Hodgkin-Lymphom

Das Hodgkin-Lymphom, auch Morbus Hodgkin oder früher Lymphogranulomatose genannt, ist eine bösartige Erkrankung des lymphatischen Systems. Die Behandlung besteht in der Regel aus einer Kombination von Chemotherapeutika und Strahlentherapie.

 

Was ist ein Hodgkin-Lymphom?

Beim Hodgkin-Lymphom handelt es sich um eine bösartige Erkrankung (Krebs), die durch eine unkontrollierte Vermehrung von Zellen des Lymphgewebes gekennzeichnet ist. Ein Hodgkin-Lymphom kann sowohl lokal auf die Lymphknoten begrenzt sein als auch auf andere Körperregionen übergreifen. Bei der mikroskopischen Untersuchung von betroffenem Gewebe sind die sog. Hodgkin-Reed-Sternberg-Zellen (HRS-Zellen) charakteristisch. Hierbei handelt es sich um besonders große, typisch geformte Lymphzellen, die von zahlreichen reaktiven Zellen (Bystander Cells) umgeben sind. Lymphome, die solche spezifischen Zellen nicht aufweisen, werden als Non-Hodgkin-Lymphom bezeichnet.

Stadieneinteilung

Das Hodgkin-Lymphom wird in verschiedene Stadien unterteilt (Staging); je nach Stadium wird eine bestimmte Therapie empfohlen.

  • Im Stadium I ist nur eine einzige Lymphknotenregion oder eine einzige andere Lokalisation befallen.
  • Im Stadium II sind mehrere Lymphknotenregionen (oder andere Organe) auf der gleichen Seite des Zwerchfells betroffen.
  • Im Stadium III liegt ein Befall von mehreren Lymphknotenregionen (oder anderen Organen) auf beiden Seiten des Zwerchfells vor, nicht jedoch außerhalb der Lymphknoten oder der ebenfalls zum lymphatischen System zählenden Milz.
  • Im Stadium IV sind auch mehrere verschiedene Lymphknotenregionen oder andere Organe im Körper betroffen.
  • Ergänzt wird der entsprechende Krankheitsbefund – je nach Vorhandensein von Begleitsymptomen – mit A (es liegen keine Begleitsymptome vor) oder B (Begleitsymptome liegen vor: Gewichtsverlust, Fieber, Nachtschweiß).

Häufigkeit

In Deutschland erkranken jährlich 2–3 Menschen pro 100.000 Einw. an einem Hodgkin-Lymphom. Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, wobei die Häufigkeitsgipfel zwischen dem 20. und 30. sowie über dem 55. Lebensjahr liegen. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen betroffen (Verhältnis 3:2).

Ursachen

Die Ursache des Hodgkin-Lymphoms ist nicht definitiv geklärt, aber es werden eine Reihe von möglichen Einflussfaktoren diskutiert. Bei 20–40 % der Patient*innen liegt gleichzeitig eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus vor. Oftmals haben Betroffene andere Grunderkrankungen wie Autoimmunerkrankungen oder chronisch-entzündliche Erkrankungen. Auch eine HIV-Infektion, Organtransplantationen und immunsuppressive Therapien erhöhen das Risiko für ein Hodgkin-Lymphom. Andere prädisponierende Faktoren sind der soziale Status (häufiger bei höherem sozialem Status) und die Genetik. Etwa 1 % der Fälle tritt familiär gehäuft auf. Geschwister von Erkrankten haben ein 3- bis 7-fach erhöhtes Risiko.

Beim Hodgkin Lymphom kommt es zu einem unkontrollierten Wachstum veränderter Lymphzellen (Lymphozyten), die das gesunde Gewebe schrittweise verdrängen. Meistens beginnt die Erkrankung am Hals, im Mittelfellraum (Mediastinum) oder in der Leistengegend. Die Tumorzellen stammen überwiegend von B-Lymphozyten ab. Im fortgeschrittenen Stadium können sich die veränderten Zellen auf viele Regionen im Körper ausbreiten. Im Verlauf der Krankheit wird die normale Abwehrfunktion des Körpers gegenüber Viren oder Bakterien immer mehr eingeschränkt, sodass das Risiko für Infektionen steigt. Die Immunschwäche ist bei ausgedehnter Erkrankung am stärksten und normalisiert sich nach einer wirkungsvollen Therapie wieder. Außerdem kommt es im Verlauf meist zu Blutarmut.

Symptome

In den meisten Fällen äußert sich die Erkrankung im Frühstadium durch eine schmerzlose Lymphknotenvergrößerung. Festsitzende Knoten mit einer Größe von mehr als 1,5 cm gelten als verdächtig. Oftmals handelt es sich um Lymphknoten im Halsbereich (70 %), in den Achselhöhlen (30 %) oder in der Leiste (10 %). Sie werden häufig als derb oder gummiartig beschrieben. Schmerzen können dann auftreten, wenn ein großer Tumor auf das Skelett übergreift oder auf das umliegende Gewebe Druck ausübt. Auch Begleitsymptome wie Fieber, nächtliches Schwitzen, Juckreiz, unerklärlicher Gewichtsverlust und allgemeine Abgeschlagenheit können auftreten. Selten, aber typisch, ist ein Lymphknotenschmerz nach dem Konsum von Alkohol. Bei größeren Tumoren im Brustkorb kann es zu Husten, Atembeschwerden, geschwollenen Halsvenen oder Druckgefühl über der Brust kommen. Typische Beschwerden bei Befall von Bauchorganen sind Schmerzen, Gallestauung und Harnstau. Drückt der Tumor auf Nerven, verursacht er Taubheitsgefühle in Haut und Muskeln oder andere neurologische Symptome. Auch hormonelle Störungen sind möglich.

Lymphknoten Kopf und Hals
Lymphknoten Achselhöhle

Diagnostik

Anhand der Symptome kann bereits eine Verdachtsdiagnose gestellt werden. Bei der Untersuchung wird auf geschwollene Lymphknoten und Organvergrößerung von Leber und Milz geachtet. Darüber hinaus kann es zu Anzeichen einer Blutarmut, einer sogenannten Anämie, kommen. Charakteristisch dafür sind Blässe, schnelle Erschöpfung, Entzündungen in den Mundwinkeln und brüchige Nägel.

Das Erstellen eines Blutbildes gehört zu den üblichen Untersuchungsmethoden. Bei einer normalen labordiagnostischen Blutuntersuchung werden die Werte von Hämoglobin (Hb, roter Blutfarbstoff), Blutplättchen (Thrombozyten) sowie weißen und roten Blutkörperchen (Leukozyten bzw. Erythrozyten) bestimmt. Zudem wird eine Leber- und Nierenfunktionsprüfung durchgeführt. Infektionskrankheiten und eine Schwangerschaft sollten ausgeschlossen werden.

Die Diagnosestellung erfolgt anhand von Gewebeproben aus den Lymphknoten.

Durch Röntgen, CT (mit Kontrastmittel) und Ganzkörper-PET/CT wird die Ausdehnung und das Stadium des Tumors bestimmt. Bei Bedarf werden Sonografie und MRT ergänzend eingesetzt. Nur bei unklaren PET-/CT-Befunden ist eine Knochenmarkspunktion indiziert.

Weil manche Medikamente zur Therapie des Hodgkin-Lymphoms z. B. das Herz oder auch andere gesunde Organe schädigen können, wird vor Therapiebeginn die Funktion dieser Organe überprüft. Typische Untersuchungen wären z. B. ein EKG, eine Echokardiografie oder ein Lungenfunktionstest. Auch die Gonadenfunktion (Gonade = Geschlechtsdrüse) wird beurteilt und bei nicht abgeschlossener Familienplanung eine entsprechende Beratung angeboten.

Therapie

Die Therapie erfolgt im Rahmen von klinischen Studien und in Zusammenarbeit von Haus*ärztinnen sowie Fachärzt*innen der Hämatoonkologie, Pathologie, Psychoonkologie, Radiologie, Nuklearmedizin und Strahlentherapie. Weitere Fachdisziplinen sind in Abhängigkeit von Spätfolgen und Komplikationen involviert.

Je nach Stadium der Erkrankung, Alter sowie Allgemeinzustand kommen verschiedene Therapien zum Einsatz, meist eine Kombination aus Chemotherapie mit verschiedenen Wirkstoffen und Bestrahlung. Seit einigen Jahren stehen zudem gezielt wirkende Substanzen zur Therapie zur Verfügung, sog. monoklonale Antikörper. Patient*innen, bei denen der erste Behandlungszyklus nicht genügt, sind nach dem zweiten Zyklus oftmals vollständig genesen. In schweren Fällen, z. B. bei einem Rückfall, kann eine Knochenmarktransplantation sinnvoll bzw. erforderlich sein.

Um die Therapie zu unterstützen, sollten die Betroffenen nicht rauchen und sich, soweit möglich, körperlich aktiv betätigen. Da die Chemotherapie für ein ungeborenes Kind schädlich sein kann, sollten Frauen und Männer während der Behandlung doppelte Verhütungsmaßnahmen anwenden. Durch die Therapie können zudem Eierstöcke der Frau und Spermienproduktion des Mannes stark geschädigt werden. Über Möglichkeiten, Eizellen und Spermien vor Therapiebeginn für eine evtl. spätere Schwangerschaft einzufrieren, werden Sie beraten. Außerdem wird Betroffenen psychoonkolgische Beratung und Informationen zu Selbsthilfegruppen angeboten.

Prognose und Nachsorge

80–90 % der Betroffenen mit Hodgkin-Lymphom können geheilt werden. Der lymphozytenreiche Subtyp weist die günstigste, der lymphozytenarme die schlechteste Prognose auf. Ein Wiederauftreten der Erkrankung (Rezidiv) tritt am ehesten in den ersten Jahren nach Behandlung auf – selten später als 5 Jahre nach Therapieende. Frührezidive (bis 12 Monate nach Therapieende) haben eine schlechtere Prognose als Spätrezidive.

Die Erkrankungswahrscheinlichkeit für Krebserkrankungen 10 Jahre nach einem primären Hodgkin-Lymphom ist gegenüber der Allgemeinbevölkerung um etwa das Doppelte erhöht. Dies gilt insbesondere für Tumore des Magens, des Darms, der Lunge und der Brust. Infolge der Chemo- und/oder Strahlentherapie kann es auch zu Störungen der Herz-, Lungen- oder Schilddrüsenfunktion kommen. Auch die Fruchtbarkeit kann nach Therapie eingeschränkt sein.

In den ersten Jahren nach Therapieende sind engmaschige Nachsorgeuntersuchungen notwendig. Im ersten Jahr erfolgen die Kontrolluntersuchungen alle 3 Monate, bis zum 4. Jahr alle 6 Monate und anschließend jährlich. Zu der Nachsorge gehören die Anamnese, eine körperliche Untersuchung einschließlich der Brust, Blutentnahmen und ggf. CT-Untersuchungen.

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Autorin

  • Hannah Brand, Cand. med., Berlin

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Hodgkin-Lymphom. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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