Definition:Je nach Quelle ab Serumkaliumspiegel > 5,0–5,5 mmol/l.
Häufigkeit:Bei Notfallpatient*innen im Krankenhaus Prävalenz von 0,8–10,4 %, insbesondere im höheren Alter. In der Hausarztpraxis seltener.
Symptome:Häufig asymptomatisch. Durch Depolarisation des Membranpotenzials Vielzahl an Symptomen möglich, z. B. Diarrhö, Parästhesien, Muskelschwäche, Herzrhythmusstörungen, Verwirrung.
Befunde:Evt. Muskelschwäche mit Abschwächung von Sehnenreflexen, dazu leichte bis stärkere Lähmungserscheinungen.
Diagnostik:Serum-Kalium, am besten Blutentnahme ohne Stauen. EKG mit Frage nach typischen EKG-Veränderungen (zeltförmig erhöhte T-Welle, reduzierte Höhe der P-Welle, QRS-Verbreiterung) oder Arrhythmien. Zur Ursachenfindung ggf. weitere Laborwerte, wie z. B. eGFR.
Therapie:Akute, schwere Hyperkaliämie wird stationär behandelt. Chronische Hyperkaliämie kann ambulant durch kaliumarme Diät, Diuretika, orale Kaliumbinder und Anpassung der Dauermedikation (insbesondere Medikamente mit Einfluss auf RAAS) behandelt werden.
Allgemeine Informationen
Definition
Je nach Quelle ab Serumkaliumspiegel > 5,0–5,5 mmol/l1
Verhindern von vital bedrohlichen Herzrhythmusstörungen
Therapie der ursächlichen Grunderkrankung bzw. ggf. Anpassung der auslösenden Medikation
Allgemeines zur Therapie
Akute, schwere oder symptomatische Hyperkaliämien werden stationär behandelt.
Hausärzt*innen spielen insbesondere beim Management der chronischen Hyperkaliämie von polymedizierten Patient*innen Schlüsselrolle.3
Da chronische Hyperkaliämie leitliniengerechte Herzinsuffizienzbehandlung (ACE-Hemmer, Aldosteron-Antagonisten) behindert, aber es häufig gemeinsam auftritt, werden für diese Situation genaue Empfehlungen gegeben.
Akute Hyperkaliämie
Die Therapie erfolgt stationär unter engmaschigen Kalium-Kontrollen und beinhaltet unterschiedliche Ansatzpunkte.1,3
Kardioprotektion (bei starken EKG-Veränderungen)
Kalziumgluconat i. v. unter Monitorüberwachung
30 ml 10 % Lösung über 5 min
Stabilisierung kardiales Membranpotenzial, keine Kalium-Senkung
Kaliumumverteilung (Einstrom in Zelle; wegen fehlender Elimination bei Nachlassen der Wirkung erneuter Kalium-Anstieg nach einigen Stunden zu erwarten)
Insulin + Glukose
10 IE Altinsulin (Actrapid) + 25 g Glukose (z. B. 125 ml G20 %)
kurzwirksame Beta-Sympathomimetika
z. B. Salbutamol inhalativ
Kaliumelimination
Schleifendiuretika oder Thiazide
z. B. 40 mg Furosemid i. v.
Kaliumbinder
Polystyrolsulfonate, Wirkeintritt erst nach > 4 Stunden
Natriumbikarbonat
Nur bei schwerer Azidose in Erwägung ziehen, z. B. 100 ml 8,4 % Bikarbonat.
Hämodialyse
bei vital gefährdenden Arrhythmien oder Serumkalium > 7 mmol/l und stark eingeschränkter Nierenfunktion (eGFR < 15 ml/min/1,73 m2)
Chronische Hyperkaliämie
Bei sukzessivem langsamem Kaliumanstieg bis auf eine moderate Höhe ist selten eine akute Intervention nötig.1
Schleifendiuretika oder Thiazide fördern renale Kaliumexkretion.1
Kaliumbinder
Neue orale Kaliumbinder Patiromer und Natrium-Zirkonium-Cyclosilika stellen vermutlich sicherere Alternative mit mehr Evidenz im Vergleich zu Polystyrolsulfonaten dar und sind auch längerfristig anwendbar.1
selektive Bindung von Kalium durch Imitation von physiologischen Kaliumkanälen
max. 10 g/d p. o.
Nebenwirkungen: gastrointestinale Beschwerden, Ödeme und Harnwegsinfekte
Kann durch Bindung von Ammoniumionen Anstieg des Magen-pH-Wertes bedingen. Daher Mindestabstand von 2 Stunden zur Einnahme von Medikamenten, deren Bioverfügbarkeit vom Magen-pH-Wert abhängig ist (z. B. Azole und HIV-Protease-Inhibitoren).1
Anpassung der Dauermedikation
Den potenziellen Nutzen, z. B. von Aldosteronantagonisten bei Herzinsuffizienz, gegen die Gefahr der potenziellen Nebenwirkung einer Hyperkaliämie abwägen.3
RAAS-Inhibitoren (RAASi) werden bei multimorbiden Patient*innen, die z. B. an Herzinsuffizienz oder chronischer Nierenerkrankung leiden, aufgrund des erhöhten Hyperkaliämie-Risikos häufig niedrig dosiert oder abgesetzt, obwohl sie gerade bei diesen Patient*innen Morbidität und Mortalität reduzieren.1
Neue orale Kaliumbinder könnten auch bei Patient*innen mit hohem Hyperkaliämie-Risiko oder chronischer Hyperkaliämie Möglichkeiten für leitliniengerechte RAASi-Therapie eröffnen.1
Cave: Bisher fehlen jedoch Langzeiterfahrungen und Studien mit klinisch harten Endpunkten, die zeigen, dass es sinnvoll ist, wegen der Nebenwirkungen des einen Medikaments ein weiteres zu verabreichen.3
Konsens-Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zum Einsatz von RAASi in Abhängigkeit vom Serumkalium bei Herzinsuffizienz1,7
Kalium 4,5–5,0 mmol/l und Patient*in unter submaximaler RAASi-Therapie
RAASi beginnen/aufdosieren.
Kalium-Spiegel engmaschig überwachen.
bei Kalium > 5,0 mmol/l Beginn einer Kalium-senkenden Therapie
Kalium > 5,0 – ≤ 6,5 mmol/l und Patient*in noch nicht unter maximal tolerierter, leitliniengerechter RAASi-Therapie
Andere Hyperkaliämie-Ursachen suchen/behandeln.
Wenn weiterhin Kalium > 5,0 mmol/l, spezifische kaliumsenkende Therapie beginnen.
Sobald Kalium < 5,0 mmol/l, RAASi aufdosieren.
Kalium-Spiegel engmaschig überwachen.
Kalium > 5,0 – ≤ 6,5 mmol/l und Patient*in unter maximal tolerierter, leitliniengerechter RAASi-Therapie
Andere Hyperkaliämie-Ursachen suchen/behandeln.
Wenn weiterhin Kalium > 5,0 mmol/l, spezifische kaliumsenkende Therapie beginnen.
Zeitlich begrenzte Dosisreduktion von RAASi erwägen bis Kalium < 5,0 mmol/l.
Kalium > 6,5 mmol/l und Patient*in unter maximal tolerierter, leitliniengerechter RAASi-Therapie
Andere Hyperkaliämie-Ursachen suchen/behandeln.
RAASi zeitlich begrenzt stoppen/Dosis reduzieren.
Beginn einer kaliumsenkenden Therapie bei Kalium > 5,0 mmol/l
Sobald Kalium < 5,0 mmol/l, RAASi wieder beginnen und aufdosieren.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Je nach Begleiterkrankungen, Schnelligkeit des Auftretens und Ausprägung ist Hyperkaliämie unterschiedlich relevant.3
Eine akute, schwere Hyperkaliämie ist gefährlicher eine als chronische, sich langsam entwickelnde Hyperkaliämie.
Patient*innen mit chronischer Niereninsuffizienz entwickeln in bis zur Hälfte der Fälle chronische Hyperkaliämie durch mangelhafte Kalium-Exkretion.3
Komplikationen
Depolarisation des Membranpotenzials mit diversen Auswirkungen:3
Serumkalium ≥ 6,5 mmol/l ist mit einer Mortalität bis zu 30 % assoziiert.1
Insbesondere Patient*innen mit Herzinsuffizienz sind gefährdet, Hyperkaliämie-bedingte Herzrhythmusstörungen zu entwickeln. 1
Bei entsprechender Therapie ist die Prognose abhängig von der Grunderkrankung.
Verlaufskontrolle
Bei Hyperkaliämie-gefährdeten, also insbesondere älteren polymorbiden, Patient*innen (Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus) sollte bei Neuverordnung von Medikamenten mit Einfluss auf den Kalium-Spiegel initial engmaschig das Serum-Kalium bestimmt werden.
Nach Erreichen der Zieldosis und stabilen Kalium-Werten ist eine Vergrößerung der Kontrollintervalle möglich.
Bei Einsatz von Diuretika zur Senkung einer Hyperkaliämie zudem regelmäßige Kontrollen des Volumenstatus und der Nierenfunktion1
Bei GFR < 30 ml/min/1,73 m2 und Neuansetzen eines AT1-Antagonisten, ACE-Hemmers oder Aldosteronantagonisten sollten regelmäßige Kaliumkontrollen, anfangs wöchentlich, erfolgen.3
Schnyder A, Hüsler C, Binet I. Hyperkaliämie – was der Hausarzt wissen muss. Praxis 2015; 104(7): 335-40. econtent.hogrefe.com
Arzneimittelkomission der deutschen Ärzteschaft, Arzneiverordnung in der Praxis, Hyperkaliämie im Praxisalltag, 2019, 46, 1-2, 59-64 www.akdae.de
Böhm M, Haller H. Hyperkaliämie Management – Update 2018. CME-Kurs. Letzter Zugriff 29.08.2021. www.cme-kurs.de
Deutscher Rat für Wiederbelebung. Kreislaufstillstand in besonderen Situationen. Kapitel 4 der Leitlinien zur Reanimation 2015 des European Resuscitation Council. Notfall + Rettungsmedizin December 2015, Volume 18, Issue 8, pp 833–903. link.springer.com
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Natriumzirkoniumcyclosilicat (Lokelma) bei Hyperkaliämie. Stand Juli 2021. Letzter Zugriff 01.09.2021. www.gesundheitsinformation.de
Rosano GMC, Tamargo J, Kjeldsen KP et al. Expert consensus document on the management of hyperkalaemia in patients with cardiovascular disease treated with renin angiotensin aldosterone system inhibitors: coordinated by the Working Group on Cardiovascular Pharmacotherapy of the European Society of Cardiology. Eur Heart J – Cardiovasc Pharmacother 2018; 4: 180-8. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Allgemeinmedizin, Frankfurt
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Je nach Quelle ab Serumkaliumspiegel > 5,0–5,5 mmol/l. Häufigkeit:Bei Notfallpatient*innen im Krankenhaus Prävalenz von 0,8–10,4 %, insbesondere im höheren Alter. In der Hausarztpraxis seltener.
Endokrinologie/Stoffwechsel
Hyperkaliämie
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Hyperkaliämie
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