Gelbsucht (Ikterus)

Gelbsucht beruht auf einer erhöhten Konzentration von Bilirubin im Körper. Bilirubin wird üblicherweise in der Leber verstoffwechselt und mit der Gallenflüssigkeit ausgeschieden. Eine erhöhte Bilirubinkonzentration ist die mögliche Folge verschiedener Leberkrankheiten, kann aber auch andere Krankheiten als Ursache haben.

Was ist Gelbsucht?

Gelbsucht ist eine Gelbfärbung von Haut, Schleimhäuten, dem Augenweiß, der Körperflüssigkeiten und der inneren Organe, die auf einer erhöhten Konzentration des Gallenpigments (Bilirubin) im Körper beruht. In einigen Fällen ist der Stuhl entfärbt und der Urin bräunlich. Ab einem Bilirubin-Wert im Blut von 2,5–3 mg/dl (43–51 µmol/l) ist ein Ikterus äußerlich sichtbar.

Eine Gelbfärbung der Haut kann selten auch durch andere Farbstoffe bedingt sein (Pseudoikterus): sehr hoher Verzehr von Beta-Carotin (Karotten) oder infolge von bestimmten Substanzen im Rahmen einer speziellen Untersuchung der Blutgefäße (Fluoreszenzangiografie).

Man unterscheidet je nach Ursache:

  • prähepatischer Ikterus
  • intrahepatischer Ikterus
  • posthepatischer Ikterus.

Eine andere Einteilung ist:

  • hämolytischer Ikterus
  • cholestatischer Ikterus
  • hepatischer Ikterus.

Stoffwechsel des Bilirubins

Im Körper werden kontinuierlich rote Blutkörperchen (Erythrozyten) produziert und abgebaut. Rote Blutkörperchen enthalten das Protein Hämoglobin, das Sauerstoff transportiert. Nach ihrer üblichen Überlebenszeit werden rote Blutkörperchen in der Milz und zum Teil in der Leber abgebaut. Hämoglobin wird in eine bestimmte Form des Gallenfarbstoffs Bilirubin umgewandelt, der in der Leber aus dem Blut gefiltert, dort in eine spezielle Form des Bilirubins überführt und mit der Galle in den Darm ausgeschieden wird. Im Darm wird das Bilirubin weiter zu Pigmentstoffen abgebaut, die dem Stuhl seine braune Farbe verleihen. Ein Teil des Bilirubins wird in Form eines Abbauprodukts wieder vom Körper aufgenommen.

Was kann die Ursache sein?

Eine Gelbsucht kann grundsätzlich auf drei verschiedene Weisen entstehen:

  1. Prähepatisch
    • Ein sehr schneller starker Abbau von roten Blutkörperchen kann dazu führen, dass die Konzentration von Gallenfarbstoff im Blut so stark ansteigt, dass die Leber den Abbau nicht mehr bewältigt. Die erhöhte Menge Gallenfarbstoff im Blut verursacht die Gelbsucht.
  2. Intrahepatisch
    • Eine Lebererkrankung führt zu einer eingeschränkten Fähigkeit, Gallenfarbstoff abzubauen, was zu Gelbsucht führt.
  3. Posthepatisch
    • Auch eine Blockierung der Gallengänge, z. B. durch Gallensteine führt zu einer erhöhten Bilirubinkonzentration im Blut und damit zu Gelbsucht.

Häufige Ursachen

  • Gallensteine
    • Treten bei Patient*innen aller Altersgruppen auf; Frauen sind dreimal häufiger betroffen als Männer.
    • Episoden mit stundenlangen, anhaltenden Schmerzen sowie zusätzlich Anfälle mit intensiven Koliken, die minutenlang anhalten, sind hierbei typisch. Die Schmerzen treten in der Regel unterhalb des rechten Rippenbogens auf, evtl. strahlen sie in den Rücken oder in die rechte Schulter aus.
    • Gallensteine, die Gallengänge blockieren, führen zu Gelbsucht.
  • Virusinfektion der Leber (Hepatitis)
    • akute Entzündung in der Leber
      • Hepatitis A, Hepatitis B, Hepatitis C
      • Hepatitis A verläuft akut, Hepatitis B und C können chronische Verläufe annehmen.
    • Hepatitis A
      • Übertragung hauptsächlich über Schmierinfektionen, häufige Reiseinfektion
      • grippeähnliche Symptome vor dem Auftreten eines Ikterus, dann Oberbauchbeschwerden, Juckreiz, dunkler Urin, entfärbter Stuhl
      • Die Erkrankung heilt von allein wieder ab.
      • Eine Impfung ist möglich.
    • Hepatitis B
      • Die Übertragung erfolgt meist über ungeschützten Geschlechtsverkehr oder über Blut.
      • Bei ca. 1/3 der akut infizierten Patient*innen tritt ein Ikterus auf, 1/3 leidet nur unter unspezifischen Allgemeinsymptomen, weitere 1/3 der Betroffenen haben keine erkennbaren Beschwerden.
      • Bei ca. 10 % der Betroffenen kommt es zur Chronifizierung, im Verlauf kann es zu Leberkrebs kommen.
      • Hepatitis B ist sehr ansteckend.
      • Eine Impfung im Kindes- und Jugendalter wird empfohlen.
    • Hepatitis C
      • Eine Übertragung des Hepatitis-C-Virus erfolgt hauptsächlich durch Kontakt mit verunreinigtem Blut, v. a. durch gemeinsames Nutzen von Spritzen bei intravenösem Drogenkonsum.
      • Milde Symptome in der akuten Phase der Erkrankung, chronische Verläufe sind oft ohne Beschwerden.
      • 60–85 % der Infektionen gehen in eine chronische Form über.
      • Von diesen entwickeln 16–20 % in den nächsten 20 Jahren eine Leberzirrhose.
      • Eine Impfung gibt es nicht.
  • Leberzirrhose
    • Typische Anzeichen sind Appetitverlust, Aszites (Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle), Hautveränderungen
  • Erhöhter Abbau roter Blutkörperchen, hämolytische Krankheit
    • Erkrankungen, bei der die Lebensdauer der Erythrozyten aufgrund eines vermehrten Abbaus verkürzt ist (weniger als 120 Tage).
    • ca. 5 % aller Anämien
    • Kann auf einer Reihe zugrunde liegender Krankheiten wie Sichelzellenanämie und Thalassämie beruhen.
    • Kann auch ein Teil des Krankheitsbildes bei Autoimmunerkrankungen sein, oder eine Reaktion auf Medikamente.
    • Rote Blutkörperchen können auch rein mechanisch zerstört werden, sodass vermehrt Hämoglobin frei wird (und Bilirubin dadurch ansteigt). Eine mögliche Ursache sind künstliche Herzklappen, die die vorbeiströmenden roten Blutkörperchen schädigen.
  • Tumor
    • Ein Tumor, der die Gallenwege abdrückt; meist bei Bauchspeicheldrüsenkrebs oder gestreutem Krebs in der Leber (Lebermetastasen).
  • Akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse, Pankreatitis
    • Kommt meist bei Patient*innen mit hohem Alkoholkonsum oder Gallensteinen vor.
    • Sehr starke Schmerzen im linken Oberbauch, die in den Rücken und evtl. in die linke Schulter ausstrahlen.
  • Morbus Meulengracht/Gilbert-Syndrom
    • erblich bedingte, ungefährliche Stoffwechselerkrankung
    • Kann zu leichter Gelbsucht führen, die häufig im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen oder Fasten sichtbar wird.
    • nicht behandlungsbedürftig
    • Möglicherweise bestehen Medikamentenunverträglichkeiten.
  • Neugeborenenikterus
    • Bei Neugeborenen kommt eine Gelbsucht wegen vermehrter Freisetzung von Bilirubin im Blut recht häufig vor. Sie ist in den meisten Fällen harmlos und muss nicht behandelt werden, sondern geht von selbst zurück.
    • Sind die Bilirubinspiegel sehr hoch, wird eine Therapie mit speziellem Licht angewandt, das den Abbau von Bilirubin fördert.

Seltenere Ursachen

  • Chronische Lebererkrankungen (oder Gallenwegskrankheiten)
    • primär biliäre Zirrhose
      • Zerstörung der Gallengänge der Leber durch einen Entzündungsprozess, der vermutlich autoimmun bedingt ist.
    • primär sklerosierende Cholangitis
      • Chronische Entzündung der Gallengänge, wobei diese narbig umgebaut werden; die Ursache ist unbekannt.
      • meist in Verbindung mit Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn
  • Stauungsleber bei Herzerkrankungen
  • Leberschädigung aufgrund von Medikamenteneinnahme oder Giftstoffen
    • Einnahme leberschädigender Medikamente – z. B. Paracetamol, Sulfonamide, Psychopharmaka
    • beruflicher Umgang mit Lösungsmitteln (die giftig für die Leber sind)
  • Gelbsucht während der Schwangerschaft
    • Tritt vor allem in den letzten 3 Schwangerschaftsmonaten auf.
    • Führt zu starkem Juckreiz, Rückgang normalerweise in den Wochen nach der Geburt.
    • Die meisten Formen einer Gelbsucht in der Schwangerschaft sind ungefährlich.
  • Akute Schwangerschaftsfettleber
    • Entwicklung einer akuten Fettleber und eines Multiorganversagens im letzten Schwangerschaftsdrittel
    • Therapie sind die rasche Entbindung und intensivmedizinische Maßnahmen.
  • Seltene Infektionen
    • Gelbsucht kann im Rahmen einer Malaria oder anderer Tropenkrankheiten sowie durch Parasiten wie Bilharziose verursacht werden.
  • Selten kann auch die Abheilung eines großen Blutergusses zu einer Erhöhung des Bilirubins mit Gelbsucht führen, da dabei große Mengen an Blutfarbstoff aus dem Gewebe ins Blut aufgenommen und abgebaut werden.

Wann sollten Sie ärztliche Hilfe suchen?

Gelbsucht kann ein Anzeichen einer ernsthaften Erkrankung sein, daher sollten Sie zeitnah eine Ärztin/einen Arzt aufsuchen.

Untersuchungen

Anamnese

Die Ärztin/der Arzt kann Ihnen folgende Fragen stellen:

  • Seit wann leiden Sie unter den Beschwerden?
  • Haben Sie eine Farbveränderung bei Urin oder Stuhl bemerkt?
  • Haben Sie Schmerzen? Wenn ja, sind diese kolikartig oder dauerhaft?
  • Haben Sie Fieber gehabt?
  • Waren Sie krank, bevor die Gelbsucht ausbrach?
  • Haben Sie Gewichts- oder Appetitveränderungen bemerkt?
  • Hatten Sie Durchfall?
  • Leiden Sie unter Juckreiz?
  • Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein?
  • Sind Sie vor kurzem medikamentös behandelt worden?
  • Waren Sie kürzlich in Kontakt mit leberschädigenden Substanzen?
  • Könnten Sie mit Hepatitis infiziert sein?
    • Sind Sie drogenabhängig?
    • Waren Sie in der letzten Zeit im Ausland?
    • Könnte es sein, dass Sie kontaminierte/infektiöse Speisen zu sich genommen haben?
    • Haben Sie Kontakt mit an Gelbsucht erkrankten Personen gehabt?
    • Sexuelle Kontakte?
    • Haben Sie vor Kurzem eine Bluttransfusion erhalten?

Untersuchung in der Arztpraxis

Die Ärztin/der Arzt führt eine körperliche Untersuchung durch, besondere Sorgfalt liegt dabei auf der Untersuchung des Bauchs – ist die Leber oder die Gallenblase vergrößert? Ist der Bereich der Leber/Gallenblase druckschmerzhaft?

Gibt es Anzeichen für Hautveränderungen, die auf eine Lebererkrankung hindeuten (Kratzspuren wegen Juckreiz, Mundwinkeleinrisse, erweiterte kleine Blutgefäße in der Haut, gerötete Handflächen, verkürzte Sehnen der Handinnenfläche etc.)?

Weitere Untersuchungen

Blutuntersuchungen sind für eine genaue Diagnose extrem wichtig; hiermit lassen sich die Höhe der Bilirubinkonzentration, die roten Blutkörperchen, die Leberfunktion, ggf. Entzündungszeichen usw. beurteilen. Viele Hausärzt*innen können auch eine Ultraschalluntersuchung der Leber, Gallenblase und anderen Bauchorgane vornehmen, um nach Auffälligkeiten in Größe und Struktur zu fahnden.

Andere Untersuchungen können CT, ERCP (spezielle Röntgendarstellung der Gallenwege), MRT und eine Gewebeuntersuchung der Leber sein. Diese werden, falls angebracht, im Krankenhaus durchgeführt.

Bei Verdacht auf eine akute ernsthafte Erkrankung oder evtl. auch bei unklarer Diagnose werden Sie ins Krankenhaus eingewiesen.

Behandlung

Die Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Krankheit und beinhaltet daher ganz verschiedene Therapiemöglichkeiten.

Weitere Informationen

  • Ikterus – Informationen für ärztliches Personal

Autorin

  • Susanna Allahwerde, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Berlin

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Ikterus. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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