die Diagnostik erfolgt primär klinisch mithilfe eines Ernährungs- und Symptomtagebuches und Provokationstestungen.
    • Klinische Beschwerden verlaufen mengenabhängig und werden durch kofaktorielle Einflüsse modifiziert.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Leitlinie: IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien, Management2

  • Die strukturierte Anamnese soll Auslöser, den Zeitverlauf, Symptome, Schweregrad, Reproduzierbarkeit, Risiko- und Augmentationsfaktoren, die Familienanamnese, Begleiterkrankungen und andere allergische Erkrankungen berücksichtigen.
  • Bei chronischen Symptomen kann ein Ernährungs- und Symptomprotokoll geführt werden.

Symptome

  • Die klinische Symptomatik erlaubt oft eine Abschätzung des zugrunde liegenden Pathomechanismus.1
  • Wahrscheinlich IgE-vermittelte Reaktion (= Allergie)
    • mindestens 1 der folgenden Symptome innerhalb ≤ 2 Stunden:
      • Hautsymptome: Hautausschlag, Urtikaria, Pruritus, Flush
      • Angioödem
      • Rhinitis oder Rhinokonjunktivitis
      • Bronchospasmus (Brustenge, Kurzatmigkeit, Giemen, Husten, Zyanose)
      • hämodynamische Instabilität (Präsynkope, Synkope, Arrhythmie, Krampfanfälle, Herzstillstand)
      • orales Allergiesyndrom: Pruritus im Mund- und Rachenraum.
  • Wahrscheinlich nicht IgE-vermittelte Reaktion (= Unverträglichkeit)
    • isolierte Magen-Darm-Symptome
      • Bauchschmerzen
      • Übelkeit
      • Erbrechen
      • Durchfall
      • Blähungen
      • Refluxsymptome
  • Keine Unverträglichkeit
    • kein zeitlicher Zusammenhang zwischen Symptomen und Nahrungsmittelaufnahme
    • nachträgliche Exposition gegenüber dem gleichen Lebensmittel ohne Reaktion
    • Symptome, die nicht auf eine immunvermittelte Reaktion hinweisen (z. B. Kopfschmerzen, Obstipation, Hypertonie, verschwommenes Sehen).

Ernährungs- und Symptomtagebuch2

  • Vor allem bei chronischen Beschwerden sind Aufzeichnungen der Patient*innen bzw. der Eltern über 2–3 Wochen mithilfe eines Ernährungs- und Symptomtagebuchs hilfreich.
  • Ein solches Tagebuch berücksichtigt die Aufnahme von Speisen, Getränken, aber auch Süßigkeiten, Kaugummis etc. sowie in zeitlichem Zusammenhang auftretende Beschwerden.
  • Im Tagebuch sollte auch der Medi­kamentenverbrauch aufgezeichnet werden.

Eliminationsdiät2

  • Kontrollierte Vermeidung von Nahrungsmitteln für einen bestimmten Zeit­raum.
    • 1 bis max. 2 Wochen
    • Längerfristige Eliminati­on kann bei IgE­-vermittelter Nahrungsmittelaller­gie, wenn zuvor nur Spätsymptome bestan­den haben, das Risiko für das Auftreten von Sofortreaktionen bei Wiedereinführung er­höhen.
    • Für nicht­-IgE­-vermit­telte Reaktionen können längere Zeiträume (4–6 Wochen) erforderlich sein.
  • Die detaillierte (vollständige) Dokumen­tation anhand eines Ernährungs- und Symp­tomtagebuchs über die Zeit der Elimination ermöglicht die Überprüfung im Hinblick auf Diätfehler.
  • Im Anschluss an die diagnostische Elimi­nationsdiät sollte bei Ausbleiben der Symptomatik oder deutlicher Besserung eine Nah­rungsmittelprovokation unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.

Klinische Untersuchung

  • Selten klinisch relevante Befunde
  • Anzeichen für akute allergische Reaktionen, z. B. Urtikaria, Angioödem und Pruritus
  • Klinische Hinweise auf Atopie, u. a.:
    • periorbitale Pigmentierung
    • doppelte Unterlidfalte (Dennie-Morgan-Zeichen)
    • Ausdünnung der lateralen Augenbraue (Hertoghe-Zeichen)
    • Xerosis cutis (Neurodermitis)
    • weißer Dermografismus
  • Bei Kindern auf Gedeihstörungen (Abweichung von Perzentilenkurve) achten.

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

IgE-Messungen

  • Bei begründetem Verdacht oder zum ge­zielten Ausschluss einer Nahrungsmittelallergie spezifische IgE-Bestimmung2
    • Cave: Der Nachweis einer Sensibilisierung mittels spezifischer IgE-Bestimmung oder Haut-Prick-Test beweist nicht die klinische Relevanz des getesteten Nahrungsmittels und soll allein nicht zu einer therapeutischen Elimination führen.
    • Der fehlende Nachweis einer Sensibilisierung (negatives spezifisches IgE/Haut-Prick-Test) schließt eine klinisch relevante IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie häufig, aber nicht sicher aus.
  • Gesamt-IgE sollte als Interpretationshilfe bestimmt werden.2

Andere Laboruntersuchungen

  • Wird eine andere immunologische Reaktion vermutet:

Diagnostik bei Spezialist*innen

Hauttest

  • Das bevorzugte Hauttestverfahren zur Diagnostik einer IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie ist der Haut-Prick-Test.2
  • Ein einzelner Test (IgE­-Test oder Haut­test) kann ausreichen, um die Sensibilisierung gegen ein Nahrungsmittel zu prüfen.2
    • Häufig werden mehrere Tests zum Sensibi­lisierungsnachweis eingesetzt.
    • Ihre Ergebnisse stimmen qualitativ nicht immer überein; in dem Fall ist das positive Ergeb­nis eher richtig als das (falsch­-)negative.

Doppeltblinde Nahrungsmittelprovokationen

  • Die orale Nahrungsmittelprovokation (besonders die doppelblind placebokontrolliert durchgeführte) ist der Goldstandard in der Diagnostik IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien.2
  • Die Provokationen sollen in spezialisierten Einrichtungen durchgeführt werden, in denen Notfallmaßnahmen unmittelbar verfügbar sind.2

Endoskopie

H2-Atemtest

  • Bei Verdacht auf Unverträglichkeit von Kohlenhydraten, u. a. Sorbit, Laktose oder Fruktose

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf nicht-IgE-vermittelte gastrointestinale Unverträglichkeitsreaktionen sollten (pädiatrische) Gastroenterolog*innen in die Diagnostik einbezogen werden.2
  • Ein Prick-Test sollte in einer allergologisch erfahrenen Praxis mit sofort verfügbaren Notfallmedikamenten erfolgen; Gleiches gilt für orale Provokationstestungen.

Therapie

Therapieziele

  • Symptomfreiheit erreichen und gleichzeitig Mangelernährung verhindern.1

Allgemeines zur Therapie

  • Die Therapie der Nahrungsmittelallergie beruht auf:2
    • kurzfristiger Behandlung akuter Reakti­onen und
    • langfristigen Strategien, um das Risiko weiterer Reaktionen zu vermindern.
  • Ungeachtet der zugrunde liegenden Pathomechanismen ist eine Vermeidung des symptomverursachenden Nahrungsmittels nach erfolgter Sicherung der Diagnose eine wichtige therapeutische Säule.1
    • Führt allerdings nicht in jedem Fall zu Symptomfreiheit und sollte sehr gezielt gehandhabt werden, um Mangelernährungen vorzubeugen.
    • Durch natürliche Toleranzentwicklung bei kindlichen Nahrungsmittelallergien sind Karenzmaßnahmen jedes 2. Jahr zu überprüfen.

Akuttherapie

S2k-Leitlinie: Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien – Akuttherapie2

  • Patient*innen mit Risiko für eine Anaphylaxie sollen Notfallmedikamente zur Selbstanwendung, einschließlich eines Adrenalinautoinjektors, erhalten.
  • Schwere allergische Reaktionen auf Nahrungsmittel sollen primär mit intramuskulär appliziertem Adrenalin behandelt werden.
    • Dosierung: bei Erwachsenen 300–600 µg, bei Kindern 10 µg/kg KG5
  • Bei akuten kutanen Symptomen, besonders bei urtikariellen Reaktionen und Schleimhautreaktionen, sollen Antihistaminika eingesetzt werden.
    • Beispiel: Dimetinden i. v. 0,1 mg/kg KG6
  • Die prophylaktische Einnahme von Antihistaminika zur Vorbeugung nahrungsmittelallergischer Reaktionen kann nicht empfohlen werden.
  • Weitere wesentliche Punkte bei der Akuttherapie einer anaphylaktischen Reaktion umfassen u. a.:6
    • Volumengabe
      • bei Kindern initiale Gabe von 20 ml/kg KG balancierte Vollelektrolytlösung
    • Sauerstoff
      • Gabe von 100 % Sauerstoff mit hohem Fluss
      • bei Larynxödem oder Bronchospasmus zusätzlich Inhalation mit Adrenalin und Beta-Adrenozeptoragonisten
    • Glukokortikoide
      • Nachrangig!
      • Bei langer Ansprechzeit und unklarer Evidenz sollte die Therapie mit Glukokortikoiden nur nach Stabilisierung der Vitalfunktionen und lebensrettenden Sofortmaßnahmen wie Sauerstoffapplikation, intramuskulärer Adrenalingabe oder Volumensubstitution erfolgen.
        • bei Kleinkindern oral als Saft oder rektal mit empfohlener Dosis von 2 mg/kg KG Prednisolon

Langzeittherapie

Ernährungstherapie

S2k-Leitlinie: Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien2

Eliminationsdiät

  • Eine angemessene Eliminationsdiät wird als tragende Säule des Managements einer Nahrungsmittelallergie empfohlen.
  • Eine Eliminationsdiät sollte auf einer fundierten Allergiediagnostik basieren. Umfang und Indikation sollten regelmäßig reevaluiert werden.
  • Personen mit Nahrungsmittelallergie, die langfristig eine Eliminationsdiät durchführen, sollten durch eine allergologisch ausgewiesene Ernährungsfachkraft beraten werden.
  • Patient*innen sollten über die Allergenkennzeichnung und bestehende Lücken aufgeklärt werden.

Spezialfall Kuhmilchallergie

  • Bei einer bestehenden Kuhmilchallergie insbesondere im Säuglingsalter und ggf. Kleinkindesalter sollen Extensivhydrolysate oder alternativ Aminosäurenformula empfohlen werden.
  • Bei einer bestehenden Kuhmilchallergie sind Säuglingsnahrungen auf Sojabasis Kuhmilchersatzprodukte der 2. Wahl und sollten für Säuglinge unter 12 Monaten nicht empfohlen werden.
    • Sojahaltige Lebensmittel, die darüber hinaus als Milchersatz verwendet werden, sind von dieser Einschränkung nicht betroffen.

Immunologische Therapie

S2k-Leitlinie: Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien2

Primäre Nahrungsmittelallergie

  • Bei Kindern zwischen 4 und 17 Jahren mit bestätigter Diagnose einer systemischen Erdnussallergie sollte unter Berücksichtigung einer individuellen Nutzen-Risiko-Bewertung eine orale Immuntherapie mit einem zugelassenen Präparat angeboten werden.

Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie

  • Eine pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie kann unter einer subkutanen oder sublingualen Immuntherapie mit Pollenallergenen eine Besserung erfahren.
    • Eine solche Behandlung kann nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn gleichzeitig die Indikation zur Behandlung pollenbedingter Atemwegsbeschwerden besteht.
  • Bei der pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie sollte die orale Immuntherapie mit Nahrungsmittelallergenquellen zurzeit nur im Rahmen von kontrollierten Studien eingesetzt werden.

Patientenschulung

S2k-Leitlinie: Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien2

  • Patient*innen, deren Angehörige und Betreuungspersonen sollen über die zu meidenden Lebensmittel informiert werden und praktische Hinweise zu Vermeidungsmaßnahmen, zum Erkennen und zum Selbstmanagement allergischer Reaktionen erhalten.
  • Patient*innen bzw. die für die medizinische Betreuung zuständigen Personen (z. B. Eltern) sollen in der Anwendung des Notfallsets inklusive Adrenalinautoinjektor praktisch instruiert werden.
  • Patient*innen sollten die Empfehlung erhalten, sich an eine geeignete Patientenorganisation zu wenden.
  • Patient*innen mit Anaphylaxie-Risiko sollten einen Anaphylaxie-Pass erhalten und sie bzw. deren Betreuungspersonen sollten an einer Patienten- bzw. Elternschulung teilnehmen.

Prävention

S2k-Leitlinie: Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien2

Die Empfehlungen lauten:

  • Diätetische Restriktionen (Meidung potenter Nahrungsmittelallergenquellen) während der Schwangerschaft oder Stillzeit sollen aus Gründen der Allergieprävention nicht erfolgen.
  • Für den Zeitraum der ersten 4–6 Monate soll nach Möglichkeit ausschließlich gestillt werden.
    • Auch mit Einführung von Beikost soll weitergestillt werden.
  • Ein Zufüttern von kuhmilchbasierter Formulanahrung in den ersten Lebenstagen sollte bei Stillwunsch der Mutter vermieden werden.
  • Wenn nicht oder nicht ausreichend gestillt werden kann, soll eine Säuglingsanfangsnahrung gegeben werden.
    • Für Risikokinder sollte geprüft werden, ob bis zur Einführung von Beikost eine Säuglingsanfangsnahrung mit in Studien zur Allergieprävention nachgewiesener Wirksamkeit verfügbar ist.
  • Da es keine Belege für eine allergiepräventive Wirkung von Soja, anderen Tiermilchen, wie Ziegen- (auch nicht als Basis von Säuglingsnahrungen), Schafs- oder Stutenmilch gibt, sollten diese ebenfalls nicht zum Zweck der Allergieprävention gegeben werden.
  • Abhängig von der Bereitschaft des Säuglings sollte mit der Fütterung von Beikost frühestens ab Beginn des 5. und spätestens ab Beginn des 7. Lebensmonats begonnen werden. 
    • Für einen präventiven Effekt einer diätetischen Restriktion durch Meidung potenter Nahrungsmittelallergenquellen im 1. Lebensjahr gibt es keine Belege. Sie sollte deshalb nicht erfolgen.
  • Zur Prävention der Hühnereiallergie sollte durcherhitztes (z. B. verbackenes oder hartgekochtes), aber nicht „rohes“ Hühnerei (auch kein Rührei) mit der Beikost eingeführt und regelmäßig gegeben werden.
  • Zur Prävention der Erdnussallergie kann bei Säuglingen mit atopischer Dermatitis (AD) in Familien mit regelmäßigem Erdnusskonsum im Zuge der Beikosteinführung erwogen werden, Erdnussprodukte in altersgerechter Form (z. B. Erdnussbutter) einzuführen und regelmäßig weiter zu geben.
    • Insbesondere bei Säuglingen mit moderater bis schwerer AD soll zunächst eine Erdnussallergie ausgeschlossen werden.
  • Präbiotika und/oder Probiotika sollen zu Zwecken der Allergieprävention weder den Schwangeren noch den Säuglingen verabreicht werden, auch nicht als Teil der Säuglingsnahrung.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die meisten Nahrungsmittelallergien nehmen folgenden Verlauf:2
    • Beginn im Säuglings­- und Kleinkindes­alter und Spontanremission teils bis zum Schulalter, teils im Jugendalter
    • Ein späterer Beginn einer primären Nah­rungsmittelallergie gegen Grundnahrungs­mittel, Schalenfrüchte, Hülsenfrüchte oder Saaten im Schulalter und im Erwachsenen­alter ist selten.
    • Lediglich bei einer Fischall­ergie ist ein Auftreten in jedem Lebensalter möglich.

Komplikationen

Prognose

  • Über die Hälfte der Kinder mit einer Ei-Allergie und ca. 90 % der Kinder mit einer Milchallergie zeigen nach dem 5. Lebensjahr keine allergische Reaktion mehr auf dieses Nahrungsmittel.7-8
  • Das Risiko einer bleibenden Allergie gegen Erdnüsse ist viel höher und lediglich 20 % der Kinder entwickeln eine Toleranz.9
  • Erwachsene Patient*innen mit einer Nahrungsmittelallergie werden meist ihr Leben lang allergisch reagieren.10

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • In der Regel kann den Betroffenen nur empfohlen werden, die Nahrungsmittel zu meiden, die zu einer Reaktion führen.
    • Ausnahme: bei Erdnussallergie im Kindesalter orale Immuntherapie möglich
  • Deshalb sollen Betroffene eine individuelle Ernährungsberatung erhalten.
    • So können auslösende Nahrungsmittel ausgeschlossen, die Ernährung aber dennoch ausgewogen, schmackhaft und sättigend gestaltet werden.

Patienteninformationen in Deximed

Checklisten/Ernährungstagebuch

Weitere Informationen

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien. AWMF-Leitlinie Nr. 061-031. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie e. V. Akuttherapie und Management der Anaphylaxie. AWMF-Leitlinie Nr. 061-025. S2k, Stand 2021. www.awmf.org

Literatur

  1. Zieglmayer UP, Hemmer W, Wieser S, et al. Nahrungsmittelunverträglichkeiten - eine diagnostische Herausforderung. Allergo Journal 2022; 31: 32-48. link.springer.com
  2. Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Leitlinie zum Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien. AWMF-Leitlinie Nr. 061-031, Stand 2021. www.awmf.org
  3. Dietger M. Fit und gesund von 1 bis Hundert. Berlin, Heidelberg: Springer, 2018. link.springer.com
  4. Dreskin SC. Genetics of food allergy. Curr Allergy Asthma Rep 2006; 6: 58-64. PubMed
  5. Ring J, Klimek L, Worm M. Adrenalin in der Akutbehandlung der Anaphylaxie. Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 528-34. www.aerzteblatt.de
  6. Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie e.V. (DGAKI). Akuttherapie und Management der Anaphylaxie. AWMF-Leitlinie Nr. 061-025. Stand 2021. www.awmf.org
  7. Host A, Halken S, Jacobson HP, Christensen AE, Herskind AM, Plesner K. Clinical course of cow's milk protein allergy/intolerance and atopic diseases in childhood. Pediatr Allergy Immunol 2002; (13 suppl 15): 23-8. www.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Ricci G, Patrizi A, Baldi E, Menna G, Tabanelli M, Masi M. Long-term follow-up of atopic dermatitis: retrospective analysis of related risk factors and association with concomitant allergic diseases. J Am Acad Dermatol 2006; 55: 765-71. PubMed
  9. Sampson MA, Muñoz-Furlong A, Sicherer SH. Risk-taking and coping strategies of adolescents and young adults with food allergy. J Allergy Clin Immunol 2006; 117: 1440-5. PubMed
  10. Kurowski K, Boxer RW. Food allergies: Detection and management. Am Fam Physician 2008; 77: 1678-86. PMID: 18619076. PubMed

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
T780; T781
matvareintoleranse; matvareallergi; Allergi; nahrungsmittelallergie und nahrungsmittelintoleranz; Nahrungsmittelallergie/-intoleranz
A92; D99
Nahrungsmittelintoleranz; Intoleranz; Milchallergie; Eiallergie; Nahrungsmittelunverträglichkeit; Anaphylaxie; Kreuzreaktion auf Birkenpollen; Kreuzallergie; Kuhmilchallergie; Kuhmilchunverträglichkeit; Fischallergie; Fischunverträglichkeit; Weizenallergie; Weizenunverträglichkeit; Nussallergie; Nussunverträglichkeit; Erdnussallergie; Erdnussunverträglichkeit; Schalentierallergie; Sachlentierunverträglichkeit; Sojaallergie; Sojaunverträglichkeit; Prick-Test; Eliminationsdiät; Akute Urtikaria; Neurodermitis; Orales Allergiesyndrom; OAS; Allergische eosinophile gastrointestinale Störung; Nahrungsmittelprovokation
Nahrungsmittelallergie und Nahrungsmittelunverträglichkeit
BBB MK 12.04.2022 revidiert und umgeschrieben. Check GO 29.1. DDD MK 21.12.2017, komplett überarbeitet
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Definition:Bei einer Nahrungsmittelallergie kommt es zu einer unerwünschten Immunreaktion. Bei Unverträglichkeiten ist das Immunsystem nicht beteiligt, sondern es liegen beispielsweise Kohlenhydratverwertungsstörungen vor.
Magen-Darm-Trakt
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