Nasenpolypen

Zusammenfassung

  • Definition: Gutartige Gewebewucherungen im Zusammenhang mit einer chronischen Rhinosinusitis.
  • Häufigkeit: Die Häufigkeit beträgt etwa 5 %.
  • Symptome: Beginn in der Regel mit verstopfte Nase. Allmählich kommt es zur Mundatmung, zum Verlust des Geruchssinns, zum Schnarchen, zur nasalen Stimme und zu Kopfschmerzen.
  • Befund: Nasenpolypen sind gräuliche, häufig glatte, mehr oder weniger gestielte Wucherungen, die in der Regel mehrfach und bilateral auftreten.
  • Diagnose: Als ergänzende Untersuchungen kommen ggf. Röntgen, CT, nasale Endoskopie in Frage.
  • Therapie: Die primäre Therapie ist medikamentös und richtet sich in erster Linie nach der Ursache der Entzündung, z. B. Sanierung der Nebenhöhlen, antiallergische Behandlung. Langfristig ggf. Operation.

Allgemeine Informationen

Definition

 

  • Ein Polyp ist eine umschriebene Aufwerfung der Mukosa, die sich gestielt oder breitbasig in das Lumen einer Nasennebenhöhle oder in die Nasenhaupthöhle vorwölbt.1
  • Nasenpolypen sind gutartige Gewebewucherungen. Sie entstehen häufig infolge einer chronisch entzündeten, ödematösen Nasenschleimhaut. Abhängig von der Lokalisation und der Größe der Nasenpolypen kommt es zu Symptomen.
  • Nasenpolypen werden als Subgruppe der chronischen Rhinosinusitis betrachtet.
  • Rezidivierende Polyposis der Nase gehört zu einem Symtomenkomplex der Analgetika-Intoleranz, zusammen mit Rhinorhoe, Hyposmie und verstopfter Nase.1

Häufigkeit

  • In der Regel beidseitig. Treten bei Erwachsenen aller Altersgruppen auf, äußerst selten bei Kindern (bei Kindern mit Polypen muss eine Mukoviszidose ausgeschlossen werden).
  • Bei der Untersuchung mit einem herkömmlichen Nasenspekulum wird eine Prävalenz von 2-4% angegeben.2 Untersuchungen mit neueren Verfahren (nasale Endoskopie) weisen auf eine höhere Prävalenz hin.
  • Treten zusammen mit chronischer Rhinosinusitis auf (19–36 %).
  • Bei Asthma, Mukoviszidose und Salizylat-Unverträglichkeit ist die Prävalenz höher.3

Ätiologie und Pathogenese

  • Tritt als Teil einer chronischen Entzündung im Bereich der Nase/Nebenhöhlen auf, entweder aufgrund einer Allergie (Typ-4-Reaktion) oder durch eine bakterielle Infektion.
  • Die Polypen bestehen aus lockerem Bindegewebe, Ödemen, Entzündungszellen (vor allem Eosinophile), Drüsenzellen und Kapillaren. Sie sind mit verschiedenen Arten von Epithelien bedeckt.
  • Eosinophile Polypen
    • Machen 80–90 % der Nasenpolypen aus.
    • Treten auch im Zusammenhang mit Asthma sowie bei Acetylsalicylsäure- oder NSAR-Unverträglichkeit auf.
    • Ein Zusammenhang mit atopischer Allergie ist nicht nachgewiesen.
  • Neutrophile Polypen
    • Infektiöse Polypen, unterm Mikroskop ist Neutrophilie sichtbar.
    • Insbesondere bei chronischer Sinusitis oder Rhinitis.
    • Betrifft 10–15 % der Polyposis bei Erwachsenen
    • Bei Kindern müssen Mukoviszidose oder Kartagener-Syndrom (primäre Ziliendysfunktion) erwogen werden.

Prädisponierende Faktoren

  • Allergische Rhinitis
  • Asthma
  • Acetylsalicylsäure-Unverträglichkeit
  • Vererbung - positive Familienanamnese bei 15–52 % 4
  • Mukoviszidose
  • Kartagener-Syndrom
  • Rauchen?

ICPC-2

  • R99 Atemwegserkrankung, andere
    • Schließt Nasenpolypen ein

ICD-10

  • J33 Nasenpolyp
    • J33.0 Polyp der Nasenhöhle

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Nasenpolypen werden durch vordere Rhinoskopie/Endoskopie, ggf. durch Biopsie nachgewiesen.
  • Eine CT kann die Diagnose bestätigen und dazu beitragen, die Größe und Ausdehnung zu bestimmen.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Beginn in der Regel mit einer verstopften Nase.
    • Allmählich kommt es zur Mundatmung, zum Verlust des Geruchssinns, zum Schnarchen, zu einer nasalen Stimme und zu Kopfschmerzen.
  • Erhöhte Nasensekretion, das Sekret läuft nach hinten in den Rachen (postnasale Sekretion).
  • In der Regel bilaterale Symptome
  • Bei Erwachsenen sind Nasenpolypen häufig mit chronischer Sinusitis, Asthma und NSAR-Unverträglichkeit verbunden. Bei manchen besteht gleichzeitig eine allergische Rhinitis oder allergische Pilz-Sinusitis.5

Klinische Untersuchung

  • Große Polypen sind bei einer vorderen Rhinoskopie/Endoskopie im mittleren oder oberen Nasengang sichtbar. Sie kommen so gut wie nie im unteren Nasengang vor.
    • Große Polypen können als gräuliche und glänzende Gewebewucherungen in der Nasenhöhle und blassrot im vorderen Bereich sichtbar sein.
    • Treten häufig bilateral auf.
  • Die gestielten Polypen unterscheiden sich von Ödemen der Conchaschleimhaut dadurch, dass sie bei Berührung mit der Sonde beweglich sind.
    • Im Gegensatz zur Concha sind Polypen nicht berührungsempfindlich.

Andere Untersuchungen

  • Ggf. Biopsie und Histologie, die die Diagnose bestätigen
  • Nasale Endoskopie
  • Eine CT ist selten notwendig, kann aber Polypen sichtbar machen und ihre Ausbreitung zeigen.5
  • Röntgen und Ultraschall haben nur geringen diagnostischen Wert.
  • Ggf. Schweißtest bei Verdacht auf Mukoviszidose
  • Ggf. Allergietest
  • Ggf. Analgetika-Provokationstest6

Indikationen zur Überweisung

  • Abhängig vom Grad der Beschwerden
  • Wenn eine Operation erforderlich ist, Überweisung an den HNO-Arzt.
    • Endoskopische Nasennebenhöhlenoperation

Checkliste zur Überweisung

Nasenpolypen

  • Zweck der Überweisung
    • Diagnostik? Therapie? Sonstiges?
  • Anamnese
    • Seit wann besteht die Erkrankung? Akut oder graduell? Entwicklung? Beide Nasenlöcher?
    • Verstopfte Nase? Mundatmung? Beeinträchtigter Geruchssinn? Mukopurulente Sekretion, Nebenhöhlenentzündung?
    • Andere relevante Erkrankungen? Asthma Heuschnupfen?
    • Behandlungsversuch, Wirkung?
    • Regelmäßige oder aktuelle Medikation?
    • Erkrankungsfolgen?
  • Klinische Untersuchung
    • Eiter in der Nase? Sichtbare Nasenpolypen?
  • Ergänzende Untersuchungen
    • Ggf. Ergebnisse von Röntgen oder CT der Nase und der Nasennebenhöhlen

Therapie

Therapieziel

  • Freie Atemwege wiederherstellen
  • Den Geruchssinn normalisieren
  • Rezidivprophylaxe

Allgemeines zur Therapie

 

  • Häufig ist oder wird die operative Entfernung von Polypen erforderlich.
  • In der Zeit bis zum operativen Eingriff können lokale oder systemische Steroide die Größe der Polypen reduzieren.
  • Es gibt keine sicheren Daten, die belegen, ob eine konservative oder operative Methode besser ist.7

Empfehlungen für Patienten

  • Nikotinkarenz
  • Bei NSAR-Unverträglichkeit diese Medikamente meiden.

Medikamentöse Therapie

  • Lokale Steroidtherapie
    • Bei leichten bis mittelschweren Symptomen
    • Wegen der Nebenwirkungen wird häufig eine lokale Steroidtherapie bevorzugt, z. B:
      • Kortison in Form von Nasenspray Morgens 2 Dosen in jedes Nasenloch sprühen
      • Die Therapie sollte über drei Monate durchgeführt werden, bei guter Wirksamkeit wird die Therapie solange fortgesetzt, wie sie Wirkung zeigt.(Ia)8-9
    • Es ist wichtig, vor dem Sprühen die Nase mit Salzwasser zu spülen. 
    • Die Therapie hat sich als sicher erwiesen. Zur Reduzierung der Polypengröße und -ausbreitung weist sie eine deutlich bessere Wirkung als Placebo auf. Die Behandlung kann die Notwendigkeit einer Operation verringern oder verzögern (Ib).
    • Die Wirkung ist bei eosinophilen Polypen gut, jedoch geringer bei neutrophilen Polypen.
  • Systemische Steroidtherapie?
    • Bei ausgeprägter Polyposis ist es in manchen Fällen angezeigt, die Therapie mit einer systemischen Steroidtherapie einzuleiten.
    • Bsp.: Prednisolon®-Tabletten 20 mg. Tägl. 1 Tablette über 1–2 Wochen
    • Studien haben ergeben, dass sich die nasale Luftpassage nach einer vierzehntägigen oralen Therapie mit Prednisolon verbessert und die Größe der Polypen reduziert. An die Therapie ist eine lokale Steroidtherapie anzuschließen.10 (Ib)
  • Adaptive Desaktivierung ist eine kausale Therapie der ASS-Unverträglichkeit und kann v.a. Rezidive der Polypen verhindern.11
  • Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten
    • Wirken wie intranasale Kortikosteroide 12, als Zusatzbehandlung zu einer Kortikosteroidtherapie gibt es noch Forschungsbedarf.13
  • Anti-IgE-Behandlung 14
    • Laut den Ergebnissen von Zulassungsstudien reduziert Omalizumab als Add-On zu intranasalen Kortikosteroiden (INCS) die Polypengröße und die nasale Kongestion bei Patient*innen, die mit INCS nur eine unzureichende Krankheitskontrolle ereichen.
    • Dupilumab ist ebenfalls zur Behandlung (als Add On) zugelassen.

Operation

  • Eine Operation ist dann angezeigt, wenn die medikamentöse Therapie nicht ausreichend ist.
    • Präoperative CT zur Lokalisierung und zum Nachweis der Ausbreitung.
    • Studien zeigen, dass bei leichten oder mäßigen Beschwerden durch Polypen eine Operation auf lange Sicht wenig sinnvoll ist. Die Polypen treten innerhalb einiger Monaten bis Jahre wieder auf.5
    • Durch eine Operation wird raschere Linderung der verstopften Nase erreicht, die Wirkung auf den Geruchssinn entspricht jedoch der einer medikamentösen Therapie.
  • Kontraindikationen für eine Operation sind Gerinnungsstörungen oder der allgemeine Gesundheitszustand.
  • Operative Verfahren sind die endoskopische Polypektomie, eventuell verbunden mit einer Nasenseptumoperation oder einer Nasenmuscheloperation.
  • Nach der Operation muss der Patient weiterhin mit Salzwasser-Nasenspülungen und intranasalem Kortisonspray behandelt werden.
  • Eine histologische Untersuchnung ist zu empfehlen.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Der Verlauf ist häufig chronisch, unabhängig von der gewählten Therapie kann es zu Rezidiven kommen.
  • Eine Polyposis nasi kann zu einem Analgetika-Asthma-Syndrom führen.6

Komplikationen

  • Postoperativ kann es zu Schwellungen und Hämatomen kommen, Nervenverletzungen, Schleimhautperforationen oder Infektionen.
  • Die Gefahr von Komplikationen ist durchgehend niedrig.
  • Ggf. Disposition für Sinusitis
  • Bleiben Nasenpolypen unkorrigiert, kann es bei Kindern zu abnormalem Wachstum des Gesichtsskeletts in Form einer breiten, knöchernen Nase kommen.

Prognose

  • Es besteht eine hohe Rezidivtendenz, vor allem wenn Allergien die Ursache sind.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patienten informieren?

  • Nasenpolypen sind ungefährlich.
  • Ein konservativer Behandlungsversuch mit Cortison ist meist sinnvoll.
  • Bei Analgetika-Unverträglichkeit sind bestimmte Medikamente zu vermeiden.
  • Rezidive sind häufig
  • Polypen können durch eine Operation entfernt werden, aber auch nach einem Eingriff kommt es häufig zu Rückfällen.

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Rhinosinusitis. AWMF-Leitlinie Nr. 017-049, Stand 2011 (in Überarbeitung). www.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Rhinosinusitis. AWMF-Leitlinie-Nr. 017-049. Stand 2011 (in Überarbeitung). www.awmf.org
  2. Johansson L, Akerlund A, Holmberg K, et al. Prevalence of nasal polyps in adults: the Skovde population-based study. Ann Otol Rhinol Laryngol 2003; 112: 625-9. PubMed
  3. Yung MW, Gould J, Upton GJ. Nasal polyposis in children with cystic fibrosis: a long-term follow-up study. Ann Otol Rhinol Laryngol 2002; 111: 1081-6. PubMed
  4. Scadding GK, Durham SR, Mirakian R, et al. British Society for Allergy and Clinical Immunology. BSACI guidelines for the management of rhinosinusitis and nasal polyposis. Clin Exp Allergy. 2008;38:260-275. PubMed
  5. Wang MB. Etiologies of nasal symptoms: An overview. UpToDate, last updated March 24, 2011. UpToDate
  6. Randerath, Winfried J.; Galetke, Wolfgang. Differenzialdiagnose der rezidivierenden Polyposis nasi. Dtsch Arztebl 2007; 104(46): www.aerzteblatt.de
  7. Rimmer J, Fokkens W, Chong LY, Hopkins C. Surgical versus medical interventions for chronic rhinosinusitis with nasal polyps. Cochrane Database of Systematic Reviews 2014, Issue 12. Art. No.: CD006991. DOI: 10.1002/14651858.CD006991.pub2. DOI
  8. Kalish L, Snidvongs K, Sivasubramaniam R, Cope D, Harvey RJ. Topical steroids for nasal polyps. Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 12. Art. No.: CD006549. DOI: 10.1002/14651858.CD006549.pub2 DOI
  9. Rudmik L, Schlosser RJ, Smith TL, et al. Impact of topical nasal steroid therapy on symptoms of nasal polyposis: a meta-analysis. Laryngoscope. 2012;122:1431-1437. PubMed
  10. Hissaria P, Smith W, Wormald PJ, et al. Short course of systemic corticosteroids in sinonasal polyposis: A double-blind, randomized, placebo-controlled trial with evaluation of outcome measures. J Allergy Clin Immunol 2006; 118: 128-33. PubMed
  11. Mühlmeier, G., Hausch, R. & Maier, H. HNO. Adaptive Desaktivierung bei ASS Hypersensitivität. Springer 2015 63: 707 link.springer.com
  12. Wentzel JL, Soler ZM, DeYoung K, et al. Leukotriene antagonists in nasal polyposis: a meta-analysis and systematic review. Am J Rhinol Allergy. 2013 ;27(6):482-9. doi: 10.2500/ajra.2013.27.3976. DOI
  13. Claus Bachert, Leda Mannent, Robert M. Naclerio. Effect of Subcutaneous Dupilumab on Nasal Polyp Burden in Patients With Chronic Sinusitis and Nasal Polyposis. JAMA. 2016;315(5):469-479. jamanetwork.com
  14. AkdÄ. Arzneiverordnung in der Praxis. Omalizumab (Xolair®) Neue Indikation: chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen. 24.08.2020. deximed.de
  15. Gevaert P, Calus L, Van Zele T, et al. Omalizumab is effective in allergic and nonallergic patients with nasal polyps and asthma. J Allergy Clin Immunol 2012. doi:10.1016/j.jaci.2012.07.047 DOI

Autoren

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Ingard Løge, spesialist i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
  • Stein Helge Glad Nordahl, øre-nese-hals spesialist, overlege Haukeland sykehus, Bergen

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