belastungsinduzierten Schmerz entlang des distalen posteromedialen Rands der Tibia und
Vorliegen eines Schmerzes bei Palpation über eine Länge von ≥ 5 cm.1
Häufigkeit
Eine der häufigsten Verletzungen der unteren Extremität bei Läufer*innen. 2
16 % aller Laufverletzungen sind mit dem Schienbeinkantensyndrom assoziiert.3
Ätiologie und Pathogenese
Gilt als klinisches Schmerzsyndrom, da es keine eindeutigen Beweise für eine der pathologischen Theorien gibt.1
Bis vor kurzemKurzem wurde Periostitis als Ursache der Schmerzen postuliert.2
Neuere Studien vermuten knöcherne Stressreaktion als Auslöser.2
Beispielsweise wurden reduzierte tibiale Knochenmineralisationsdichten und Mikrorisse als ein Hinweis auf eine beeinträchtigte Knochenreparaturfunktion gefunden.1
Krämpfe und brennender Schmerz im posterioren Kompartiment.
Anamnese
Leitsymptom: Belastungsinduzierte Schmerzen entlang der distalen zwei Drittel2/3 der posteromedialen Tibiakante. 1
Schmerzprovokation durch (während oder nach) physikalische Aktivität und Rückgang nach Entlastung. 1
Häufig Umstellung des Trainings, Steigerung der Intensität oder Wechsel der Sportschuhe in der Vorgeschichte.
Klinische Untersuchung
Druckdolenz der posteromedialen Tibiakante über ≥ 5 cm1
Patient*innen umfahren bei der Frage nach der Schmerzlokalisation typischerweise ein größeres Areal mit ihren Fingern.2
Beibei Ermüdungsfraktur meist lokal begrenzterer Druckschmerz (kann mit einem Finger gezeigt werden).
Fußfehlstellung?
Nachnach Möglichkeit Begutachtung der Laufschuhe: unregelmäßig abgelaufene Sohle (medial mehr Abnutzung als lateral) als indirektes Zeichen für Überpronation.
Bei therapierefraktären Beschwerden trotz konservativer Therapie Überweisung zu Orthopäd*in.
Therapie
TherapiezielTherapieziele
Linderung der Beschwerden
Rückkehr zu schmerzfreier körperlicher Aktivität
Allgemeines zur Therapie
Besprechung der Erwartungshaltung mit Patient*in: Das Schienbeinkantensyndrom ist oft eine länger anhaltende Verletzung, deren Heilung bis zu 9–12 Monate dauern kann.1
Vermeidung oder Verringerung der ursächlichen Belastungen, ggf. Umstellung auf alternative Trainingsformen.
Gutgut geeignet, gerade für Ausdauersportler*innen, beispielsweisez. B. Radfahren.
Bei leichten Symptomen Belastung reduzieren, bei starker Symptomatik pausieren.
Die gereizte Stelle regelmäßig kühlen.
Das Laufen auf harten Untergründen sollte vermieden bzw. reduziert werden.
Laufschuhe
Daumenregel: nach 500 km Laufschuhe durch ein neues Paar ersetzen.2
Laufschuhe mit guter Dämpfung können Beschwerden reduzieren bzw. dafür sorgen, dass das Syndrom erst gar nicht auftritt. Auch ein Wiederauftreten kann mit geeigneten Laufschuhen verhindert werden.6
Akute Phase
Belastungspause und Kühlung der betroffenen Region. 2,4
2–3 x pro Tag für jeweils 10 min kühlen.
Bei nicht- tolerierbaren Schmerzen kurzzeitiger Einsatz von NSAR möglich. 4
Rehabilitationsphase
Empfehlung für stufenweise Aufbelastung gemäß folgender Referenz.1
Eine Kombination aus gradueller Belastung der Tibia und Stärkung der Plantarflexoren (M. gastrocnemius, M. soleus) scheint eine gute Strategie zu sein.
Beide als pathogenetisch relevant diskutierten Strukturen (knöcherne Überbelastung der Tibia und/oder eine Fasziopathie der Fascia cruris) profitieren von abgestufter Belastung.
Belastungssteigerung um < 10 % pro Woche wichtig, um erneutes Aufflammen sowie Verletzungen zu vermeiden.
Aus klinischer Erfahrung wird empfohlen, einen Schmerzwert von 2 auf einer Schmerzskala von 0–10 bei körperlicher Aktivität nicht zu überschreiten.
Orthesen/Einlegesohlen
Bei Überpronation können Einlagen zur Unterstützung des medialen Fußgewölbes hilfreich sein.2
Physiotherapie
Physiotherapeutisch angeleitete Übungen zur sowohl Kräftigung der Plantarflexoren1 als auch zu deren Dehnung2 können zur Heilung beitragen.
Patient*innen können auch von einer Stärkung der Hüft- und Rumpfmuskulatur profitieren.7-8
Dadurch können eine bessere Laufmechanik erzielt und Verletzungen infolge einer Überbeanspruchung der unteren Extremitäten verhindert werden.
Operative Therapie
Manche Autor*innen empfehlen eine operative Therapie nach Versagen der konservativen Maßnahmen nach 1 Jahr.4
Die Operation besteht aus einer Fasziotomie, entweder allein oder in Kombination mit einer periostalen Resektion.1
Für klinische Empfehlungen fehlen qualitativ hochwertige Daten.1
Prävention
Es sollte gut dämpfendes Schuhwerk getragen werden.
Die Laufschuhe sollten bei hohen Trainingsumfängen regelmäßig erneuert werden.
Es sollte so wenig wie möglich auf harten Untergründen wie Asphalt oder Ähnlichem gelaufen werden.
Wenn Beschwerden auftreten, sollte das Training reduziert oder umgestellt werden.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Bei den meisten Patient*innen klingen die Beschwerden ab, wenn Ruhe gehalten und das Training umgestellt wird.
Dennoch kann es zu Rezidiven kommen, sodass längere Pausen nötig sind oder auf andere Sportarten ausgewichen werden muss.
Bei manchen Patient*innen entwickeln sich chronische Beschwerden, die die Ausübung einer Sportart verhindern.
Komplikationen
Chronische Schmerzen bei unzureichender Belastungsreduktion bzw. zu schneller Wiederaufnahme/Steigerung der sportlichen Aktivität.
Prognose
Die Prognose ist im Allgemeinen gut, sofern die Patient*innen einen konservativen Therapieplan umsetzen, die schmerzauslösenden Aktivitäten reduzieren und individuell angepasste Schuhe/Einlegesohlen tragen.
Prognose für Patient*innen mit sportlich hohem Aktivitätsniveau:1
Bei Schienbeinkantensyndrom seit etwa 3 Monaten dauert es ab Behandlungsbeginn etwa 9–12 Monate, bis beschwerdefreie Vollbelastung möglich ist.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
Es ist notwendig, die auslösenden Aktivitäten zu vermeiden bzw. zu reduzieren.
Winters M. Diagnostik und Therapie des Schienbeinkantensyndroms. Der Unfallchirurg 2019; 122: 848-53. link.springer.com
Gardner S. Shin Splints. Pedorthic Association of Canada Clinical Practice Guidelines (Second Edition) 2018. pedorthic.ca
Mulvad B, Nielsen RO, Lind M, et al. Diagnoses and time to recovery among injured recreational runners in the RUN CLEVER trial. PLoS ONE 2018; 13(10): e204742. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Amin I, Moroz A. Medial Tibial Stress Syndrome. Musculoskeletal Sports and Spine Disorders: A Comprehensive Guide 2017. books.google.de
Winkelman ZK, Anderson D, Games KE, et al. Risk factors for medial tibial stress syndrome in active individuals: An evidence-based review. J Athl Train 2016; 51(12): 1049-52. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Definition:Klinisches Schmerzsyndrom mit belastungsinduziertem Schmerz entlang des distalen posteromedialen Rands der Tibia. Häufigkeit:Eine der häufigsten Verletzungen der unteren Extremität bei Läufer*innen.