Morbus Bechterew

Morbus Bechterew (Spondylitis ankylosans) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung, die vor allem die Gelenke im Becken-, und Rückenbereich sowie die großen Körpergelenke befällt. Die Erkrankung ist eher von Steifheit als von Schmerzen gekennzeichnet. Das wichtigste Behandlungselement ist körperliche Betätigung.

Was ist Morbus Bechterew?

Morbus Bechterew (in der Fachsprache: Spondylitis ankylosans) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis. In erster Linie sind Rücken, Becken und Brustkorb betroffen. Schultern, Hüften und Knie können auch angegriffen werden. Viele Patienten leiden auch an Entzündungen der Sehnenansätze.

Als häufigste Beschwerden treten Steifheit und Schmerzen im Rücken auf, oft in der Lendenregion und zwischen den Schulterblättern. Bis zu 80 % der Patienten klagen über Schmerzen in der Lendengegend, entzündliche Veränderungen im Iliosakralgelenk (zwischen Kreuzbein und Darmbein) sind typisch für Morbus Bechterew. Eine Rückenversteifung tritt oft nach dem Ruhen oder morgens nach dem Schlafen auf. Nächtliche Schmerzen, die durch Bewegung gelindert werden, finden sich häufig. Schmerzperioden dauern häufig mehr als 3 Monate an. Die Rückenschmerzen können Schmerzen des Ischiasnervs gleichen, mit bis in die Beine ausstrahlenden Schmerzen. Die Schmerzen können sich auf die Brustwirbelsäule und den Brustkorb ausbreiten und zu Steifigkeit und Atembeschwerden führen. Ist der Brustkorb angegriffen, kann es zu einer Verwechslung mit durch eine Herzerkrankung ausgelösten Brustschmerzen kommen. Bei einigen Patienten entzündet sich die Regenbogenhaut des Auges und verursacht Augenschmerzen. Auch allgemeine Krankheitssymptome können auftreten.

Die Beschwerden beginnen in der Regel in einem Alter zwischen 18 und 40 Jahren. Die Erkrankung tritt bei Männern häufiger auf als bei Frauen. Etwa 0,3–1,5 % der Bevölkerung in Deutschland sind von Morbus Bechterew betroffen.

 Ursachen

Es ist wenig über die Ursachen bekannt. Erbliche Faktoren scheinen von entscheidender Bedeutung für die Krankheit zu sein. Die Krankheit kann bei genetischer Veranlagung möglicherweise durch einen unbekannten Umweltfaktor ausgelöst werden. Das Auftreten eines bestimmten Gewebetyps mit dem humanen Leukozytenantigen mit der Abkürzung HLA-B27 wird mit der Krankheit in Verbindung gebracht. Von allen Personen, die an Morbus Bechterew erkranken, weisen 90–95 % solches Gewebe auf; dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass die Krankheit ausbrechen muss. Über 90 % der Personen, bei denen HLA-B27 nachgewiesen wird, entwickeln nie Morbus Bechterew.

Morbus Bechterew tritt häufiger bei Patienten mit Psoriasis (Schuppenflechte) oder mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn auf.

Diagnostik

Ärzte stellen die Diagnose auf Grundlage der Krankengeschichte, der Befunde der ärztlichen Untersuchung und bildgebender Verfahren. Andere Ursachen für die Beschwerden sollten ausgeschlossen werden.

Eine Rückenversteifung und Schmerzen im Lendenbereich sind die Hauptsymptome. Charakteristisch sind Symptome wie ausgeprägte Steifheit und Schmerzen des Rückens am Morgen, die über den Tag abnehmen und sich bei körperlicher Betätigung bessern, anders als dies bei belastungsbedingten Rückenschmerzen der Fall ist.

Bei der Rückenuntersuchung wird oft ein gerader Lendenbereich und eine erhöhte Krümmung im oberen Rücken festgestellt. Die Beweglichkeit in der Lendenregion ist oftmals reduziert, sowohl beim Vorbeugen als auch beim seitlichen Beugen des Rückens. Der Versuch, solche Bewegungen durchzuführen, ist zudem häufig schmerzhaft. Eine Messung des Brustumfangs beim Ein- und Ausatmen zeigt in späteren Krankheitsstadien eine verminderte Beweglichkeit des Brustkorbs an.

Blutuntersuchungen können durchgeführt werden, um zu überprüfen, ob sich die Krankheit in einer aktiven Phase befindet. Der Nachweis des Gewebeantigens HLA-B27 verstärkt den Verdacht auf die Krankheit.

Die Wirbelsäule und die Gelenke zwischen Becken und Rückgrat (Iliosakralgelenk) werden geröntgt. Die Röntgenbefunde sind charakteristisch und erlauben dadurch eine sicherere Diagnose. Veränderungen im Röntgenbild zeigen sich allerdings oft erst im späteren Krankheitsverlauf. In vielen Fällen besteht ein Verdacht, lange bevor die Krankheit durch Röntgen nachgewiesen werden kann.

Magnetresonanztomografie-Untersuchungen (MRT) können frühzeitig eine Entzündung der Gelenke zwischen Rückgrat und Becken nachweisen. Eine MRT wird daher bevorzugt bei jüngeren Patienten eingesetzt, bei denen die Symptome erst seit kurzer Zeit bestehen.

Behandlung

Das Behandlungsziel ist es, die Schmerzen und Versteifungen zu verringern, Fehlstellungen zu verhindern, die Krankheitsaktivität zu vermindern und die körperliche Funktionsfähigkeit sowie allgemeine Lebensqualität der Patienten zu verbessern.

Was können Sie selbst tun?

Eigeninitiative ist sehr wichtig. Tägliche Übungen sind unerlässlich, um Versteifungen und Fehlstellungen zu verhindern. Eine heiße Dusche morgens vor der Rückengymnastik wirkt unterstützend. Schwimmen in einem beheizten Becken ist auch empfehlenswert. Bewegungsintensives Arbeiten in verschiedenen Arbeitsstellungen ist zu bevorzugen. Physiotherapie und Aufenthalte in Kurbädern können eine intensivierte Rehabilitation unterstützen. Ein Heilverfahren („Kur“) kann sowohl als Reha-Maßnahme oder als Präventivmaßnahme beantragt werden.

Wegen der erhöhten Gefahr von Lungeninfektionen und einer reduzierten Lungenkapazität ist es wichtig, das Rauchen zu unterlassen. Bei Rauchern schreitet die Erkrankung zudem stärker voran.

Medikamentöse Behandlung

Die medikamentöse Behandlung besteht hauptsächlich aus schmerzlindernden Medikamenten. Häufig werden sogenannte nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) eingesetzt. Diese wirken entzündungshemmend und schmerzstillend und unterdrücken die Krankheit bis zu einem gewissen Grad. Sie werden in der Regel abends eingenommen, um der Morgensteifigkeit entgegenzuwirken. Zur Langzeitbehandlung wird der entzündungshemmende Wirkstoff Sulfasalazin eingesetzt. Wenn die Symptome mit NSAR nicht unter Kontrolle gebracht werden, können sogenannte Biologika (z. B. TNF-Alpha-Blocker) verschrieben werden. Diese reduzieren die Aktivität des Immunsystems. Obwohl eine Reihe von neuen Medikamenten in den letzten Jahrzehnten neu entwickelt wurde, existiert noch kein Heilmittel.

Operation

Ein chirurgischer Eingriff kann bei einem stark deformierten Rücken infrage kommen. Ein Großteil der Patienten entwickelt eine Hüftgelenksarthrose und benötigt in der Folge eine Hüftprothese. 

Prognose

Morbus Bechterew ist eine chronische Krankheit, jedoch mit langen Phasen ohne Schmerzen oder andere Beschwerden. In schweren Fällen kann die Erkrankung zu einer herabgesetzten Funktion und einer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit führen.

Einige Patienten leiden an chronischen Beschwerden mit einer vollständigen Versteifung des unteren Rückens oder der Brustwirbelsäule. Die Gelenke und Organe können in unterschiedlichem Maße beteiligt sein. Entzündungen der Regenbogenhaut können wiederholt auftreten und zu Komplikationen führen. Die rheumatische Entzündung kann innere Organe befallen und unter anderem zu Schäden an den Herzklappen oder Nieren führen. Wegen der verminderten Beweglichkeit des Brustkorbs besteht eine erhöhte Anfälligkeit für Lungenentzündung. Osteoporose (Knochenschwund) und Knochenbrüche in der Wirbelsäule treten ebenfalls häufig auf.

Die meisten Patienten können jedoch dank intensivierter körperlicher Betätigung und Medikamenten ihrem Beruf nachgehen und gut mit der Krankheit leben.

Weitere Informationen

 Autoren

  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden
  • Marie-Christine Fritzsche, Ärztin, Freiburg

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit

Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew). Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

  1. Lohnstein M, Eras J, Hammerbacher C. Der Prüfungsguide Allgemeinmedizin - Aktualisierte und erweiterte 3. Auflage. Augsburg: Wißner-Verlag, 2018.
  2. Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. Axiale Spondylarthritis inklusive Morbus Bechterew und Frühformen. AWMF-Leitlinie Nr. 060-003. S3, Stand 2018. www.awmf.org
  3. Ward MM, Deodhar A, Akl EA, et al. American College of Rheumatology/Spondylitis Association of America/Spondyloarthritis Research and Treatment Network 2015 Recommendations for the Treatment of Ankylosing Spondylitis and Nonradiographic Axial Spondyloarthritis. Arthritis Rheumatol. 2015. doi: 10.1002/art.39298 DOI
  4. McVeigh CM, Cairns AP. Diagnosis and management of ankylosing spondylitis. BMJ 2006; 333: 581-5. PubMed
  5. Braun J et al. (1998). Prevalence of spondylarthropathies in HLA-B27 positive and negative blood donors. Arthritis Rheum 41(1):58–67. www.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Bakland G, Nossent HC, Gran JT. Incidence and prevalence of ankylosing spondylitis in Northern Norway. Arthritis Rheum 2005; 53: 850-5. PubMed
  7. Kataria RK, Brent LH. Spondyloarthropathies. Am Fam Physician 2004; 69: 2853-60. PubMed
  8. Brown MA. Breakthroughs in genetic studies of ankylosing spondylitis. Rheumatology (Oxford) 2008;47:132-137. academic.oup.com
  9. Kim TH, Uhm WS, Inman RD. Pathogenesis of ankylosing spondylitis and reactive arthritis. Curr Opin Rheumatol 2005; 17: 400-5. PubMed
  10. Rudwaleit M, van der Heijde D, Landewé R, et al. The development of Assessment of SpondyloArthritis international Society classification criteria for axial spondyloarthritis (part II): validation and final selection. Ann Rheum Dis 2009; 68: 777-83. doi: 10.1136/ard.2009.108233 DOI
  11. Van der Linden S, Valkenburg HA, Cats A. Evaluation of diagnostic criteria for ankylosing spondylitis: a proposal for modification of the New York criteria. Arthritis Rheum 1984; 27: 361-8. PubMed
  12. Stolwijk C, van Tubergen A, Castillo-Ortiz JD, Boonen A. Prevalence of extra-articular manifestations in patients with ankylosing spondylitis: a systematic review and meta-analysis. Ann Rheum Dis 2015; 74: 65. pmid:23999006 PubMed
  13. Karberg K, Zochling J, Sieper J, et al. Bone loss is detected more frequently in patients with ankylosing spondylitis with syndesmophytes. J Rheumatol. 2005; 32(7): 1290-8. www.ncbi.nlm.nih.gov
  14. O'Neill TW, Bresnihan B. The heart in ankylosing spondylitis. Ann Rheum Dis 1992; 51(6): 705-6. www.ncbi.nlm.nih.gov
  15. Feldtkeller E, Khan MA, van der Heijde et al. Age at disease onset and diagnosis delay in HLA-B27 negative vs. positive patients with ankylosing spondylitis. Rheumatol Int 2003; 23: 61-6. PubMed
  16. Yu W, Feng F, Dion E, Yang H, Jiang M, Genant HK. Comparison of radiography, computed tomography and magnetic resonance imaging in the detection of sacroileitis accompanying ankylosing spondylitis. Skeletal Radiol 1998; 27: 311-20. PubMed
  17. Braun J, Landewe R, Hermann KG, Han J, Yan S, Williamson P, et al. Major reduction in spinal inflammation in patients with ankylosing spondylitis after treatment with infliximab: Results of a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled magnetic resonance imaging study. Arthritis Rheum 2006; 54: 1646-52. PubMed
  18. Balint PV, Kane D, Wilson H, McInnes IB, Sturrock RD. Ultrasonography of entheseal insertions in the lower limb in spondyloarthropathy. Ann Rheum Dis 2002; 61: 905-10. PubMed
  19. Kiltz U, Rudwaleit M, Sieper J, Chenot JF et al. [German Society for Rheumatology S3 guidelines on axial spondyloarthritis including Bechterew's disease and early forms: 5 Initial diagnosis/referral strategy]. Z Rheumatol. 2014;73 Suppl 2:44-8. www.ncbi.nlm.nih.gov
  20. Dagfinrud H, Hagen KB, Kvien TK. Physiotherapy interventions for ankylosing spondylitis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2008, Issue 1. Art. No.: CD002822. DOI: 10.1002/14651858.CD002822.pub3. www.ncbi.nlm.nih.gov
  21. van den Berg R, Baraliakos X, Braun J, et al. First update of the current evidence for the management of ankylosing spondylitis with non-pharmacological treatment and non-biologic drugs: a systematic literature review for the ASAS/EULAR management recommendations in ankylosing spondylitis. Rheumatology (Oxford) 2012; 51: 1388-96. www.ncbi.nlm.nih.gov
  22. Gonca Ince, Tunay Sarpel, Behice Durgun and Seref Erdogan. Effects of a Multimodal Exercise Program for People With Ankylosing Spondylitis. Physical therapy 2006; 86: 924-935. PubMed
  23. Cairns AP, Wright SA, Taggart AJ, Coward SM, Wright GD. An open study of pulse pamidronate treatment in severe ankylosing spondylitis, and its effect on biochemical markers of bone turnover. Ann Rheum Dis 2005; 64: 338-9. PubMed
  24. Maksymowych WP, Jhangri GS, Fitzgerald AA, LeClerq S, Chiu P, Yan A, et al. A six-month randomised, controlled, double-blind, dose-response comparison of intravenous pamidronate (60 mg versus 10 mg) in the treatment of nonsteroidal anti-inflammatory drug-refractory ankylosing spondylitis. Arthritis Rheum 2002; 46: 766-73. PubMed
  25. Dagfinrud H, Mengshoel AM, Hagen KB et al. Health status in patients with ankylosing spondylitis: a comparison with the general population. Ann Rheum Dis 2004; 63: 1605-10. PubMed
  26. Haroon N. Patients with ankylosing spondylitis have increased cardiovascular and cerebrovascular mortality: A Population-based Study. Ann Intern Med 2015; 163: 409-16. doi: 10.7326/M14-2470 DOI
  27. Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e. V. Therapie-Überwachung. dgrh.de