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Spontane Ösophagusperforation

Zusammenfassung

  • Definition:Spontane Ruptur des Ösophagus infolge heftigen Erbrechens.
  • Häufigkeit:Sehr selten.
  • Symptome:Die Anamnese ist typisch von vorhergehender Übelkeit mit starkem Erbrechen, gefolgt von heftigen Schmerzen im unteren Brustbereich und im Epigastrium geprägt.
  • Befunde:Starke Beeinträchtigung durch die Schmerzen, Abwehrspannung, Tachypnoe, Tachykardie, evtl. Hautemphysem.
  • Diagnostik:CT von Thorax und Abdomen.
  • Therapie: Sofortige ärztliche Behandlung und Intervention, Ösophagusstent und/oder Drainage.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Wird auch als spontane Ösophagusruptur oder Boerhaave-Syndrom bezeichnet.1
  • Selten, aber sehr schwerwiegend und mit hoher Letalität verbunden. Die Prognose hängt stark davon ab, wie früh die Behandlung einsetzt.
  • Gekennzeichnet durch eine vollständige transmurale Ruptur des Ösophagus infolge starken Erbrechens2
  • Erstbeschreibung durch Herman Boerhaave im Jahr 1724

Häufigkeit

  • Die Inzidenz ist sehr gering, iatrogene Ösophagusperforation viel häufiger.
  • Spontane Rupturen machen 16 % aller traumatischen Rupturen des Ösophagus aus und können in vielen verschiedenen Personengruppen auftreten.2-3
  • Sie treten bedeutend häufiger bei Männern (2:1)3 auf und sind in der Altersgruppe 50–70 am häufigsten, können aber Personen aller Altersgruppen betreffen.

Ätiologie und Pathogenese

  • Verursacht durch ein Barotrauma, normalerweise heftiges Erbrechen
  • Zugrunde liegende Ursache
  • Pathogenese
    • Die zugrunde liegende Ursache ist eine plötzliche Zunahme des intraluminalen Drucks durch unkoordiniertes Erbrechen mit Verschluss des Pylorus und Kontraktionen des Zwerchfells mit gleichzeitiger Kontraktion des Musculus cricopharyngeus.3
    • Die Perforation entsteht normalerweise an der schwächsten Stelle des Ösophagus. Die häufigste Lokalisation ist daher die linke posterolaterale Wand im unteren Drittel des Ösophagus, wie sie bei 90 % der Patienten zu beobachten ist.4

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • D80 Verletzung des Verdauungssystems

ICD-10

  • K22.3 Perforation des Ösophagus

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Das klinische Bild kann variieren, und in bestimmten Fällen fehlen die typischen unten angegebenen Befunde, was die Diagnose erschweren kann.5
  • Die Anamnese und die klinischen Befunde sollten den Verdacht auf eine Ösophagusperforation begründen. Die Bestätigung des Befundes erfolgt über CT.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Die Anamnese ist typisch von vorhergehender Übelkeit mit starkem Erbrechen geprägt, gefolgt von heftigen Schmerzen im unteren Brustbereich und im Epigastrium.
  • Die Schmerzen können in den Rücken oder in die linke Schulter ausstrahlen und sich beim Schlucken verstärken.
  • Im Unterschied zum Mallory-Weiss-Syndrom ist Hämatemesis kein typisches Symptom bei der Ösophagusruptur.
  • Durch pleuritische Brustschmerzen oder einen Pleuraerguss kann es zu Atemnot kommen.3
  • Mackler-Trias
    • Dabei handelt es sich um die klassische Symptomtrias aus Erbrechen, starken Schmerzen im unteren Brustraum und subkutanem Emphysem.2-3 Zu beachten ist aber, dass das letzte Symptom nur bei der Hälfte der Patienten auftritt und besonders typisch für Patienten ist, die erst spät zur Konsultation kommen.3

Klinische Untersuchung

  • Starke Beeinträchtigung durch Schmerzen
  • Tachypnoe
  • Rigidität des Abdomens
  • Möglicherweise subkutanes Emphysem
  • Atypische Befunde können eine periphere Zyanose, Heiserkeit aufgrund einer Rekurrensparese, Trachealverlagerung, Halsvenenstauung sowie Proptosis sein.3
  • Unspezifische Befunde können Tachykardie, Kaltschweißigkeit, Fieber und Hypotonie sein, insbesondere mit Fortschreiten der Erkrankung.
  • Ein knirschend-knackendes Geräusch („Hamman-Zeichen“) ist Ausdruck für ein Mediastinalemphysem und kann bei 20 % der Betroffenen vorliegen.3
  • Bei fortgeschrittener Erkrankung Symptome einer Sepsis und eines Multiorganversagens

Ergänzende Untersuchungen

  • Grundlegende Laborwerte
    • Sind häufig unspezifisch und können eine Erhöhung bestimmter Marker zeigen, z. B. eine Reduzierung der Leberfunktion (siehe evtl. Alkoholkonsum).
  • EKG
    • Soll frühzeitig erfolgen, um einen Herzinfarkt auszuschließen.

Diagnostik beim Spezialisten

  • CT Thorax/oberes Abdomen2
    • bei klinischem Verdacht, mit intravenösem und oralem Kontrastmittel
    • Darstellung der Größe und Lokalisation des Defekts
    • Nachweis von Luft, Flüssigkeit  und evtl. Mageninhalt im Mediastinum und in der Pleurahöhle sind typische Befunde bei klinisch signifikanter Perforation.
  • ÖGD, Endoskopie
    • Nach der CT nächster Schritt in der Diagnostik
    • Nachweis von Lokalisation und Größe der Perforation
    • Möglichkeit der therapeutischen Intervention
  • Röntgen-Thorax
    • Auch wenn eine CT zu bevorzugen ist, kann Röntgen auch wichtige Informationen liefern.
    • Bei bis zu 90 % der Betroffenen mit Ösophagusperforation liegen auffällige Befunde vor.2-3
    • Der häufigste Befund ist ein einseitiger Pleuraerguss, normalerweise linksseitig, was daran liegt, dass die meisten Rupturen auf der linken Seite des unteren Ösophagus auftreten.3
    • Weitere Befunde können Pneumothorax, Hydrothorax, Mediastinalemphysem, subkutanes Emphysem oder eine Erweiterung des Mediastinums sein.3
    • Ca. 10 % der Befunde sind falsch negativ.3
  • Ösophagusbreischluck
    • CT und danach Endoskopie sind vorzuziehen.
    • Schlucken eines Röntgenkontrastmittels (10-prozentige Verdünnung), bevorzugt wasserlöslich, kann zur Bestätigung der Diagnose beitragen.6
    • Die Methode wird zum Nachweis der exakten Lokalisation und der Ausdehnung der Ruptur eingesetzt.
    • Die Untersuchung hat eine Sensitivität von 90 % und eine Spezifität von 80 %, was bedeutet, dass es bei 20 % zu einem falsch negativen Ergebnis kommt.3

Indikationen zur Klinikeinweisung

  • Sofortige Einweisung bei Verdacht auf Ösophagusruptur

Therapie

Therapieziele

  • Den Austritt von Mageninhalt aus dem Ösophagus beenden und Drainage und Debridement der kontaminierten Bereiche in Pleura und Mediastinum.

Allgemeines zur Therapie

  • Die unmittelbaren medizinischen Maßnahmen bestehen in der Stabilisation der Patientin/des Patienten mit intravenöser Infusionsflüssigkeit, einer nasogastrischen Absaugung, Breitbandantibiotika und Schmerzlinderung.3
  • Eine konservative Behandlung bei Perforation im zervikalen Bereich des Ösophagus und bei begrenzter Perforation ohne Zeichen größeren Flüssigkeitsaustritts ist meist ausreichend.

Konservative Behandlung oder Operation?

  • Die Symptome treten leider erst verspätet auf, sodass sich auch der Befund verspätet.2
  • Klinische Befunde, die eine konservative Behandlung stützen, sind das Fehlen klinischer Anzeichen für eine Infektion, eine abgegrenzte Perforation in Mediastinum und Pleura visceralis ohne Penetration in andere Hohlräume und eine Perforation, bei der das Kontrastmittel in den Ösophagus zurückläuft.
  • Manche Fachleute sind der Meinung, dass die Wahl der Behandlung keinen Einfluss auf das Ergebnis hat, wenn die Behandlung nicht innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Perforation eingeleitet wird, und dass daher eine konservative Behandlung in Form Ösophagusstents und/oder Drainage gewählt werden kann.

Operative Therapie

Stenting

  • Endoskopische Anlage eines teilweise beschichteten Ösophagusstens (der beschichtete Teil bedeckt die Perforation und der unbeschichtete Teil wirkt einer Dislokation entgegen).
  • Gleichzeitig Magensonde legen, ggf. mit jejunalem Zugang für die Ernährung.
  • Bei begrenztem Flüssigkeitsaustritt aus der Perforation
    • Kann eine Ultraschall- oder CT-gesteuerte Drainage in Betracht gezogen werden, aber der Zugang ist oft schwer.
  • Bei größerem Flüssigkeitsaustritt und intrapleuraler Flüssigkeit
    • Basale Thoraxdrainage anlegen, zusätzlich apikale Drainage bei Pneumothorax.
  • Stenting ist bei Perforation im Corpus oesophagi am effektivsten, weil es kaum Lumenschwankungen im Stentverlauf gibt.
  • Bei Stenting einer Boerhave-Perforation kann es vorkommen, dass aufgrund eines erweiterten Lumens am Magenausgang Flüssigkeit am Stent vorbei fließen kann.

Chirurgie

  • Ösophagusperforationen sind selten und das Problem bei dem Versuch einer primären Naht/eines Verschlusses bei schwerem septischem Verlauf war eine geringer Erfolgsrate für einen dauerhaften Verschluss bzw. ein persistierender Flüssigkeitsaustritt.
  • Mögliche operative Techniken sind die Thorakostomie (Drainage mithilfe eines Thoraxdrainageschlauchs oder rein operative Drainage), primäre Naht, primäre Naht mit zusätzlicher Deckung (Pleura, Zwischenrippenmuskel, perikardiales Fett, Pleuragewebe), Diversion, möglicherweise mit Exklusion, Resektion des Ösophagus, thorakoskopische Naht.7
  • Mögliche Komplikationen bei operativen Eingriffen sind Flüssigkeitsaustritt, Sepsis, Lungenversagen, Mediastinitis, Schock, Empyem, ösophagotracheale oder ösophagobronchiale Fistelbildung.3

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Akute und dramatische Verschlechterung, wenn die Diagnose nicht schnell gestellt wird.

Komplikationen

  • Sepsis
  • Schock
  • Mediastinitis
  • Atemversagen, Empyem, ösophagotracheale oder ösophagobronchiale Fistelbildung

Prognose

  • Die Letalität variiert zwischen 25 % und 90 %.
    • Wenn die Behandlung innerhalb von 24 Stunden beginnt, liegt die Letalität bei 25 %.
    • Wenn die Behandlung aber nicht in den ersten 24 Stunden einsetzt, steigt sie auf mehr als 65 %.
    • Die Letalität liegt bei 75–89 %, wenn mehr als 48 Stunden vor Beginn der Behandlung vergangen sind.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Roy PK. Boerhaave Syndrome. emedicine.medscape, 2015 emedicine.medscape.com
  2. Teh E, Edwards J, Duffy J, Beggs D. Boerhaave’s syndrome: a review of management and outcome. Interactive Cardiovascular and Thoracic Surgery 2007; 6: 640-3. PubMed
  3. RoyPraveen PKK, OthmanZorisadday MG, Murphy M, Viswanath K, Ramanathan P. Boerhaave Syndrome. eMedicine,Medscape last updated Aug 9, 20062018. emedicine.medscape.com
  4. Triadafilopoulos G. Boerhaave syndrome: Effort rupture of the esophagus. UpToDate, last updated Dec 19, 2014. UpToDate
  5. Kollmar O, Lindemann W, Richter S, et al. Boerhaave’s syndrome: primary repair vs. esophageal resection - case reports and meta-analysis of literature. J Gastrointest Surg 2003; 7: 726-34. PubMed
  6. Ghanem N, Atlehoefer C, Springer O, et al. Radiological findings in Boerhaave’s syndrome. Emerg Radiol 2003; 10: 8-13. PubMed
  7. Richardson JD. Management of esophageal perforations: the value of aggressive surgical treatment. Am J Surg 2005; 190: 161-5. PubMed

Autoren

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München (Revision übernommen von NEL, Norsk Elektronisk Legehåndbok)
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, redaktør NEL
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Speiseröhrenperforation; Perforation der Speiseröhre; Perforation des Ösophagus; Erbrechen; Spontane Ösophagusruptur; Boerhaave-Syndrom; Trasmurale Ruptur des Ösophagus; Brustschmerzen; Subkutanes EMphysem; Mackler-Trias; Abdomen-Rigidität; Hamman-Zeichen; Speiseröhrendurchbruch
Spontane Ösophagusperforation
U-MK 03.03.2020, Revision von NEL übernommen. Revision at 16.12.2015 11:04:30: German Version MK 03.08.2018, revidiert im vergleich zu NEL, keine Änderungen
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Definition:Spontane Ruptur des Ösophagus infolge heftigen Erbrechens. Häufigkeit:Sehr selten. Symptome:Die Anamnese ist typisch von vorhergehender Übelkeit mit starkem Erbrechen, gefolgt von heftigen Schmerzen im unteren Brustbereich und im Epigastrium geprägt.
Magen-Darm-Trakt
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