Zusammenfassung
- Definition:Es handelt sich um eine bei Säuglingen auftretende Schädeldeformität, die entsteht, wenn das Kind stets eine bevorzugte Seite beim Schlafen bzw. im Liegen einnimmt.
- Häufigkeit:Tritt bei 1 von 60 Neugeborenen auf.
- Symptome:Ist asymptomatisch.
- Befunde:Bei der lagebedingten Schädelasymmetrie ist der Hinterkopf auf einer Seite abgeflacht und die Stirn auf dieser Seite nach vorne verschoben.
- Diagnostik:Weitere Untersuchungen können Röntgen oder CT des Schädels sein.
- Therapie:Bei milden Formen ist es ausreichend, dafür zu sorgen, dass das Kind nicht die ganze Zeit über mit dem Kopf auf der gleichen Seite liegt.
Allgemeine Informationen
Definition
- Andere Bezeichnungen sind Plagiozephalie (griech. schräger Schädel), schiefer Kopf, asymmetrischer Kopf, abweichende Kopfform.1
Häufigkeit
- In den 1990er Jahren kam die Empfehlung auf, dass Neugeborene und Kleinkinder auf dem Rücken schlafen sollten, um plötzlichen Kindstod (SIDS) zu verhindern.2-3 Die Inzidenz von SIDS hat sich seitdem verringert4, aber mehr Kinder entwickeln stattdessen Schädelasymmetrien mit einem flachen Hinterkopf und einem schiefen Schädel.
- Die Häufigkeit der lagebedingten Schädelasymmetrie hat sich Schätzungen zufolge verfünffacht und tritt nun bei 1 von 60 Neugeborenen auf.5-6 Früher wurde die Häufigkeit auf 1 von 300 Kindern geschätzt.
Ätiologie und Pathogenese
- Lagebedingte Schädelasymmetrie (nicht-synostotische Plagiozephalie) beruht darauf, dass der schnell wachsende Schädel des Kindes externem Druck ausgesetzt wird, wenn das Kind lange in der gleichen Position liegt.
- Während der ersten Lebensmonate des Kindes sind die Schädelknochen weich. Das Aussehen des Kopfes wird daher von der Schlafposition des Kindes beeinflusst und so lange, wie die Schädelnähte (Suturen) und die Fontanelle noch nicht zusammengewachsen sind, kann sich die Form des Kopfes noch verändern.
- Wenn das Kind ständig mit dem Kopf in der gleichen Richtung liegt, besteht die Gefahr einer ungleichmäßigen Kopfform und Anspannung der einen Seite der Nackenmuskulatur.7
- Eine abweichende Kopfform kann auch durch einen vorzeitigen Verschluss von Lambda- oder Kranznaht (synostotische Plagiozephalie) hervorgerufen werden. Diese Bedingungen sind sehr selten und treten bei 1 von 100.000 Geburten auf.
Prädisponierende Faktoren
- Rückenlage5,8
- Andere prädisponierende Faktoren für die lagebedingte Schädelasymmetrie sind Frühgeburt, Muskelhypotonie, angeborener Torticollis und Platzmangel im Uterus (z. B. Mehrlingsschwangerschaft oder Oligohydramnion).9
- Eine dänische Studie ergab als prädisponierende Faktoren:
- Rückenlage
- einseitige Halsdrehung
- einseitiges Halten des Säuglings
- männliches Geschlecht
- Kind mit langsamer motorischer Entwicklung
- eingeschränkte Beweglichkeit im Hals
- wenig Aktivität in der Bauchlage
- Erstgeborene
- Mehrlingsschwangerschaften
- Frühgeborene.
ICPC-2
- L99 Muskuloskelet. Erkrankung, andere
ICD-10
- M95 Sonstige erworbene Deformitäten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes
- M95.2 Sonstige erworbene Deformität des Kopfes
- M95.8 Sonstige näher bezeichnete erworbene Deformitäten des Muskel-Skelett-Systems
- Q67 Angeborene Muskel-Skelett-Deformitäten des Kopfes, des Gesichtes, der Wirbelsäule und des Thorax
- 67.3 Plagiozephalie
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Asymmetrischer Schädel ohne andere Grunderkrankung
Differenzialdiagnosen
- Kraniosynostose: synostotische Plagiozephalie
- Angeborener Torticollis
Anamnese
- Eine Plagiozephalie wird entweder bei der Vorsorgeuntersuchung entdeckt oder wenn Eltern die Schädelasymmetrie bemerken.
- Kinder, die auf dem Rücken mit einseitiger Kopfposition schlafen und/oder immer aus der gleichen Richtung gestillt werden.10
Klinische Untersuchung
- Klären Sie, ob eine synostotische Plagiozephalie oder eine lagebedingte Schädelasymmetrie vorliegen.11
- Palpieren Sie die Sutura lambdoidea.
- Eine palpierbare Kante weist auf Synostose hin.
- Kontrollieren Sie die Platzierung der Ohren.
- Wenn das Ohr auf der flachen Seite weiter hinten sitzt als auf der gegenüberliegenden Seite, kann das ein Zeichen für Synostose sein.
- Wenn das Ohr auf der flachen Seite weiter vorne sitzt als das gegenüberliegende Ohr, ist das ein Zeichen für lagebedingte Schädelasymmetrie.
- Beurteilen Sie die Gesichtssymmetrie.
- Vorgeschobene Stirn auf der Seite, auf der der Hinterkopf flach ist, ist ein Zeichen für lagebedingte Schädelasymmetrie.
- Einseitig kahle Stelle am Hinterkopf?
- Dies ist ein Zeichen für lagebedingte Schädelasymmetrie.
- Inspizieren Sie den Kopf von oben.
- Eine parallelogrammförmiger Kopf ist ein Zeichen für lagebedingte Schädelasymmetrie.9
Weitere Untersuchungen
- Röntgenaufnahmen sind selten indiziert, stattdessen digitale Fotos von vorne, im Profil, von hinten und von oben (sodass die Stirn sichtbar ist).
Indikationen zur Überweisung
- Bei erhöhter oder ausgeprägter Deformität an einen Kinderarzt überweisen oder Physiotherapie verschreiben.
Therapie
Therapieziel
- Der Entwicklung einer Schädelasymmetrie vermeiden.
- Die Entwicklung einer Schädelasymmetrie und Tendenz zu Torticollis einschränken.
Allgemeines zur Therapie
- Bei leichteren Formen ist es ausreichend, sicherzustellen, dass das Kind nicht ständig mit dem Kopf in der gleichen Richtung liegt. Mit Kissen o. Ä. kann man den Säugling hindern, den Kopf auf die „Lieblingsseite“ zu drehen.
- Bei Anzeichen einer angespannten Nackenmuskulatur (Verdacht auf Torticollis) sollte an einen Kinderorthopäden überwiesen und/oder Physiotherapie verordnet werden.
Frühzeitige Therapie
- Es ist wichtig, dass die lagebedingte Schädelasymmetrie frühzeitig erkannt wird, da der Schädel eines Säuglings schnell wächst.
- Wenn das Kind eine Präferenz für eine bestimmte Kopfposition entwickelt, verkürzt sich der Musculus sternocleidomastoideus auf der gleichen Seite, und Torticollis entsteht. Dies unterscheidet sich von angeborenem Torticollis, wo die Schädelasymmetrie sekundär zum Muskelschaden auftritt.
- Das Ziel der Physiotherapie ist es, die Eltern über die lagebedingte Schädelasymmetrie zu informieren und ihnen Übungen zu zeigen, um den Kopfnicker zu dehnen.
Empfehlungen für Patienten
- Den Säugling so tragen, dass der M. sternocleidomastoideus gestreckt wird.
- Darauf achten, dass das Kind in wachem Zustand so viel wie möglich auf dem Bauch liegt.
- Die Kopfposition des Säuglings beim Stillen variieren, um die Seitenpräferenz zu reduzieren.
Prävention
- Informieren Sie die Eltern über vorbeugende Maßnahmen.1
- Beurteilen Sie die Kopfform des Kindes und evtl. Gesichtsasymmetrien bei der Untersuchung 6–8 Wochen nach der Geburt und empfehlen Sie ggf. zusätzliche Maßnahmen.
- Ermutigen Sie die Eltern, das Kind bei „überwachtem“ Spielen auf den Bauch zu legen und z. B. Spielzeug vor das Kind zu legen.
- Säuglinge beginnen manchmal zu weinen, wenn sie nicht daran gewöhnt sind, auf dem Bauch zu liegen. Heben Sie daher das Kind auf, wenn es unruhig wird und bevor es beginnt zu weinen. Erhöhen Sie dann schrittweise die Zeit, in der das Kind auf dem Bauch liegt.
- Das Stillen kann von der Seite erfolgen, die der flachen Seite gegenüberliegt, um das Kind zu stimulieren, den Kopf zu drehen und den Kopfnicker zu dehnen.
- Babywippen oder Autokindersitze sollten nicht über längere Zeiträume verwendet werden, da kleine Kinder den Kopf nicht gerade halten können, sondern schnell eine Vorliebe entwickeln, den Kopf nach hinten zu beugen.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Eine Plagiozephalie entwickelt sich im Laufe der ersten Lebensmonate.
Komplikationen
Prognose
- Es besteht große Uneinigkeit über die langfristigen Folgen von lagebedingter Schädelasymmetrie2, aber es gibt keine Beweise für schwere Folgeerscheinungen.
- Die psychische Belastung als Folge der Gesichtsasymmetrie kann groß sein.
- Bei 10 % aller Säuglinge mit lagebedingter Schädelasymmetrie bleiben leichte bis schwere Gesichtsasymmetrien zurück.12
- Die Abflachung des Hinterkopfs blieb bei fast 1/3 der Kinder mit lagebedingter Schädelasymmetrie bestehen, die 2–3 Jahre weiter beobachtet wurden.10
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen

Plagiozephalie

Schädelasymmetrie
Quellen
Literatur
- Dörhage K. Klinische Bedeutung, Prophylaxe und Therapie der lagebedingten Plagiozephalie. Manualle Medizin 2010; 48: 135-140. www.kiss-kiel.de
- Biggs WS. Diagnosis and management of positional head deformity. Am Fam Physician 2003; 67: 1953-6. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Oh AK, Hoy EA, Rogers GF. Predictors of severity in deformational plagiocephaly. J Craniofac Surg. 2009; 20: 1629-1630. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Frank SJ, Covington TM. Back to sleep campaign a success. SIDS rates drop due to information, education. Mich Med 1998; 97: 22-3. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Argenta LC, David LR, Wilson JA, Bell WO. An increase in infant cranial deformity with supine sleeping position. J Craniofac Surg 1996; 7: 5-11. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Steinmann LC, Struthers SE. Nonsynostotic deformational plagiocephaly: understand, screen, and intervene. Medscape, June 17, 2014. www.medscape.com
- Turk AE, McCarthy JG, Thorne CH et al. The "back to sleep campaigne" and deformational plagiocephaly: Is there cause for concern? . J Craniofac Surg 1996; 7: 12-8. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Argenta LC, David LR. Observations and thoughts on the changing constellation of cranial deformities. J Craniofac Surg 1998; 9: 491-2. www.ncbi.nlm.nih.gov
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- Miller RI, Clarren SK. Long-term developmental outcomes in patients with deformational plagiocephaly. Pediatrics 2000; 105: 26. PubMed
Autoren
- Carl Johan Tiderius, docent och överläkare, Barnortopediska enheten, Ortopediska kliniken, Skånes universitetssjukhus
- Claus Klingenberg, överläkare, Barn- och ungdomskliniken, Universitetssjukhuset Nord-Norge, Tromsö