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Anaplasmose

Zusammenfassung

  • Definition:Bakterielle Zoonose, die in seltenen Fällen auch beim Menschen auftritt. Wird durch Zeckenstich übertragen.
  • Häufigkeit:Selten. Schätzungen der Seroprävalenz bei Europäern reichen von 6,2–21 %. 
  • Symptome:Häufig ohne Symptome oder lediglich leichte grippeähnliche Symptome.
  • Befunde:Keine spezifischen klinischen Befunde.
  • Diagnostik: Antikörpernachweis, Nachweis von intrazellulären Bakterien im Blutausstrich und PCR.
  • Therapie:Mit Doxycyclin.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Wird auch als Ehrlichiose bezeichnet.1
  • Bakterielle Zoonose, eine Erkrankung primär von Tieren, die aber in selten Fällen auch beim Menschen auftritt. Wird durch einen Zeckenstich (Ixodes ricinus) übertragen.
  • Zwei humane Formen
    • humane granulozytäre Anaplasmose (HGA) (früher humane granulozytäre Ehrlichiose (HGE); durch Anaplasma phagocytophilum
    • humane monozytäre Ehrlichiose (HME) (durch Ehrlichia chaffeensis

Häufigkeit

  • Anaplasma phagocytophilum kommt in Nordamerika, aber zunehmend auch in Asien und Europa (auch in Deutschland) vor.  Ehrlichia chaffeensis ist hauptsächlich in Nord- und Südamerika verbreitet.2 
  • In Europa sind bislang nur wenige Fälle von humaner granulozytärer Anaplasmose dokumentiert (vorwiegend in Polen, Schweden und Slowenien), die Fallzahlen in den USA liegen wesentlich höher.3 
  • Die häufigsten Fälle werden in den USA beobachtet.
  • Die HGA tritt häufiger als die HME auf.1
  • Schätzungen der Seroprävalenz bei Europäern reichen von 6,2– 21 %.3 
  • Deutschland
    • Untersuchungen von Zeckenpopulationen in Bayern und Baden-Württemberg und Seroprävalenzstudien von Bevölkerungsgruppen in den entsprechenden Gebieten zeigen, dass der Erreger der HGE auch in Deutschland vorkommt. Während in Süddeutschland 14 % der Waldarbeiter spezifische Antikörper aufwiesen, lag die Antikörperprävalenz bei Blutspendern bei 1–2,6 %.4 
    • Die Antikörperprävalenz bei Waldarbeitern oder Patienten mit Lyme-Borreliose belegt das auch in Deutschland bestehende Infektionsrisiko, obwohl gesicherte Erkrankungsfälle bisher äußerst selten sind.2 

Ätiologie und Pathogenese

  • Die HME wird durch Ehrlichia chaffeensis verursacht.
  • Die HGA (früher HGE) wird durch das Bakterium Anaplasma phagocytophilum verursacht.
  • Es handelt sich um kleine, obligat intraleukozytär lebende Bakterien, die enge Beziehungen zu den Rickettsien aufweisen.2 
  • Anaplasma phagocytophilum wurde erstmals 1932 in Schottland als Verursacher einer fiebrigen Erkrankung bei Schafen beschrieben.3 
  • Kommen bei Hunden, Katzen, Pferden, Rindern und Schafen vor (Zeckenfieber).
  • Das Bakterium wird vom Tier auf den Menschen mit der Zecke als Vektor übertragen.
  • Anaplasma phagocytophilum wird in Mitteleuropa durch die Schildzecke Ixodes ricinus, in Nordosteuropa durch Ixodes persulcatus übertragen. Ehrlichia chaffeensis wird durch die Hundezecke Rhipicephalus sanguineus übertragen.2 
  • Keine Übertragung von Mensch zu Mensch

Prädisponierende Faktoren

  • Zeckenstich

ICPC-2

  • A78 Infektiöse Erkrankung NNB, andere

ICD-10

  • A28.8 Sonstige näher bezeichnete bakterielle Zoonosen
    • Ehrlichiose

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Leichte grippeähnliche Symptome nach einem Zeckenstich (Zeckenstichanamnese)
  • Nachweis von Antikörpern
  • Evtl. PCR

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Inkubationszeit: 7–14 Tage nach dem Zeckenstich (HGA 7–14 Tage, HME 7–10 Tage2)
  • Weites Spektrum an Symptomen, häufig ohne Symptome oder lediglich mit leichten grippeähnlichen Symptomen
    • Fieber, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen und Abgeschlagenheit
    • Übelkeit und Appetitlosigkeit, evtl. Husten 
  • In seltenen Fällen mit schwererem, sepsisähnlichem Verlauf mit Lungenbeteiligung, Nierenversagen oder neurologischen Symptomen

Klinische Untersuchung

  • Keine spezifischen klinischen Befunde
  • Häufig Befund wie bei einer leichten Grippe
  • Ein Exanthem wird bei der Ehrlichiose eher selten (häufiger bei Kindern) beobachtet.2 
  • Häufig Splenomegalie, evtl. Hepatomegalie5

Ergänzende Untersuchungen

  • Bei 50–90 % wird eine Leukopenie, Thrombozytopenie und ein Transaminasenanstieg festgestellt.1 Gelegentlich Hyponatriämie (bei 40 %).5
  • In der ersten Krankheitswoche häufig erhöhtes CRP5
  • Nachweis spezifischer Antikörper im IFT (Immunfluoreszenztest) (4-facher Titeranstieg im Abstand von 14 Tagen)2 
    • Antikörper werden erst verzögert nachweisbar, eine zweite Untersuchung wird nach 2–4 Wochen empfohlen.1
  • Nachweis einer intrazellulären Bakterienansammlung in den Blutzellen im Blutausstrich
    • In vielen Fällen sind im Blutausstrich (Giemsa-Färbung) Morulae in den Monozyten (HME) bzw. Granulozyten (HGA) erkennbar.2 
  • In Speziallaboratorien kann ein Erregernachweises mittels PCR oder die Anzucht versucht werden. Beratung und Spezialdiagnostik ist z. B. im Konsiliarlaboratorium für Ehrlichia am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit verfügbar. 

Therapie

Allgemeines

  • Antibiotikabehandlung bei Symptomen

Medikamentöse Therapie

  • Doxycyclin ist das Mittel der ersten Wahl und wird in einer Dosierung von 200 mg/Tag über 14 Tage verabreicht.
  • Das Robert-Koch-Institut empfiehlt Doxycyclin für mindestens eine Woche, evtl. auch Rifampicin.2 
  • Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie empfiehlt bei Ehrlichiose mit ZNS-Beteiligung:
    • Tetracyclin bei Erwachsenen und Kindern > 8 Jahre: 20–30 mg/kg/d p. o. oder 10–20 mg/kg KG/d i. v. – oder –
    • Doxycyclin: 100–200 mg/d, initial i. v., nach Stabilisierung p. o. – oder –
    • Rifampicin.6 

Prävention

  • In einer Umgebung mit einem häufigen Auftreten von Zecken sollte nackte Haut bedeckt werden. Tragen Sie deshalb lange Hosen und Stiefel. Zecken leben häufig in hohem Gras oder in niedrigen Büschen. Die Verwendung von Mückenspray auf der Haut und Kleidung reduziert die Anzahl der Zecken, die sich festsaugen. Insektenspray auf der Kleidung ist ebenfalls wirksam (Permethrin empfohlen).
  • Nach einem Aufenthalt in einer Umgebung mit einem häufigen Auftreten von Zecken sollten Sie am Abend die Haut, insbesondere von Kindern, untersuchen. Eine Dusche ist ggf. auch empfehlenswert. Eine Zecke ist 1–10 mm groß, je nachdem, wie viel Blut sie gesaugt hat.
  • Suchen Sie die Kleidung innen und außen ab. So vergewissern Sie sich, dass sich eine Zecke später nicht festsaugen kann. Eine Zecke lässt sich am einfachsten auf heller Kleidung entdecken.
  • Zecken werden am besten mit einer Pinzette oder mit den Fingern herausgezogen. Nicht Einschmieren mit Fett, Lack, Äther o. Ä. Es ist nicht schlimm, wenn Reste der Bisswerkzeuge in der Haut stecken bleiben. Zecken, die innerhalb von 24 Stunden entfernt werden, geben in der Regel keine möglichen Bakterien in die Haut ab.
  • Untersuchen Sie ggf. auch Hunde. Hunde werden durch einen evtl. Stich nicht krank, aber die im Fell sitzende Zecke kann auf ein Familienmitglied übertragen werden.

Meldepflicht

  • Keine krankheits- oder erregerspezifische Meldepflicht nach dem IfSG2 

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die Erkrankung verläuft üblicherweise symptomlos oder mit leichten grippeähnlichen Symptomen.5
  • Unbehandelt kann die Erkrankung mehrere Wochen anhalten.
  • Die nachfolgende Genesungsphase kann langwierig sein.

Komplikationen

Prognose

  • Im Allgemeinen gut
  • Ein schwerer Verlauf mit tödlichem Ausgang tritt bei < 2 %, meist bei älteren Personen, auf.
  • Schätzungen gehen von einer Letalität von 0,5–1,0 % aus.3 
  • Die Letalität bei HME ist etwas höher (ca. 3 %).5

Verlaufskontrolle

  • Keine speziellen Maßnahmen

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Atypische erregerbedingte Meningoenzephalitiden. Leitlinie der DGN. S1, Stand Sept. 2012, gültig bis 29.9.17. www.dgn.org 

Literatur

  1. Sexton DJ. Human ehrlichiosis and anaplasmosis. UpToDate, last updated Mar 03, 2014. UpToDate
  2. Robert-Koch-Institut. Ehrlichiose / Anaplasmose (Humane monozytäre Ehrlichiose, Humane granulozytäre Anaplasmose). In: Steckbriefe seltener und importierter Infektionskrankheiten. Stand 2011. www.rki.de
  3. Robert-Koch-Institut. Humane Granulozytäre Anaplasmose nach Zeckenstich. In: Epidemiologisches Bulletin 23/2014. www.rki.de
  4. Robert-Koch-Institut. Zoonotische Infektionen beim Menschen. Bundesgesundheitsblatt 7/2004. www.rki.de
  5. Cunha B. Ehrlichiosis. Medscape. September, 2015. emedicine.medscape.com
  6. Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Atypische erregerbedingte Meningoenzephalitiden. Leitlinie der DGN. S1, Stand Sept. 2012, gültig bis 29.9.17. www.dgn.org

Autoren

  • Birgit Wengenmayer, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Freiburg
  • Ingard Løge, spesialist allmennmedisin, universitetslektor, institutt for sammfunsmedisinske fag, NTNU, redaktør NEL 
  • Bertil Christensson, professor och överläkare, Infektionskliniken, Skånes universitetssjukhus (Medibas)
A288
a78 annan infektiös sjukdom
A78
Bakterielle Zoonose; Zecken; Zeckenbiss; Infektion mit Anaplasma phagocytophilum; Humane granulozytäre Anaplasmose; HGA; Humane granulozytäre Ehrlichiose; HGE; Humane monozytäre Ehrlichiose; HME; Ehrlichia chaffeensis; Zeckenfieber; Grippeähnliche Symptome; Leukopenie; Thrombozytopenie; Transaminaseanstieg; Zeckenbiss-Prävention; Zeckenstich; Ehrlichiose; Ixodes ricinus
Anaplasmose
BBB MK 23.03.2023 aktualisiert und überarbeitet. chck go 16.9. BW 16.9.16 MK 23.04.2018 (Q)
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Definition:Bakterielle Zoonose, die in seltenen Fällen auch beim Menschen auftritt. Wird durch Zeckenstich übertragen. Häufigkeit:Selten. Schätzungen der Seroprävalenz bei Europäern reichen von 6,2–21 %. 
Infektionen
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