Onkologische Therapien, Medikamente

Allgemeine Informationen

Definition

  • Bei den systemisch applizierten Medikamenten zur Therapie onkologischer Erkrankungen werden folgende Hauptgruppen unterschieden:
    • Zytostatika (Chemotherapie)
    • molekular zielgerichtete Therapien, z. B.:
      • monoklonale Antikörper
      • Small Molecules, z. B. Tyrosinkinasehemmer
    • endokrine Therapien, z. B.:
      • Aromatasehemmer
      • GnRH-Agonisten
    • Zytokine, z. B. Interferone
    • Medikamente zur supportiven Therapie (in diesem Artikel nur im Abschnitt Nebenwirkungen berücksichtigt), z. B.:
      • Schmerzmittel
      • Mittel gegen Therapienebenwirkungen wie Diarrhö, Hautläsionen etc.

Zytostatika (Chemotherapie)

Klassen

  • Die wichtigsten Klassen der Zytostatika sind:
    • Alkylanzien
    • Platinverbindungen
    • Antimetabolite
    • Mitosehemmer
    • Antibiotika mit zytostatischer Wirkung (Interkalanzien).

Wirkmechanismen

  • Zytostatika wirken in erster Linie auf schnell proliferierende Gewebe, sowohl auf maligne als auch auf gesunde.
    • Gesunde schnell proliferierenden Zellen befinden sich größtenteils im Knochenmark, im Darmepithel und in den Haarwurzeln.
    • Diese Organe sind daher besonders anfällig für Nebenwirkungen.
  • Um durch die Zytostatikatherapie viele Tumorzellen zu entfernen und dabei möglichst wenige gesunde Zellen zu zerstören, ist ein hoher Grad an Selektivität erforderlich.
  • Die selektive Vulnerabilität von Malignomzellen beruht hauptsächlich auf Besonderheiten der Proliferationskinetik und des Zellmetabolismus.

Einfluss auf den Zellzyklus

  • Phasenspezifisch
    • Das bedeutet, dass das Präparat seine stärkste Wirkung in einer bestimmten Phase des Zellzyklus hat.
  • Zyklusspezifisch
    • Das Präparat wirkt, wenn sich die Zellen im Zellzyklus (d. h. in der Zellteilung) befinden, ohne dabei auf eine spezielle Phase beschränkt zu sein.
  • Unspezifisch
    • Dieses Medikament wirkt unabhängig davon, ob sich die Zellen in der Zellteilung befinden oder nicht.

Einfluss auf den Zellstoffwechsel

  • Alkylanzien
  • Antimetaboliten
  • Alkaloide

Synergismus und Antagonismus

  • Synergismus – ein Zytostatikum in Kombination mit einem anderen erhöht die zytostatische Wirkung.
  • Antagonismus – zwei Zytostatika in Kombination wirken einander entgegen und reduzieren die zytostatische Wirkung.

Alkylanzien

  • Diese werden im Körper in Stoffe umgewandelt, die mit vielen unterschiedlichen Zellbestandteilen reagieren.
  • Sie reagieren (alkylieren) mit der Guaningruppe in der DNS und hemmen sowohl die DNS- als auch die RNS-Synthese und die Mitose.
  • Die Präparate sind zyklusspezifisch, jedoch nicht phasenspezifisch.
  • Die Halbwertszeit im Blut ist oft kurz, und Metaboliten werden im Urin ausgeschieden.
  • Die alkylierenden Mittel, die in der klinischen Praxis relevant sind, gehören zu 5 chemischen Gruppen:
    1. Senfgasderivate (Chlormethin, Cyclophosphamid, Chlorambucil, Melphalan, Ifosfamid, Trofosfamid, Bendamustin, Estramustin)
    2. Ethylenimine (Thiotepa)
    3. Alkylsulfonate (Busulfan, Treosulfan)
    4. Nitrosoharnstoffverbindungen (Carmustin, Lomustin, Semustin, Streptozocin, Chlorozotocin)
    5. Triazene (Dacarbazin, Procarbazin, Altretamin, Temozolomid).

Platinverbindungen

  • Platinpräparate
    • Cisplatin, Carboplatin, Oxaliplatin
    • Schwermetallverbindungen, die die DNS-Synthese verhindern.
  • Wirkmechanismus
    • Nach der Hydrolyse bindet sich Cisplatin an die DNS.
    • Durch chemische Veränderung der DNA-Struktiur entstehen DNS-Addukte.1
    • Diese DNS-Addukte aktivieren zahlreiche intrazelluläre Signalwege und lösen schließlich Apoptose aus.2
  • Resistenz
    • Eine Resistenz gegen Cisplatin kann auf vielerlei Arten entstehen, z. B. durch Veränderungen im Blutfluss zum Tumor, veränderten zellulären Cisplatin-Transport, erhöhte intrazelluläre Entgiftung, veränderte DNS-Reparatur oder Änderungen in Signalwegen und Apoptosehemmung.3
  • Nebenwirkungen
    • Cisplatin
      • Führt zu starker Übelkeit und Erbrechen.4
      • Dosisabhängig nephrotoxisch, führt zu Apoptose und Nekrose der Tubuli, Infiltration von Entzündungszellen und Fibrose.5
      • ototoxisch
    • Carboplatin
      • Im Vergleich zu Cisplatin wirkt Carboplatin in den empfohlenen therapeutischen Dosen weniger nephrotoxisch, weniger ototoxisch und weist weniger Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen auf.
    • Oxaliplatin
      • Die dosislimitierende Nebenwirkung von Oxaliplatin ist periphere sensorische Neuropathie, sowohl akut als auch chronisch.

Antimetabolite

  • Diese sind in ihrer chemischen Struktur analog zu normalen DNS-Bausteinen.
  • Sie verhindern entweder den Einbau der normalen Bausteine oder werden an deren Stelle in die DNA eingesetzt und stören in der Folge Mitose und Metabolismus der Zelle.
  • Die Gruppe umfasst sowohl phasenspezifische als auch zyklusspezifische Medikamente.
  • Beispiele von häufig verwendeten Antimetaboliten sind:
    • Folsäure-Antagonisten (Methotrexat, Raltitrexed, Pemetrexed)
    • Purin-Antagonisten (Mercaptopurin)
    • Pyrimidin-Antagonisten (Fluoruracil, Capecitabin, Tegafur, Cytarabin, Gemcitabin).

Mitosehemmer

  • Gruppen von Präparaten
    • Vinca-Alkaloide (Vincristin, Vinblastin, Vinorelbin, Vindesin)
    • Taxane (Paclitaxel, Docetaxel)
  • Wirkmechanismus
    • Natürliche und halbsynthetische Substanzen zerstören die Mikrotubulusfunktion der Krebszellen und stoppen den Mitoseprozess.
    • Diese Substanzen, auch als Tubulinhemmer oder Mitosegift bekannt, sind Bestandteil zahlreicher Kombinationstherapien, jedoch können einige auch erfolgreich in Monotherapie angewandt werden.
    • Vinca-Alkaloide
      • Diese phasenspezifischen Substanzen wirken auf die kontraktilen Proteine in der Zelle, die für den Mitoseprozess notwendig sind.
      • Die Bildung von Mikrotubuli wird somit verhindert, und die Zellen werden in der Metaphase blockiert.
    • Taxane
      • Taxane wirken auf die zellulären Mikrotubuli, blockieren die Mitose und verursachen den Zelltod.
      • Paclitaxel und Docetaxel sind bei einem ähnlichen Spektrum von Malignomerkrankungen wirksam, vermutlich aufgrund ähnlicher Wirkmechanismen.
  • Nebenwirkungen
    • Vinca-Alkaloide
      • Die Neurotoxizität ist dosislimitierend.
      • Vinca-Alkaloide wirken stark lokalreizend.
    • Taxane
      • Überempfindlichkeitsreaktionen
      • Neutropenie ist die vorrangige dosislimitierende Nebenwirkung.

Antibiotika mit zytostatischer Wirkung

  • Zu dieser Gruppe der Zytostatika gehören Anthrazykline und das Anthrazyklinderivat Mitoxantron, Dactinomycin, Bleomycin und die alkylierenden Stoffe Mitomycin und Streptozocin (Streptozotocin). 
  • Anthrazykline und ähnliche Substanzen (Interkalanzien)
    • Doxorubicin, Epirubicin, Daunorubicin, Idarubicin
    • Diese gehören zu den effektivsten antitumoralen Substanzen und werden bei zahlreichen soliden Tumoren und hämatologischen Malignomen bei Erwachsenen und Kindern angewandt.
    • Der Mechanismus der antitumoralen Wirkung ist komplex und noch nicht vollständig geklärt.
      • Der wichtigste Wirkmechanismus ist die Hemmung der Topoisomerase II, einem Schlüsselenzym der Mitose.
      • Zudem verhindern diese Substanzen über eine kovalente Bindung an die DNA die Interkalation, d. h. die für die Replikation und Transkription notwendige Anbindung von Polymerasen. Daher wird diese Gruppe von Zytostatika auch als Interkalanzien bezeichnet.
    • Die schwerwiegendsten Nebenwirkungen von Anthrazyklinen und Mitoxantron sind Knochenmarks- und Kardiotoxizität.
  • Andere zytotoxische Antibiotika
    • Diese bilden sowohl durch ihre Wirkmechanismen als auch ihre Anwendung eine heterogene Gruppe.
    • Häufig verwendete Zytostatika sind Dactinomycin (Actinomycin D), Bleomycin und Mitomycin C.

Topoisomerase-I-Hemmer

  • Die Camptothecin-Derivate Topotecan und Irinotecan
  • Bewirken irreversible DNA-Brüche sowie irreguläre DNA-Vernetzungen und induzieren Apoptose.
  • Irinotecan ist heute einer der wichtigsten Arzneistoffe bei metastasierenden Kolonkarzinomen. Es wird auch bei Bronchialkarzinomen und anderen Malignomen angewandt.
  • Topotecan wird bei metastasierenden Ovarialkarzinomen verwendet, bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen und in Kombination mit Cisplatin bei Zervixkarzinomen.
  • Dosislimitierende Nebenwirkungen sind Neutropenie und Diarrhö (Irinotecan) sowie Knochenmarksdepression (Topotecan).

Topoisomerase-II-Hemmer (Epipodofyllotoxin-Derivate)

  • Etoposid, Etoposidphosphat, Teniposid, Amsacrin
  • Hemmen die Topoisomerase II und unterbrechen dadurch die Mitose.
  • Führen zu DNS-Doppelstrangbruch und Apoptose.
  • Es ist Bestandteil zahlreicher Kombinationstherapien. Es wird u. a. bei kleinzelligen anaplastischen Bronchialkarzinomen, Hodenkarzinomen, malignen Lymphomen und akuter myeloischer Leukämie eingesetzt.

Andere Zytostatika

  • Hydroxycarbamid (Hydroxyurea)
  • Mitotan
  • Asparaginase (Crisantaspase)
  • Tretinoin

Molekular zielgerichtete Substanzen

Signalhemmer

  • Greifen in erster Linie in die zellulären Regulationsmechanismen der Signalübertragung ein.
    • Meist über die Hemmung von Proteinkinasen, die eine Vielzahl von Zellfunktionen regulieren.
    • Manche Medikamente wirken zusätzlich über andere Angriffspunkte auf die Zellregulation.
  • Die Signalhemmer werden heute mit unterschiedlichem Erfolg bei vielen verschiedenen malignen Tumoren eingesetzt.
  • Sie sind in der Regel besser verträglich als klassische Zytostatika.
  • Unterschiedliche Typen
    • ErbB-Rezeptor-Hemmer: EGFR- und HER2-Hemmer
    • Bcr-Abl-, Kit- und PDGF-Rezeptor-Hemmer (z. B. Imatinib, Nilotinib)
    • Multikinasehemmer (z. B. Dasatinib)
    • mTOR-Hemmer (z. B. Temsirolimus)
    • andere Signalhemmer (nicht Proteinkinasehemmer) (z. B. Anagrelid)

Monoklonale Antikörper

  • Monoklonale Antikörper haben sich zu einem wichtigen Werkzeug zur Therapie einer Vielzahl von Malignomen entwickelt.
  • Wirkmechanismus
    • Sie haben die Eigenschaft, sich spezifisch an Antigene zu binden, die von Krebszellen exprimiert werden, und damit je nach Medikament unterschiedliche antineoplastische Prozesse zu initiieren.6
    • Ein neues Wirkprinzip sind Antikörper-Wirkstoff-Konjugate. Dabei ist die antiproliferativ wirksame Substanz, etwa ein Zytostatikum, an einen tumorspezifischen Antikörper gekoppelt. Dadurch kann der Wirkstoff spezifisch und in konzentrierter Form direkt an die Tumorzelle gebracht und dort gezielt freigesetzt werden.
    • Eine ebenfalls relativ neue Entwicklung sind die Immun-Checkpoint-Inhibitoren, z. B. PD-1, PD-L1- oder CTLA-4-Hemmer. Diese Antikörper blockieren Immun-Checkpoints der Tumorzellen und verhindern damit die Herabregulation der zellulären Immunabwehr. Sie werden u. a. beim Harnblasenkarzinom, beim malignen Melanom und bei bestimmten Formen des Bronchialkarzinoms eingesetzt.

Endokrine Therapie

  • Zwei Hormonrezeptor-Familien spielen in der endokrinen Therapie onkologischer Erkrankungen eine herausragende Rolle: Steroidrezeptoren und Wachstumsfaktor-Rezeptoren.
  • Hormonsensitive Tumoren sind z. B.:
  • Kortikosteroide
    • Werden in Kombination mit Zytostatika gegen mehrere Arten von Lymphomen und Leukämien verwendet.
    • Die entzündungshemmende und antiemetische Wirkung wird auch in der supportiven Malignomtherapie genutzt.
      • z. B. zur symptomatischen Behandlung von Hirnmetastasen und Hirntumoren, zur Reduktion von Hirnödemen und als Bestandteil einer Antiemetikum-Therapie
  • Anti-Östrogene 7
    • selektive Estrogenrezeptormodulatoren (SERM)
      • Wirken auf den Östrogenrezeptor als Antagonisten und partielle Agonisten.
      • z. B. Tamoxifen: Hauptindikation Mammakarzinom
    • selektive Estrogenrezeptordownregulatoren (SERD)
      • Wirken als reine Antagonisten.
      • Beispielsweise Fulvestrant: Wird bei postmenopausalen Frauen mit Östrogenrezeptor-positivem, lokal fortgeschrittenem oder metastasierendem Mammakarzinom verwendet, bei Rezidiven während oder nach der adjuvanten Anti-Östrogen-Therapie oder bei Progression der Erkrankung während der Anti-Östrogen-Therapie.
    • Aromatasehemmer
      • Blockieren die enzymatische Umwandlung von Androgenen in Östrogene.
      • nicht-steroidal: Anastrozol, Letrozol
      • steroidal: Exemestan
  • Gestagene
  • GnRH-Analoga
    • z. B. Buserelin, Goserelin, Leuprorelin
    • Bei dauerhafter Anwendung hemmen diese die Freisetzung von Gonadotropin und damit die Gonadenfunktion (reversible chemische Kastration).
  • Östrogene
    • Haben eine starke und lang anhaltende hemmende Wirkung gegen metastasierende Prostatakarzinome.
  • Antiandrogene
    • z. B. Bicalutamid, Enzalutamid
    • Diese Substanzen wirken als kompetitive Androgen-Antagonisten und blockieren die Bindung von Dihydrotestosteron an den Rezeptor.
    • Werden zur Therapie von Prostatakarzinomen angewandt.

Zytokine

  • Wirkmechanismen
    • Zytokine sind Kommunikationsmoleküle zwischen den Zellen und wirken über spezifische Oberflächenrezeptoren auf verschiedene Zielzellen.
    • Einige Zytokine haben wenige oder nur eine einzige Wirkung (Erythropoetin bzw. Epo), die meisten haben jedoch viele verschiedene Effekte, je nachdem, an welche Zielzelle sie sich binden (TNF, IL-1).
    • Die meisten Zellen im Körper haben Rezeptoren für mehrere Zytokine.
    • Bestimmte Zytokine können die zelluläre Immunabwehr gegen Krebszellen stimulieren, andere entfalten direkte antiproliferative Wirkungen auf die Krebszellen.
  • Beispiele für den Einsatz von Zytokinen in der Onkologie

Therapie

Therapieprinzipien

  • Medikamentöse Therapie allein
    • Monotherapie
    • Kombinationstherapie
  • Kontinuierliche Therapie
  • Intermittierende Therapie

Chemotherapie + Strahlentherapie

  • Bei einigen Arten von Malignomen können Chemotherapie und Strahlentherapie gleichzeitig indiziert sein.
  • Die Kombination erhöht das Risiko von Nebenwirkungen wie Hauttoxizität und Knochenmarkstoxizität.

Kombination mehrerer Medikamente

  • Für eine Kombinationstherapie gibt es viele Gründe:
  • Vermeidung von Resistenzentwicklung
    • Werden mehrere wirksame Medikamente gleichzeitig angewandt, besteht ein geringeres Risiko, dass Tumorzellen eine Resistenz gegenüber allen entwickeln.
  • Die Medikamente haben unterschiedliche Angriffspunkte.
    • Ihre Wirksamkeit kann erhöht werden, wenn sie unterschiedlich auf den Zellzyklus oder die biochemischen Prozesse wirken.
    • Umgekehrt ist es unvorteilhaft, zwei Präparate mit etwa der gleichen Wirkungsweise anzuwenden.
  • Tumorheterogenität
    • Die Verwendung mehrerer Wirkstoffe erhöht die Wahrscheinlichkeit, Zellgruppen mit unterschiedlichen Resistenzeigenschaften zu eliminieren.
  • Kombination von Medikamenten mit unterschiedlichen Nebenwirkungsprofilen
    • Dies kann nützlich sein, um die Wirkung zu verstärken, ohne dabei die Toxizität stark zu erhöhen.

Immunochemotherapie

  • Kombination aus Zytostatika und Immunotherapie (z. B. mit Zytokinen oder Checkpoint-Inhibitoren)
    • Die Chemotherapie wirkt, indem sie die Krebszellen abtötet oder deren Wachstum bremst.
    • Die Immunotherapie stimuliert oder baut die antitumoralen Abwehr des Immunsystems wieder auf. 
    • Die Kombination beider findet häufig ihre Anwendung in der Behandlung verschiedener Lymphom- und Leukämietypen.

Dosierung

  • Intermittierende Chemotherapien sind oft wirksamer als eine kontinuierliche Therapie mit geringeren Tagesdosen.
  • Die Verabreichung hoher Zytostatika-Dosen in Intervallen kann offenbar zu einem höheren Grad an selektiver Wirkung auf maligne Zellen führen, weil gesunde Stammzellen die Ruhephasen überstehen, während sich die Tumorzellen noch in ihrem Zyklus befinden, wenn die nächste Behandlung einsetzt.
  • Als wirksamste Therapie wird bei vielen Indikationen eine kurze und intensive Kombinationstherapie mit der maximal verträglichen Dosis angesehen, die wiederholt wird, sobald die Knochenmarkfunktion wiederhergestellt ist.

Dosierung im Verhältnis zur Toxizität

  • Dabei ist eine Reihe von Faktoren relevant, wie Übelkeit, Erbrechen, Ernährungsstatus, Alter, psychosoziale Faktoren, Nierenfunktion und neurologische Toxizität.
  • Die hämatologische Toxizität ist in der Regel der limitierende Faktor für die Dosierung von Zytostatika.
    • Die Dosierung erfolgt üblicherweise ausgehend von der Leukozyten-, Granulozyten- oder Thrombozytenzahl.
    • Der Nadir, der niedrigste akzeptable Wert, liegt für Leukozyten bei 1,0–2,0 x 109/l und für Thrombozyten bei 75–100 x 109/l.
  • Die Dosis wird oft im Verhältnis zum Nadir titriert. Wird der Nadir nicht erreicht, kann die Dosis bis zum maximal erreichbaren zytotoxischen Effekt erhöht werden.

Adjuvante Therapie

  • Unterstützende Behandlung nach Tumorresektion.
    • Beispielsweise wird ein Mammakarzinom in der Regel zuerst operativ entfernt und anschließend mit Chemotherapie, Hormontherapie und/oder Strahlentherapie behandelt.
  • Durch die adjuvante Therapie sollen disseminierte Tumorzellen eliminiert oder – nach inkompletter Resektion – die Tumormasse verkleinert werden.
  • Die Wirkung hängt ab von der
    • Sensitivität der Tumorzellen gegenüber den angewandten Mitteln.
    • Resttumorlast.
      • Tumorzellen, die gestreut, sich vermehrt und in bislang gesundem Gewebe angedockt haben, sind schwieriger zu zerstören als z. B. zirkulierende Tumorzellen.
  • Eine adjuvante Therapie wird u. a. bei Mammakarzinomen, Ovarialkarzinomen und diversen malignen Tumoren bei Kindern eingesetzt.
  • Neoadjuvante Therapie
    • Therapie vor der operativen Resektion. Ziel ist in der Regel eine Tumorverkleinerung. Damit kann u. U. ein bislang nicht operabler Tumor in einen operablen umgewandelt werden.

Bewertung der Wirksamkeit

  • Die Wirksamkeit wird bewertet in Hinblick auf:
    • Überlebenszeit
    • Überlebensrate
    • Ansprechen
    • Zeit bis zur Progression
    • Auswirkung auf die Lebensqualität.

Überlebenszeit

  •  Wird häufig als Maß für die Wirksamkeit der Therapie verwendet.
    • Die mediane Gesamtüberlebenszeit (Overall Survival, OS) bezeichnet den Zeitraum, in dem 50 % der Patienten überlebt haben.
    • Die progressionsfreie Überlebenszeit (Progression-free Survival, PFS) bezeichnet den Zeitraum, innerhalb dessen bei 50 % der Patienten weder Krankheitsprogression noch Tod eingetreten sind.

Überlebensrate

  • OS oder PFS nach z. B. 1 Jahr, 3 Jahren, 5 Jahren, 10 Jahren

Kriterien für das Ansprechen (solide Tumoren)8 

  • Komplette Remission (Complete Response, CR)
    • Keine Zielläsionen mehr nachweisbar. Der kürzeste Durchmesser sämtlicher pathologischer Lymphknoten (Zielläsion oder nicht) ging auf < 10 mm zurück.
  • Partielle Remission (Partial Response, PR)
    • Die Summe aller längsten Durchmesser der Zielläsionen ging um ≥ 30 % gegenüber dem Ausgangswert zurück. 
  • Progression (Progressive Disease, PD)
    • mindestens 20 % Zunahme der Summendurchmesser von Zielläsionen – und –
    • Zunahme um mindestens 5 mm
    • Schließt das Auftreten neuer Läsionen ein, also auch Rezidive.
  • Stabile Erkrankung (Stable Disease, SD)  
    • weder PR noch PD
    • Bezugsgröße sind die bisher kleinsten Summendurchmesser von Primärtumor und Metastasen.
  • Objektives Ansprechen (Objective Response, OR)
    • Abnahme des Tumordurchmessers (PR oder CR)
    • objektive Ansprechrate: prozentualer Anteil der Patienten mit einer CR oder PR

Zeit bis zur Progression (Time to Progression, TTP)

  • Zeitraum von einer vollständigen oder partiellen Remission bis zu Tumorprogression oder -rezidiv
  • Ist identisch mit der Remissionsdauer.

Auswirkung auf die Lebensqualität

  • Befinden und Funktionen – körperlich, psychisch und sozial
  • Standardisierte Fragebögen zur krankheitbezogenen Lebensqualität (Näheres s. Artikel zu den einzelnen Krankheitsbildern)

Nebenwirkungen

Leitlinie: Supportive Therapien bei Arzneinebenwirkungen9

Anämie

  • Auch bei Tumortherapie sollen weitere mögliche Anämie-Ursachen abgeklärt werden.
  • Erythropoese stimulierende Agenzien (ESA)
    • Zur Therapie der Chemotherapie induzierten Anämie kann eine ESA-Gabe
      erwogen werden (III/C).
    • Beim Erwägen des Einsatzes von ESA sollen die Patienten über Nutzen (potenzielle
      Steigerung der Lebensqualität und Verminderung der Transfusionsfrequenz) und Risiken (thromboembolische Komplikationen und Bluthochdruck) informiert werden (IV/A).
    • Bei einer Therapie mit ESA kann bei funktionellem Eisenmangel, um einen Hb-Anstieg zu erzielen, die begleitende Therapie mit i. v. Eisen erfolgen (Ib/C).
  • Erythrozytentransfusionen
    • In einer Vielzahl von klinischen Kontexten ist eine restriktive Indikation zur Transfusion nicht mit klinischen Nachteilen für Patienten mit akuter Anämie verbunden. Auch bei fehlenden Daten bei der Tumortherapie induzierten Anämie ist in Analogie von einer ähnlichen Situation auszugehen.
    • In die Entscheidungsfindung zur Transfusion gehen neben dem klinischen Zustand und der Ausprägung der Anämie-Symptomatik auch der Hb-Wert (oder der Hämatokrit), die Akuität des Blutverlusts sowie die Kompensationsmöglichkeiten und Risikofaktoren der Patienten ein.10

pfeil_7x12.png siehe Tabelle: Zytostatikatherapie, Empfehlungen zur Transfusion von Erythrozyten

    • Bei Patienten mit längerfristig bestehender Tumortherapie induzierten Anämie ist eine Transfusion bei einer Unterschreitung eines Hk von 24–21 % oder einer geringeren Hämoglobinkonzentration als 8–7 g/dl (< 5,0–4,3 mmol/l) unter Beachtung und Abwägung der Gesamtsituation zu erwägen.

Neutropenie

  • Die prophylaktische Gabe von Granulozyten-Kolonie-stimulierenden Faktoren (G-CSF) richtet sich nach dem Risiko, eine febrile Neutropenie entsprechend der individuellen Risikofaktoren und der verwendeten zytotoxischen Therapie zu entwickeln.
  • Das alleinige Vorhandensein einer afebrilen Neutropenie nach Tumortherapie rechtfertigt nicht die G-CSF Gabe.
  • Beim Auftreten einer febrilen Neutropenie nach Tumortherapie sollte keine routinemäßige Gabe von G-CSF erfolgen (Ia/B).

Übelkeit und Erbrechen

  • Einteilung akut – verzögert – antizipatorisch
    • akutA: Auftreten innerhalb von 24 Stunden nach Beginn der Tumortherapie
    • verzögertA: Auftreten später als 24 Stunden nach Beginn der Tumortherapie und Dauer bis zu 5 Tage
    • antizipatorisch: Folge einer klassischen Konditionierung
      • ausgelöst durch externe Faktoren wie Geruch, Geschmack und visuelle Eindrücke
      • durch psychische Faktoren wie Angst und Anspannung oder
      • geprägt durch Übelkeit und Erbrechen bei einer vorherigen Tumortherapie
  • Antizipatorische Übelkeit und Erbrechen
    • Ist bei Auftreten nur schwer therapierbar. Deswegen soll eine antiemetische Prophylaxe bereits ab dem ersten Therapiezyklus erfolgen.
    • Bei antizipatorischer Übelkeit und Erbrechen können angewendet werden:
      • Verhaltenstherapie, einschließlich Desensibilisierung und Hypnose
      • Benzodiazepine.
  • Nach Chemotherapie anhaltende Beschwerden
    • Bei anhaltender Übelkeit oder Erbrechen nach der Chemotherapie trotz optimaler Antiemese und sichergestellter Therapieadhärenz sind parallel zur medikamentösen Therapie andere Ursachen zu bedenken, z. B.:
      • emetogene Komedikation
      • intrakranieller Druck
      • gastrointestinale Obstruktionen.
    • Bei unzureichend kontrollierter Übelkeit oder Erbrechen trotz antiemetischer Prophylaxe während eines Therapiezyklus
      • sollte keine Dosiserhöhung der 5-HT3- oder Neurokinin-1-Rezeptorantagonisten über die empfohlene Tagesdosis hinaus erfolgen.
      • sollte die Gabe eines Antiemetikums der gleichen Substanzklasse nicht erfolgen.
  • Bei Übelkeit oder Erbrechen trotz optimaler Antiemese sind folgende Medikamente als Rescue-Antiemese einsetzbar:
    • Neuroleptika und andere Dopaminrezeptor-Antagonisten
      • Olanzapin, initial 1 x 5 mg p. o. (im Vergleich höchste Wirksamkeit, Off-Label -Use). Sollte als Rescue-Antiemese dem Metoclopramid vorgezogen werden. Die sedierende Komponente ist zu beachten (Ia/B).
      • Haloperidol, initial 1–3 x 1 mg p. o. (nur Dosisempfehlung zur Therapie von Erbrechen, ansonsten Off-Label-Use)
      • Metoclopramid, 3 x 10 mg p. o. (Tageshöchstdosis 0,5 mg/kg KG bis max. 30 mg) über 5 Tage
      • Levomepromazin, initial 3 x 1–5 mg p. o. (Off-Label-Use)
      • Alizaprid, initial 3 x 50 mg
    • Benzodiazepine:
      • Lorazepam, initial 1 x 1–2 mg p. o. (Off-Label-Use)
      • Alprazolam, initial 1 x 0,25–1,0 mg p. o. (Off-Label-Use)
    • H1-Blocker
      • Dimenhydrinat, initial 3 x 50–100 mg p. o. oder 1–2 x 150 mg rektal
  • Cannabinoide
    • Im Ausnahmefall sind CannabinoideB zu erwägen.
      • z. B. Tetrahydrocannabinol (THC), initial 3 x 5 mg, max. empfohlene Tagesdosis 50 mg

Diarrhö

  • Eine Prophylaxe der Tumortherapie induzierten Diarrhö mit Synbiotika kann bei immunkompetenten Patienten erwogen werden (Ib/C).
  • Bei unkomplizierten Diarrhöen (Grad 1 und 2 ohne Risikokonstellation) soll die Therapie der Tumortherapie induzierten Diarrhö mit Loperamid erfolgen.
  • Bei initial schweren Diarrhöen (ab Grad 3), die einer stationären Aufnahme bedürfen, kann die Therapie
    der Tumortherapie induzierten Diarrhö mit Loperamid in Kombination mit Octreotid erfolgen (Off-Label-Use).
  • Bei Loperamid-refraktärer Diarrhö sollte zusätzlich zum Elektrolyt- und Flüssigkeitsausgleich eines der folgenden Medikamente eingesetzt werden:
    • Octreotid (100–150 μg s. c. 3 x tgl., Dosiseskalation 500 μg s. c. 3 x tgl.) (Off-Label-Use)
    • Codein (15–60 mg max. 4 x tgl.) (Off-Label-Use)
    • Budesonid (9 mg 1 x tgl.) (Off-Label-Use)
    • Racecadotril (100 mg 3 x tgl.)
    • orale Aminoglykoside (Off-Label-Use)
    • Tinctura opii (0,6–1,2 ml oral, 3 x tgl.).

Orale Mukositis

  • Therapiebezogene Risikofaktoren umfassen u. a. Art und Dosierung der Chemotherapie.
    • Hochdosis-Chemotherapie
    • allogene Knochenmarktransplantation
  • Patientenbezogene Risikofaktoren umfassen u. a.:
    • eine schlechte Mundgesundheit und -hygiene
    • reduzierten Speichelfluss
    • genetische Faktoren
    • eine eingeschränkte Nieren- oder Leberfunktion
    • eine vorausgegangene Tumortherapie (z. B. Kopf-Hals-Tumoren).
  • Standardisierte Mundpflege zur Prophylaxe oraler Mukositis soll in allen Altersgruppen und bei allen Krebsbehandlungsarten mit einem Risiko für orale Mukositis erfolgen (IIb/A). Diese besteht aus:
    1. Pflege durch den Patienten
      • Mundspülung (regelmäßige Mundbefeuchtung) mit Wasser oder NaCl 0,9 %
      • Pflege der Zähne mit einer weichen Zahnbürste
      • Reinigung der Zahnzwischenräume mit Zahnseide und/oder Interdentalbürsten
      • Vermeidung von Noxen (alkohol- oder zuckerhaltige Lösungen, Tabak, scharfe und heiße Speisen, säurehaltige Lebensmittel)
      • fortlaufende Kontrolle auf Läsionen und Schmerzen
    2. risikoadaptierte vorbeugende Maßnahmen durch den Zahnarzt
    3. engmaschige klinische Kontrolle.
  • Therapie
    • Orale Mundpflegeprotokolle (s. o.) sollten begleitend zur Therapie der oralen Mukositis
      fortgeführt werden. Ein spezieller Zusatz wird nicht empfohlen (V/B).
    • Bei Bedarf sollten Opioide in der systemischen Schmerztherapie bei oraler Mukositis
      durch Chemotherapie eingesetzt werden (Ib/B).
    • Mundspülung mit Doxepin (0,5 %) kann bei Schmerzen durch orale Mukositis bei Chemotherapie angewendet werden (Ib/C) (Off-Label-Use).

Akneiformes Exanthem unter EGFR-Inhibitor-Therapie

  • Zur Prophylaxe des akneiformen Exanthems und der folgenden Xerosis cutis sollen den Patienten folgende  Verhaltens- und Basismaßnahmen während einer EGFR-Inhibitor-Therapie empfohlen werden (V/A):
    • Vermeidung mechanischer und chemischer Noxen mit Mikrotraumatisierungen der Haut, z. B.:
      • Hitze
      • Feuchtigkeit
      • Nassrasur
      • Okklusionseffekte durch enges Schuhwerk.
    • UV-Schutz
      • Vermeidung von direkter Sonneneinstrahlung oder künstlicher UV-Strahlung (Solarien)
      • durch Sonnencreme vergleichend schlechter Schutz, daher entsprechende Kleidung
    • Basispflegemaßnahmen
      • Verwendung pH 5-neutraler Bade-/Duschöle
      • Pflege mit harnstoffhaltiger Creme 5–10 % mindestens 2 x tgl.
  • Zusätzlich sollte neben Einhaltung der Verhaltens- und Basismaßnahmen während einer EGFR-Inhibitor-Therapie eine orale Prophylaxe mit Tetracyclinen (Minocyclin oder Doxycyclin) erfolgen, um den Schweregrad des akneiformen Exanthems zu verringern (Ib/B) (Off-Label-Use).
  • Eine  topische Prophylaxe des EGFR-Inhibitor-induzierten akneiformen Exanthems mit Niacinamid-Creme kann erwogen werden (IIb/C).
  • Therapie
    • Bei Auftreten eines akneiformen Exanthems sollen die Basismaßnahmen (s. o.) fortgesetzt werden (V/A).
    • Die weitere Therapie richtet sich nach dem CTCAE-Schweregrad11 (V/B):

pfeil_7x12.png siehe Tabelle: Zytostatikatherapie, Grading des akneiformen Exanthems nach CTCAE-Version 4.03

      • Grad 1: Basismaßnahmen inklusive oraler Antibiotikagabe und topische Behandlung mit antibiotikahaltiger Creme 2 x tgl. (z. B. Metronidazol, Nadifloxacin)
      • Grad 2: wie Grad 1 und topisches Steroid Klasse 2–3 (z. B. Prednicarbat-Creme)
      • Grad 3/4: Therapieunterbrechung und dermatologische Mitbehandlung.

Alopezie

  • Prophylaxe
    • Zur Verhinderung einer höhergradigen Chemotherapie induzierten Alopezie kann unter Nutzen-Risiko-Abwägung eine Kopfhautkühlung bei Chemotherapie angeboten werden (IIb/C).
  • Aufklärung und Vorbereitung der Patienten
    • Aufgrund der Stigmatisierung bei Tumortherapie induzierter Alopezie und fehlender Prophylaxe- und Therapieoptionen sollen Patienten auf die Situation vorbereitet, unterstützende Gespräche angeboten und ein gewünschter Haarersatz frühzeitig rezeptiert werden.

Hand-Fuß-SyndromC unter Zytostatika oder Multikinaseinhibitoren (MKI)

  • Prophylaxe
    • Zur Prophylaxe des Hand-Fuß-Syndroms sollen den Patienten folgende Verhaltens- und Basismaßnahmen empfohlen werden (V/A):
      • Vermeidung mechanischer Belastung (Druck, Reibung, Hitze)
      • Vermeidung von chemischen Noxen wie längerem Kontakt mit Wasser, Reinigungsmittel
      • Behandlung von Vorerkrankungen wie Intertrigo, Nekrosen, Mykosen, Hyperkeratose.
    • Zusätzlich sollte eine Prophylaxe des Hand-Fuß-Syndroms mit harnstoffhaltiger Creme 5–10 % mehrfach täglich (mind. 2 x tgl.) erfolgen (Ib/B).
  • Therapie
    • Bei Auftreten eines Hand-Fuß-Syndroms sollen die prophylaktischen Maßnahmen weitergeführt werden (V/A).
    • Zusätzlich soll substanzabhängig eine Vergrößerung der Therapieintervalle oder eine Dosisreduktion der auslösenden Substanz gegen den Nutzen der Therapie abgewogen werden (V/A).
    • Zusätzlich dazu sollte eine antientzündliche Therapie mit topischen Glukokortikoiden der Klasse 2–3 erfolgen (V/B).
    • Zusätzlich kann ein Hydrokolloidverband plantar angewandt werden (IIb/C).

Nagelveränderungen

  • Unter einer Therapie mit Nageltoxizität-auslösenden Substanzen soll eine regelmäßige Inspektion der Finger- und Fußnägel erfolgen.
  • Zur Prophylaxe von Nagelkomplikationen werden folgende Basismaßnahmen empfohlen:
    • Vermeiden von mechanischer Belastung wie Reibungen und Druck auf Nagel und Nagelplatte, z. B.:
      • übermäßige Maniküre
      • künstliche Nägel
      • Nägelkauen
      • Entfernen der Nagelhaut
      • drückendes Schuhwerk.
    • Vermeidung von chemischen Noxen wie:
      • längerer Kontakt mit Wasser
      • acetonhaltige Nagellackentferner
      • Reinigungsmittel.
    • Nagelpflege
      • gerade geschnittene, nicht zu kurze Nägel
      • tägliches Eincremen des periungualen Gewebes mit harnstoffhaltigen Externa.
  • Auch nach dem Auftreten von Nagelveränderungen wird die Fortführung der Basismaßnahmen empfohlen (s. o.).
  • Paronychien
    • Bei Auftreten von Paronychien unter EGFR-Therapie sollten von der periläsionalen Haut mikrobiologische Kulturen angelegt werden, um Erreger zu identifizieren und gezielt behandeln zu können.
    • Bei fehlendem Ansprechen auf lokale Therapiemaßnahmen sollte bei Paronchyien eine systemische antimikrobielle Therapie entsprechend dem Erregerspektrum (Abstrich) erfolgen.

Pruritus

  • Die Prophylaxe des Pruritus entspricht den Verhaltens- und Basismaßnahmen während einer EGFR-Inhibitor-Therapie (s. Abschnitt zum akneiformen Exanthem).
  • Therapie
    • Die Basismaßnahmen sollen fortgeführt werden (V/A).
    • Die weitere Therapie richtet sich nach dem Schweregrad und umfasst (V/B):
      • rückfettende Externa
      • ggf. orale Antihistaminika
      • ggf. topisches Glukokortikoid Klasse 2 (z. B. Prednicarbat-Creme).
    • Bei therapierefraktärem Pruritus unter einer EGFR-Inhibitor-Therapie kann zusätzlich zu den eingeleiteten Maßnahmen die Gabe von Aprepitant erfolgen (IIb/C) (Off-Label-Use).

Polyneuropathie

  • Diagnostik
    • Eine Untersuchung des neurologischen Status soll vor Einleitung einer potenziell neurotoxischen Tumortherapie zur Erhebung des Ausgangsbefundes und Identifizierung von Risikopatienten erfolgen.
    • Vor jedem Zyklus soll eine genaue Anamnese unter besonderer Berücksichtigung möglicher Neurotoxizitäten, ggf. auch eine Wiederholung des Neuro-Status, erfolgen.
    • Durch die Erfassung der Patient-reported Outcomes in Ergänzung zur Anamnese und klinischen Untersuchung kann die Rate der frühzeitig diagnostizierten Chemotherapie induzierten Polyneuropathie erhöht werden.
      • Geeignete Fragebögen zur Erhebung des Patient-reported Outcome sind z. B. Total Neuropathy Score (TNS) oder QLQ-CIPN 20.
  • Risikofaktoren
  • Prophylaxe
    • Zur Verhinderung einer höhergradigen Chemotherapie induzierten Polyneuropathie ist ihre frühzeitige Erkennung entscheidend.
    • Zur Vermeidung eines Funktionsverlustes durch Chemotherapie induzierte Polyneuropathie kann bereits mit Beginn einer potenziell neurotoxischen Tumortherapie eine Anleitung zum regelmäßigen Funktionstraining (s. u.) erfolgen.
  • Therapie (Funktionalität)
    • Bei manifester Chemotherapie induzierter Polyneuropathie sollte zur Verbesserung der Funktionalität eine Bewegungstherapie erfolgen. Dieses kann enthalten:
      • Balanceübungen
      • sensomotorisches Training
      • Koordinationstraining
      • Vibrationstraining
      • Feinmotoriktraining.
  • Schmerztherapie (Näheres siehe auch Artikel Neuropathische Schmerzen)
    • Eine Therapie der Schmerzen bei Chemotherapie-induzierter Polyneuropathie mit
      • Duloxetin sollte erwogen werden (Ib/B) (Off-Label-Use).
      • Venlafaxin kann erwogen werden (Off-Label-Use).
      • Amitriptylin kann erwogen werden (Ib/C).
      • Gabapentin kann erwogen werden (Ib/C).
      • Pregabalin kann erwogen werden.
    • Opioide sind wirksame Medikamente in der Therapie von neuropathischen Schmerzen.
      • Nebenwirkungen und Toleranzentwicklung können die Anwendung limitieren.
    • Die topische Therapie der Chemotherapie-induzierten Polyneuropathie
      • in Form einer Pflastertherapie von Capsaicin 8%-ig oder Lidocain (5 %) kann als Salvageoption erwogen werden.
      • mit 1%-igem Menthol kann erwogen werden.

Therapieassoziierte Osteoporose

  • Risikofaktoren
    • tumor- oder therapieassoziiert
      • frühe therapieinduzierte Menopause
      • androgensupprimierende Therapie beim Prostatakarzinom
      • östrogensupprimierende Therapie beim Mammakarzinom
      • längerfristige Steroidtherapie (Frakturrisiko steigt mit Dosis und Dauer)
      • tumorassoziierte Kachexie mit Muskelsubstanzverlust
    • für primäre Osteoporose
      • niedrige Knochendichte laut T-Score (s. Artikel Osteoporose)
      • höheres Lebensalter
      • Rauchen
      • längerfristige Immobilität
      • Malnutrition
      • Malabsorption
      • positive Familienanamnese für Osteoporose
      • prävalente Fragilitätsfrakturen
  • Diagnostik
    • Eine Basisdiagnostik zur Osteoporose bei Patienten mit Krebserkrankung unter Tumortherapie soll erfolgen bei:
      • Einleitung einer antihormonellen Maßnahme
      • therapie-induzierter früher Menopause
      • längerfristiger Steroidtherapie
      • erhöhtem Risiko für primäre Osteoporose.
    • Die empfohlene Basisdiagnostik bei bestehendem Risikoprofil besteht aus:
    • Bei V. a. Frakturgefährdung soll ein röntgenbasiertes Verfahren (Nativ-Röntgen/ CT) erfolgen.
    • Bei neurologischen Ausfällen mit Verdacht auf Myelonkompression sollte eine MRT durchgeführt werden.
  • Prophylaxe und Therapie
    • Die Prophylaxe und Therapie ossärer Tumormanifestationen ist Bestandteil eines onkologischen Gesamtkonzeptes und auch Bestandteil der jeweiligen organspezifischen Leitlinie (Näheres s. auch Artikel Skelettmetastasen.
    • Basismaßnahmen zur Prophylaxe der Tumortherapie-assoziierten Osteoporose
      • regelmäßige körperliche/sportliche Aktivität
      • Vermeidung von Immobilisation
      • Verzicht auf Rauchen
      • Reduktion übermäßigen Alkoholkonsums
      • Vermeidung von Untergewicht (BMI unter 20)
      • Vermeidung hoch dosierter und unnötiger Supplemente
      • Ernährung mit ausreichend Kalzium
    • medikamentöse Prophylaxe und Ernährung
      • Zur Prophylaxe einer Tumortherapie assoziierten Osteoporose sollte eine tägliche
        Vitamin-D-Supplementation mit 800–1.000 I. E. Vitamin D3 erfolgen (Ia/B).
      • Zur Prophylaxe einer Tumortherapie assoziierten Osteoporose sollte eine tägliche Gesamtzufuhr von 1.000 mg bis max. 1.500 mg Kalzium gewährleistet sein, besonders unter antiresorptiver Therapie. Dies sollte nach Möglichkeit über die Ernährung erfolgen. Eine zusätzliche Supplementierung wird nur empfohlen, wenn die Zufuhr über die Ernährung nicht ausreichend sichergestellt werden kann (Ia/B).
      • Bei antiresorptiver Therapie soll eine regelmäßige Kontrolle der Kalziumwerte erfolgen, um eine Hypokalzämie zu vermeiden. Bei diesen Patienten soll eine adäquate Kalzium-Gesamtzufuhr gewährleistet sein.
    • Die  Therapie der Tumortherapie assoziierten Osteoporose beinhaltet:
      • Fortführung der Basismaßnahmen (s. o.)
      • ausreichende Einnahme von Vitamin D (800–1.000 I. E./Tag)
      • kritische Indikation knochenschädlicher und sturzfördernder Medikamente
      • antiresorptive Therapie (Bisphosphonate/RANK-Liganden-Antikörper), unter östrogen- oder androgensuppressiver Therapie oder einer Therapie mit Glukokortikoiden ≥ 7,5 mg Prednisolonäquivalent täglich für > 3 Monate: indiziert bei einem T-Score < –1,5.

A Da die Therapie dieser Nebenwirkungen in aller Regel im Rahmen der klinischen Behandlung an onkologischen Zentren erfolgt, ist sie hier nicht weiter ausgeführt. Für weitere Details s. S3-Leitlinien zur supportiven Therapie bei onkologischen PatientInnen.

B Näheres zur Cannabinoid-Behandlung bei chemotherapieinduzierter Übelkeit und Erbrechen s. auch Artikel Übelkeit und Erbrechen, palliative Behandlung und Cannabinoid-haltige Arzneimittel

C Schmerzhafte erythematöse Läsionen betont palmoplantar in Zusammenhang mit einer medikamentösen Tumortherapie

Es wird zwischen den folgenden allgemeinen Nebenwirkungen unterschieden

  • Unmittelbare Nebenwirkungen
  • Frühe Nebenwirkungen – innerhalb weniger Stunden
    • Übelkeit, Erbrechen (häufig)
    • Fieber (selten)
  • Mittelfristige Nebenwirkungen – innerhalb von Tagen bis Wochen
    • Einfluss auf das Knochenmark (hämatologische Nebenwirkungen)
      • nach 1–3 Wochen – bei den meisten Zytostatika
      • nach 4–6 Wochen – bei Nitrosoharnstoffen
    • Stomatitis
    • Alopezie
    • Diarrhö
    • Polyneuropathie
    • Obstipation
    • paralytischer Ileus
    • Zystitis
    • Nierentoxizität
  • Spätfolgen – nach Monaten und Jahren, z. B.:
    • Haut – Hyperpigmentierung
    • Schäden an lebenswichtigen Organen – Herz, Lunge
    • gonadale Störungen – Amenorrhö, verminderte Spermienkonzentration
    • onkogene Wirkung – z. B. sekundäre Leukämie

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Weitere Informationen

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Krebsgesellschaft (DKG). S3-Leitlinie Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen. AWMF-Leitlinie Nr. 032-054OL. S3, Stand 2017. www.awmf.org

Literatur

  1. Desoize B, Madoulet C, Particular aspects of platinum compounds used at present in cancer treatment. Crit Rev Oncol Hematol 2002; 42: 317-25. PubMed
  2. Siddik ZH. Cisplatin: mode of cytotoxic action and molecular basis of resistance. Oncogene 2003; 22: 7265-79. PubMed
  3. Steward DJ. Mechanisms of resistance to cisplatin and carboplatin. Crit Rev Oncol Hematol 2007; 63: 12-31. PubMed
  4. Hartmann JT, Lipp H-P. Toxicity of platinum compounds. Expert Opin Pharmacother 2003; 4: 889-901. PubMed
  5. Yao X, Panichpisal K, Kurtzman N, Nugent K. Cisplatin nephrotoxicity: A review. Am J Med Sci 2007; 334: 115-24. PubMed
  6. Adams GP, Weiner LM. Monoclonal antibody therapy in cancer. Nature Biotechniology 2005;23(9):1147-57. PubMed
  7. Deutsche Krebsgesellschaft. Antihormonelle Therapie bei Brustkrebs. Berlin 23.02.2017. www.krebsgesellschaft.de
  8. Eisenhauer EA, Therasse P, Bogaerts J et al. New response evaluation criteria in solid tumours: revised RECIST guideline (version 1.1). Eur J Cancer 2009; 45:228-47. PMID: 19097774 PubMed
  9. Deutsche Krebsgesellschaft (DKG). S3-Leitlinie Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen. AWMF-Leitlinie Nr. 032-054OL, Stand 2017. www.awmf.org
  10. Hoppe JD, Scriba PC, Klüter H. Querschnitts-Leitlinien (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten. Berlin 2014 www.bundesaerztekammer.de
  11. National Institutes of Health (NCI). 1. CTCAE 4.03 Common Terminology Criteria for Adverse Events (CTCAE). Bethesda, ML, USA 2010. www.eortc.be

Autoren

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
  • Maria Albertsson, professor och överläkare, Onkologiska kliniken, Universitetssjukhuset Linköping (Medibas)

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