Allgemeine Informationen
Definition
- Eine Schwellung am Hals kann bei Kindern viele verschiedene Ursachen haben.1
- Meist kommt es im Rahmen von Infekten zu Lymphknotenschwellungen, die nach einer Weile von selbst wieder abklingen.
- Eine Schwellung am Hals kann aber auch zu einer lebensbedrohlichen Komplikation werden oder Ausdruck einer ernsthaften Erkrankung sein.
Häufigkeit
- Bei Kindern kommt es im Rahmen von Infekten sehr häufig zu Lymphknotenschwellungen.2
- Hämangiome sind die häufigsten Tumoren im Kindesalter.3
- Ca. 6 % aller Malignome bei Kindern unter 15 Jahren sind Non-Hodgkin-Lymphome.4
Diagnostische Überlegungen
- Derartige Schwellungen lassen sich unterteilen in:
- angeborenen Veränderungen
- Infektionskrankheiten
- maligne Erkrankungen1
- Diagnostische Hinweise geben Begleitsymptome wie z. B. Schmerz, Fieber, Gewichtsverlust, Heiserkeit, Atembeschwerden oder Schluckbeschwerden.
ICPC-2
- R21 Hals-/Rachensymptome/-beschwerd.
ICD-10
- R22 Lokalisierte Schwellung, Raumforderung und Knoten der Haut und der Unterhaut
- R22.1 Lokalisierte Schwellung, Raumforderung und Knoten der Haut und der Unterhaut am Hals
Differenzialdiagnosen
Angeborene Ursachen
- Mediane und laterale Halszyste
- Dermoidzyste
- Atherome
- Lipom
- Gefäßanomalien
- Fehlbildungen des Lymphsystems (Hygroma colli)5
Lymphadenopathie
- Siehe Artikel Lymphadenopathie bei Kindern.
- Schwellungen am Hals sind am häufigsten durch geschwollene Lymphknoten verursacht.
- Bei etwa 90 % der Kinder zwischen 4 und 8 Jahren sind Halslymphknoten palpabel.6
- Kennzeichen für alterstypische Lymphknoten beim Kleinkind und im frühen Schulkindalter7
- Größe: < 1 cm (Kieferwinkel < 1,5–2 cm, gelegentlich auch darüber)
- meist weiche elastische, verschiebliche Lymphknoten
- meist keine Schmerzen
- keine Entzündungsreaktion
- typische Lokalisationen (zervikal und/oder inguinal)
- Hinweise auf infektiöse Ursachen einer Lymphknotenschwellung
- lokale Eintrittspforten (Zahnstatus, Tonsillen, Kratzspuren bei allergischem Exanthem, andere offene Hautstellen)
- Hinweise auf eine Kinderkrankheit (z. B. Röteln)
- Schmerzen
- lokales Erythem
- Meist sind dies schmerzhaft vergrößerte Lymphknoten als Reaktion auf eine Infektion oder Entzündung.7
- Die entzündliche Lymphadenopathie ist selbstlimitierend und geht normalerweise innerhalb weniger Wochen von allein zurück.
- Sowohl eine bakterielle Tonsillitis als auch eine virale Infektion (z. B. EBV-Infektion) können zu Schwellungen in der Halsregion führen.7
- Führendes Symptom können Halsschmerzen sein.
- Eine akute Tonsillitis führt fast immer zu zervikalen, schmerzhaften Lymphknotenschwellungen.
- Odontogene Infektionen mit Ausbreitungstendenz können zu einer Schwellung am Hals und zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen.8
- Weitere mögliche Infektionserkrankungen siehe Artikel Lymphadenopathie bei Erwachsenen.
- Beim Kawasaki-Syndrom sind geschwollene Lymphknoten am Hals ein Leitsymptom, dazu kommen hohes Fieber über 5 Tage, Konjunktivitis, Stomatitis, Palmar- und Plantarerythem oder ein polymorphes Exanthem.
- Auch eine HIV–Infektion, Sarkoidose, Tuberkulose oder Toxoplasmose sollten differentialdiagnostisch bedacht werden.
- Ebenso können maligne Prozesse zu einer Lymphadenopathie führen
Sialadenitis
- Eine Entzündung der Speicheldrüsen, im Kindesalter meist akut durch bakterielle oder virale Infektionen, kann zu einer Schwellung im betroffenen Areal führen.
- Virale Erreger können das Epstein-Barr-Virus, das Herpes-Virus B6 oder das Mumps-Virus sein.
- Gerade bei Kindern sollte eine obstruktive Sialadenitis als Differenzialdiagnose beim Verdacht auf eine juvenile Sialadenitis ausgeschlossen werden, hier kann eine Sialendoskopie hilfreich sein.9
Trauma
- Bei Halsschwellungen nach einem Trauma liegen oftmals eine typische Anamnese und eindeutige klinische Befunde vor.
- Hämatom
- Selbst wenn neugebildete oder organisierte Hämatome sich normalerweise zurückbilden, kann aufgrund einer Fibrose ein fester Knoten zurückbleiben.
Schilddrüsenerkrankungen
- Auch Schilddrüsenerkrankungen können zu einer Schwellung am vorderen Hals führen.10
- Bei einer Struma kommt es zu einer Größenvermehrung der Schilddrüse, manchmal kommen Schluckbeschwerden dazu.
Hauttumoren
- Bei 1–2 % aller bei Säuglingen und Kindern exzidierten Hauttumoren handelt es sich um maligne Tumoren. Hierzu gehören u. a.:
- Fibrosarkom
- Rhabdomyosarkom
Angiosarkom - Neuroblastom
- maligner peripherer Nervenscheidentumor
- kutanes T-Zell- und andere Lymphome
- Als gutartige Tumoren können z. B. Lipome, Fibrome oder Neurofibrome vorkommen.
- Der häufigste gutartige Tumor ist das infantile Hämangiom, das sich in der Regel postnatal in den ersten Lebenswochen bildet und häufig an Kopf oder Hals vorkommt.10
Maligne Tumoren
- Maligne Tumoren im Bereich des Halses sind auch bei Kindern nicht ungewöhnlich.11
- Dabei kann es sich sowohl um einen Primärtumor als auch um Metastasen eines in den oberen Atemwegen, dem Verdauungstrakt oder weiter entfernten Regionen befindlichen Tumors handeln.
Primärtumoren
- Schilddrüsenkarzinome, Speicheldrüsenkarzinome, Lymphome (Non-Hodgkin, Hodgkin) und Sarkome sind Beispiele für Primärtumoren.1
Anamnese
- Alter der Patient*innen
- Größe und Dauer der Schwellung
- Frühere Erkrankungen
- Vorausgegangene Expositionen
- Tiere
- Zeckenstich
- Kontakt mit kranken Kindern
- Kontakt mit Personen, die an Tuberkulose leiden.
- Reisen ins Ausland
- Medikamente
- Begleitsymptome wie Hautveränderungen, Fieber, Schluckbeschwerden, Gewichtsabnahme oder Schmerzen
- Durch Anschwellen der Atemwege ist Atemnot möglich.
Klinische Untersuchung
- Inspektion
- Die Lokalisation der Schwellung weist häufig auf die Ursache hin.
- Die Mundschleimhäute, der Rachen und die Ohren sollten mituntersucht werden.
- Palpation
- Geschwollene Lymphknoten sind bei einer akuten Infektion meist frei beweglich, weniger fest und häufig schmerzhaft.
- Als Warnzeichen bei Hauttumoren gelten rasches Wachstum, Ulzeration, Fixierung oder tiefe Lokalisation auf der Faszie, derbe Konsistenz, Größe über 3 cm und Manifestation im Neugeborenenalter.3
- Funktionseinschränkungen
- Mundöffnungseinschränkung
- Hörverlust
- Sprechstörungen
- Schluckstörungen
- Zur Untersuchung gehört eine gründliche körperliche Untersuchung, insbesondere aller Lymphknotenstationen, Haut (z. B. Café-au-lait-Flecken), Nasen-Rachen-Raum, Leber und Milz, neurologischer Status mit Hirnnerven, Pubertätsstadien nach Tanner und Erfassung der Hodengröße.4
Ergänzende Untersuchungen
Labor
- Hb, BSG, CRP, Leukozyten, evtl. FT4 und TSH
- Ggf. serologische Tests bei V. a. auf eine zugrunde liegende Infektion (HIV, Bartonellen, Toxoplasmen, Mykobakterien)
- Ggf. mikrobiologische Kultur des Sputums und/oder des Magensaftes7
- Ggf. Antibiogramm
- Ggf. immunologische Untersuchungen (Immunglobuline, ANA, ANCA, ACE [Sarkoidose])7
Sonografie
- Bei einer unklaren Schwellung ist die Sonografie gut geeignet, um Zysten von festem Gewebe zu unterscheiden.14
- Ultraschalluntersuchung des Lymphknotens möglichst mit Dopplersonografie für die Abgrenzung benigner von malignen Lymphknoten7
Röntgen-Thorax
- Bei V. a. intrathorakale oder pulmonale Erkrankung Röntgenuntersuchung des Thorax (in zwei Ebenen)
CT
- Kann zum Staging, bei V. a. Tumoren oder bei Traumen indiziert sein.
MRT
- Je nach Lokalisation und Fragestellung, besonders bei V. a. Malignom ist die MRT-Methode der Wahl.15
Angiografie
- Eine Angiografie kann bei Gefäßpathologien indiziert sein.
Szintigrafie
- Kann bei Struma und anderen Schilddrüsenerkrankungen indiziert sein.
Feinnadelzytologie/-biopsie
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.16
- Zur histologischen Absicherung, z. B. bei Schilddrüsenknoten oder Hauttumoren unklarer Dignität
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung
- Sofortige Überweisung bei Verdacht auf eine maligne Erkrankung
- Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung.
- Bei odontogenen Infektionen mit Ausbreitungstendenz soll umgehend eine chirurgische Therapie eingeleitet werden.8
Mediane und laterale Halszyste
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.8
- Siehe Artikel Mediane und laterale Halszyste.
- Die Therapie besteht in der vollständigen chirurgischen Entfernung der Fistel, ggf. nach vorheriger antibiotischer Behandlung bei Infektionen.
- Rezidive sind möglich.17
Lymphadenopathie
- Siehe Artikel Lymphadenopathie bei Kindern.
- Lymphknotenschwellungen, die nicht durch banale, meist virale
Infektionen oder für das Kindesalter typische Infektionskrankheiten erklärt werden können oder sich nicht innerhalb 4–6 Wochen (Größennormalisierung binnen 8–12 Wochen) zurückbilden, sollten abgeklärt werden.7 - Vergrößerte Lymphknoten nach einer Infektion sind ungefährlich und bilden sich spontan zurück, dabei können kleine Knötchen bestehen bleiben.
- Im Zweifelsfall ist eine probatorische Antibiotikatherapie bei V. a. Lymphadenitis colli für 7 bis max. 14 Tage indiziert, sollte jedoch bei ungenügender Wirkung vorher beendet werden.7
- Die Therapie sollte möglichst nach Antibiogramm erfolgen.
- Für die empirischen Antibiotikatherapie sollte das effektivste und verträglichste Antibiotikum angewendet werden, wie z. B. Penicillin oder Amoxicillin.8
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Röntgengesellschaft. S1-Leitlinie Radiologische Diagnostik im Kopf-Hals-Bereich. AWMF-Leitlinie Nr. 039-093. S1, Stand 2020. register.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. S2k-Leitlinie Obstruktive Sialadenitis. AWMF-Leitlinie Nr. 017-025, Stand 2019. register.awmf.org
- Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. S1-Leitlinie Weichteilsarkome. AWMF-Leitlinie Nr. 025-007, Stand 2017. register.awmf.org
- Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. S1-Leitlinie Non-Hodgkin-Lymphome im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 025–013, Stand 2023. register.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. S3-Leitlinie Odontogene Infektionen. AWMF-Leitlinie Nr. 007-006, Stand 2016. register.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. S2k-Leitlinie Infantile Hämangiome im Säuglings- und Kleinkindesalter. AWMF-Leitlinie Nr. 006-100, Stand 2020. register.awmf.org
- Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. S1-Leitlinie Lymphknotenvergrößerung. AWMF-Leitlinie Nr. 025-020, Stand 2020. register.awmf.org
Literatur
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- Hamm H, Höger PH. Skin tumors in childhood. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(20): 347–53. www.aerzteblatt.de
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- Rajasekaran K, Krakovitz P (2013). Enlarged neck lymph nodes in children. Pediatr Clin North Am 60(4): 923-936 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
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- Acierno SP, Waldhausen JH. Congenital cervical cysts, sinuses and fistulae. Otolaryngol Clin North Am. 2007;40(1):161-176, vii-viii. www.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
- Bonnie Stahn, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg
- Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).