Suizid und Suizidversuch

Was ist ein Suizid beziehungsweise ein Suizidversuch?

Was ist ein Suizid beziehungsweise ein Suizidversuch?

Suizid ist eine Handlung, deren Planung und Durchführung den eigenen Tod zum Ziel hat. Ein Suizidversuch ist eine in suizidaler Absicht ausgeführte Handlung, die nicht zum Tod führt. Die Person nimmt dabei absichtlich eine Überdosis Medikamente o. Ä. oder unternimmt etwas anderes, das einen tödlichen Ausgang hat, sofern kein anderer eingreift. Bevor sie einen Suizid oder Suizidversuch durchführen, können gefährdete Personen bereits längere Zeit Suizidgedanken haben. Konkrete Suizidpläne und -vorbereitungen weisen auf ein hohes Suizidrisiko hin, die betroffenen Personen brauchen dann unverzüglich Hilfe.

Personen mit einem besonders hohen Suizidrisiko

  • Menschen, die einen engen Freund, den Lebenspartner oder ein Kind verloren haben.
  • Menschen mit Medikamenten-, Drogen- oder Alkoholabhängigkeit
  • Menschen mit schwerer Depression
  • Menschen mit psychotischen Störungen, z. B. Schizophrenie (eine Erkrankung, die u. a. zu furchteinflößenden Halluzinationen und schweren Wahnvorstellungen führen kann)
  • Menschen mit einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung
  • Jugendliche mit Essstörungen, z. B. Magersucht (Anorexie)
  • Enge Freunde oder Verwandte von Menschen, die Suizid begangen haben.
  • Menschen, die bereits einen Suizidversuch verübt haben.
  • Patienten mit einer schweren körperlichen Erkrankung
  • Ältere Menschen mit einer körperlichen oder psychischen Erkrankung
  • Arbeitslose oder in Armut lebende Personen sowie einsame und ältere Menschen ohne engeren Kontakt zur Familie.

Bedingungen, die gegen Suizid sprechen

  • Starke emotionale Bindung an Personen, soziale Eingebundenheit, Hobbys
  • Ethische und moralische Bedenken gegenüber einem Suizid
  • Verantwortung für Kinder, Familie
  • Gedanken und Pläne für die Zukunft
  • Frühere positive Erfahrungen
  • Personen, die Hilfe wünschen und sie suchen.

Häufigkeit

Die Suizidrate ist seit den 1980er-Jahre in vielen westeuropäischen Ländern, auch in Deutschland, zurückgegangen.

Im Jahr 2013 starben in Deutschland etwa 10.000 Menschen durch Suizid. Damit kamen durch Suizid wesentlich mehr Menschen ums Leben als durch Verkehrsunfälle (3.339). Weit über 100.000 Menschen begingen im Jahr 2013 einen Suizidversuch. Schätzungen zufolge gibt es neben den registrierten Suiziden eine Dunkelziffer von etwa 25 %. Darunter fallen der plötzliche Tod von Menschen, die Medikamente einnehmen, von älteren und einsamen Menschen sowie Unfälle, die eigentlich Suizide sind.

Männer begehen etwa 2,5-mal häufiger Suizid als Frauen. Sie wählen auch häufiger gewalttätige Methoden wie Erhängen, Erschießen oder Ertrinken. Frauen entscheiden sich meist für Überdosierungen und Schnittverletzungen. Frauen begehen mehr Suizidversuche als Männer, während Männer sich häufiger tatsächlich das Leben nehmen. Das Suizidrisiko steigt mit zunehmendem Lebensalter an.

Selbstverletzungen sind ein wachsendes Problem bei jungen Menschen, vor allem bei Mädchen. Bei jungen Menschen, die sich immer wieder selbst verletzen und keine geeignete Hilfe erhalten, ist das Risiko eines späteren Suizids deutlich höher. Im Alter von 15 bis 24 Jahren ist Suizid die häufigste Todesursache. Suizidgefährdete Jugendliche unterscheiden sich von anderen Gleichaltrigen in vielerlei Hinsicht, sowohl sozioökonomisch als auch psychosozial, und fast die Hälfte von ihnen sucht kurz vor dem Versuch einen Arzt auf.

Ursache

Mindestens 90 % der Menschen, die einen Suizid begehen, haben eine psychische Störung. Bei über 80 % ist diese zum Zeitpunkt des Suizids unbehandelt. Die häufigste Ursache für Suizide sind Depressionen. Fast alle Patienten mit schweren Depressionen haben zumindest Suizidgedanken.

Soziale Faktoren sind ebenfalls von Bedeutung. Einschneidende Veränderungen im Leben, der Verlust eines Angehörigen oder engen Freundes, Probleme bei der Arbeit oder in der Schule, Kränkungen und Enttäuschungen können als auslösende Faktoren den Entschluss zum Suizid befördern.

Weitere Risikofaktoren siehe Abschnitt Personen mit einem besonders hohen Suizidrisiko

Diagnostik

Bei einem Suizidversuch wird die Diagnose dadurch gestellt, dass der Patient über das Geschehene berichtet oder dass die Anzeichen des Versuchs für den Arzt offensichtlich sind. Eine Suizidankündigung darf unter keinen Umständen unbeachtet bleiben; zudem müssen die Risikogruppen identifiziert werden.

Ein wichtiger Teil der medizinischen Untersuchung ist die Beurteilung einer Depression. Die Einschätzung einer Depression und der Suizidgefahr erfolgt anhand von Gesprächen und gegebenenfalls mithilfe verschiedener Fragebögen. Zudem muss unter Umständen durch Gespräche und Informationen aus dem Umfeld untersucht werden, ob eine ernste psychische Erkrankung vorliegt. Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Verwirrung können darauf hindeuten, dass der Patient psychisch krank ist. Die Untersuchung auf körperliche Erkrankungen ist ebenfalls wichtig, da schwere, schmerzhafte und chronische Krankheiten Risikofaktoren darstellen.

Therapie

Menschen, die Suizidversuche verübt haben oder aktiv einen Suizid planen, sollten mit einer psychiatrischen Praxis oder mit speziellen Suizidpräventionsteams Kontakt aufnehmen. Bei Patienten, die nach einem Suizidversuch medizinische Versorgung benötigen oder die akut suizidgefährdet sind, kann ein Krankenhausaufenthalt empfohlen werden.

Gespräche mit Ärzten, Psychologen oder speziell ausgebildeten Gesprächstherapeuten sind oftmals Teil der Therapie. Dabei werden feste, regelmäßige, persönliche oder telefonische Gesprächstermine vereinbart. Schon eine gute Beziehung zu den Therapeuten kann vorbeugend wirken und einen drohenden Suizid verhindern. Die Patienten sollten in der akuten Krise nach Möglichkeit unterstützt und entlastet werden.

Eine Psychotherapie, wie z. B. die kognitive Verhaltenstherapie, kann zugrundeliegende Depressionen behandeln und suizidgefährdete Patienten langfristig stabilisieren.

Evtl. vorliegende psychische Erkrankungen können zusätzlich mit Medikamenten behandelt werden. 

Auch die Angehörigen brauchen Unterstützung und Hilfe, siehe nachstehend.

Prognose

Suiziddrohungen sollten immer ernst genommen und unmittelbare Hilfe angeboten werden.

Frühere Suizidversuche erhöhen das Risiko für einen weiteren um das 10- bis 30-Fache.

In den ersten Wochen nach Entlassung aus einer psychiatrischen Einrichtung besteht bei den Betroffenen ein um das 100- bis 200-Fache erhöhtes Suizidrisiko, daher sollte innerhalb einer Woche nach der Entlassung ein Termin zur Nachsorge stattfinden.

Und die Hinterbliebenen?

Auch Personen, deren Familienangehörige, Freunde oder Patienten Suizid begangen haben, brauchen Unterstützung und Hilfe. Ein Suizid ist das Ende eines langen und schmerzhaften Prozesses. Ein Mensch, der sich dafür entscheidet, sich das Leben zu nehmen, hat eine lange Zeit des Leidens hinter sich. Der Schmerz war zu schwer, um ihn zu ertragen. Dies wird der Familie, den Freunden und Kollegen in der Regel auf verschiedene Weise übermittelt. Die Angehörigen empfinden daher sowohl den Verlust als auch unangenehme Gefühle; Letztere sind verknüpft mit dem Wissen um die Erkrankung, die zum Suizid führte. Suizid ist daher ein potenziell traumatisierendes Ereignis für die Angehörigen. Im Gesundheitssystem kommen Unterstützungsmaßnahmen nach traumatischen Ereignissen immer größere Bedeutung zu, besonders im Fall von Katastrophen mit vielen Beteiligten. Ereignisse, die vom Einzelnen oder von einer Familie als katastrophal wahrgenommen werden, wie ein Suizid, können schwer zu verarbeiten sein, u. a. aufgrund von mangelnder Unterstützung, Aufmerksamkeit und Zusammengehörigkeit. Daher ist eine aktive Herangehensweise und Unterstützung durch die kommunalen Gesundheitseinrichtungen, aber auch durch Freunde, Bekannte und Kollegen entscheidend. In einigen Fällen können die Angehörigen das Gefühl haben, isoliert zu sein und dass auf sie herabgeschaut wird.

In den meisten Städten gibt es Beratungsstellen oder Notdienste, an die sich Angehörige nach einem Suizid wenden können.

Weitere Informationen

Beratung und Hilfe

Autoren

  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Suizid und Suizidversuch. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

  1. NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression. AWMF-Leitlinie Nr. nvl-005. S3, Stand 2015 (abgelaufen). www.awmf.org
  2. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Notfallpsychiatrie. AWMF-Leitlinie Nr. 038-023. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
  3. Lindner R. Information über Suizidalität und Suizid. Nationales Suizidpräventionsprogramm für Deutschland (NaSPro). https://www.suizidpraevention.de/wissen/ Zugriff am 12.03.2022 www.suizidpraevention.de
  4. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2022. Stand 17.09.2021; letzter Zugriff 12.03.2022 www.dimdi.de
  5. O'Connor E, Gaynes B, Burda BU, et al. Screening for Suicide Risk in Primary Care: A Systematic Evidence Review forthe U.S. Preventive Services Task Force. Rockville (MD): 2013. Letzter Zugriff 01.11.2017 www.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Jokinen J, Talbäck M, Feychting M, et al. Life expectancy after the first suicide attempt. Acta Psychiatr Scand 2017 Dec 14. pmid: 29238963 PubMed