Wundversorgung

Allgemeine Informationen

  • Eine primäre Wundversorgung akuter Wunden erfolgt – v. a. in ländlichen Gegenden – häufig in der Hausarztpraxis.
  • Oberflächliche Wunden wie Abschürfungen, leichtere Verbrennungen sowie Verbrühungen und Prellungen sind ein häufiger Beratungsanlass in der Hausarztpraxis.1
  • Bei der Wundversorgung in der Hausarztpraxis ist zu beachten:
    • Patientenpräferenzen, Distanz zu den nächsten Chirurg*innen und Ausbildung der Hausärzt*innen spielen eine Rolle.
    • Nicht in allen Weiterbildungscurricula zur Fachärztin/zum Facharzt für Allgemeinmedizin wird heute noch eine chirurgische Ausbildung gefordert.
    • Die Versorgung tieferer, akuter Wunden ist zeitaufwändig, stellt hohe Hygieneanforderungen an Material und Praxisräume und lässt sich durch die Hausärzt*innen meist nicht kostendeckend erbringen.
  • Im folgenden Artikel werden Grundregeln der fachgerechten Versorgung akuter Wunden dargestellt, die Hausärzt*innen berücksichtigen sollten, wenn sie über entsprechende Qualifikation und Logistik verfügen, um akute Wunden versorgen zu können.

Unfallversicherung

Sonderfall Arbeits- und Wegeunfall

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2
  • Die medizinische Versorgung nach einem Arbeits- oder Wegeunfall gehört nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern obliegt nach Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) der Unfallversicherung.
  • So ist zwar jede Vertragsärztin/jeder Vertragsarzt verpflichtet, Unfallverletzte zu behandeln. Aber die Koordination der weiteren Betreuung sowie die spezialisierte Heilbehandlung dürfen nur Durchgangsärzt*innen (D-Ärzt*innen) übernehmen, die von der Unfallversicherung dafür eingesetzt werden.
  • Die Vorstellung bei Durchgangsärzt*innen ist immer dann erforderlich, wenn
    • die Patient*innen über den Tag des Unfalls arbeitsunfähig ist – und/oder –
    • die Behandlungsbedürftigkeit voraussichtlich länger als eine Woche beträgt – und/oder –
    • die Patient*innen bestimmte Heil- und Hilfsmittel benötigen.

Basisregeln der Wundversorgung

  • Frühzeitige Primärversorgung durch Nahtmaterial, SteriStrips@, Klammermaterial oder Fibrinkleber in der 6-Stunden-Grenze
  • Sterile Instrumente erst kurz vor Versorgung öffnen.
  • Haarentfernung (Rasieren) und Desinfektion erst kurz vor Versorgung
  • OP-Dauer möglichst kurz
  • Sterilität beachten.
  • Schnittführung an Hautspaltlinien orientiert
  • Gründliches Wunddébridement, ggf. Wundexzision
  • Möglichst atraumatisches Operieren
  • Suffiziente Blutstillung, z. B. Drainageeinlage
  • Nähte nicht zu eng (Nekrosegefahr)
  • Ausreichender Abstand der Naht zum Wundrand
  • Haut senkrecht mit Nadel durchstechen.
  • Bei erhöhtem Infektionsrisiko kein Primärverschluss (dann sekundäre Wundheilung und zu einem späteren Zeitpunkt kosmetische Hautkorrektur)
  • Auf ausreichenden Tetanus-Impfschutz achten.
  • Schmuck/Ringe
    • Armreifen, Uhren und insbesondere Ringe sollten wegen Schwellneigung sofort entfernt werden.
    • Schonende Entfernung durch Auffädeln auf Faden sowie „Ausdrücken“ der Schwellung des Fingers über dem Mittelgelenk unter kreisenden Bewegungen und Zug nach distal, bis Ring sich abstreifen lässt.
    • bei starker Blasenbildung nicht möglich – Entfernung des Ringes mittels Seitenschneider

Wundbeurteilung/Anamnese

  • Beurteilung der Art der Wunde
    • Schnittwunde: glatter Wundrand
    • Schürfwunde: tangentiale Gewalt; unregelmäßige Oberfläche (Exkoriation der Dermis)
    • Platzwunde: stumpfe Gewalt
    • Quetschwunde: stumpfe Gewalt; unregelmäßige Oberfläche
    • Risswunde: tangentiale Gewalt; unregelmäßiger Wundrand
    • Schnittwunde: senkrechte oder tangentiale Gewalt; scharf
    • Stichwunde: senkrechte Gewalt; spitz
    • Pfählungsverletzung: senkrechte Gewalt durch einen pfahlartigen Gegenstand
    • Bisswunde: Stich-/Quetschwunde durch Zähne
    • Schusswunde: stumpfe Gewalt mit Zerstörung der Weichteile, unregelmäßige Oberfläche, Fremdkörper, Schmauchspuren
    • Decollement: stumpfe Gewalt; intakte Hautoberfläche/subkutane Zerreißung und Quetschung
  • Ort und Zeitpunkt der Verletzung – was war der verletzende Gegenstand?
  • Nekrotisches Gewebe?
  • Verunreinigung/Fremdkörper?
  • Infektionszeichen wie Schmerz, Rötung, Überwärmung, Schwellung, Sekretion, anomaler Geruch, Fieber, Lymphknotenschwellung
  • Periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität (pDMS) intakt?
  • Beteiligung von Sehnen, Gelenk oder Bursa?
  • Bei Kopfverletzungen nach Bewusstlosigkeit, Gedächtnislücken, Übelkeit, Erbrechen und Schwindel als Hinweis auf eine Gehirnerschütterung fragen.
  • Ggf. Fotodokumentation der Wunde3

Indikationen zur Überweisung an FA-Chirurgie/Klinikeinweisung

  • Sonderfall Arbeits- und Wegeunfall (siehe Abschnitt Sonderfall Arbeits- und Wegeunfall)
  • Die Wundversorgung übersteigt die Versorgungsmöglichkeiten in der Hausarztpraxis.
  • Zeitdruck z. B. aufgrund voller Praxis
  • Unklare Prognose
  • Wundheilungskomplikationen
  • Großflächige Verbrennungen oder Verbrennung mit einer bestimmten Tiefe (ab Grad IIb) bedürfen fachärztlicher Betreuung.
  • Verdacht auf Frakturen, Sehnen- oder Nervenverletzung
  • Spritzende (arterielle) Blutung

Hautdesinfektion

  • Wischdesinfektion – ausreichende Benetzung der Haut
  • Vom Operationsfeld weg
  • Farbiges Desinfektionsmittel – bessere Kontrollmöglichkeit
  • Mindesteinwirkungszeiten beachten, im Allgemeinen geben Hersteller 30 Sekunden für alkoholische Hautdesinfektionslösungen an.
  • Für Eingriffe an talgdrüsenreicher Haut im Bereich von Schädel und Stirn wiederholte Anwendung mit Gesamteinwirkungszeit von 10 Minuten empfohlen.

Bedarfsliste Wundversorgung

Sterile Versorgung

  • Geeignetes Desinfektionsmittel
  • Skalpell (Ein- oder Mehrweg)
  • Fadenschere
  • Nadelhalter
  • Mundschutz
  • OP-Haube
  • Sterile Handschuhe
  • Chirurgische Pinzette
  • Anatomische Pinzette
  • Steriles Nahtmaterial für Hautnaht, an Eingriff angepasst (i. d. R. monofilamentatraumatische Fäden 5 x 0 für feine Gesichtsnähte, 0–3 x 0 für Kopfschwarte oder Fußsohle)
  • Ggf. resorbierbares Nahtmaterial
  • Ggf. Steristrips
  • Steriles Abdeckungstuch
  • Sterile Kompressen/Tupfer in benötigten Größen
  • Spezialinstrumente nach Anforderung, z. B. Sonde, scharfer Löffel etc.
  • Ggf. Laschen/Redondrainage

Unsterile Versorgung

  • Desinfektionsspray
  • Einwegrasierer
  • Kompressen/Tupfer
  • Metallbehälter mit weiteren Spezialinstrumenten
  • Kappenzange mit Zylinder
  • Mundschutz
  • Lokalanästhetikum
  • Spritze/Kanülen für Lokalanästhesie (z. B. 5-ml-Spritze, Kanüle Gr. 20)
  • Mullbinde/Klebevlies zum Fixieren des Wundverbandes
  • Ggf. (iodhaltige) Wundsalbe
  • Ggf. Blutdruckmanschette oder Gummischlauch mit Klemme für Blutsperre

Wundversorgung

Blutstillung

  • Bei stark blutenden Wunden Blutstillung durch:3
    • manuelle Kompression
    • Kompressionsverband
    • Tourniquet
    • ergänzend Hämostyptika.

Primäre Wundnaht

  • Bei Schnittverletzungen und glattrandigen Wunden
  • Kontraindikationen für eine primäre Wundnaht4
    • alte Wunden (älter als 6 Stunden)
    • Wunden mit Infektionszeichen
    • Bisswunden
    • Wunden von Fleischermessern oder ähnlich kontaminierten Instrumenten
  • Beginn mit Infiltrationsanästhesie, vom Wundwinkel aus dem Wundrand folgend, nicht von innen nach außen (Gefahr der Keimverschleppung)
  • Grundsätzlich Verwendung von Lokalanästhetika in Einwegampullen wegen der erhöhten Gefahr von allergischen Reaktionen bei Verwendung von konservierungsmittelhaltigen Durchstechflaschen
  • Verzicht auf Zusatz gefäßverengender Substanzen an den Akren
  • In der Hausarztpraxis zu bevorzugende Nahttechniken in Abhängigkeit der Wundlokalisation und der dortigen mechanischen Hautbelastung:
    • Einzelknopfnaht (Standard, geringste Beeinträchtigung der Durchblutung)
    • Donati- Rückstichnaht (reißfester, halten höherer Zugbelastung stand).
  • Vermeidung fortlaufender Nahttechniken in der Hausarztpraxis (bei evtl. Wundinfektion nur vollständige Öffnung möglich, keine Entfernung einzelner Fäden, z. B. zur Drainageneinlage, möglich)
  • Bei tieferen Verletzungen mit Taschenbildung, vermehrter Sekretion, Blutung oder Gefahr einer Infektion Drainageeinlage, z. B. Gummilaschen (aus Handschuh) oder Miniredon 

Offene Wundbehandlung (sekundäre Wundbehandlung)

  • Bei infizierten Wunden
  • Bei älteren Wunden (älter als 6 Stunden)
  • Bei Schürfungen oder Hautablederungen sowie Rissquetschwunden oder Bisswunden
  • Bei infektionsgefährdeten Wunden
  • Wundreinigung
  • Wundspülungen unter Druck sollte wegen der Gefahr einer toxischen Reaktion und der Gefahr der aseptischen Nekrose unbedingt vermieden werden und sind nach einem fachgerechten Debridement meist nicht notwendig.5
    • Insbesondere sollten keine Spülungen mit Octenidin erfolgen, wenn, dann nur mit NaCl 0,9 % oder Polyhexanid-haltigen Lösungen.5
  • Feuchte Wundversorgung z. B. mit Kochsalz-Kompressen
  • Ggf. tägliche Verbandswechsel zu Beginn, danach alle 2–4 Tage je nach Wundbefund

Verbrennung/Verbrühung

Erstmaßnahmen

  • Initial Kühlung mit (reichlich) fließendem Leitungswasser (cave: Unterkühlung!)
    • Spülen mit Leitungswasser steht zwar in allen Lehrbüchern, aber gemäß Robert Koch-Institut ist dies kritisch zu betrachten. Hierzu beschreibt das RKI folgendes Vorgehen: „Wenn Wasser zur Wundreinigung genutzt wird, muss es dem Standard entsprechen, dem Arzneimittel und Medizinprodukte zur Anwendung an der Wunde genügen müssen ... Da unmittelbar aus dem Hahn entnommenes Trinkwasser diesen Standards nicht entsprechen kann, ist seine Anwendung zur Wundspülung nur im Notfall vertretbar.“6
  • Anschließend Abdeckung mit sterilem Wundverbandmaterial3
  • Wenn notwendig: adäquate Volumenversorgung entsprechend der betroffenen Körperoberfläche
  • Die Schwere einer Verbrennung wird in Prozent der Körperoberfläche, der Tiefenausdehnung (Grad 1–4) und der Lokalisation bemessen.7
    • Grad I: Eine oberflächliche Verbrennung bei Temperaturen über 45 °C, die Haut schmerzt und ist gerötet, doch nach wenigen Tagen abgeheilt (Sonnenbrand).
    • Grad II: Die Haut ist oberflächlich bis tief verbrannt, und es kommt oftmals zur Blasenbildung. Je nach Schwere werden die Verbrennungen in Typ 2a und 2b unterteilt, wobei man davon ausgeht, dass der erste Typ vollständig ausheilt, beim zweiten Typ Narben zurückbleiben können.
    • Grad III: Eine schwere Verbrennung, die bei Temperaturen über 60 °C entstehen kann. Die Subcutis ist so geschädigt, dass die Haut durch ein Transplantat ersetzt werden muss. Da auch die Nerven zerstört sind, haben die Patient*innen meist keine Schmerzen.
    • Grad IV: Kommt häufig durch offenes Feuer oder Starkstrom zustande. Alle Hautschichten bis zum Fettgewebe sind zerstört; auch Nerven, Muskulatur und Knochen können beschädigt sein. Hier ist eine Wunde mit verkohlter Oberfläche zu sehen, die intensivmedizinisch betreut werden muss.8
  • Vor allem bei Verbrühungen wird die Schädigungsfläche überschätzt und die Tiefenverletzung oft unterschätzt.

Weitere Versorgung

  • Lokale Desinfektion und Kühlung
  • Verbrennungen ab Grad IIb sollten chirurgisch (Nekrosenentfernung unter sterilen Bedingungen, ggf. Spalthauttransplantationen) versorgt werden.
  • Einweisung in eine Spezialklinik bei Verbrennungen mehr als 15 % der Körperoberfläche, bei Kindern 5–8 %.
  • Bei kleineren Flächen sterile Wundauflage (z. B. Fettgaze, Schaumverband, Hydrokolloide). Die Leitlinien machen keine Empfehlung zur Art der bevorzugten Wundauflage mangels verlässlicher Daten.9
  • Silbersulfadiazin-Creme sollte bei oberflächlichen (Grad 2a) und tiefdermalen (Grad 2b) thermischen Verletzungen nicht mehr angewendet werden, da dies zu einer schlechteren Wundheilung führt.3
  • Adäquate Analgesie (NSAR, Opioide)
  • Verbrennungen an Hand oder Gesicht gehören in fachspezifische Behandlung.

 Kontaminierte Stichwunde

Umfassende Funktionsdiagnostik vor Anästhesie, besonders bei Handverletzungen

  • Beweglichkeit: Muskel-Sehnen-Beteiligung?
  • Periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität (pDMS) intakt?

Weitere Versorgung

  • Keine Naht bei kontaminierten Stichwunden (Kontraindikation!)
  • Wundreinigung und Desinfektion
  • Drainageeinlage mittels Gummilasche, wenn möglich. Lasche durchführen und belassen, bis Sekretion stark rückläufig (ca. 5 Tage).
  • Polyvidon-Jod Externa, Fettgaze, steriler Wunderband
  • Zunächst täglicher Termin zur Wundkontrolle zum Ausschluss einer Wundinfektion; ggf. Abstrich/Antibiotikatherapie

Kreissägenverletzung

  • Bei komplizierten Begleitverletzungen bzw. V. a. Sehnen-, Gelenk,-Nerven- oder Gefäßbeteiligung: Beschränkung der hausärztlichen Therapie auf Analgesie und steriles Abdecken sowie ggf. Blutstillung mittels Kompressionsverband
  • Anschließend Weiterbehandlung durch (Hand-)Chirurgie

Daumenkuppendefekt

  • Fingerkuppendefekte bis 1 cm Durchmesser: sekundäre Wundheilung
  • Größere Defekte: nur bei entsprechender Erfahrung Versorgung mittels VY-Plastik nach Versorgung in Oberst-Leitungsanästhesie
  • Ggf. Blutsperre erforderlich (z. B. Fingerblutsperre durch Gummibandkompressorium/am Oberarm mit Blutdruckmanschette)

Bissverletzung

  • Siehe die Artikel Tierbisse, Erste Hilfe und Tier- und Menschenbiss.
  • Tierbissverletzungen sind häufige Verletzungen, insbesondere bei Kindern.
    • 60–80 % durch Hunde verursacht, 20–30 % durch Katzen. Bissverletzungen durch andere Tiere sind deutlich seltener.10
    • Bissverletzungen durch Menschen können in Städten bis zu 20 % der Bissverletzungen ausmachen.
  • Das Infektionsrisiko wird zum einen von Art und Lokalisation der Wunde, zum anderen vom individuellen Patientenprofil und den Verursacher*innen geprägt.
  • Insbesondere Katzenbissverletzungen werden häufig unterschätzt: Oberflächlich sieht man nur punktförmige Verletzungen, es kommt aber meist zu einer tiefer Inokulation von Tierspeichel.
  • Wundsäuberung und -spülung; keine Druckspülungen
  • Evtl. Fremdkörper und totes Gewebe entfernen.
  • Ruhigstellung und Hochlagerung der betroffenen Extremität
  • Der Tetanusschutz sollte überprüft und ggf. ergänzt werden.
  • Täglicher Verbandwechsel, bis die Wunde trocken ist.
  • Einige Autor*innen sagen, dass eine Primärnaht grundsätzlich nicht zu empfehlen ist.11
  • Andere erwägen eine Primärnaht, wenn die Wunde weniger als 12 Stunden alt ist.
    • Verschiedene Studien zeigen, dass Wundinfektionen bei primär genähten Bisswunden nicht häufiger auftreten als bei einer Sekundärheilung.10
  • Wunden an der Hand sollten nicht primär vernäht werden.
  • Auch bei Bisswunden im Gesicht herrscht Uneinigkeit:
    • Manche fordern aus kosmetischen Gründen die Primärnaht auch noch nach 12 Stunden und legen dar, dass auch ein späterer primärer Wundverschluss nicht zu einer höheren Rate an Infektionen führt.10
    • Andere empfehlen im Gesicht die Wunde 2–3 Tage zu spülen und offen zu lassen und erst dann zu schließen, um das Risiko einer Infektion zu mindern und meinen, dass der sekundäre Wundverschluss  immer noch ein gutes
      kosmetisches Ergebnis ermöglicht.11
  • Wunden an Händen, Füßen, im Gesicht, an den Genitalien und im Bereich von Knochen, Gelenken und Sehnen sollten immer einer chirurgischen Behandlung zugeführt werden.
  • Eine Antibiotikagabe wird nicht zwingend empfohlen, ist aber sinnvoll je nach Art und Lokalisation der Verletzung und nach dem individuellen Infektionsrisiko der Patient*innen.10
    • Aminopenicillin + Betalaktamase-Inhibitor (oral, intravenös)
    • Piperacillin-Tazobactam (intravenös)
    • Carbapenem (intravenös)
    • Cefotaxim + Metronidazol
    • evtl. Cipro-/Moxifloxacin + Clindamycin (bei Penicillin-Allergie)
    • keine Monotherapie mit Flucloxacillin, Cephalosporin (1. Generation), Erythromycin, Clindamycin10
  • Abklärung des Tollwutrisikos (insbesondere bei Fledermausbissen), ggf. postexpositionelle Prophylaxe
  • Für Fluorchinolone wurden von der Europäischen Arzneimittel-Agentur Anwendungsbeschränkungen empfohlen: Besondere Vorsicht bei Älteren und bei Patienten mit Nierenfunktionseinschränkung. Keine Kombination mit Kortikosteroiden. Nicht empfohlen als Mittel der 1. Wahl zur Behandlung leichter und mittelschwerer Infektionen. 12

Phlegmone

  • Siehe Artikel Phlegmone.
  • Progrediente Wundinfektion mit Weichteilbeteiligung
  • Wunderöffnung und hoch dosierte i. v. Antibiose sind dringend indiziert –Klinikeinweisung!

Fadenfistel bei Z. n. Versorgung einer Schnittwunde

  • „Unverträglichkeit“ des resorbierbaren Nahtmaterials
  • Entfernung des subkutan liegende Nahtmaterials nach Stichinzision durch Klemmchen oder wiederholtes Spülen mittels Injektion von NaCl-Lösung mit Knopfkanüle
  • I. d. R. rasche Heilung nach Entfernung des Fremdmaterials

Nachsorge

  • Bei größeren Eingriffen Kontrolle am Folgetag zum Verbandswechsel, ggf. Hämatomentleerung
  • Weitere Kontrolle Tag 4 oder 5 zum Ausschluss von Wundschwellungen oder -infektionen
  • Siehe Tabelle Differenzierung verschiedener Formen von Wundschwellungen.
  • Bei V. a. Wundinfekt sofortige Eröffnung der Wunde durch Entfernung von 1–2 Fäden, anschließend Lascheneinlage
  • Ruhigstellung, evtl. Antibiotikatherapie (z. B. Amoxicillin/Clavulansäure, Clindamycin oder Cephalosporine der 1. oder 2. Gen.)
  • Siehe auch Artikel Postoperative Wundinfektion.
  • Weiterer Termin zur Fadenentfernung (Gesicht und Hals 2–4 Tage, Bauch 6–8 Tage, Rücken/behaarter Kopf 10–12 Tage, Gliedmaßen 12–14 Tage, Knie/Ellenbogen bis zu 3 Wochen), bei frühem Fadenzug Reduktion einer Nahtdehiszenz durch Verwendung von Steristrips
  • Siehe auch TrainAMed Wundversorgung (Uni Freiburg).

Merksätze

  • Hautdesinfektion durch Wischdesinfektion – satte Benetzung der Haut
  • Zum Wundverschluss ist i. d. R. die Einzelknopfnaht ausreichend.
  • Bei Zugbelastung die reißfestere Rückstichnaht nach Donati bevorzugen.
  • Kontaminierte Wunden (z. B. Bisswunden) sind eine Kontraindikation für einen Wundverschluss. Stattdessen durch Drainageeinlage Abfluss ermöglichen.
  • Infizierte Wunden müssen immobilisiert werden.
  • Brandwunden sollten von den Primärversorger*innen lediglich steril und trocken abgedeckt werden (keine Brandsalben, keine Gele, keine Zahnpasta, keine Spezialverbände).13
  • Bei komplizierten Verletzungen sofortige Versorgung in plastischer/handchirurgischer Spezialabteilung
  • Tetanusschutz klären, ggf. Auffrischen, ggf. passive Immunisierung, siehe Tetanus.

Video

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Thermische Verletzungen im Kindesalter (Verbrennung, Verbrühung), Behandlung. AWMF-Leitlinie Nr. 006-128. S2k, Stand 2015. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung. AWMF-Leitlinie Nr. 012-019. S3, Stand 2016. www.awmf.org
  • Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen - Update 2018. S.175ff. AWMF-Leitlinie 082-006. S2k, Stand 2017. www.awmf.de

Literatur

  1. Peter W. Verletzungen. Erstversorgung in der Hausarztpraxis. Der Allgemeinarzt, 2011; 33 (11) Seite 12-16. www.allgemeinarzt-online.de
  2. Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Mitteilungen für die Praxis: Unfallversicherung. Januar 2014. www.kbv.de
  3. Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung. AWMF-Leitlinie Nr. 012-019, Stand 2016. www.awmf.org
  4. Gesenhues S., Ziesche R.H., Breetholt A. , Prasixleitfaden Allgemeinmedizin, Elsevier München 2013 S.140ff.
  5. Schülke & Mayr GmbH: Wichtige Information zur Arzneimittelsicherheit von Octenisept: Ödematöse Schwellungen und Gewebeschädigungen nach Einbringen unter Druck in Stichwunden bei handchirurgischen Eingriffen. Rote-Hand-Brief vom 7. Februar 2008. www.akdae.de
  6. Robert Koch Institut: Wundreinigung/Trinkwasser – Können Wunden mittels Trinkwasser gereinigt werden? www.rki.de
  7. Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Thermische Verletzungen im Kindesalter (Verbrennung, Verbrühung), Behandlung. AWMF-Leitlinie Nr. 006-128. Stand 2015 www.awmf.org
  8. Antje Thiel. Verbrennungswunden: Spontanheilung oder operativer Eingriff? Dtsch Arztebl 2015; 112(24) www.aerzteblatt.de
  9. Jäger C, Reiding K, Ledig T. Herausforderung komplexe Wunde – eine Übersicht über Wundauflagen. Deutscher Ärzte-Verlag. Z Allg Med .2012; 88 (7/8) www.online-zfa.de
  10. Rothe K, Tsokos M, Handrick W: Animal and human bite wounds. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 433–43. www.aerzteblatt.de
  11. Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen - Update 2018. S.175ff. AWMF-Leitlinie 082-006. Stand 2017. www.awmf.org
  12. BfArM: Fluorchinolone: Einschränkungen in der Anwendung aufgrund von möglicherweise dauerhaften und die Lebensqualität beeinträchtigenden Nebenwirkungen 16.11.18. www.bfarm.de
  13. Thiel A, Verbrennungswunden: Spontanheilung oder operativer Eingriff? Dtsch Arztebl 2015; 112(24) www.aerzteblatt.de

Autor*innen

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Caroline Beier, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • Tobias Lumpp, Dr. med., Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

 

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