Arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie (ARVD)

Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie ist eine erbliche Herzmuskelerkrankung, die vor allem die rechte Herzkammer betrifft. In ihrem Verlauf können schwerwiegende Herzrhythmusstörungen auftreten.

Was ist ARVD?

Die Erkrankung kann zu Herzschwäche und schwerwiegenden Herzrhytmusstörungen bis hin zum plötzlichen Herztod führen. ARVD ist die Abkürzung für arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie. Die Erkrankung wird häufig auch arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC) genannt. Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie (ARVD) ist eine erbliche Herzmuskelerkrankung, die vor allem die rechte Herzkammer betrifft. Im Laufe der Erkrankung wird Muskelgewebe der rechten Herzkammer zunehmend durch eine Mischung aus Binde- und Fettgewebe ersetzt. Dieses Gewebe ist meist nicht in der Lage, sich an der Herzmuskelarbeit zu beteiligen, und verhält sich während der Herzkontraktion passiv. Der geschädigte Bereich bildet eine Ausbuchtung (ein sogenanntes Aneurysma), wenn sich das Herz zusammenzieht, um Blut aus den Herzkammern zu pumpen, und die schwache Herzwand gibt nach. Aufgrund der Schwächung vergrößert sich mit der Zeit die rechte Herzkammer. Der Austausch des Muskelgewebes kann selten auch in Bereichen der linken Herzkammer oder der Herzscheidewand (Septum) vorkommen.

Häufigkeit

Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie betrifft ca. 20–50 von 100.000 Personen. In einigen Regionen Europas (z. B. Norditalien) kommt die Erkrankung häufiger vor. Die Erkrankung kann grundsätzlich in jedem Alter auftreten, Symptome zeigen sich aber vor allem bei jungen Erwachsenen und im mittleren Alter. Das Durchschnittsalter liegt bei rund 33 Jahren. Von der Krankheit sind dreimal mehr Männer als Frauen betroffen.

Die ARVD ist die Ursache von 11 % der Fälle von plötzlichem Herztod bei jungen Erwachsenen und bis zu 23 % der Fälle bei Sportlern.

Ursache

Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie ist eine erbliche Erkrankung. Personen mit Fällen von plötzlichem Herztod oder ARVD in der Familie haben ein erhöhtes Risiko.

Die genetischen Veränderungen betreffen vor allem die Zellverbindungen. Unter mechanischem Stress (z. B. beim Leistungssport) können sich die Verbindungen zwischen den Muskelzellen im Herzen ablösen. Die Muskelzellen sterben infolge ab und werden durch Fett- und Bindegewebe ersetzt.

Die zunehmende Schwäche der Muskulatur in der rechten Herzkammer kann zu einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) führen, die sich im Laufe der Zeit verschlechtert. Darüber hinaus entstehen Veränderungen im elektrischen Reizleitungssystem des Herzens, die zu einem erhöhten Vorkommen von Herzrhythmusstörungen führen können, vor allem zu einem zu schnellen Herzschlag, der sogenannten ventrikulären Tachykardie (VT, Kammertachykardie).

Symptome

Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie tritt am häufigsten bei jungen Männern oder Männern im mittleren Alter auf. In der Frühphase der Erkrankung haben die Patienten noch keine Symptome. Erste Anzeichen für eine ARVD sind Herzklopfen, Schwindel und Ohnmachtsanfälle. Beim Fortschreiten der Krankheit können die Patienten verschiedene Symptome einer Herzschwäche aufweisen, z. B. Leistungsschwäche, Atemnot und Wassereinlagerungen (Ödeme). In manchen Fällen tritt ein Herzstillstand nach körperlicher Anstrengung auf, z. B. beim Sport. Ein plötzlicher Herztod oder Sterbefälle in jungen Jahren in der Familie legen einen Verdacht auf ARVD nahe.

Diagnose

Die Erkrankung kann sich über eine längere Zeit hinweg entwickeln, bevor Symptome auftreten. In der Frühphase ist es schwierig, eine Diagnose zu stellen. Eine Ausnahme kann sein, wenn mehrere ähnliche Fälle in der Familie vorkommen, dann ist eine arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie früh naheliegend.

Ihr Arzt fragt Sie nach Ihren Symptomen und Erkrankungen in der Familie. Er hört den Oberkörper mit dem Stethoskop ab. Bei der körperlichen Untersuchung findet der Arzt häufig keine Auffälligkeiten.

Ein Elektrokardiogramm (EKG), bei dem die Herzströme gemessen werden, kann gewisse abweichende Veränderungen aufzeigen. Mit einem Langzeit-EKG können Herzrhythmusstörungen erfasst werden.

Verschiedene Arten von bildgebenden Verfahren können verwendet werden, um Veränderungen am Herzen sichtbar zu machen. Mit einer speziellen Ultraschalluntersuchung (Echokardiografie) und evtl. der Injektion von Kontrastmittel über einen Katheter im Arm können die Größe der Herzkammern, Ausbuchtungen (Aneurysmen) und Bereiche der Herzwand, die sich abweichend bewegen, dargestellt werden.  Eine Magnetresonanztomografie (MRT) des Herzens kann zusätzlich Einlagerungen von Fettgewebe zeigen.

Gewebeproben des Herzens sind der beste Weg, um die endgültige Diagnose sicher zu stellen. Anhand dieser Proben kann festgestellt werden, ob Muskelgewebe in der rechten Herzkammer durch eine Mischung aus Binde- und Fettgewebe ersetzt wurde. Leider ist auch dieses Verfahren nicht vollkommen aussagekräftig, weil die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die krankhaften Veränderungen nicht genau in den entnommenen Gewebeproben enthalten sind.

Therapie

Das Hauptziel der Behandlung ist, einen plötzlichen Herztod zu vermeiden. Zur Behandlung gehören Änderungen des Lebensstils, Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen, evtl. Hochfrequenzablation oder Implantation von Defibrillatoren und andere chirurgische Eingriffe.

Als erster Schritt der Behandlung wird der Patient über die Krankheit informiert. Patienten sollten starke sportliche Aktivitäten vermeiden, die zu einem schnellen Puls führen. Auf Wettkampfsport sollten Sie ganz verzichten, leichter Freizeitsport ist aber möglich. Wenn eine wirksame Kontrolle der Herzrhythmusstörungen erreicht wird, kann die körperliche Aktivität unter strenger medizinischer Überwachung erhöht werden.

Medikamentöse Behandlung

Medikamente, die zur Stabilisierung des Herzrhythmus beitragen, sind die erste und häufigste Behandlung für ARVD. Dazu gehören sogenannte Antiarrhythmika wie Amiodaron und Betablocker. Jedoch hat sich kein Medikament als voll wirksam erwiesen, um die Rhytmusstörungen zu kontrollieren oder zu beseitigen. Bei vorliegender Herzschwäche wird diese mit entsprechenden Medikamenten behandelt.

Weitere Behandlungsmöglichkeiten

Die sogenannte Radiofrequenzablation wird verwendet, wenn Medikamente schlecht gegen ständige und gefährliche Herzrhythmusstörungen wirken. Bei der Behandlung wird ein Katheter über die Leiste in das Herz eingeführt. Vom Ende des Katheters aus wird Hochfrequenzstrom gesendet, der Wärme erzeugt und erkranktes Gewebe verödet, sodass weniger Rhytmusstörungen entstehen. Die Radiofrequenzablation zielt darauf ab, elektrische Leitungsbahnen, die zu den Rhythmusstörungen beitragen, zu beseitigen. Da die Radiofrequenzablation bei einem derartigen Eingriff nicht in allen Fällen erfolgreich ist, müssen einige Patienten die Behandlung wiederholen.

Ein Defibrillator (ICD) kann unter die Haut implantiert werden. Er verfügt über Leitungen, die zum Herzen laufen. Der Defibrillator überwacht das Herz und bei schweren Rhythmusstörungen kann er durch eine Schrittmacher-Stimulation oder durch einen elektrischen Schlag die Rhythmusstörung abbrechen. Das Einsetzen eines Defibrillators wird bei Patienten mit schwerer, anhaltender ventrikulärer Tachykardie oder Kammerflimmern empfohlen. Komplikationen beim oder nach dem Einsetzen des Defibrillators sind möglich.

Prognose

Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie ist eine chronische Erkrankung, bei der der Herzmuskel zunehmend geschwächt und geschädigt wird. Die Tatsache, dass die Krankheit die Ursache für den plötzlichen Herztod bei jungen Sportlern sein kann, oder dass sie durch Zufall bei der Obduktion älterer Menschen entdeckt wird, veranschaulicht den unberechenbaren Verlauf der Krankheit. Obwohl viele Studien eine günstige Langzeitprognose bei richtig behandelten Patienten gezeigt haben, so gibt es wenige gute Langzeitstudien, die zeigen können, ob der Verlauf der ARVD beeinflusst werden kann.

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  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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