Definition:Bei der infektiösen Endokarditis (IE) handelt es sich um eine Infektion nativer oder künstlicher Herzklappen, der endokardialen Oberfläche oder eines kardialen Implantates.
Häufigkeit:Jährliche Inzidenz ca. 2–10/100.000. Männer zu Frauen ca. 2:1.
Symptome:Anhaltendes Fieber, unspezifische Symptome wie Abgeschlagenheit, Schwitzen. Häufig auch Symptome durch Embolisierungen als initiales Ereignis.
Befunde:Fieber, neues oder verändertes Herzgeräusch. Klassische, wenn auch seltenere Veränderungen sind Splinter-Hämorrhagien der Nägel, Janeway-Läsionen, Oslerknötchen, Roth-Flecken. Evtl. Zeichen von Komplikationen: Herzinsuffizienz, Embolien.
Diagnostik:Diagnosestellung erfolgt durch Kombination aus Klinik, Labor und Bildgebung (Duke-Kriterien). Die wichtigsten Untersuchungsmethoden sind Blutkulturen und Echokardiografie.
Therapie:Antibiotische Therapie bei allen Patient*innen, ein herzchirurgischer Eingriff zur Sanierung ist bei ca. der Hälfte der Betroffenen notwendig.
Prophylaxe:Allgemeine präventive Maßnahmen sowohl für Patient*innen mit hohem als auch intermediärem Risiko, antibiotische Prophylaxe nur noch bei Hochrisikopatient*innen (Klappenprothesen, St. n. Endokarditis, bestimmte angeborene Herzfehler).
Allgemeine Informationen
Definition
Bei der infektiösen Endokarditis (IE) handelt es sich um eine Infektion1
nativer oder künstlicher Herzklappen
der endokardialen Oberfläche
eines kardialen Implantates (z. B. Herzschrittmachersonden).
zunehmende Anzahl von IE im Bereich von implantiertem Material (v. a. Herzklappen, Schrittmachersonden)6
25–30 % der IE treten mittlerweile infolge medizinischer Maßnahmen auf.7
Ätiologie und Pathogenese
Pathogenese
Ein normales Endothel ist resistent gegenüber einer Kolonisierung durch Keime.6
Ein Endothelschaden kann verursacht werden durch sog. Jet-Läsionen aufgrund turbulenter Strömung oder z. B. durch Elektroden/Katheter.6
DesweiterenDes Weiteren können chronisch-entzündliche Gewebeprozesse wie bei rheumatischen Herzerkrankungen oder degenerativen Klappenveränderungen eine Besiedlung begünstigen.6
Durch den Endothelschaden wird subendotheliales Kollagen und andere Matrixmoleküle freigelegt, an die sich Thrombozyten und Fibrin binden und eine sog. sterile Vegetation bilden.8
Im Folgenden kommt es zur Besiedlung durch zirkulierende Bakterien mit spezifischen Anheftungseigenschaften.6
Die Bakterien vermehren sich in situ, stimulieren die weitere Anbindung von Thrombozyten und Fibrin und formen so die infizierte Vegetation.8
Hohe Bakteriendichte und die wachsenden und zunehmend brüchige Vegetation sind für die 4 Mechanismen verantwortlich, die die meisten klinischen Bilder und Komplikationen verursachen:8
Im Kindesalter sind angeborene Herzfehler der entscheidende prädisponierende Faktor für eine IE.12
i. v. Drogenkonsum (9 %)
St. n. Endokarditis (7 %).
ICPC-2
K70 Infektion des Herz-/Kreislaufsystems
K83 Herzklappenerkrankung NNB
ICD-10
I33 Akute und subakute Endokarditis
I33.0 Akute und subakute infektiöse Endokarditis
I33.9 Akute Endokarditis, nicht näher bezeichnet
I38 Endokarditis, Herzklappe nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Vom Nachweis durch pathologische Präparate z. B. nach Klappen-OP abgesehen, beruht die klinische Diagnose der IE auf der Assoziation zwischen:1213
Infektion und
endokardialer Beteiligung.
Die modifizierten Duke-Kriterien weisen insgesamt eine Sensitivität von ca. 80 % auf.1213
Die Anwendung der Duke-Kriterien beruht auf einer Synthese verschiedener Befunde aus:
Klinik
Mikrobiologie
Bildgebung.
Für eine Diagnose früh im klinischen Verlauf ist die Sensitivität geringer, insbesondere bei Endokarditiden an Klappenprothesen oder Schrittmachersonden (unauffällige oder uneindeutige Echokardiografie in 30 % der Fälle).1213
Mikrobiologischer Nachweis: Positive Blutkulturen, die nicht einem Hauptkriterium (s. o.) entsprechen, oder serologischer Nachweis einer aktiven Infektion mit einem mit IE zu vereinbarenden Organismus.
Definition der infektiösen Endokarditis gemäß der modifizierten Duke-Kriterien
Definitive IE
2 Major Kriterien – oder –
1 Major und 3 Minor Kriterien – oder –
5 Minor Kriterien
Mögliche IE
1 Major- und ein Minor-Kriterium – oder –
3 Minor-Kriterien
Anamnese
Variable Symptomatik und sehr unterschiedliche klinische Verläufe bei IE1314
Eine Fieberspitze muss für die Abnahme nicht abgewartet werden.
Bei Keimnachweis sind meistens alle 3 Blutkulturen positiv, bei lediglich einer positiven Blutkultur ist die Diagnose fraglich.
Bei bis zu 30 % der Fälle mit IE gelingt kein Keimnachweis (blutkulturnegative infektiöse Endokarditis).1213
Spezielle Nährmedien, Serologie, PCR
ergänzende Diagnostik bei blutkulturnegativer IE, z. B. hinsichtlich Brucella, Coxiella, Bartonella, Thropheryma whipplei, Legionellen, Mykoplasmen, Pilzen1213
Bildgebung
Mit Abstand wichtigstes Bildgebungsverfahren ist die Echokardiografie.
Echokardiografie
Darstellung von Vegetationen, Abszessen, Pseudoaneurysmen, Perforationen, Dehiszenzen von Klappenprothesen sowie der hämodynamischen Auswirkungen (v. a. Klappeninsuffizienzen)
Transthorakale Echokardiografie (TTE) ist die First-Line-Methode bei V. a. IE.1213
Eine transösophageale Echokardiografie (TEE) sollte durchgeführt werden bei:1213
klinischem V. a. IE und negativer oder uneindeutiger TTE
klinischem V. a. IE und Vorhandensein einer Klappenprothese oder eines intrakardialen Gerätes (Herzschrittmacher, Defibrillator).
Die Sensitivität der TTE beträgt 70 % für Nativklappen und 50 % für Klappenprothesen.
Die Sensitivität der TEE beträgt 96 % für Nativklappen und 92 % für Klappenprothesen.
MRT
Sensitivstesensitivste Methode zur Darstellung zerebraler Läsionen
Akzeptableakzeptable Alternative zur MRT für die Darstellung zerebraler Läsionen bei kritisch kranken Patient*innen1213
Nuklearmedizin (18F-FDG-PET/CT oder SPECT/CT)
Option nur im Einzelfall, erhöht v. a. die Sensitivität für die Diagnose einer IE von Klappenprothesen1314
Indikationen zur Klinikeinweisung
Bei V. a. infektiöse Endokarditis Einweisung, bei bestehendem oder zu erwartendem kompliziertem Verlauf möglichst in ein spezialisiertes Zentrum (Endokarditis-Team)1213
Aorten- oder Mitralklappen-Endokarditis mit schwerer Klappeninsuffizienz oder Obstruktion und konsekutivem Lungenödem oder kardiogenem Schock (notfallmäßig)
Aorten- oder Mitralklappen-Endokarditis mit schwerer Klappeninsuffizienz oder Obstruktion und konsekutiven Herzinsuffizienzzeichen (dringend)
Unkontrollierte Infektion
Lokal unkontrollierte Infektion (Abszess, falsches Aneursyma, Fistel, wachsende Vegetation) (dringend)
Infektion durch Pilze oder multiresistente Keine (elektiv-dringend)
Embolieprävention
Aorten- oder Mitralklappen-Endokarditis mit persistierenden Vegetationen > 10 mm nach einem embolischen Ereignis trotz adäquater antibiotischer Therapie (dringend)
Unbehandelt verläuft die Erkrankung fast immer tödlich.
Eine verzögerte Diagnose ist mit einer erhöhten Mortalität verbunden.4,1718
Die 1-Jahres-Mortaliät wird in Beobachtungsstudien mit ca. 20–25 % angegeben.4
Eine multidisziplinäre Diagnostik und Therapie im Endokarditis-Team führt zu verbesserter Qualität und Rückgang der Mortalität bis unter 10 %.1314,1819
vorzeitiger Mitralklappenschluss und andere Zeichen eines erhöhten diastolischen Drucks
EndokarditisprophylaxeEndokarditis-Prophylaxe
Im Gegensatz zu früher wird die Empfehlung zur antibiotischen Prophylaxe mittlerweile auf Hochrisikopatient*innen (Klappenprothesen, St. n. Endokarditis, bestimmte angeborene Herzfehler) beschränkt.1213
Bei intermediärem Risiko wird keine antibiotische Prophylaxe mehr empfohlen, dies betrifft vor allem häufige Klappenveränderungen wie Klappenverkalkungen, bikuspide Aortenklappen, Mitralklappenprolaps1213
Den Patient*innen sollte unabhängig vom Risikostatus die Bedeutung der Prävention, d. h. einer guten Zahn- und Hauthygiene, vermittelt werden.1213
St. n. Korrektur eines Herzfehlers unter Verwendung von prothetischem Material in den ersten 6 Monaten nach OP oder lebenslang bei residuellem Shunt/residueller Klappeninsuffizienz
Empfehlungen zur antibiotischen Prophylaxe für Hochrisikopatient*innen
Antibiotische Prophylaxe empfohlen bei zahnärztlichen Eingriffen mit Verletzung des Zahnfleischs oder der oralen Mukosa
Für andere zahnärztliche Prozeduren sowie Prozeduren am Respirationstrakt, Gastrointestinaltrakt, Urogenitaltrakt oder im Bereich von Haut/Weichgewebe wird eine antibiotische Prophylaxe nicht empfohlen.
Antibiotika für die Prophylaxe bei Hochrisikopatient*innen
Amoxicillin oder Ampicillin 2 g oral oder i. v. (1-x-Dosis 30–60 min vor der Prozedur)
Bei Penicillinallergie: Clindamycin 600 mg oral oder i. v. (1-x-Dosis 30–60 min vor der Prozedur)
Allgemeine Präventionsmaßnahmen für Patient*innen mit hohem und intermediärem Risiko
Strikte Zahn- und Hauthygiene
zahnärztliche Kontrolle mindestens 2 x jährlich bei hohem und 1 x jährlich bei intermediärem Risiko
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Autor*innen
Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Bei der infektiösen Endokarditis (IE) handelt es sich um eine Infektion nativer oder künstlicher Herzklappen, der endokardialen Oberfläche oder eines kardialen Implantates.