Allgemeine Informationen
- Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Artikel auf diesen Referenzen.1-2
Definition
- Die postpartale Phase beginnt 1 Stunde nach der Geburt der Plazenta und dauert normalerweise 6 Wochen.
- Während dieser Zeit stellt sich der Körper der Frau physiologisch von „schwanger“ auf „nicht schwanger“ um.
- Der medizinische Fokus in dieser Phase liegt auf der Vermeidung und ggf. Behandlung von Komplikationen, der Beratung zu den Themen Stillen, Sexualität und Verhütung.
Untersuchung der Wöchnerin
- Planung durch Hebamme und gynäkologische Praxis.; ggf. unter hausärztlicher Mitwirkung (z. B. bei somatischen Vorerkrankungen)
- Innerhalb der ersten Woche nach der Entbindung
- klinische Untersuchung
- Hämoglobin bestimmen.
- 6 Wochen, spätestens jedoch 8 Wochen nach der Entbindung
- Allgemeinuntersuchung (falls erforderlich einschließlich Hb-Bestimmung)
- gynäkologische Untersuchung
- Blutdruckmessung
- Untersuchung des Mittelstrahlurins auf Eiweiß, Zucker, bakteriologische Untersuchungen (z. B. bei auffälligen Symptomen, rezidivierenden Harnwegsinfektionen in der Anamnese, Z. n. Frühgeburt, erhöhtem Risiko für Infektionen der ableitenden Harnwege)
- Dabei ist besonders auf Folgendes zu achten:
- Hinweise auf Infektionen
- Schmerzen
- vaginaler Ausfluss oder Blutungen
- Blasen- und Mastfarmfunktion
- Mamillenbeschwerden und -symptome
- Thromboemboliezeichen
- Anämiezeichen
- Präeklampsiezeichen
- nach vaginaler Geburt: perineale Heilung
- nach Sectio: Wundheilung/Infektionszeichen
ICPC-2
- W99 Störungen bei Schwangerschaft/Entbindung, sonstige3
ICD-10
- Nach ICD-10-GM 20224
- Z39 Postpartale Betreuung und Untersuchung der Mutter
- Z39.0 Betreuung und Untersuchung der Mutter unmittelbar nach einer Entbindung
- Z39.1 Betreuung und Untersuchung der stillenden Mutter
- Z39.2 Routinemäßige postpartale Nachuntersuchung der Mutter
- Z39 Postpartale Betreuung und Untersuchung der Mutter
Komplikationen
- Postpartale Blutung
- Kann als Notfall unmittelbar nach der Geburt auftreten.
- Frauen mit starken, anhaltenden Blutungen sollten auf Komplikationen, z. B. Plazentarest, untersucht werden.
- Neben der gynäkologischen Untersuchung sind dabei auch Gerinnungstests von Bedeutung, z. B. auf disseminierte intravasale Gerinnung oder Willebrand-Syndrom (Willebrand-Faktor). Näheres zur Labordiagnostik siehe dort.
- Postpartale Endometritis5
- Tritt nach 1–3 % aller vaginalen Geburten auf.
- Harninkontinenz
- Ist postpartal vorübergehend relativ häufig; die Prävalenz rangiert je nach Studie bei 3–24 % im ersten Jahr nach der Geburt.
- Begünstigende Faktoren sind:
- Übergewicht
- Parität
- Harninkontinenz während der Schwangerschaft
- Rauchen
- langes Stillen
- vaginale Entbindung/Forcepsentbindung
- Stuhlinkontinenz
- Prophylaxe nach Dammriss Grad III und IV6
- gynäkologische oder koloproktologische Nachuntersuchung nach etwa 3 Monaten
- Physiotherapie zur Kräftigung des Beckenbodens
- ggf. Überweisung an ein spezialisiertes Zentrum
- Prophylaxe nach Dammriss Grad III und IV6
- Harnwegsinfekt
- Schilddrüsenstörungen
- Treten bei 4–7 % im Laufe des ersten Jahres post partum auf.
- Die Inzidenz ist 2–5 Monate postpartal am höchsten.
- Sowohl Hypothyreosen als auch Hyperthyreosen sind möglich.
- 25 % der Frauen mit einer postpartalen Hypothyreose entwickeln eine chronische Hypothyreose.
Stillen
- Das Stillen reduziert für den Säugling das Risiko gastrointestinaler Infekte und aktopischer Exzeme.
- Es reduziert zwar die Wahrscheinlichkeit einer Empfängnis, kann aber nicht als sichere Kontrazeptionsmethode angesehen werden.7 Näheres siehe Abschnitt Sexualität und Verhütung.
- Maßnahmen gegen entzündete, schmerzhafte oder blutende Mamillen
- vorbeugend
- Anleitungen zur richtigen Stilltechnik
- möglichst vollständige Entleerung der Brüste
- lindernd (Wirksamkeit nicht stringent durch kontrollierte Studien belegt8)
- lokale Anwendung von Muttermilch auf den Brustwarzen
- topische Anwendung von Lanolin
- Wärme unmittelbar vor, Kühlen nach dem Stillen
- zur Schmerzlinderung ggf. Paracetamol (Höchstdosis: 4 × 1 g/d) oder Ibuprofen 3 × 500–800 mg/d
- vorbeugend
- Eine Mastitis, die sich nicht innerhalb von maximal 48 Stunden durch konservative Maßnahmen bessert, erfordert eine Antibiose (Näheres siehe Artikel Mastitis puerperalis).
Postpartale Depression
- Siehe Artikel Schwangerschafts- und Wochenbettdepression.
- Kommt in ca. 10–15 % der Fälle vor; das Risiko bei Frauen, die bereits früher eine postpartale Depression hatten, beträgt etwa 25 %.
- Setzt in den ersten 4 Wochen (3 Monaten?) nach der Geburt ein und dauert unbehandelt ca. 7 Monate.
- Psychotherapie als Behandlung der 1. Wahl
- Ggf. zusätzlich Pharmakotherapie
Differenzialdiagnosen
- Postpartale Niedergeschlagenheit (Baby Blues)
- 40–80 % aller Frauen, die kürzlich entbunden haben, fühlen sich in der ersten Woche nach der Geburt niedergeschlagen und emotional instabil, was sich jedoch meist nach ca. 10 Tagen bessert.
- Eine derartige Niedergeschlagenheit wird als physiologisch bedingt erklärt, ausgelöst durch hormonelle Änderungen und verstärkt durch Schlafmangel, Ernährungsschwierigkeiten und Stress in Verbindung mit der Geburt und dem Neugeborenen.
- Postpartale Psychose
- Tritt häufig in den ersten zwei Wochen post partum zumeist in Form eines manischen, unruhiges Verhaltens auf.
- Eine frühzeitige Überweisung zur psychiatrischen Behandlung ist wichtig (Cave: hohes Risiko für Infantizid und Suizid!).
- Die Psychose ist in der Regel eine Manifestation einer bipolaren affektiven Störung; diese Frauen haben ein erhöhtes Rezidivrisiko bei späteren Schwangerschaften und belastenden Lebensereignissen.
- Hypothyreose
- Hyperthyreose
Sexualität und Verhütung
- Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der Abschnitt auf diesen Referenzen.9-11
- Libido
- Kann nach der Geburt vorübergehend vermindert sein. Dabei scheinen u. a. folgende Faktoren eine Rolle zu spielen:
- reduzierte Östrogenausschüttung
- Veränderungen des körperlichen Erscheinungsbilds
- Abgeschlagenheit
- Sorge vor einer erneuten Schwangerschaft.
- Kann nach der Geburt vorübergehend vermindert sein. Dabei scheinen u. a. folgende Faktoren eine Rolle zu spielen:
- Zeitpunkt
- Vaginaler Sex sollte erst wieder praktiziert werden, wenn der Wochenfluss vollständig beendet ist, d. h. in der Regel nach 4–6 Wochen.
- auf keinen Fall Sex unter Schmerzen
- Verhütung
- Als Kontrazeptiva kommen Kondome, eine kupfer- oder hormonfreisetzende Spirale oder ein Gestagenmonopräparat („Minipille“) während der Stillzeit infrage.
- Keine östrogenhaltigen Kontrazeptiva!
- Können Menge und Qualität der Muttermilch beeinträchtigen.12
- Gehen über die Milch auf das Neugeborene über.
- Erhöhen das Thromboembolierisiko.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinien
- Gemeinsamer Bundesausschuss. Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung (Mutterschafts-Richtlinien). Berlin 2022. www.g-ba.de
- Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Management von Dammrissen III. und IV. Grades nach vaginaler Geburt. AWMF-Leitlinie Nr. 015-079. S2k, Stand 2020. www.awmf.org
Literatur
- Postnatal care. London: National Institute for Health and Care Excellence (NICE); April 20, 2021. PMID: 34197057 PubMed
- Gemeinsamer Bundesausschuss. Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung (Mutterschafts-Richtlinien). Berlin 2022. www.g-ba.de
- Bhend H. ICPC – International Classification in Primary Care. Stand 28.11.2019 icpc.ch
- Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2022. Stand 17.09.2021; letzter Zugriff 31.01.2022. www.dimdi.de
- Mackeen AD, Packard RE, Ota E, Speer L. Antibiotic regimens for postpartum endometritis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, Issue 2. Art. No.: CD001067. DOI: 10.1002/14651858.CD001067.pub3. DOI
- Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Management von Dammrissen III. und IV. Grades nach vaginaler Geburt. AWMF-Leitlinie Nr. 015-079. S2k, Stand 2020. www.awmf.org
- Berufsverband der Frauenärzte (BVP) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Stillen und Empfängnisverhütung. Frauenärzte im Netz, 23.05.2018 www.frauenaerzte-im-netz.de
- Dennis C-L, Jackson K, Watson J. Interventions for treating painful nipples among breastfeeding women. Cochrane Database of Syst Rev 2014; 12: CD007366. doi:10.1002/14651858.CD007366.pub2 DOI
- Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Revised recommendations for the use of contraceptive methods during the postpartum period. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2011; 60: 878. PubMed
- Berufsverband der Frauenärzte (BVP) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Sex nach der Geburt. Frauenärzte im Netz, 23.07.2018 www.frauenaerzte-im-netz.de
- Lopez LM, Grey TW, Hiller JE, Chen M. Education for contraceptive use by women after childbirth. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, Issue 7. Art. No.: CD001863. DOI: 10.1002/14651858.CD001863.pub4. DOI
- Lopez LM, Grey TW, Stuebe AM, Chen M, Truitt ST, Gallo MF. Combined hormonal versus nonhormonal versus progestin-only contraception in lactation. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, Issue 3. Art. No.: CD003988. DOI: 10.1002/14651858.CD003988.pub2. DOI
Autor
- Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg