Thrombozytose

Thrombozyten (Blutplättchen) haben die Aufgabe, Wunden zu verschließen, indem sie an der Bildung von Blutgerinnseln mitwirken. Ist ihre Anzahl im Blut zu hoch, sprechen Ärzt*innen von einer Thrombozytose.

Was ist eine Thrombozytose?

Blutplättchen (Thrombozyten) werden kontinuierlich im Knochenmark gebildet, sind zahlreich im Blut vorhanden und sterben nach einem bestimmten Zeitraum wieder ab. Ihre Aufgabe ist es, bei Verletzungen der Blutgefäße diese rasch abzudichten (eine Thrombose/Gerinnsel zu bilden) und dadurch die entstandene Blutung zu stoppen. 

Bei einer Thrombozytose befindet sich eine erhöhte Anzahl Thrombozyten im Blut. Per Definition gilt: Ab einer Thrombozytenzahl von mehr als 450.000 pro µl Blut besteht eine Thrombozytose. Die Erkrankung kann durch eine Reaktion auf eine Grunderkrankung (sekundäre Thrombozytose) oder eine unkontrollierte Produktion von Thrombozyten im Knochenmark (essenzielle oder primäre Thrombozythämie) hervorgerufen werden. Die erhöhte Zellzahl wird manchmal zufällig bei einer Blutuntersuchung aus anderem Grund entdeckt und eine Unterscheidung zwischen sekundärer Thrombozytose und essenzieller Thrombozythämie kann zunächst schwierig sein. Häufig jedoch zeigen die Betroffenen bei sekundärer Thrombozytose Symptome und Beschwerden einer zugrunde liegenden Krankheit (siehe das Kapitel Ursachen).

Viele Betroffene mit essenzieller Thrombozythämie zeigen keine Symptome, ansonsten treten z. B. Kopfschmerzen, Schwindel, Taubheitsgefühl oder auch Sehstörungen auf. Wegen der verstärkten Bildung von Blutgerinnseln, die kleine Arterien verstopfen können, sind jedoch auch stärkere Durchblutungsstörungen (Schlaganfall, Herzinfarkt, bei Schwangeren auch eine Fehlgeburt) möglich.

Eine essenzielle Thrombozytose tritt verhältnismäßig selten auf (geschätzt treten jährlich 1–2,5 neue Fälle einer essenziellen Thrombozythämie unter 100.000 Personen auf).

Was sind die Ursachen für eine Thrombozytose?

Reaktive (sekundäre) Thrombozytose

Dies ist bei Weitem die häufigste Ursache für eine Thrombozytose und macht 80–90 % der Fälle aus. Die häufigsten Ursachen sind Gewebeschäden aufgrund von großen chirurgischen Eingriffen, Unfällen/Verletzungen, Infektionen, großen Blutungen oder chronischen Entzündungen. Der Körper setzt als Reaktion auf die „Verletzung“ bestimmte Faktoren frei, die die Entstehung von Thrombozyten fördern. Dies ist eine gesunde Funktion, um die Zahl der Thrombozyten wieder zu normalisieren (nach einem Verlust durch Blutung), und um Verletzungen von Blutgefäßen schnell zu schließen bzw. Blutungen zu stoppen. In diesen Situationen können daher nur vorübergehend sehr viele Thrombozyten gebildet werden; manchmal hält die Thrombozytose aber auch länger an.

In einigen Fällen kann es auch als Reaktion auf Medikamente oder Begleiterscheinung einer chronischen Krankheit oder auch Krebserkrankung eines anderen Organs zur Thrombozytose kommen. Auch bei andauerndem Eisenmangel, nach Entfernung der Milz oder bei bestimmten Formen der Blutarmut tritt häufig eine Thrombozytose auf.

Essenzielle Thrombozythämie

Alle Blutkörperchen werden als Vorläuferzellen im Knochenmark gebildet. Tritt dort eine Störung/Krankheit auf, kommt es zu einer Verringerung oder Vermehrung bestimmter oder aller Blutkörperchen. Ebenso wie sich weiße Blutkörperchen (Leukozyten) bei Blutkrebs (Leukämie) unkontrolliert vermehren, kann dies auch auf Thrombozyten zutreffen (Thrombozythämie). In vielen Fällen liegt eine genetische Veränderung bei den Patienten vor.

Sehr selten tritt eine vererbte, angeborene Form der Thrombozytose auf.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Die sekundäre Thrombozytose wird manchmal zufällig durch eine erhöhte Anzahl Thrombozyten im Blut entdeckt. Diese Form der Thrombozytose führt so gut wie nie zu Komplikationen aufgrund der Blutplättchen. Die Betroffenen zeigen jedoch oft Symptome bzw. Folgen der zugrunde liegenden Krankheit (Verletzung, Blutung, schwere Infektion, Krebs etc.).

Die essenzielle Thrombozythämie verursacht in einigen Fällen keine Beschwerden, kann aber zu Komplikationen in Form von Blutungen und Blutgerinnseln führen – insbesondere bei älteren Menschen mit anderen Risikofaktoren. Auch wenn es unlogisch klingt, ist das Blutungsrisiko bei extremer Thrombozytose erhöht (> 1,5 Millionen Blutplättchen pro mm3 Blut). Eine verringerte Blutzirkulation in den Fingern und Zehen ist dabei typisch. Eine körperliche Untersuchung kann normale Befunde ausweisen. Bei einigen Personen können aber lokale Wärmeentwicklung, blau verfärbte Haut (Zyanose), Blutungen und ein gesprenkelter, roter Ausschlag an den betroffenen Stellen auftreten. Einige Patienten weisen eine vergrößerte Milz auf. Einige Patienten berichten über Kopfschmerzen, vorübergehende Sehstörungen oder gar einen stattgehabten Schlaganfall, Herzinfarkt, eine Venenthrombose, Lungenembolie oder Fehlgeburt.

Eine Blutuntersuchung ist für eine Diagnosestellung entscheidend. Auch die genaue Beurteilung der Blutplättchen in einem Blutausstrich ist meist sinnvoll; hierbei wird ein Tropfen Blut sehr dünn auf einem Objektträger ausgestrichen und mikroskopisch untersucht. Bei einer essenziellen Thrombozythämie sind die Blutplättchen meist auch in ihrer Form auffällig. Eine genaue Untersuchung des Knochenmarks sowie Tests hinsichtlich bestimmter Genveränderungen können erforderlich sein.

Bei einer sekundären Thrombozytose werden meist auch noch weitere Untersuchungen durchgeführt, um die zugrunde liegende Ursache festzustellen.

Wie sieht die Behandlung aus?

Für die Therapie ist es wichtig, zwischen sekundärer Thrombozytose und essenzieller Thrombozythämie zu unterscheiden.

Sekundäre Thrombozytose

Bei diesen Patienten ist in der Regel keine Therapie nötig, die die Anzahl der Blutplättchen reduziert oder das Risiko einer Blutgerinnselbildung minimiert. Die abnormal hohe Anzahl der Blutplättchen erhöht in diesem Fall nämlich nicht das Risiko einer Blutgerinnselbildung (Thrombose). Oft muss aber die zugrunde liegende Ursache der Thrombozytose behandelt werden.

Essenzielle Thrombozythämie

Da bei diesem Krankheitsbild ein erhöhtes Risiko von Blutgerinnseln vorliegt, muss das erhöhte Thromboserisiko behandelt werden. Dazu eignet sich Acetylsalicylsäure (75–100 mg/Tag) als „Blutverdünner“. Acetylsalicylsäure zeigt eine gute Wirkung, insbesondere bei einer verringerten Blutzirkulation in beispielsweise Fingern und Zehen. Bei einem ernsteren Krankheitsverlauf kann die zusätzliche Gabe von Medikamenten, die die Anzahl der Blutplättchen im Blut reduzieren, notwendig sein. Hier stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, über die Ihre Ärztin/Ihr Arzt Sie genau informieren kann.

Zusätzliche Maßnahmen

Bluthochdruck, sehr hohe Blutfettwerte, Diabetes mellitus, Übergewicht und Rauchen erhöhen das Risiko für Blutgerinnsel bzw. Thrombosen und damit Schlaganfall, Herzinfarkt etc. zusätzlich. Sollten diese Krankheiten vorliegen, ist eine konsequente Therapie nötig.

Darüber hinaus ist eine ausgewogene Ernährung (zur Vorbeugung von Übergewicht), regelmäßige körperliche Aktivität und der Verzicht auf Rauchen empfehlenswert. Lassen Sie sich von Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin ausführlich über frühe Anzeichen für eine Thrombose (Venenthrombose, Schlaganfall, Lungenembolie, Herzinfarkt) informieren, damit Sie im Notfall schnell reagieren und einen Notarzt rufen können.

Prognose

Die Prognose bei der sekundären Thrombozytose hängt von der Grunderkrankung ab, die Thrombozytose an sich verläuft komplikationslos. Bei einer essenziellen Thrombozythämie können Komplikationen in Form von Blutungen, Blutgerinnseln, verringerter Blutzirkulation in Händen und Füßen oder Schlaganfall und ähnlichen Durchblutungsstörungen auftreten. Eine frühzeitige Therapie verbessert die Prognose.

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  • Susanne Meinrenken, Dr. med., Bremen

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Thrombozytose. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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