Wirbelsäulenfraktur

Die schwerwiegendsten Komplikationen bei Frakturen der Wirbelsäule sind Nervenschäden und Lähmungen. Patienten ohne neurologische Schäden haben in der Regel eine gute Prognose.

Wirbelsäule

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Die Wirbelsäule besteht aus sieben Halswirbeln, zwölf Brustwirbeln, fünf Lendenwirbeln, dem Kreuzbein und dem Steißbein. Jeder Wirbel besteht aus einem Wirbelkörper, Wirbelbogen (der Hohlraum in der Mitte enthält das Rückenmark), Dornfortsatz, der (in Richtung der Hautoberfläche) gerade herausragt und zwei auf beiden Seiten hervorragenden Querfortsätzen. Zwischen zwei benachbarten Wirbeln befindet sich jeweils eine Bandscheibe, die als Stoßdämpfer dient. Das Rückenmark verläuft im Inneren der Wirbelsäule. Es wird vom Knochengewebe und der Rückenmarksflüssigkeit – einer wasserklaren Flüssigkeit, die das Rückenmark umgibt – geschützt. Von der Wirbelsäule treten Nerven aus, die die Nervenversorgung des Körpers unterhalb des Kopfes ausführen. Die Nerven entspringen paarweise auf jeder Ebene der Wirbelsäule, einer rechts und einer links.

Frakturen der Wirbelsäule

Schmerzen im Rücken nach einer Rückenverletzung lassen eine Fraktur der Wirbelsäule vermuten und sollten als solche behandelt werden, bis die Diagnose klar ist.

Wenn die Knochen nicht mehr ausreichend stabil sind (z.B. Osteoporose), können Wirbelkörperfrakturen  auch bei geringer oder fehlender äußerer Gewalteinwirkung auftreten, z. B. Husten, Rumpfbeugen oder Heben.

Bei oder nach einer Krebserkrankung kann es wegen Metastasen in den Knochen zu einer sogenannten pathologischen Fraktur der Wirbelkörper kommen.

Wirbelsäulenfrakturen sind keine Seltenheit. Eine Fraktur im unteren Teil des Rückens ist am häufigsten. Frakturen der Halswirbelsäule sind hingegen häufiger mit Verletzungen des Rückenmarks verbunden.

Da Unfälle die häufigste Ursache sind, treten Wirbelsäulenfrakturen besonders bei jungen Erwachsenen unter 30 Jahren auf. In Deutschland ist pro Jahr mit 10.000 schwerwiegenden Wirbelsäulenverletzungen zu rechnen, die sich auf 2.000 Fälle an der HWS und 8.000 Fälle an der BWS und LWS verteilen. Traumatische Querschnittläsionen kommen in Deutschland jährlich bei 20 Fällen pro 1 Mio Einwohner vor.

In Deutschland erleidet ungefähr jede 3. Frau und jeder 5. Mann über 50 im Laufe des weiteren Lebens eine osteoporotische Wirbelsinterung.

Einteilung von Frakturen der Wirbelsäule

Frakturen der Wirbelsäule werden in stabile und instabile Verletzungen eingeteilt. Stabile Verletzungen sind Frakturen ohne Auswirkungen auf das Nervengewebe und ohne Gefährdung der Nerven. Instabile Verletzungen sind Frakturen, die durch eine Schädigung des Nervengewebes bzw. eine drohende Schädigung geprägt sind. (Siehe separate Beschreibung von Rückenmarksverletzungen.)

Es können verschiedene Arten von Frakturen auftreten:

  • Kompressionsfraktur
    • Der Wirbel wurde in Längsrichtung zusammengedrückt. Dieser Typ von Fraktur kommt häufig bei Osteoporose vor und stellt in der Regel eine stabile Fraktur dar.
  • Abriss eines Querfortsatzes
    • Dies wird oft durch einen plötzlichen starken Zug an einem Muskelansatz verursacht. Obwohl solche Frakturen harmlos zu sein scheinen, können sie schwere Blutungen verursachen.
  • Abriss eines Dornfortsatzes
    • Dieser entsteht im Allgemeinen nach direkten Schlägen gegen den Rücken oder als Folge einer starken Biegung und Rotation. Er führt in der Regel nicht zu Nervenschäden.
  • Fraktur des Wirbelbogens: Sie beinhaltet das Risiko von Verletzungen des Rückenmarks.

Rückenmarksbeteiligung und Nervenschäden durch Frakturen der Wirbelsäule

Das Ausmaß der Lähmung bei einer Fraktur im Nacken hängt von der Höhe des geschädigten Wirbels ab. Hohe Schäden führen zu Lähmungen der Arme und Beine. Bei tiefer sitzenden Verletzungen können Funktionen der Arme teilweise beibehalten werden.

Frakturen im Übergang zwischen der Brustwirbelsäule und der Lendenwirbelsäule können sowohl zu Verletzungen der Nervenwurzeln als auch des Rückenmarks führen. Die Folgen sind Lähmungen von der Taille abwärts und der Kontrollverlust über Darm und Blase.

Bei etwas tiefer liegenden Verletzungen kann eine gewisse Beweglichkeit in den Hüften und Knien beibehalten werden, gleichzeitig setzt jedoch ein Verlust der Kontrolle über Darm und Blase ein.

Eine Fraktur im Lendenwirbelbereich kann kleinere Lähmungen verursachen und zu einem Verlust der Kontrolle über Darm und Blase führen.

Diagnose

Der genaue Verletzungsmechanismus ist wichtig. Die Betroffenen klagen über starke Schmerzen im Rücken, Bewegungseinschränkungen, unter Umständen Gefühlsstörungen, Lähmungen oder sogar Blasen- oder Darmstörungen.  Bei Schmerzen im Rücken nach einer schweren Verletzung  sollten zunächst Frakturen der Wirbelsäule vermutet werden und bis zum Beweis des gegenteils als solche behandelt werden. Dies bedeutet, dass die verletzte Person vor einem Transport stabilisiert werden muss. Man sollte den Verletzten möglichst nicht drehen, wenden oder bewegen! Alle Bewegungen des Halses und des Rückens sind zu vermeiden.

Im Krankenhaus erfolgt eine gründliche körperliche Untersuchung. Dort wird die Wirbelsäule auf Anzeichen von Schäden, Schiefständen und Schmerzempfindlichkeit untersucht und abgetastet. Treten Lähmungen oder sensorische Ausfälle auf? Sind die Reflexe normal? Ist der rektale Schließmuskel normal zusammengezogen? Der spinale Schock ist ein Zustand mit teilweise vorhandenen oder vollständigen Lähmungen nach einer Verletzung, bei dem die Funktionen innerhalb von 24–48 Stunden wiederhergestellt werden. Der Zustand kann mit Blutdruckabfall, langsamem Puls und Flüssigkeitsansammlung in den Atemwegen verbunden sein. Zuerst kommt die Sensibilität zurück, dann die Beweglichkeit und schließlich die Reflexe.

Röntgenuntersuchungen können die Diagnose bestätigen. Eine Computertomografie kann ein genaueres Bild der Knochenstrukturen ergeben. Eine Magnetresonanztomografie wird durchgeführt, um eine bessere Abbildungen des Rückenmarks und der Bänder zu erhalten.

Ggf. kommt eine Kontrastmitteldarstellung des Rückenmarks (Myelographie) zum Einsatz.

Bei osteoporotischen Frakturen sollte eine Knochendichtemessung erfolgen.

Therapie

Stabile Verletzungen können meist konservativ behandelt werden, hier ist die Schmerzlinderung das wichtigste Ziel. Bei instabilen Verletzungen wird häufig eine Operation erwogen, um bleibende neurologische Schäden zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten. Die Operation sollte möglichst frühzeitig erfolgen.

Konservative Therapie

Schmerzlinderung mit Medikamenten. Bettruhe kann in den ersten Tagen erforderlich sein, die Immobilisationsphase sollte so kurz wie möglich sein. Eine Behandlung mit einem orthopädischen Mieder kann hilfreich sein. Frühfunktionelle Mobilisation und regelmäßige Kontrollen sind wichtig. 

Bei Osteoporose kann eine Langzeitbehandlung erforderlich sein.

Operative Behandlung

Bei instabilen Verletzungen wird eine Operation erwogen. Man versucht dabei, die Fraktur zu stabilisieren. Dies erfolgt üblicherweise durch Verschrauben der Wirbel oberhalb und unterhalb der Bruchstelle. In anderen Fällen wird Knochengewebe entfernt, das auf das Rückenmark drücken kann (Dekompression). In manchen Fällen müssen Knochenstücke, die in den Wirbelkanal verschoben wurden, entfernt oder an die richtige Stelle gesetzt werden. 

Die schwerwiegendsten Komplikationen sind Nervenschäden und Lähmungen. In manchen Fällen können außerdem schwere Blutungen auftreten. Patienten mit Rückenmarksverletzungen können dauerhafte Lähmungen erleiden, und das Ausmaß hängt in erster Linie davon ab, wie weit oben an der Wirbelsäule die Verletzung vorliegt. Patienten ohne neurologische Schäden haben in der Regel eine gute Prognose.

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  • Marie-Christine Fritzsche, Ärztin, Freiburg

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Wirbelsäulenfraktur. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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