Zusammenfassung
- Definition:Verletzung der Sehne des M. rectus femoris, der mit 2 Köpfen ein Teil des M. quadriceps femoris ist.
- Häufigkeit:Häufige Sportverletzung, vor allem beim Fußball.
- Symptome:Belastungsabhängige Leistenschmerzen, vor allem bei schneller Hüftflexion (Sprints, Ball schießen).
- Befunde:Isometrische Flexion der Hüfte oder Extension des Knies lösen Schmerzen in Richtung der Spina iliaca anterior inferior oder des Acetabulums aus.
- Diagnostik:Klinische Diagnose. Röntgen um Avulsionsfraktur auszuschließen. Bei unklarer Diagnose ggf. zusätzlich Sonografie oder MRT.
- Therapie:In der Akutphase Entlastung. Anschließend sukzessiver Belastungsaufbau mit physiotherapeutischer Beübung des betroffenen Muskels und seiner Sehne mittels Kräftigungs- und Dehnungsübungen.
Allgemeine Informationen
Definition
- Verletzung der Sehne des M. rectus femoris, der mit 2 Köpfen ein Teil des M. quadriceps femoris ist.
Häufigkeit
- Häufige Verletzung bei Sportarten mit häufigen Sprints und Torschüssen1
- z. B. Fußball und Rugby
Klinische Anatomie
- Der M. rectus femoris ist einer von 4 Muskeln des M. quadriceps femoris.
- Er besteht aus 2 Köpfen mit unterschiedlichen Ursprüngen:
- Caput rectum: Spina iliaca anterior inferior
- Captum reflexum: Oberrand des Acetabulums.
- Insertion
- über das Ligamentum patellae an Tuberositas tibiae
- Innervation
- N. femoralis: L2, L3 und L4
- N. femoralis: L2, L3 und L4
- Funktion
- Der M. rectus femoris ist der einzige Muskel des M. quadriceps femoris, der an der Hüfte entspringt und sich über 2 Gelenke erstreckt.
- Hüftgelenk: Flexion
- Kniegelenk: Extension
Ätiologie und Pathogenese
- Durch starke Muskelkontraktion, z. B. beim Sprint oder Torschuss, kann es zu akuten Verletzungen (Muskelfaserriss) oder zu chronischen Beschwerden (Tendopathie durch repetitive Mikrotraumata) kommen.
- Bei sehr starker Muskelkontraktion kann es zu Avulsionsfrakturen am Ursprung an der Spina iliaca anterior inferior kommen, insbesondere bei jungen Fußballspieler*innen.2
Prädisponierende Faktoren
- Sportarten mit Sprints und Schussbewegungen des Beins 1-2
- Vorangegangene Verletzungen des Muskels (unelastisches Narbengewebe)
ICPC-2
- L81 Verletzung muskuloskelettär NNB
ICD-10
- S76.1 Verletzung des Muskels und der Sehne des M. quadriceps femoris
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Die klinische Diagnose ergibt sich in den meisten Fällen aus einer typischen Anamnese in Verbindung mit dem klinischen Befund.
Differenzialdiagnosen
- Sportlerhernie (Verletzung der Fascia transversalis), „weiche Leiste“
- Tendopathie der Adduktoren
- Tendopathie des M. iliopsoas
- Tendopathie des M. rectus abdominis
- Trochanter-major-Schmerzsyndrom
- Leistenbruch
- Myositis ossificans3
- Ossifikation des Muskels nach vorangegangener Verletzung
Anamnese
- Repetitive Belastungen, meistens beim Sport durch Sprints und Schüsse
- klassisch: Fußball, aber auch z. B. Leichtathletik
- Belastungsabhängige Schmerzen in der Leistengegend, die bei Hüftflexion zunehmen.
- Vorherige Verletzungen in der Leistenregion?
- Bisherige Diagnostik und Therapie?
Klinische Untersuchung
- Inspektion
- meist klinisch unauffällig, bei schwerer Muskelverletzung ggf. Hämatom
- Palpation
- Druckschmerz über Spina iliaca anterior inferior oder dem kranialen Acetabulum
- Keine Vorwölbung zu tasten (DD Leistenhernie).
- bei starker Muskelverletzung ggf. Delle tastbar
- Funktionsprüfung
- freie passive Beweglichkeit des Hüftgelenks
- Schmerzen bei isometrischer Hüftflexion oder Knieextension
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Keine indiziert
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Sonografie
- Darstellung von Muskelrupturen, Hämatomen, Leistenbruch oder Bursitis4
- Röntgen
- Ausschluss Avulsionsfraktur oder Verkalkungen im Sinne einer Myositis ossificans
- MRT
- bei weiterhin unklarer Diagnose und V. a. Weichteilverletzung
Indikationen zur Überweisung
- Bei unklarer Diagnose oder bei nicht eintretender Besserung unter konservativer Therapie Überweisung an Orthopäd*in
Therapie
Therapieziele
- Symptome lindern.
- Schmerzfreie, normale Muskelfunktion wiederherstellen.
- Rezidiven vorbeugen.
Allgemeines zur Therapie
- Die Akutbehandlung besteht in Entlastung, Kühlung und ggf. der Gabe von NSAR.
- Nach Abschluss der Akutphase erfolgt die physiotherapeutische Beübung mit Kräftigungs- und Dehnungsübungen der Muskulatur und anschließender stufenweise Aufbelastung.
Konservative Therapie
Medikamente
- Evtl. NSAR
- in der Akutphase Schmerzlinderung und Entzündungshemmung durch z. B. Ibuprofen 600 mg 1–0–1 für 4–5 Tage
Physiotherapie
- Nach Abschluss der akuten Phase Kräftigungs- und Dehnübungen der betroffenen Sehne, vor allem durch exzentrische Übungen
Operative Therapie
- Bei Avulsionsfrakturen kann abhängig vom Grad der Fraktur ggf. ein operatives Vorgehen nötig sein.
- in diesen Fällen entweder anatomische Rekonstruktion und Refixation des Knochenfragments oder aber Tenodese1
Prävention
- Aufwärm- und Dehnübungen vor der sportlichen Aktivität
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Durch entsprechende Schonung und Therapie heilen Muskelverletzungen abhängig von der Schwere meist innerhalb von 4–6 Wochen aus.
- Cave: Vorsichtige stufenweise Aufbelastung notwendig, um erneute Muskelverletzung zu vermeiden.
Komplikationen
- Chronische Beschwerden durch unelastisches Narbengewebe, vor allem bei schweren und/oder rezidivierenden Muskelverletzungen
Prognose
- Sehr gute Prognose. Selbst wenn eine Operation notwendig wird, können die Patient*innen im Anschluss fast immer zu ihrer gewohnten sportlichen Aktivität zurückkehren.2
Patienteninformation
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Literatur
- Begum FA, Kayani B, Chang JS, et al. The management of proximal rectus femoris avulsion injuries. EFORT Open Reviews 2020; 5(11): 828-34. eor.bioscientifica.com
- Lempainen L, Kosola J, Pruna R, et al. Operative Treatment of Proximal Rectus Femoris Injuries in Professional Soccer Players: A Series of 19 Cases. Orthopaedic Journal of Sports Medicine 2018. journals.sagepub.com
- Sodl JF, Bassora R, Huffman GR, Keenan MA. Traumatic myositis ossificans as a result of college fraternity hazing. Clin Orthop Relat Res 2008; 466: 225-30. PubMed
- Pinchcofsky H, Wansaicheong G. Ultrasonography of the Hip and Groin: Sports Injuries and Hernias. Ultrasound Clin. October 2012. 7(4):457-473. www.researchgate.net
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).