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DEGAM Baum 20.9.17
Zyste des Ovars
Follikelzyste
Graaf-Follikel
Corpus-luteum-Zyste
Granulosa-Theka-Luteinzyste
Syndrom polyzystischer Ovarien
PCO-Syndrom
Ovarialtumor
Endometriosezyste
Zystadenom
Brenner-Tumor
Transitionalzelltumor
Teratom
Dermoidzyste
Thekome
Sertoli-Leydig-Zell-Tumor
Zusammenfassung
Definition:Flüssigkeitsgefüllter Hohlraum des Ovars. Eine Ovarialzyste kann aus einer oder mehreren Kammern bestehen und einen serösen oder mukösen Inhalt aufweisen.
Häufigkeit:Relativ häufig, ca. 10 % prämenopausal und ca. 7 % postmenopausal.
Symptome:Meist asymptomatisch, können aber auch Drucksymptome verursachen oder zu akuten Komplikationen in Form von Ruptur, Blutung, Torsion führen.
Befunde:Können zufällig bei gynäkologischen Untersuchungen als palpierbare Raumforderung entdeckt werden.
Diagnostik:Diagnose durch Ultraschall.
Therapie:Meist zunächst abwartende Therapie. Patientinnen mit Zysten unklarer Dignität, insbesondere postmenopausale Frauen mit größeren und komplexen Zysten, werden jedoch zum Ausschluss eines Malignoms operiert.
Allgemeine Informationen
Definition
Zumeist gutartige, flüssigkeitsgefüllte Hohlräume, die von den Ovarien ausgehen.1
Häufigkeit
Screeninguntersuchungen zeigen ein Vorkommen von Ovarialzysten bei:
ca. 10 % der prämenopausalen Frauen in der Altersgruppe 45 bis 50 Jahre
Ovarialzysten können unterschiedliche Ursachen haben – von normalen physiologischen Prozessen bis zu genetischen Mutationen und malignen Tumoren.
Physiologische Zysten
Physiologische Zysten sind bis zu 3 cm groß und zyklusabhängig.4
Pathologische Zysten
Follikelzyste
Funktionelle Zyste, die eine pathologische Veränderung darstellt.
Entsteht aufgrund von ausbleibender Ruptur oder Fehlern in der Entwicklung persistierender Graaf-Follikel.5
Können einzeln oder multipel auftreten.
Sonografisch einkammrige, echoleere, glatt begrenzte Zyste von 3–8 cm, die nach der Ovulation persistiert. Der Graaf-Follikel hingegen ist kurz vor der Ovulation maximal 2,5–3 cm groß und persistiert nicht.
Follikelzysten und Corpus-luteum-Zysten sind die häufigsten Zysten des Ovars bei der geschlechtsreifen Frau. Kommen besonders häufig nach der Menarche und kurz vor der Menopause vor.
Sind mit Schmerzen und Zyklusstörungen assoziiert, da die granulosazellbedingte Östrogensekretion eine Endometriumhyperplasie bedingt, die zu Menorrhagie oder Dauerblutung führen kann.
Können bei großer Größe eine Stieldrehung begünstigen.
Spontanremission tritt auf in mehr als 90 % der Fälle.
Bei Persistenz > 3 bis 6 Monate sollten Sie eine operative Abklärung erwägen.
Rezidivgefahr ist hoch. Kann durch die Verschreibung eines oralen Ovulationshemmers gesenkt werden.
Corpus-luteum-Zysten
Haben einen Durchmesser von 4–8 cm.
Müssen vom Corpus luteum menstruationis (2–3 cm) und vom Corpus luteum graviditatis abgegrenzt werden.
Sind häufig bei der Frau in der Reproduktionsphase.
Bilden sich meist bei Blutungen in einem Gelbkörper.
Sonografisch zeigt sich eine einkammrige, glatt begrenzte, häufig eingeblutete Zyste. Durch die Einblutung sind ggf. netzartige Binnenechos darstellbar.
Die Progesteronproduktion in der Zyste kann zur Störung des Menstruationszyklus führen.
Procedere ist analog der Follikelzyste.
Granulosa-Theka-Luteinzysten
Entstehen als Folge einer hohen Choriogonadotropin-Konzentration.
Ursächlich sind die Stimulierung mit Gonadotropinen oder Clomifen (Antiöstrogen) bei Infertilität, daneben die Schwangerschaft sowie Trophoblasttumoren.6 Die Stimulationsbehandlung ist die häufigste Ursache.
Luteinzysten können bis zu 20 cm groß werden.
Das Absetzen der Hormonzufuhr eliminiert die Granulosa-Theka-Luteinzysten.
Syndrom polyzystischer Ovarien (PCO-Syndrom)
Das PCO-Syndrom (engl. Polycystic Ovary Syndrome, PCOS) ist ein Symptomkomplex aus polyzystischen Ovarien, chronischen Zyklusstörungen in Form von Oligo- oder Amenorrhö (aufgrund von Oligo- oder Anovulation), Virilisierung (bedingt durch zu hohen Androgenspiegel).
Per definitionem müssen nicht alle Kriterien gleichzeitig vorliegen.
Typisches sonografisches Bild polyzystischer Ovarien: > 7 subkapsuläre Ovarialzysten mit einem maximalen Querschnitt von 10 mm und relative Zunahme des Ovarialstromas.
Zysten mit endometriumartigen Zellverbänden in der Zystenwand
sog. „Schokoladenzysten“
neben der Endometriosezyste des Ovars ggf. weitere typische Symptome einer Endometriose
Eher keine eigenständige Rückbildung, keine Zystenruptur und keine Stieldrehung aufgrund der Dicke des Zystenbalgs und der Adhäsionen zu erwarten.
ggf. Observatio zunächst entsprechend der Beobachtung bei Follikelzysten
operative Entfernung bei Klinik und/oder Progredienz4
Zystadenome
vom Oberflächenepithel ausgehende Tumoren des Ovars
gutartig
Treten am häufigsten vom 40. bis zum 60. Lebensjahr auf.
Sind häufig asymptomatisch, ggf. Bauchumfangszunahme, abdominelle Schmerzen und Druckgefühl, Rückenschmerzen, Miktionsstörungen, Defäkationsstörungen.
Stieldrehung ist selten.
Sonografisch ein- oder mehrkammrige, echoarme zystische Tumoren. Zumeist glatte Zystenwände, papilläre Muster können aber vorkommen. Binnenechos weisen auf muzinöses Zystadenom hin.
Therapie erfolgt operativ per Laparoskopie oder – bei sehr großen Befunden – ggf. per Laparotomie.
Peri- und postmenopausal empfiehlt sich die Adnektomie.
Bei organerhaltendem Vorgehen sollte der Befund intraoperativ nicht rupturieren (bei LSK Verwendung eines Bergebeutels), und der Zystenbalg muss komplett entfernt werden.
Formen: serös, muzinös, endometroid, hellzellig
seröse Zystadenome
Machen ca. 25 % der gutartigen Ovarialtumoren aus.
Treten in 20 % aller Fälle bilateral auf.
Haben variierende Größen (können groß werden).
Muzinöse Zystadenome
Häufigster Typ: Macht 25–40 % der gutartigen Ovarialtumoren aus.
Treten am häufigsten im Alter von 30–50 Jahren auf.
Kommen in 2–5 % aller Fälle bilateral vor.
Können sehr groß werden.
Können zu Pseudomyxoma peritonei führen (ausgehend von schleimproduzierenden Zellen des Bauchfells).
Brenner-Tumor (Transitionalzelltumor)
selten
meist kleine Tumoren (ca. 2–5 cm)
Betrifft häufig Frauen > 50 Jahre.
zumeist gutartig, geringe Entartungstendenz
überwiegend asymptomatisch
sonografisch scharf abgrenzbar, echoarm, solide
operative Sanierung meist per Adnektomie
Teratome
Enthalten Anteile aller drei Keimblätter.
Reife, unreife und embryonale (zumeist maligne) Formen werden unterschieden.
Reifes zystisches Teratom (Dermoidzyste)
Ist die häufigste Form des reifen Teratoms.
Macht ca. 10–20 % der gutartigen Ovarialtumore aus.
Ist in 15 % der Fälle bilateral.
Kann jede Altersklasse betreffen.
In den Tumoren kommen unterschiedliche Gewebetypen vor: Plattenepithel, Talgdrüsen, Zähne, Haare.
Zumeist asymptomatisch, manchmal abdominelles Druckgefühl und/oder Rückenschmerzen. Stieldrehung ist möglich.
Sehr kleine (< 1 cm) bis mäßig große (> 10 cm) Varianten kommen vor.
Ist häufig Zufallsbefund i. R. der gynäkologischen Vorsorge.
Typisches sonografisches Bild: inhomogene Zyste mit echoarmen und echoreichen Strukturen.
Therapie: operative Ovarialzystenextirpation, meist per Laparoskopie.
Cave: Bei intraoperativer Ruptur der Cyste muss gut gespült werden, um einer chemischen Peritonitis vorzubeugen.
Thekome
Gehen vom Ovarialstroma aus.
Sind benigne.
Produzieren Östrogen und führen zu postmenopausalen Blutungen.
Fibrome
Gehen von den Fibroblasten des Ovarialstomas aus.
Sind nicht hormonproduzierend.
Komplikation: Meigs-Syndrom mit Aszites, Pleuraerguss und Ovarialfibrom.
Therapie: chirurgische Entfernung
Sertoli-Leydig-Zell-Tumoren (Androblastome)
Sind selten.
Sind in 90 % der Fälle benigne.
Können Androgene produzieren (70 %), die zu Virilisierung führen sowie zu einem Cushing-Syndrom (Steroidproduktion) und selten Östrogene.
Klinik: Hirsutismus und männliche Stimmlage
ICPC-2
X80 Gutartiger Tumor in den weiblichen Geschlechtsorganen IKA
ICD-10
N83 Nicht-entzündliche Beschwerden in den Eierstöcken, Eileitern und dem Ligamentum latum uteri
N83.0 Follikelzyste im Eierstock
N83.2 Andere und nicht spezifizierte Ovarialzysten
N83.9 Unspezifizierte, nicht-inflammatorische Beschwerden in den Eierstöcken, Eileitern und dem Ligamentum latum uteri
D27 Gutartiger Tumor im Ovarium
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Nachweis eines zystischen Tumors in einem oder beiden Ovarien
Größe des Tumors? Mit zunehmender Größe steigt die Malignitätswahrscheinlichkeit.
Zahl der Kammern
Solide Anteile?
Septen? Wenn ja, Dicke der Septen? Septum > 3 mm kann Hinweis auf Malignität sein.
Binnenstrukturen?
Dichte der Zystenflüssigkeit?
Aszites?
Indikationen zur Überweisung
Bei symptomatischen Zysten
Bei zufälligem Fund großer Zysten
Bei Verdacht auf bösartige Veränderungen
Bei Stieldrehung schnellstmögliche Einweisung zur operativen Therapie
Therapie
Therapieziel
Diagnose sichern.
Evtl. Zyste(n) entfernen.
Allgemeines zur Therapie
Chirurgischer Eingriff oder Beobachtung?
„Watchful Waiting“ wird zunächst empfohlen.
89 % der funktionellen Adnexbefunde sind in der Prämenopause spontan regredient, sodass ein observierendes Verhalten gerechtfertigt ist.4 Befunde > 5 cm Größe persistieren zumeist.4
Auch in der Postmenopause kann bei unilokulärem zystischem Befund und fehlenden Malignitätskriterien zwei Monate zugewartet und kontrolliert werden, da in dieser Zeit 36–40 % größenregredient sind.4
Bei persistierenden Zysten ist häufig ein chirurgischer Eingriff indiziert.
In der Prämenopause sollten die Ovarien möglichst erhalten bleiben, sodass eine Zystenausschälung, möglichst ohne intraooperative Ruptur, mit Bergung im Bergebeutel erfolgen sollte.
In der Postmenopause ist die Adnektomie sinnvoll. Die prophylaktische Adnektomie der kontalateralen Seite kann angeboten werden.4
Medikamentöse Therapie
Eine hormonelle Therapie hat keinen erwiesenen Effekt.4
Kann durch Infektion, Blutung, Torsion, Zystenruptur oder Nekrose verursacht werden.
operative Exploration erforderlich
Prämenopausale, einfache Zyste
erste Wahl: Beobachtung mit regelmäßigen Ultraschalluntersuchungen
Prämenopausal, mit komplexer oder solider Ovarialzyste
Bei Anhaltspunkten für einen gutartigen Tumor erfolgt normalerweise die Beobachtung mit regelmäßigen Ultraschalluntersuchungen.
Bestehende Zysten werden laparoskopisch entfernt.
Postmenopausale, einfache Zyste
Bei Zysten < 10 cm und mit normalem CA-125 reicht die Beobachtung mit regelmäßigen Ultraschalluntersuchungen zunächst aus.
Wächst die Zyste, sollte sie operiert werden.
Postmenopausal, mit komplexer oder solider Ovarialzyste
Die Zyste sollte laparoskopisch entfernt werden.
Schwangere mit einfacher oder komplexer Zyste
Diese Zysten bilden sich in den meisten Fällen spontan zurück und stellen kein Risiko für die Schwangerschaft dar.
Die Frau wird mit regelmäßigen Ultraschalluntersuchungen überwacht.
Sekundärbehandlung
Follikelzysten werden über den Zeitraum von einem oder zwei Zyklen beobachtet. Die meisten bilden sich spontan zurück.
Eine operative Entfernung ist nur selten notwendig.
Granulosa-Theka-Luteinzysten bilden sich nach Abschluss der künstlichen Gonadotropin-Stimulierung zurück.
Endometriosezysten erfordern eine operative Behandlung (gründliche Resektion).
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Ovarialzysten haben die Tendenz, nach der Behandlung zu rezidivieren.
Komplikationen
Drehung der Zyste, akutes Abdomen
Zystenruptur, kann akute Schmerzen verursachen.
Prognose
Die Prognose ist bei sicher gutartigen Befunden gut.
Verlaufskontrolle
Die Zysten werden mit Kontrollen überwacht.
Follikelzysten bilden sich meist spontan zurück.
Zysten können aber auch weiterwachsen.
Evtl. anhaltendes Wachstum der Zysten
Bösartige Tumoren nicht übersehen.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patientinnen informieren?
Ovarialzysten kommen häufig natürlich an den Eierstöcken vor. In einigen Fällen bilden sie sich spontan zurück. In anderen Fällen können sie Symptome verursachen und müssen operativ entfernt werden.
Zysten und gutartige Tumoren an den Eierstöcken können Symptome verursachen, wenn sie groß werden (erhöhter Bauchumfang), indem sie auf Nachbarorgane drücken (vor allem Blase oder Enddarm), indem sie Hormone produzieren oder wenn sie eine Stieldrehung des Ovars bedingen.
Die Stieldrehung mit abgeklemmter Blutzufuhr verursacht Schmerzen und kann zum Organverlust durch Nekrose führen.
Rupturierte Ovarialzysten verursachen in seltenen Fällen relevante intraabdominelle Blutungen.
Falls ein operativer Eingriff erforderlich ist, wird, soweit dies sinnvoll möglich ist, immer versucht, die Eierstöcke zu erhalten.
Hopkins MP, Randolph LK. Ovarian cysts. BestPractice, last updated Nov 05, 2013.
Bailey CL, Ueland FR, Land GL, DePriest GD et al. The malignant potential of small cystic ovarian tumours in women over 50 years of age. Gyn Oncol 1998;69:819-24. PubMed
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Autoren
Erika Baum, Prof. Dr. med., Professorin für Allgemeinmedizin, Philipps-Universität Marburg (Review)
Julia Trifyllis, Dr. med, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Münster/W.
Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
Barbro Larson, docent och specialist i gynekologi och obstetrik, Stockholm (Medibas)