Hämolytische Anämie

Hämolytische Anämien werden dadurch verursacht, dass die roten Blutkörperchen vor Ablauf ihrer üblichen Lebensdauer zerstört werden und das Knochenmark dies nicht durch eine verstärkte Produktion neuer Zellen kompensieren kann.

 

Was ist eine hämolytische Anämie?

Definition

Eine Anämie (Blutarmut) ist definiert als Hämoglobinwert (Menge des sauerstoffbindenden roten Blutfarbstoffes) im Blut (Hb) unterhalb eines bestimmten Normwerts. Eine Anämie liegt vor, wenn

  • der Hb bei Schwangeren geringer ist als 10 g/dl.
  • der Hb bei Frauen im fruchtbaren Alter geringer ist als 12 g/dl.
  • der Hb bei Männern und bei Frauen nach den Wechseljahren geringer ist als 13 g/dl.
  • Für Kinder gelten andere Werte je nach Alter und Geschlecht.

Eine hämolytische Anämie ist eine spezielle Form der Anämie, bei der die Lebensdauer der roten Blutkörperchen, der Erythrozyten, reduziert ist. Die Ursache dafür ist ein übermäßiger Abbau der roten Blutkörperchen, bevor diese wegen ihrer natürlicherweise begrenzten Lebensdauer (etwa 120 Tage) von selbst absterben. Die Zerstörung der Erythrozyten kann kontinuierlich oder episodisch stattfinden.

Symptome

Die üblichen Symptome einer Anämie sind Müdigkeit, Schwindelgefühl, verringerte körperliche Leistungsfähigkeit, Herzklopfen, Kurzatmigkeit, Kopfschmerzen und Ohrensausen. Die Symptome können sich auch als Brustschmerzen äußern, die durch Anstrengungen ausgelöst werden, oder durch Beinschmerzen, die auf eine schlechte Blutversorgung zurückzuführen sind.

Neben den Symptomen einer Anämie sind manchmal eine gelbliche Haut und eine gelbe Bindehaut des Auges (Gelbsucht) erkennbar. Bei einigen Patient*innen lässt sich eine vergrößerte Milz finden, eventuell auch Gallensteine oder Blut im Urin, der dadurch rotbraun aussehen kann.

Bei einer Erkrankung mit schwerem, akutem Zerfall der roten Blutkörperchen leiden die Betroffenen an Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Rücken- und Bauchschmerzen.

Ursachen

Die Krankheit entsteht, wenn die Lebensdauer der Erythrozyten so stark reduziert ist, dass das Knochenmark die Produktion nicht ausreichend steigern kann, um genügend Erythrozyten im Blut zu halten.

Die Ursachen können sowohl erblich bedingt als auch erworben sein. Einige der erblich bedingten Erkrankungen zeigen sich häufig erst im Erwachsenenalter mit entsprechenden Beschwerden. Ein Beispiel für eine erblich bedingte hämolytische Anämie ist die Sichelzellanämie.

Die genauen Mechanismen, die zum Absterben der Erythrozyten führen, sind komplex und je nach zugrunde liegender Erkrankung unterschiedlich. Es kann z. B. vorkommen, dass die Blutkörperchen mechanisch zerstört werden, Defekte aufweisen, oder dass das Immunsystem (das Abwehrsystem des Körpers) oder Medikamente die roten Blutkörperchen angreifen.

Auch Infektionen können hämolytische Anämien auslösen, z. B. Malaria.

Häufigkeit

  • Eine hämolytische Anämie ist relativ selten.
  • Hämolytische Anämien machen 5 % aller Anämien aus.

Untersuchungen

Für die Diagnosestellung ist neben der körperlichen Untersuchung auch eine Blutuntersuchung erforderlich. Manchmal müssen mehrere Blutuntersuchungen durchgeführt werden, sowohl um das Ausmaß der Blutarmut festzustellen, als auch um zu klären, welche Ursache genau zugrunde liegt.

Zusätzlich wird die Ärztin/der Arzt untersuchen, ob ein Mangel an Eisen oder Vitamin B12 vorliegt und die Nieren- und Leberfunktionswerte prüfen. Für die Diagnose ist zudem die mikroskopische Untersuchung eines Blutausstrichs oft sinnvoll. Spezielle Bluttests können außerdem Merkmale einiger Erbkrankheiten oder Autoimmunkrankheiten aufdecken.

Behandlung

Die Therapie richtet sich nach der Ursache der hämolytischen Anämie. Je nach Grunderkrankung stehen verschiedene Medikamente zur Therapie zur Verfügung, z. B. Kortison oder biotechnologisch hergestellte Antikörper bei Autoimmunkrankheiten. Sind Medikamente der Auslöser gewesen, werden diese abgesetzt.

In einigen schwereren Fällen muss möglicherweise die Milz entfernt werden, wenn diese durch die Erkrankung stark vergrößert ist. Nach einem solchen Eingriff werden stets Impfungen gegen Pneumokokken, Hämophilus Influenzae, Meningokokken und Grippe (Influenza) empfohlen.

Eine Bluttransfusion ist bei akut kranken Patient*innen mit schwerer Anämie indiziert. Bei manchen Betroffenen ist die Gabe von Erythropoetin zu erwägen, das die Neubildung von Erythrozyten steigert.

Prognose

Der Verlauf ist abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung und den Behandlungsmöglichkeiten. Manche Patient*innen sind auf regelmäßige Bluttransfusionen angewiesen.

Weitere Informationen

Autorin

  • Susanna Allahwerde, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Berlin

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Hämolytische Anämien. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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