Zusammenfassung
- Definition: Fraktur der Großzehe und/oder der Kleinzehen.
- Häufigkeit: Zweithäufigste Fraktur des Fußes, Inzidenz 40/100.000 Einwohner.
- Symptome: Direktes Trauma, Verstauchung, Quetschung.
- Befunde: Schwellung, Schmerz und Verfärbung, evtl. Dislokation.
- Diagnostik:Klinische Untersuchung, Röntgen.
- Therapie: In der Regel konservative Therapie, operative Korrektur bei intraartikulären oder dislozierten Frakturen.
Allgemeine Informationen
Definition
- Fraktur der End- oder Grundphalanx (Großzehe)
- Fraktur der End-, Mittel- oder Grundphalanx (übrige Zehen)
- Meistens nur minimale Dislokation und daher konservative Therapie möglich1-2
- < 5 % der Fälle mit Stufenbildung > 2 mm3
- Die Großzehe ist biomechanisch am wichtigsten für die Balance und das Tragen von Gewicht.
- Eine Fraktur der Großzehe ist mit größeren Morbidität verbunden als eine Fraktur der anderen Zehen.4
Häufigkeit
- Relativ häufige Frakturen
- Rund 10 % der von Hausärzten behandelten Frakturen5
- Jährliche Inzidenz 40/100.000 6
- 38 % Großzehe betroffen
- 31 % 5. Zehe betroffen6
Diagnostische Überlegungen
- Traumata, die Zehenfrakturen verursachen, können gleichzeitig zu Verletzungen der Bänder, Sehnen, angrenzenden Knochen und des Weichteilgewebes führen.
- Eine Untersuchung des gesamten Fußes ist sinnvoll.
- Bei 6 % der Patienten bestehen Serienfrakturen der Zehen.6
Prädisponierende Faktoren
- Traumata
- Häufig wirkt eine Axialkraft ein (z. B. Stoßen des Zehs).
- Verletzungen beim Fußball bei Kindern ist die häufigste Ursache für Großzehenfrakturen.7
- Quetschverletzungen durch fallenden Gegenstand
- Häufig wirkt eine Axialkraft ein (z. B. Stoßen des Zehs).
- Stressfrakturen der Zehen sind möglich.
- typischerweise mediale Basis der Grundphalanx
- am häufigsten bei Sportlern
- schleichender Beginn
- Ansatz der Flexor- und Extensorsehnen an proximalen Abschnitten der distalen Phalangen
- Zugkraft der Sehnen kann zu Dislokation kleiner Knochenfragmente führen.
ICPC-2
- L74 Fraktur Hand/Fuß
ICD-10
- S92 Fraktur des Fußes (ausgenommen oberes Sprunggelenk)
- S92.4 Fraktur der Großzehe
- S92.5 Fraktur einer sonstigen Zehe
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Anamnese und klinische Untersuchung liefern Hinweise.
- Untersuchung auf sichere klinische Frakturzeichen (siehe Abschnitt Klinische Untersuchung)
- Röntgen bestätigt im Zweifel die Diagnose.
Differenzialdiagnostik
- Gicht
- Prellung
- Luxation
Anamnese
- Unfallmechanismus erfragen.
Klinische Untersuchung
- Schwellungen, Schmerzen und Verfärbungen, evtl. Luxation
- Punktueller und indirekter Schmerz (axialer Druck, in Längsrichtung des Zehs)
- Prüfung auf Komplikationen
- Durchblutungsstörungen
- Hautschäden (Gefahr der Hautnekrose?)
- subunguale Hämatome und andere Nagelverletzungen
- häufig bei Fraktur der Großzehe
- Sichere klinische Frakturzeichen
- Achsfehlstellung des Knochens
- Krepitation
- pathologische Beweglichkeit
- sichtbare Knochenfragmente bei offener Verletzung
Diagnostik beim Spezialisten
Röntgen
- Bildgebung in zwei Ebenen
- Indiziert vor allem bei Verletzungen der Großzehe und komplizierten Verletzungen (z. B. offene Fraktur) der Kleinzehen
- Diagnosesicherung und Klassifikation der Fraktur
- extra- oder intraartikuläre Fraktur
- intraartikuläre Frakturen mit schlechterer Prognose5
- Anzahl der Fragmente
- extra- oder intraartikuläre Fraktur
- Bei Kindern ist eine Affektion der Epiphysen möglich.8
- Anfertigung von Kontrollaufnahmen nach Heilung ist in der Regel nicht notwendig.
Indikationen zur Überweisung
- Bei Beteiligung der Epiphyse bei Kindern sollte die Fraktur von einer Fachärztin/einem Facharzt evaluiert werden.
- Offene Frakturen
- Frakturen der Großzehe sollten in der Regel von einer Fachärztin/einem Facharzt therapiert werden, insbesondere beim Auftreten von Komplikationen wie:
- Veränderungen der Blutzirkulation
- Nagelverletzungen
- intraartikulären Frakturen.
Therapie
Therapieziel
- Die normale Funktion wiederherstellen.
Allgemeines zur Therapie
- Erste Hilfe
- Kühlung, Immobilisation, Hochlagerung und Schmerzlinderung (ggf. NSAR)
- Es existieren keine evidenzbasierten Leitlinien für Zehenfrakturen.
- Genereller Konsensus ist, dass die konservative Behandlung des Großteils der Frakturen mit guten Ergebnissen durchgeführt werden kann.6
Operative Therapie
- Indikationen9
- relevante Achsabweichungen
- offene Frakturen
- intraartikuläre Stufen > 2 mm
- Insbesondere bei Großzehenglieder operative Korrektur bedenken wegen wichtiger biomechanischer Funktion.5
- bei Kindern ggf. bei Beteiligung der Epiphyse
- Häufigkeit
Konservative Therapie
- Großzehenfraktur
- Flachschuh oder Lopresti-Slipper für 3–4 Wochen6
- schmerzadaptierte Vollbelastung
- Kleinzehenfraktur
- Subungeales Hämatom, Auftreten seit < 24 h
- Dekompression zur Schmerzlinderung10
- z. B. Trepanation (Durchbohrung des Nagels) mit Kanüle oder stark erhitzter Büroklammer
- Bei > 24 h ist das Hämatom in der Regel bereits organisiert und nicht mehr drainierbar.
- Dekompression zur Schmerzlinderung10
- Dislozierte Frakturen der Kleinzehen
- Versuch der Reposition durch axialen Zug
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
- Osteomyelitis bei offenen Frakturen
- Pseudarthrose
- Anhaltende Schmerzen nach der Heilung
- Bewegungseinschränkungen
- Gangstörung
- Posttraumatische Arthrose
Prognose
- In den meisten Fällen ist eine konservative Therapie mit guter Prognose möglich.7
- Auch bei operativ zu versorgenden Frakturen sind die Ergebnisse in der Regel gut.7
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Literatur
- Bica D, Sprouse RA, Armen J. Diagnosis and management of common foot fractures. Am Fam Physician 2016 Feb 1; 93(3): 183-191. PubMed
- Mittlmeier T, Haar P. Sesamoid and toe fractures. Injury. 2004;35(suppl 2):SB87–SB97. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Van Vliet-Koppert ST, Cakir H, Van Lieshout EM, et al. Demographics and functional outcome of toe fractures. J Foot Ankle Surg 2011; 50(3): 307-10. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Schnaue-Constantouris EM, Birrer RB, Grisafi PJ, Dellacorte MP. Digital foot trauma: emergency diagnosis and treatment. J Emerg Med 2002;22: 163-70. PubMed
- Hatch RL, Hacking S. Evaluation and management of toe fractures. Am Fam Physician 2003; 68: 2413-8. PubMed
- Beck M, Wichelhaus A, Rotter R, et al. Mittel- und Vorfußfrakturen. Der Unfallchirurg 2019; 122(4): 309-22. doi.org
- Petnehazy T, Schalamon J, Hartwig C, et al. Fractures of the hallux in children. Foot Ankle Int 2015; 36(1): 60-3. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Eiff MP, Hatch R, Calmbach WL. Fracture management for primary care. 2d ed. Philadelphia: Saunders, 2003.
- Eves TB, Oddy MJ. Do Broken Toes Need Follow-Up in the Fracture Clinic?. J Foot Ankle Surg 2016; 55(3): 488-91. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Armagan OE, Shereff MJ. Injuries to the toes and metatarsals. Orthop Clin North Am 2001;32:1-10. PubMed
Autoren
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
- Janos Solyom, överläkare, Ortopedkliniken, Sahlgrenska universitetssjukhuset, Mölndal
- Arild Aamodt, overlege/professor, Ortopedisk avdeling, Lovisenberg Sykehus, Oslo