Allgemeine Informationen
Definition
- Das polyglanduläre Autoimmunsyndrom, Typ II (PAS II), auch Schmidt-Syndrom genannt, ist eine Kombination einer chronischen Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison) mit einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse und/oder einem Typ-
I1-Diabetes-mellitus(Autoimmundiabetes).1 - PAS II ist das häufigste der
sogenanntensog. polyglandulären Autoimmunsyndrome.
Häufigkeit
- Prävalenz des PAS II
- Diese wird auf 1,4–2,0/100.000 geschätzt.2
- Alter und Geschlecht
- Die Erkrankung kann in allen Altersgruppen auftreten, beginnt jedoch am häufigsten im Alter von 30
bis–40 Jahren. - Frauen sind
zwei2- bisdreimal3-mal so häufig betroffen wie Männer.3
- Die Erkrankung kann in allen Altersgruppen auftreten, beginnt jedoch am häufigsten im Alter von 30
Ätiologie und Pathogenese
- Bei polyglandulären Autoimmunsyndromen bilden sich Autoantikörper gegen das endokrine Gewebe, es kommt zu lympathischer Infiltration und Entzündung mit Zellzerstörung und Verlust der endokrinen Funktion.
- Beim PAS II kommt es zu
zueiner Nebenniereninsuffizienz zusammen mit einer autoimmunen Schilddrüsenerkrankung wie M. Basedow oder M. Hashimoto und/oder Diabetes mellitus. - Überlagerungen mit anderen polyglandulären Autoimmunsyndromen sind möglich, insbesondere kommt es häufiger zusätzlich zu folgenden assoziierten Syndromen:2
- prämature Ovarialinsuffizienz
- Vitiligo
- chronisch-atrophische Gastritis mit oder ohne perniziöse Anämie
- hypergonadotroper Hypogonadismus
- chronische Autoimmunhepatitis
- Alopezie
- Hypophysitis
- Myasthenia gravis
- rheumatoide Arthritis
- Sjögren-Syndrom
- Immunthrombozytopenie
- Zöliakie
Prädisponierende Faktoren
- Genetische Disposition4
- Es gibt Assoziationen mit den HLA-Klasse-II-Haplotypen DR3 (DQB*0201) und DR 4 (DQB1*0302)5
ICPC-2
- T99 Endo./metab./ernäh. Erkrank., andere
ICD-10
- E31 Polyglanduläre Dysfunktion
- E31.0 Autoimmune polyglanduläre Insuffizienz
- E31.8 Sonstige polyglanduläre Dysfunktion
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Die klinischen Zeichen der entsprechenden Insuffizienzsyndrome können unspezifisch sein.
- Schilddrüsenautoimmunerkrankungen können sich im Beginn sowohl als Über- als auch als Unterfunktion äußern.
- Bei Verdacht helfen Laboruntersuchungen und Hormonbestimmungen weiter.
- Etwa 50 % der Patient*innen mit einer Nebenniereninsuffizienz haben zusätzlich
Differenzialdiagnosen
Anamnese
- Die Symptome einer Nebennierenrindeninsuffizienz
- Müdigkeit, Leistungsknick
- Erbrechen, Übelkeit, Bauchschmerzen
- Muskelschmerzen
- Gewichtsabnahme
- Hypoglykämien, ggf. mit Krampfanfällen
- Dehydratation
- Schwindel, Hypotonie, Tachykardie
- Salzhunger
- Hyperpigmentierung
(s.u.) - Libidoverlust (durch Androgendefizit).
- Symptome einer Schilddrüsenerkrankung können sein:
- Erschöpfung und Müdigkeit, Fatigue
- Kälteintoleranz
- Gewichtszunahme
- Obstipation
Allgemeineallgemeine TrägheitErherhöhtes Schlafbedürfnis- sekundäre Amenorrhö
Beibei Hyperthyreose Gewichtsverlust, Tachykardien, Unruhe.
- Bei Typ
PoyuriePolyuriePolydipisiePolydipsie- Gewichtsverlust.
Klinische Untersuchung
- Hyperpigmentierung der Haut und Schleimhäute
. - Hypotonie
evtlEvtl. Struma- Als schwerste Form der Insuffizienz können sich eine
Ergänzende Untersuchungen
- Natrium, Kalium
- bei
MineralokortikoidmangelMineralkortikoidmangel Hyponatriämie
- bei
- (Differenzial-)Blutbild
- Glukose
- durch Glukokortikoidmangel nach längerer Nüchternphase häufig Hypoglykämie
- HbA1c
- CRP und Leukozyten
- Ausschluss einer Infektion als Trigger für eine Addison-Krise
- Basalwerte von ACTH, Kortisol, Aldosteron und Renin
. - Kortisolbestimmung im Speichel
- TSH, ggf. freies T4,
- Urinuntersuchung: Ketone? Glukose?
beiBei entsprechender Symptomatik Transglutaminase-Ak IgA (Zöliakie/glutensensitive Enteropathie)- Leberwerte (
Autoimmun-HepatitisAutoimmunhepatitis) - Antikörperbestimmungen8
- Genetische Bestimmungen9
- Assoziationen mit HLA-DR-3
- Assoziationen mit HLA-DR-3
Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung
- Bei V. a. ein polyglanduläres Autoimmunsyndrom sollte die Überweisung an eine endokrinologische Praxis erfolgen.
- Bei V. a. eine Addison-Krise oder Myxödemkoma ist eine notfallmäßige Klinikeinweisung indiziert.
Therapie
TherapiezielTherapieziele
- Den Hormonmangel korrigieren.
- Das Auftreten einer Addison-Krise verhindern.
- Diabetes
mellitismellitus behandeln.
Allgemeines zur Therapie
- Unabhängig davon, ob die einzelnen Autoimmunerkrankungen allein oder gemeinsam mit weiteren auftreten, ist die Hormonbehandlung der einzelnen Krankheitsanteile gleich.
- Bei PAS II und autoimmun bedingter Hypothyreose
- Hier muss vor der Einleitung einer Behandlung der Hypothyreose die Nebennierenfunktion getestet werden.
- Wird bei
einem PatientenPatient*innen mit einer unbehandelten Nebennierenrindeninsuffizienz eine Behandlung mit Schilddrüsenhormonen eingeleitet, kann eine lebensbedrohliche Nebennierenkrise (Addison-Krise) ausgelöst werden, da das Thyroxin zu einer erhöhten Verstoffwechselung von Kortikosteroiden in der Leber anregt.4,11
- Bei Verdacht auf eine akute Nebennierenrindeninsuffizienz
- In diesem Fall darf mit der Behandlung nicht so lange gewartet werden, bis die Laborergebnisse vorliegen.
- Das initiale Ziel besteht darin, die Hypotonie und die Störungen des Elektrolythaushalts zu korrigieren und einen evtl. eintretenden Schock zu behandeln.
- Ausführlichere Informationen sind im Artikel über akute Nebennierenrindeninsuffizienz zu finden.
Patientenaufklärung
- Der Aufklärung kommt eine große Bedeutung zu, da eine lebenslange Medikation erforderlich ist und die Dosis in Perioden mit erhöhtem Stress sowie bei Krankheit erhöht werden muss.
- Es ist sinnvoll, eine Karte bei sich tragen, die Informationen über die aktuelle Behandlung sowie Empfehlungen zur Behandlung in Akutsituationen enthält.
Medikamentöse Therapie
- Siehe Behandlung der Einzelerkrankungen:
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Kinderendokrinologie und -diabetologie e. V. (DGKED). (Primäre) Nebenniereninsuffizienz im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 174-011. S1, Stand 2020. www.awmf.org
Literatur
- Majeroni BA, Patel P. Autoimmune polyglandular syndrome, type II. Am Fam Physician 2007; 75: 667-70. PubMed
- Betterle C, Dal Pra C, Mantero F, Zanchetta R. Autoimmune adrenal insufficiency and autoimmune polyendocrine syndromes: autoantibodies, autoantigens, and their applicability in diagnosis and disease prediction. Endocr Rev 2002; 23: 327-64. PubMed
- Schatz DA, Winter WE. Autoimmune polyglandular syndrome. II: Clinical syndrome and treatment. Endocrinol Metab Clin North Am 2002; 31: 339-52. PubMed
- Graves L III, Klein RM, Walling AD. Addisonian crisis precipitated by thyroxine therapy: a complication of type 2 autoimmune polyglandular syndrome. South Med J 2003; 96: 824-7. PubMed
- Husebye ES,Anderson MS,Kämpe O, Autoimmune Polyendocrine Syndromes. The New England journal of medicine. 2018 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Eisenbarth GS, Gottlieb PA. Autoimmune polyendocrine syndromes. N Engl J Med 2004; 350: 2068-79. New England Journal of Medicine
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- Falorni A, Laurenti S, Santeusanio F. Autoantibodies in autoimmune polyendocrine syndrome type II. Endocrinol Metab Clin North Am 2002; 31: 369-89. PubMed
- Robles DT, Fain PR, Gottleib PA, Eisenbarth GS. The genetics of autoimmune polyendocrine syndrome type II. Endocrinol Metab Clin North Am 2002; 31: 353-68. PubMed
- Mai K. Erkrankungen der Nebennierenrinde. Harrisons Innere Medizin. 19. Auflage 2016 Thieme-Verlag S. 2852
- Gumieniak O, Farwell AP. Schmidt's syndrome and severe hyponatremia: report of an unusual case and review of the related literature. Endocr Pract 2003; 9: 384-8. PubMed
Autor*innen
- Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
TerjeDieJohannessenursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL,professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, TrondheimKristian Løvås, overlege drhttps://legehandboka.medno/)., Endokrinologisk seksjon, Medisinsk avdeling, Haukeland Universitetssykehus, Bergen