Raynaud-Syndrom

Das Raynaud-Syndrom wird auch als „Weißfingerkrankheit“ bezeichnet. Es handelt sich um eine Erkrankung mit einer zeitweiligen Durchblutungsstörung der Finger, Zehen und in selteneren Fällen auch der Ohren, Nase oder Brustwarzen.

Was ist das Raynaud-Syndrom?

Raynaud-Syndrom
Raynaud-Syndrom

Definition

Das Raynaud-Syndrom wird auch als „Weißfingerkrankheit“ bezeichnet. Es handelt sich um eine Erkrankung mit einer zeitweiligen Durchblutungsstörung der Finger, Zehen und in selteneren Fällen auch der Ohren, Nase oder Brustwarzen. Die anfallsweise Verengung der Blutgefäße wird häufig durch Kälte oder emotionalen Stress ausgelöst. 

Das Raynaud-Syndrom kann auch auf einer Grunderkrankung mit Gefäßschädigung beruhen, häufig im Rahmen von rheumatologischen Erkrankungen.

Symptome

Die Finger sind am stärksten betroffen und werden weiß und steif. Sie können sogar eine blaugraue (zyanotische) Färbung annehmen, nach einer Weile werden sie aber rot und geschwollen. Die Erkrankung kann Schmerzen, in manchen Fällen auch Kribbeln und Taubheitsgefühle verursachen. Die Anfälle halten zwischen einigen Minuten bis selten auch über Stunden an. Auch die Häufigkeit der Anfälle schwankt von wenigen Attacken im Jahr bis zu mehreren an einem Tag. Zwischen den Anfällen sind die Finger in der Regel völlig normal.

Ursachen

Die Ursache für das primäre Raynaud-Syndrom ist unbekannt. In bestimmten Fällen scheint eine erbliche Veranlagung vorzuliegen. Bei Betroffenen bestehen Veränderungen in der Blutgefäßwand und in der Konzentration bestimmter Botenstoffe. Dadurch treten vorübergehende Gefäßkrämpfe in den kleinen Arterien der Finger oder Zehen auf. Während der Anfälle zieht sich die Muskulatur um die Arterien in den Fingern oder Zehen zusammen. Das bedeutet, dass weniger Blut in diese Bereiche gelangt: Sie werden weiß und steif. Nach einer Weile öffnen sich die Blutgefäße weiter als gewöhnlich: Die betroffenen Bereiche schwellen an und werden rot. Die Anfälle können durch Kälte, Stress und emotionale Belastung ausgelöst werden. 

Das sekundäre Raynaud-Syndrom beruht auf einer zugrunde liegenden Erkrankung. Es kann als Folge entzündlicher Erkrankungen in Blutgefäßen oder im Bindegewebe, bei bestimmten Bluterkrankungen, Karpaltunnelsyndrom sowie nach Verletzungen oder Erfrierungen auftreten. Rund 80–90 % der Patient*innen mit Sklerodermie leiden am Raynaud-Syndrom. Auch bestimmte Medikamente, z. B. blutdrucksenkende Mittel (Betablocker), Mutterkornalkaloide und Zytostatika zur Krebstherapie, können ein Raynaud-Syndrom hervorrufen. Rauchen, Drogenkonsum (Kokain, Amphetamin) und die Arbeit mit Schlag-/Vibrationswerkzeugen erhöhen das Risiko, am Raynaud-Syndrom zu erkranken.

Häufigkeit

  • Das Raynaud-Syndrom ist häufig, 5–10 % der Bevölkerung in Deutschland sind betroffen. Die Erkrankung tritt häufiger bei Frauen als bei Männern auf.
  • Das primäre Raynaud-Syndrom beginnt meist im Alter zwischen 15 und 45 Jahren.
  • Die Erkrankung kommt häufiger in Nordeuropa und Ländern mit kaltem Klima vor.
  • Das sekundäre Raynaud-Syndrom beruht auf einer Grunderkrankung und macht 10–20 % der Fälle aus.

Untersuchungen

  • Die Diagnose wird anhand der Krankengeschichte und einer ärztlichen Untersuchung gestellt. Weitere Untersuchungen sind nur bei Verdacht auf ein sekundäres Raynaud-Syndrom erforderlich.
  • Für die Diagnosestellung kann es hilfreich sein, während der Anfälle Fotos zu machen.
  • Die Beschwerden können auch in einem Tagebuch protokolliert werden.
  • Die betroffenen Finger und/oder Zehen werden sorgfältig untersucht. Dabei wird insbesondere auf Hautveränderungen geachtet, die Anzeichen für eine rheumatische Grunderkrankung sein können.
  • Puls und Blutdruck werden gemessen, um die Durchblutung zu beurteilen.
  • Bei Verdacht auf eine zugrunde liegende Erkrankung können Blutuntersuchungen hilfreich sein. Dabei werden u. a. Autoantikörper bestimmt.
  • Ggf. können die Blutgefäße mit bildgebenden Verfahren genauer untersucht werden.

Behandlung

  • Ziel der Behandlung ist, Attacken vorzubeugen und Beschwerden zu lindern.
  • Beim sekundären Raynaud-Syndrom soll vor allem die Grunderkrankung behandelt werden.
  • Die meisten Patient*innen mit einem primären Raynaud-Syndrom benötigen keine spezifische Behandlung.

Medikamente

  • Die Wirkung von Medikamenten ist begrenzt, und es gibt keine Medikamente, mit denen sich die Erkrankung heilen lässt.
  • Medikamente werden nur bei hohem Leidensdruck und fehlender Besserung durch Allgemeinmaßnahmen (s. u.) empfohlen.
  • In diesen Fällen sind sog. Kalziumantagonisten das Mittel der Wahl, z. B. der Wirkstoff Nifedipin, der gefäßerweiternd wirkt. Häufige Nebenwirkungen sind niedriger Blutdruck und Wassereinlagerungen (Ödeme).

Operation

  • Bei einem sekundären Raynaud-Syndrom kann die Durchblutung so ausgeprägt gestört sein, dass sich Wunden und Hautverletzungen bilden. Dann kann eine chirurgische Behandlung notwendig sein.
  • Wenn andere Behandlungen nicht wirken, können in schweren Fällen bei einer Operation einige Nervenfasern zu den betroffenen Blutgefäßen durchtrennt werden.

Was können Sie selbst tun?

  • Die wichtigste Therapiemaßnahme ist, die Finger und Zehen warm zu halten. Tragen Sie Handschuhe zum Schutz vor Kälte und Wind. Möglicherweise lassen sich die Handschuhe mit zusätzlichen Wärmequellen wie Handwärmern und ähnlichen Hilfsmitteln kombinieren.
  • Meiden Sie bekannte Auslöser (z. B. Stress).
  • Auslösende Medikamente (z. B. Betablocker) sollten möglichst umgestellt werden.
  • Tabakkonsum verringert die Durchblutung der Haut und sollte daher vermieden werden.
  • Stillende Frauen, bei denen die Brustwarzen betroffen sind, sollten in einer warmen Umgebung stillen. Halten Sie den Körper evtl. mit warmer Kleidung warm, und wärmen Sie die Brustwarzen bei beginnenden Symptomen.

Prognose

Beim primären Raynaud-Syndrom kann die Häufigkeit und Dauer der Attacken stark schwanken. Die Erkrankung ist in der Regel ungefährlich und führt nicht zu anhaltenden Schäden.

Das Raynaud-Syndrom ist in manchen Fällen das erste Anzeichen für eine Sklerodermie und kann den übrigen Symptomen um Jahre vorausgehen.

Beim sekundären Raynaud-Syndrom können häufige, langanhaltende Attacken zu Komplikationen wie Wunden, Hautinfektionen und Absterben von Gewebe führen.

Weitere Informationen

Autorin

  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Raynaud-Syndrom. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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