Leistenbruch (Leistenhernie)

Ein Leistenbruch ist eine Ausstülpung von Gewebe aus der Bauchhöhle durch eine angeborene oder erworbene Lücke in den Bauchwandschichten. Die Wölbung ist möglicherweise gut zu sehen oder unter der Haut zu tasten.

Was ist ein Leistenbruch?

Definition

  • Ein Bruch ist die Ausstülpung von Gewebe (Fett, Bauchfell oder Darmanteile) aus der Bauchhöhle durch eine angeborene oder erworbene Lücke in den Bauchwandschichten nach außen.
    • Die Bauchwand ist aus verschiedenen flachen Muskeln aufgebaut, zwischen denen sich jedoch Lücken ausbilden können.
    • Durch die Lücken können Anteile des Bauchfells oder auch anderer Bauchorgane bis unter die äußere Haut herausgedrängt werden.
    • Der Bruch erscheint wie eine kleinere oder größere Beule, vor allem wenn Betroffene aufrecht sitzen, husten oder den Druck im Bauch erhöhen (etwa beim Pressen). Kleine Brüche sind von außen nicht sichtbar.
  • Brüche treten hauptsächlich an vier Stellen auf:
    • in der Leiste: Leistenbruch/Inguinalhernie (siehe Illustration)
    • im Übergang zum Oberschenkel: Oberschenkelbruch/Schenkelhernie (siehe Illustration)
    • im Nabelbereich: Nabelbruch, gewöhnlich bei Kindern
    • Brüche können auch im Bereich von Operationsnarben entstehen (Narbenbruch).

Beim Leistenbruch gelangt Gewebe aus der Bauchhöhle in jenen Kanal, durch den bei der männlichen Entwicklung der Hoden aus der Bauchhöhle in den Hodensack gewandert ist. Bei Mädchen ist dieser Kanal in der Regel kaum ausgebildet. Bleibt der Kanal in der weiteren Entwicklung offen, kann v. a. bei Jungen ein Leistenbruch entstehen. Der Inhalt des Bruches kann bis in den Hodensack vordringen. Bei einem Leistenbruch können z. B. Schlingen des Dünndarms in den Bruch drücken.

Eingeklemmte Hernie (Inkarzeration) – das ist ein Notfall!

Haben sich Darmschlingen im Bruch verklemmt und lassen sich nicht mehr in die Bauchhöhle zurückdrücken, wird dies als eingeklemmte Hernie (Inkarzeration) bezeichnet. Mitunter kann die Darmschlinge so stark eingeklemmt werden, dass die Blutzufuhr aus dem Darm abgeschnitten wird. Als Folge kann das betroffene Darmgewebe absterben. Es treten starke Schmerzen auf, und eine Operation sollte schnellstmöglich durchgeführt werden, um schweren Schäden am Darm und einer Entzündung der Bauchhöhle vorzubeugen.

Symptome

Die Betroffenen erkennen eine tastbare Schwellung (wie eine Beule) im Bereich der Leiste. Die Vorwölbung wird besonders im Stehen oder beim Husten sichtbar. Zusätzlich treten Schmerzen in der Leiste, im Genitalbereich oder beim Wasserlassen auf. Manche Betroffene beschreiben eine vermehrte Darmaktivität und einen krampfartigen, schmerzhaften Stuhldrang. Bei größer werdenden Hernien nehmen auch die Beschwerden im Laufe der Zeit zu.

Bei einem eingeklemmten Bruch treten sehr starke Schmerzen auf und die Vorwölbung lässt sich nicht zurückschieben. Zusätzlich entwickeln die Betroffenen Übelkeit und Erbrechen, evtl. auch Fieber, Herzrasen und niedrigen Blutdruck. Kinder sind manchmal lediglich unruhig und weinen anhaltend bis sie schließlich erbrechen. Bei Säuglingen kann Reizbarkeit das einzige Symptom sein.

Ursachen

Leistenbrüche bei Kindern sind auf eine angeborene Schwäche in der Bauchwand zurückzuführen, während sie im Erwachsenenalter meist aufgrund von Krankheiten mit Bindegewebsschwäche, nach Operationen, möglicherweise auch langanhaltenden Arbeiten mit schwerem Heben oder anderer Zustände mit erhöhtem Druck in der Bauchhöhle auftreten. Hierbei können die Muskulatur und das Bindegewebe in der Bauchwand geschwächt werden, und es entsteht ein Bruch.

Ungünstige Faktoren, die das Risiko für einen Leistenbruch erhöhen, sind:

  • Männliches Geschlecht
  • Hohes Alter
  • Rauchen
  • Frühgeburt
  • Gehäuftes Vorkommen in der Familie
  • Bindegewebserkrankungen
  • Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung
  • Erhöhter Druck im Bauch, z. B. bei Übergewicht oder Schwangerschaft
  • Operative Entfernung der Prostata.

Häufigkeit

  • Jährlich entwickeln 0,8–5 % aller Kinder Leistenhernien.
    • Frühgeborene sind deutlich häufiger betroffen (30 %).
  • Im Laufe des Lebens entwickeln nur 3 % aller Frauen eine Leistenhernie, während bei Männern das Lebenszeitrisiko bei 37 % liegt.
  • Das Risiko, eine Leistenhernie zu bekommen, steigt mit dem Alter.
  • Die rechte Seite ist häufiger betroffen.

Untersuchungen

  • Bei typischen Symptomen sind in der Regel keine weiteren Untersuchungen erforderlich, um die Diagnose zu stellen.
  • In unklaren Fällen kann eine Bildgebung notwendig sein:
    • eine Ultraschalluntersuchung
    • eine Computertomografie (CT)
    • eine Magnetresonanztomografie (MRT).
  • Kleine Kinder mit einer Leistenhernie haben in 10 % der Fälle auch auf der anderen Seite eine Hernie. Zur Kontrolle der Gegenseite ist eine Ultraschalluntersuchung sinnvoll.
  • Besteht der Verdacht auf eine eingeklemmte Hernie (Notfall!), werden Elektrolyte und Entzündungsparameter im Blut bestimmt.

Behandlung

  • Leistenhernien bei kleinen Kindern werden frühzeitig operiert, um eine Einklemmung zu verhindern.
  • Erwachsenen Männern mit einer Leistenhernie wird ebenfalls eine Operation empfohlen.
    • Alternativ kann der Eingriff auch abgewartet werden, so lange die Hernie nicht größer wird oder Beschwerden verursacht. Die Behandlungsstrategie wird „Watchful Waiting" (Beobachten und Abwarten) genannt.
  • Frauen mit Hernien wird eine baldige Operation empfohlen, da bei ihnen das Risiko für eine Einklemmung erhöht ist.
  • Eine eingeklemmte Hernie ist ein Notfall! Die Hernie wird schnellstmöglich operiert.
    • Wenn Teile des Darms abgestorben sind, werden diese bei der Operation ebenfalls entfernt.
  • Eine Leistenhernie lässt sich grundsätzlich in einem offenen chirurgischen Eingriff oder im Rahmen einer operativen Bauchspiegelung (Laparoskopie) chirurgisch behandeln. Es gibt viele unterschiedliche Techniken.
    • Der Inhalt der Hernie wird entfernt oder zurückverlagert. Anschließend kann die Lücke in der Bauchwand durch eine Naht verschlossen werden.
    • Heutzutage wird in den meisten Fällen ein Kunststoffnetz ins Gewebe eingebracht, das die betroffene Stelle der Bauchwand verschließt und verstärkt. Die verschiedenen Netzoperationen gelten als gleichwertige Operationsverfahren, die Auswahl wird v. a. durch die Expertise der Chirurg*innen bestimmt.
  • Weisen Frühgeborene einen angeborenen Leistenbruch auf, wird dieser in der Regel noch vor der Entlassung aus der Klinik operiert.

Prognose

  • Eine Hernie kann sich im Laufe der Zeit vergrößern.
  • Bei sehr großen Hernien kommt es seltener zu einer Einklemmung.
  • Nach der Operation kann eine Hernie erneut auftreten.
  • Das Komplikationsrisiko ist bei Notoperationen (eingeklemmte Hernien) bis zu 20- mal höher als bei geplanten Hernienoperationen.
  • Jede 10. Person entwickelt nach der Operation langanhaltende Schmerzen.
    • genannt „chronische postoperative inguinale Schmerzen"(CPIP)
    • seltener bei operativen Bauchspiegelungen
    • Bei Erwachsenen, die als Kinder an einem Leistenbruch operiert wurden, kommt es bei ca. 3 von 100 Betroffenen zu anhaltenden Leistenschmerzen.

Illustrationen

 

Inguinalhernie.jpg
Leistenbruch

 

 

Leistenbruch
Leistenbruch

 

Schenkelhernie
Schenkelhernie

Weitere Informationen

Autorin

  • Hannah Brand, Dr. med., Ärztin, Berlin

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Leistenhernie. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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